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ОглавлениеKapitel 2
Regelmissachtung und Strafschläge
Nach dem Lesen des ersten Kapitels könnte man meinen, Golf sei Kampf und hätte etwas mit Durchsetzungsvermögen zu tun. Hat es auch – aber nur äußerst selten!
Ein weiser Mann hat mal formuliert „die Beklopptenquote ist überall gleich hoch – egal, ob im Beruf, in der Nachbarschaft oder im sonstigen öffentlichen Leben.“ So ganz stimmt das zwar nicht: Je nach sozialem Umfeld und genossener Erziehung zeichnen sich hier schon deutliche Unterschiede ab. Aber: Alleine die Tatsache, dass man golft, ist noch lange keine Gewähr dafür, dass man auch eine gute Erziehung genossen hat oder einem guten sozialen Umfeld entstammt. Somit nimmt es kein Wunder, dass schlechtes Benehmen auch beim Golfen gelegentlich zu Tage tritt.
Möglichweise gibt es beim Golfen zwar weniger gestörte Persönlichkeiten als im sonstigen öffentlichen Leben, aber dadurch, dass man sich beim Golfen zeitweilig sehr nahe kommt, ersatzweise genügen hier auch die Spielgeräte der Mitspieler oder Kontrahenten, kann es vermehrt zu Stresssituationen kommen.
Mitspieler, die es im Beruf zu etwas gebracht haben, die womöglich über ein tolles Auto verfügen und evtl. sogar über eine gut aussehende Ehefrau / seltener über einen gut aussehenden Ehemann, können beim Golfen diese Statussymbole leider nicht unmittelbar mit sich führen.
Sie fühlen sich dann nackt und angreifbar und sie neigen in Stresssituationen häufig dazu, ihren Status durch die Verhaltensweise von Alphamännchen zu unterstreichen. Nur wenn man dies weiß und sich darauf einstellt, bleibt Golf spielen auch auf gut besuchten Golfplätzen die entspannendste und gleichzeitig aufregendste Nebensache der Welt.
Wie stellt man sich auf Alphamännchen und auf Wadenbeißer ein? Zunächst einmal, indem man die Regeln kennt!
Wie bereits oben beschrieben, dienen die Regeln der Vergleichbarkeit, ohne die kein Sieger ermittelt und gekürt werden könnte. Aber sie sollen auch einen reibungslosen Spielfluss ermöglichen, bei dem jeder Spieler zu jeder Zeit weiß, wann und wie er spielen darf.
Wenn sich jeder Mitspieler an die zwar etwas unübersichtlichen, aber in vielen Jahren bewährten Regeln hält, kann es praktisch zu keinen Stresssituationen kommen. Unmut kommt meistens erst auf, wenn sich ein Mitspieler entweder nicht an die Regeln hält oder aber ein Kontrahent aus Unwissenheit vermutet, dass der andere sich nicht an die Regeln hält.
Regelverstöße werden meistens mit Strafschlägen geahndet. Strafschläge verschlechtern das Spielergebnis des Bestraften und sie verbessern in Relation hierzu das Ergebnis aller nicht Bestraften. Dies ist häufig genug Motivation dafür, Mitspieler mit berechtigten oder auch unberechtigten Strafschlägen zu überziehen.
Dies zeigen Beispiele aus der Praxis.
Spielen von außerhalb des Abschlags
Gemäß Regel 11-4 ist beim Abschlag das Spielen von außerhalb des Abschlags unzulässig. Es wird beim Zählspiel mit zwei Strafschlägen sanktioniert. Ich habe mich immer gefragt, wie ist das eigentlich möglich: Ein Mitspieler sieht, dass der Abschlagende im Begriff ist, von außerhalb des Abschlags zu schlagen – er macht ihn aber nicht darauf aufmerksam, sondern wartet in aller Ruhe den Abschlag ab, um dann genüsslich zu verkünden: „Dein Tee befindet sich vor der Abschlagsmarkierung!! – Zwei Strafschläge!“
Was um Gottes Willen hat eine solche Verhaltensweise mit dem Spirit of the Game zu tun? Rein gar nichts! Hier zeigt das Alphamännchen seine Macht, der Wadenbeißer betreibt Frustabbau. Keine Frage, wenn die Regel nicht eingehalten wurde, so ist dies zu sanktionieren (zumindest im Turnier). Aber warum hilft man dem Mitspieler nicht dabei, den Regelverstoß zu vermeiden, indem man ihn v o r dem Abschlag auf seine Ballpositionierung hin anspricht??
Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass der Regelverstoß tatsächlich erst nach dem Abschlag beobachtet wurde, bieten sich andere Vorgehensweisen an. Zum Beispiel: „Aus meinem Blickwinkel heraus sah es so aus, als ob Du den Ball von vor der Abschlagslinie geschlagen hättest. Du weißt ja, dass dies dann zwei Strafschläge nach sich ziehen würde. Ich kann mich aber auch geirrt haben. Wie siehst Du das?“
Auf diese Weise würde man es vermeiden, einem unbedarften Anfänger das Spielergebnis und die Spielfreude zu vermiesen, ihn aber gleichzeitig auf sein Fehlverhalten aufmerksam machen, so dass er dieses für die Zukunft korrigieren kann. Er kann dann immer noch mit sich selbst abmachen, ob er ein Spielergebnis unter akribischer Regelanwendung oder ein geschöntes Ergebnis („das hab ich ja nicht mit Absicht getan“) präferiert. Streit und dessen negative Auswirkungen auf das eigene Spiel werden vermieden.
Mir ist bewusst, dass ich mit dieser laxen Einstellung bei den Regelpäpsten einen Aufschrei provoziere. Regeln sind immer anzuwenden! Es werden keine Ausnahmen gemacht! Aber, hey, Regelpäpste: 1.) lässt sich Einfühlungsvermögen nicht wirklich reglementieren und 2.) Nein, ich habe nicht gegen Regel 1-3 „Übereinkunft über Nichtanwendung von Regeln“ verstoßen. Denn: Aus meinem Blickwinkel heraus war die Ballposition tatsächlich nicht exakt zu bestimmen …
Ball im Wasserhindernis
Eine vergleichbare Situation gibt es im Wasserhindernis: Der Ball befindet sich jenseits der farbigen Markierungen, ist aber noch spielbar, weil nicht im Wasser befindlich. Ein hier immer wieder, nicht nur bei Anfängern, gern gemachter Fehler ist es, den Schläger vor dem Schlag im Hindernis aufzusetzen. Dies ist nach Regel 13-4 unzulässig und wird wiederum mit zwei Strafschlägen geahndet.
Im Unterschied zum Abschlag von fünf Zentimetern vor der Abschlagsmarkierung verschafft sich der Bewerber durch das Aufsetzen des Schlägers im Hindernis aber einen deutlichen Vorteil durch die somit erhöhte Schwungstabilität. Insofern würde ich es selbst bei Anfängern nicht als Wadenbeißerei ansehen, diesen Verstoß zu ahnden. Regelkundigkeit hätte hier geholfen, Stress zu vermeiden!
Aber auch hier gilt: Wird die Tendenz zum Regelverstoß bereits vor dem Schlagen erkannt, können dezente Hinweise („Du weißt ja, dass man den Schläger im Hindernis nicht aufsetzen darf“) unschöne Verbalkollisionen in der Folge vermeiden helfen. Gelingt es dem Spieler anschließend unter Regeleinhaltung einen sauberen Schlag zu produzieren, so ist die Freude hierüber gleich um einiges größer als im Falle eines erschlichenen Spielerfolges.
Merke: Ein regelkundiger Spieler hat das Zeug sowohl zum beliebten als auch zum glücklichen Spieler!