Читать книгу Was spinn` ich und wenn Haar, wie Fiele? - Thomas Häring - Страница 4
Die Stunde der Narrheit
ОглавлениеSophia Altklug war eine gebildete Frau, auch ihren Professorinnentitel trug sie mit Würde, nur eine Sache beschäftigte sie nach wie vor. "Ich kann immer noch nicht begreifen, wie ich so dumm sein konnte, mich mit diesem Dummkopf einzulassen", bekannte sie beim Kaffeetrinken mit ihrer besten Freundin Frida. Jene schenkte sich Kaffee nach, biß herzhaft in ein Stück Kuchen, krümelte dabei ein wenig herum wie das Krümelmonster, kaute, schluckte und ließ danach Folgendes von sich hören: "Warum machst Du es Dir so schwer? Im Leben geht es nun mal meistens Schritt für Schritt hoch auf der Leiter. Ganz gleich ob in der Karriere oder im Privatleben. Die Liaison mit Professor Dummkopf hat Dich auf die Beziehung mit dem Dekan vorbereitet. Ohne Dummkopf wärst Du heute nicht mit Dekan Hohlschuh zusammen." Sophia wiegte nachdenklich mit dem Kopf hin und her. "Mag sein, aber daß ich es nicht gemerkt habe, daß dieser Dummkopf die ganze Zeit nur junge Studentinnen flachlegt, das werde ich mir nie verzeihen", bekräftigte sie mit entschlossenem Blick und holte sich danach noch ein Stück Kuchen auf ihren Teller. Ihre Freundin beobachtete kurz das Geschehen um sie herum, bevor sie sich wieder Frau Altklug zuwandte. "Ich finde, daß Du es Dir dabei zu leicht machst. Zu einer Beziehung gehören immer zwei und zu einer flotten Bettgeschichte erst recht. Dummkopf ist nicht der Täter, aber natürlich auch nicht das Opfer. Die Studentinnen machen sich ja schließlich auch an ihn heran, nicht nur umgekehrt." "Aber daß er seine Macht dermaßen mißbrauchen muß. Ich meine, ich schlafe ja auch nicht mit meinen 25jährigen Studenten, obwohl denen das bestimmt gefallen würde." Frida warf Sophia einen verwunderten Blick zu. "Was soll das heißen? Willst Du etwa Deinen Dekan hintergehen?" "Natürlich nicht. Schließlich bin ich überglücklich mit Frederik. Trotzdem, ich hätte es wissen und merken müssen. Mein Ex ist ja auch während unserer Beziehung fremdgegangen." "Alles Schnee von gestern. Außerdem hättest Du es durchaus vorher schon wissen können. Namen sagen schließlich oft viel mehr als alle anderen Worte." "Da hast Du leider völlig Recht. Ich weiß noch, wie lustig und faszinierend ich es fand, mit Professor Doktor Dummkopf zusammen zu sein. Damals hat er mir seine ganze Familie so präsentiert: "Mein Vater war Kain Dummkopf. Seine Frau hatte einen anderen Namen und wollte seinen auch nicht annehmen, was ihn sehr verletzt hat. Mein ältester Bruder, Reiner Dummkopf. Meine Schwester, Vara Dummkopf. Dann bin da ich selbst, Merwin Dummkopf und zu guter Letzt mein jüngerer Bruder, Jan Dummkopf." Ich hätte mich seinerzeit bepissen können vor Lachen." "Das kann ich gut verstehen", gab Frida zu und schüttete sich etwas Schnaps in ihren Kaffee. "Du und Dein Alkoholproblem, Ihr seid mir schon zwei so Kameradinnen. Wenigstens säufst Du nicht so viel wie mein Verflossener. Egal, ich meinte damals zu ihm einmal ganz beeindruckt, er wäre weise und da erwiderte er nur: "Von wegen, ich bin Vollwaise"." "Ja, er hatte wohl wirklich eine schwere Kindheit, Dein Ehemaliger. Aber Schluß jetzt mit den alten Geschichten! Vorbei ist vorbei, Du bist schon längst nicht mehr mit ihm zusammen und er wird den Sinn des Lebens wohl auch nicht für immer zwischen den Schenkeln von jungen Studentinnen suchen und finden", vermutete Frida. "Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich war ja immer eher die Intellektuelle und wollte stundenlang diskutieren, aber das strengte ihn an, denn er war mir geistig einfach nicht gewachsen. Deswegen versuchte er auch immer, unsere Beziehung überwiegend auf die körperliche Ebene zu ziehen." Sie schauten sich etwas betreten an. Frida langweilte sich ziemlich, denn es nervte sie, daß ihre Freundin Sophia immer noch so viel und oft an Merwin Dummkopf dachte, obwohl der doch längst Geschichte für sie sein hätte müssen. Aber so war es oft im Leben: Man vermißte meist das, was man nicht mehr hatte, obwohl es auch nicht das große Los gewesen war, das man seinerzeit gezogen gehabt hatte. "Was mir bei Frederik fehlt, ist das Animalische. Er ist immer so vernünftig und will alles mit dem Verstand ausdiskutieren. Er rastet auch nie aus, sondern debattiert lieber leidenschaftlich stundenlang, ohne dabei seine Contenance zu verlieren", beklagte sich Sophia und gähnte. Frida dachte sich ihren Teil, kam aber nicht umhin, darauf zu antworten. "Weißt Du, am besten wäre es, wenn Du eine Mischung aus Dummkopf und Hohlschuh hättest. Aber wahrscheinlich würdest Du auch an dem was auszusetzen haben." Sophia blickte pikiert auf. "Findest Du? Bin ich dermaßen anspruchsvoll und deswegen so schwer zu befriedigen? Glaubst Du etwa am Ende gar, daß es für mich gar keinen passenden Partner gibt, weil ich immer etwas finden werde, was mich an ihm stört?" Frau Altklug war nun durchaus etwas aufgebracht, weshalb ihre Freundin schnell versuchte, die Wogen zu glätten. "Nein, natürlich nicht. Aber Du liebst halt mal das Extreme und deshalb bist Du auch vom Frauenflüsterer zum Bienenzüchter gewechselt." "Ja, aber wenn ich gewußt hätte, was der Dummkopf für ein Holzkopf ist, dann hätte ich mich doch nie im Leben mit dem eingelassen." Frida schüttelte energisch den Kopf. "Von wegen! Dann erst recht! Die Womanizer sind es doch, die uns Frauen am allermeisten faszinieren. Wir wissen, daß sie untreu sind und genau das macht den Reiz aus, denn in unserer grenzenlosen Selbstüberschätzung sind wir felsenfest davon überzeugt, daß sie nur noch nicht die Richtige, nämlich uns, gefunden haben. Deswegen glauben wir, daß sie uns treu sein werden, da wir ihnen ja alles geben, was sie brauchen. Aber das ist ein fataler Irrtum! Männer, die fremdgehen, werden das ihr ganzes Leben lang tun, denn sie können und wollen nicht anders", bilanzierte Frida und stand auf. Sophia blieb wie erschlagen auf ihrem Stuhl sitzen. Das saß. "Wahrscheinlich hast Du Recht. Aber die Wahrheit will niemand gerne hören", konstatierte sie, bevor auch sie sich erhob. Danach bezahlten sie ihre Rechnung und verließen die Konditorei mit nachdenklichen Mienen.