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Todkrank?

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Eines sollte ein neu-Rehaianer gleich als Erstes wissen: Die Klinik wird zu Anfang eine schwere Zusatz-Erkrankung feststellen! Trotz meiner Erfahrung lasse ich mich auch ein Drittes Mal hereinlegen: nach einer Leberkrankheit (1. Reha) und schwerster Gicht (2. Reha) habe ich diesmal Zucker!

Ein ´umfangreicher´ Test (kleines Blutbild) wird gleich am ersten Morgen nach dem Anreisetag gemacht. Und zwar morgens um 07:00 Uhr! Zu dem Thema „Morgen“ wird in einem späteren Kapitel noch näher eingegangen. Jedenfalls hatte ich um 07:00 Uhr erst 3 Stunden geschlafen und erst seit 4 Stunden nichts gegessen. Und mir wurde an einem Freitag gesagt (Donnerstagsnachmittags kam ich an), dass ich wohl Zucker hätte. Ob auch nahe Verwandtschaft von mir daran litte. Ich meinte „Ja, mehrere!“ Ich war wie vom Blitz getroffen! Zucker! Ich auch! Ob das sicher wäre? „Ja, wir prüfen das nochmal am Montag mit einem weiteren Test!“ So verbrachte ich das Wochenende mit innerer Angespanntheit ob einer neuen Krankheit, befragte schon einen Mitpatienten mit Diabetes, was mir nun bevor stünde, er wollte mir gleich ein Spritzenset schenken, und ich sah beide Füße schon ab, als es Montagsmorgens erneut zum Bluttest ging. Beim Montagsnachmittags-Arzttermin lag der aber noch nicht vor, das Labor hätte Rückstände. Der Blutdruck stieg, ich wurde auf morgen, Dienstag vertröstet. Dienstags hieß es dann, mein Arzt sei heut´ nicht da, ich solle halt bis Mittwochs warten. Beziehungsweise besser bis Donnerstag, Mittwoch habe er Urlaub. Ich forderte einen anderen Arzt – das ginge nur morgens! Ich lief der zuständigen Schwester in den Aufzug hinterher und bat nun einfach um eine Kopie meines zweiten Bluttests, ich würde den Wert selber erkennen, natürlich hatte ich über das Wochenende und Montags das gesamte internet über Zucker-Blutwerte durchgeackert. Man soll die Kopie einfach unter meiner Zimmertür durchwerfen.

„Ahaha!“, lachte sie, „das wird niemand machen!“

Die Abweisung war für mich nicht hinnehmbar.

Ich wusste, das Ergebnis liegt vor, schlummert in seiner Akte vor sich hin, und niemand in einer Klinik voller Leute macht es mir zugänglich! Ich war als Banker mehr als genug geschult, meine Anliegen zu einem Ergebnis zu bringen.

Ich drückte auf die Stopp-Taste vom Aufzug, der auch sofort mit einem Ruck stehen blieb. Die Schwester stutze – und ich monologisierte, ohne Kommentare oder Widersprüche zuzulassen (wofür sie auch in der Situation zu überrascht war): „So, jetzt reden wir beide mal über mein Anliegen! Ihre Klinik, Sie! [mein Zeigefinger fuhr aus], haben eine potentiell tödliche Krankheit bei mir festgestellt! Am Freitag! Ein Gegentest, der dies bestätigt oder nicht liegt nun seit gestern in meiner Akte! Ich könnte in naher Zukunft Füße oder Augen verlieren, verstehen Sie, dass mich das ein klein bisschen anspannt??? Also, noch in dieser Stunde [hielt ihr die Uhr unter die Nase] erfahre ich den zweiten Blutwert, egal, wer ihn mir gibt, egal, wer ihn mir vorliest!“

Das zeigte Wirkung! „Ma muss nur schwetze mit de Leit!“, sagt man bei uns im Saarland [saarl.: Man muss nur mit den Leuten reden, um ans Ziel zu kommen!]. Sie stotterte etwas und bat mich dann, ihr zu folgen in die Ärztestation. Dort machte nichts den Eindruck, als störe mein Anliegen besonders… eine fremde Ärztin las mir mit vollen Backen kauend den zweiten Blutwert vor. Er sei bedenklich, ließe aber nicht den Schluss zu, dass ich die Zuckerkrankheit hätte. Es wurde noch mehr getestet und gedruckst, um mich möglichst lange im Unklaren zu lassen. Dank email wusste ich inzwischen aber von meinem Hausarzt, dass die Werte für mich in Ordnung seien. Diese Werte gelangten zuhause wieder in den Standard-Bereich, als um 10:00 Uhr Blut abgezapft wurde, nach 6 Stunden Schlaf und 8 Stunden Nüchternheit.

Genauso normal wie damals bei den letzten beiden Rehas meine Leber- und Gichtwerte zuhause wieder in Ordnung waren… Zwischen hohen Gichtwerten in einer Klinik könnte man einen Zusammenhang mit dem dortigen Essen wähnen… es gibt zum Frühstück Wurst und Käse, mittags Fleisch, abends Fleischsalat und kalter Braten… dass man dort eventuell der Gesundheit wegen dreimal die Woche Fleisch durch Tofu oder Seitan ersetzt, ist nicht möglich.

Genauso wenig wie späteres Blutabnehmen als Nachts um 07:00 Uhr… Übrigens stand in dieser Station auch die einzige Waage der Klinik. Daneben hing ein Schild: „Wiegen Mo, Mi, Fr um 07:00 Uhr.“ Meine Frage, ob man mal dazwischen schnell auf die Waage springen könnte, ohne Krankenakten-Vermerk, nur für sich selbst zur Kontrolle, die Station sei ja immer besetzt; wurde natürlich auch verneint, das sei nicht möglich!

„Aha!“, dachte ich, „draußen nur Kännchen! Und das alles zum Wohle des Patienten!“

Also, seid bereit: niemand verlässt die Eingangsuntersuchung ohne Tiefschlag!

Warum Kliniken das machen, erfuhr ich von kliniknahen Quellen etwas später: a) geht es darum, den Patienten gefügig zu machen, damit er alles Angeordnete sofort umsetzt, da er ja schwer krank ist. Und b) sichern sich Kliniken gerne ab, falls Patienten während des Aufenthaltes etwas passiert… da werden dann auch nur leicht abweichende Daten vom Idealwert „literarisch übertrieben“, so möchte ich es mal ausdrücken…

Da das Thema Essen kurz angeschnitten wurde: Es wird jedem klar sein, dass es das Billigste gibt, was möglich ist, die meisten Kliniken sind Wirtschaftsunternehmen und deshalb gewinnorientiert. Es liegt am Koch, ob er daraus etwas Angenehmes zaubert oder resigniert nur etwas heiß macht… ich habe beides erlebt. Extrem fleischlastig sind aber alle, da ja Fleisch leider eines der billigsten Lebensmittel ist. Der fernöstliche Ansatz, dass Essen als Medizin angesehen wird, findet hier keine Beachtung.

Etwas Bemerkenswertes zu diesem Thema ist mir noch in Erinnerung: meine 2. Klinik bezeichnete sich als Spezialisten für Ess-Störungen. Das wird ja auch dann im Hochglanzprospekt werbetechnisch hochwertig dargestellt. An meinem ersten Tag gab es abends am offenen Buffet Pfälzer Schlachtplatte, das heißt Blut- und Leberwurst satt, Saumagen und saure Gurken. Die Anorexistinnen waren schon beim Anblick grün im Gesicht, und die Adiposisten hauten rein, dass sich die Balken bogen. Ich vermag da wenig Klinik-Spezialisierung zu sehen.

Das Thema „Essen“ sähe also in einer ayurvedischen Klinik deutlich anders aus als in unseren Reha-Kliniken!

Propellerheim

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