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ОглавлениеPropaganda bei Arte: Wie viele Lügen kann man in 12 Minuten unterbringen?
Vom 14. Januar 2019
Arte strahlte am 12. Januar 2019 eine Sendung aus, die in nur zwölf Minuten so viele Lügen und Propaganda über Russland und seine Politik verbreitete, dass man wirklich staunen muss. Die Sendung hieß „Mit offenen Karten – Die Welt aus Sicht des Kreml“. Diese Sendung ist ein Paradebeispiel dafür, wie das Staatsfernsehen – Verzeihung, es heißt ja „öffentlich-rechtlich“ – Propaganda betreibt und dabei vor Lügen nicht zurückschreckt.
Es begann, wie sollte es anders sein, mit einem Foto von einem Militärmanöver. Russland hatte zusammen mit China im September das größte Manöver seit Jahrzehnten veranstaltet. Das Manöver fand im Fernen Osten statt und war für Arte die Begründung für das größte Nato-Manöver seit Jahrzehnten, das im Oktober in Norwegen stattfand. Dass die Nato ständig Manöver an Russlands Grenzen durchführt und mit der Stationierung von Soldaten im Baltikum und in Polen gegen die Nato-Russland-Akte verstößt, wurde natürlich nicht erwähnt. Es sollte ja so aussehen, als ob Russland mit einem Manöver tausende Kilometer von den Nato-Grenzen entfernt die Nato provoziert. Dass es sich genau umgekehrt verhält und die Nato Waffen und Soldaten an Russlands Grenze gebracht hat, wurde verschwiegen.
Dann lernten wir bei Arte, dass Russland den Separatismus in Transnistrien, Abchasien und Ossetien schürt. Dass all diese Konflikte beim Auseinanderbrechen der Sowjetunion entstanden sind, wurde nicht erwähnt. Auch wurde natürlich nicht erwähnt, dass es nicht Russland war, das Ossetien 2008 angegriffen hatte. Damals griff Georgien die kleine Republik an und beschoss eine Stadt eine ganze Nacht lang mit Artillerie. Dass aber ein Volk kaum zu einem Land gehören möchte, das es mit schweren Waffen niedermetzelt, ist nur allzu verständlich. Daher wurde das Thema ausgespart und stattdessen Russland der Förderung des Separatismus beschuldigt, ohne auf irgendwelche Hintergründe einzugehen.
Dann war die Ukraine an der Reihe. Laut Arte fand die Orangene Revolution einfach statt. Dass diese „Revolution“ vom Westen organisiert und bezahlt worden war, wurde verschwiegen, dabei kann man das inzwischen sogar auf Wikipedia lesen, was mich sehr überraschte. Der Westen wollte die Wahl eines pro-russischen Präsidenten nicht anerkennen und hatte daher über NGOs die Demonstrationen organisiert; genannt wird unter anderem die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU. Bei Arte wurde all dies nicht erwähnt, es wurde lediglich angeführt, dass Russland den Westen „beschuldigt“, diese Revolution angezettelt zu haben. Dabei ist das keine russische „Beschuldigung“, sondern eine allgemein bekannte Tatsache.
Noch besser wird es, als Arte dann behauptete, dass Russland als Reaktion darauf die Gaslieferungen in die Ukraine eingestellt habe, und zwar „angeblich“ wegen unbezahlter Rechnungen. Es wird also so dargestellt, als ob Russland lediglich behauptet hätte, die Ukraine hätte damals ihre Rechnungen nicht bezahlt, dabei ist dies eine unbestrittene Tatsache, und es war übrigens die Ukraine, die damals den Gastransit nach Europa eingestellt hatte, was Arte jedoch lieber nicht erwähnt.
Und wer glaubt, dreister geht es nicht, wird eines Besseren belehrt.
So heißt es danach bei Arte, dass Russland die Krim „nach der demokratischen Wahl eines ukrainischen Präsidenten annektiert“ habe. Das ist nun wirklich komplett gelogen, denn es war umgekehrt. Die Vorgänge auf der Krim fanden im März 2014 statt, die Präsidentschaftswahl aber erst Ende Mai 2014. Vor den Ereignissen auf der Krim gab es den Putsch des Maidan, bei dem unter Bruch der ukrainischen Verfassung und nachdem über hundert Menschen von bis heute unbekannten Scharfschützen erschossen worden sind, die alte Regierung weggeputscht wurde. Übrigens sind die Todesschüsse vom Maidan bis heute nicht aufgeklärt, das UNHCR hat seit dem Maidan 24 Berichte über die Menschenrechtslage in der Ukraine veröffentlicht1 und kritisiert in jedem seiner Berichte, dass die Putschregierung in Kiew die Todesschüsse bis heute nicht aufgeklärt hat und Verdächtige seit über vier Jahren ohne Anklage in Haft sind. Aber das hört man bei Arte natürlich nicht.
Und auch die ständige Betonung des Westens von der „Annexion der Krim“ wird durch Wiederholung nicht wahrer. In meinem Buch über die Ukraine-Krise von 2014 habe ich alle Details dazu ausführlich und chronologisch aufgezeigt2.
Natürlich darf bei diesem Thema auch nicht fehlen, dass „Russland Truppen in das Donezbecken“ schickte – auch dies wieder eine griffige Formulierung, die aber ebenfalls gelogen ist, denn die OSZE hat Beobachter vor Ort und hatte dort nie von russischen Truppen berichtet, wie jeder, der die nötigen Englischkenntnisse mitbringt, in den täglichen Berichten der OSZE nachlesen kann.3
Und schließlich „brachte Russland drei Schiffe der Ukraine auf“, wie wir bei Arte lernen. Dass beim Vorfall von Kertsch ukrainische Kriegsschiffe die russische Grenze verletzt haben und dabei stundenlang nicht auf Funksprüche der russischen Grenzschützer reagiert haben, berichtet Arte natürlich nicht. Arte lässt kurzerhand alle störenden Informationen weg und berichtet in einer Weise darüber, dass man glaubt, Russland sei schuld an dem Vorfall, bei dem die Ukraine die russische Grenze verletzt hat. Desinformation in Reinkultur!
Dann berichtet Arte, dass Russland die EU-Osterweiterung als Affront sieht. Das stimmt ebenfalls nicht, denn in Russland, das ja alte Beziehungen zu den neuen EU-Staaten hatte, hoffte man, dass diese EU-Osterweiterung in der Folge auch die Annäherung von Russland und der EU fördern würde. Das ist nicht passiert, aber die Hoffnungen waren da, wie Putin und andere Regierungsmitglieder Russlands immer wieder erwähnten.
Ein Affront für Russland war jedoch die darauffolgende Nato-Osterweiterung, denn seither stehen in der Folge US-Soldaten an den russischen Grenzen. Hinzu kommt, dass die Regierung von Bush-Senior Gorbatschow versprochen hatte, dass sich die Nato nach der deutschen Wiedervereinigung „keinen Zoll nach Osten“ ausdehnen werde. Wer dies für russische Propaganda hält, kann sich in einem Video4 überzeugen, wie Genscher oder auch US-Außenminister Baker sich dazu damals geäußert haben. Gorbatschow war naiv genug, sich dies nicht schriftlich geben zu lassen. Hier hat die Nato also kein Abkommen verletzt, aber ein gegebenes Versprechen gebrochen. Natürlich wurde auch dies bei Arte nicht erwähnt. Da muss man sich nicht wundern, dass Russland nach diesem und anderen Wortbrüchen sehr skeptisch ist, wenn der Westen etwas verspricht.
Zu den auf den Ukraine-Konflikt gefolgten Sanktionen sagt Arte, Russland sei von der EU abhängig – ob das stimmt, sei einmal dahingestellt. Dann kommt bei Arte die abgedroschene Behauptung, Russland würde seine Gaslieferungen als Druckmittel einsetzen. Arte erklärt aber nicht, wie das geschieht und bringt keine Beispiele. Das ist wenig verwunderlich, denn es gibt keine. Russland ist seit Jahrzehnten ein zuverlässiger Lieferant für Europa und es gab nie Probleme, auch keinen politischen Druck aus Russland. Aber es klingt einfach zu gut, das konnte Arte wohl nicht weglassen.
Natürlich geht es in einer solchen Sendung auch nicht ohne die angebliche russische Einmischung in die US-Wahlen und die französische Präsidentschaftswahl. Aber auch hier werden keine Details geliefert und kein Wort darüber verloren, dass selbst zwei Jahre, nachdem diese Vorwürfe erstmals erhoben wurden, noch immer keinerlei Beweise vorliegen. Sonderermittler Mueller hat bereits Millionen verpulvert, und alles, was er erreicht hat, sind ein paar Anklagen wegen Steuerhinterziehung, aber nichts zum Thema Russland.
Und dann tut Russland laut Arte etwas ganz Böses: Es finanziert Medien wie RT und Sputnik, die die russische Sicht der Dinge verbreiten sollen. Gut, dass niemand sonst solche Schweinereien betreibt! Hat man bei Arte vergessen, dass Arte selbst ein staatlich finanzierter Sender ist, der ausgerechnet mit Filmen wie diesem nichts anderes tut, als die westliche Sicht der Dinge zu verbreiten? Und was ist mit der Deutschen Welle, Radio Liberty und wie all die staatlichen Auslandssender der westlichen Staaten heißen, die nichts anderes tun als RT und Sputnik? Aber wenn Russland das tut, dann ist das natürlich ganz etwas Schlechtes.
Noch lustiger wird es, als Arte zum Fall Skripal kommt. Arte beruft sich auf „Experten“, die der Meinung sind, dass Russland den Mordanschlag verübt habe, um die Reaktion des Westens zu testen. Dass bis heute absolut unklar ist, was mit den Skripals passiert ist, interessiert Arte nicht – für Arte steht Russlands Täterschaft so fest, dass man gleich „Experten“ zitiert, allerdings ohne diese zu benennen. Dabei hätte mich wirklich interessiert, was das wohl für „Experten“ gewesen sind.
Dann geht es um die im Westen weitgehend unbekannte Shanghai Organisation für Zusammenarbeit, die Russland und China gegründet haben und der inzwischen auch Indien und Pakistan und viele andere asiatische Länder beigetreten sind. Die Organisation soll den Handel und kulturellen Austausch fördern. Nachdem nun der größte Teil Asiens beigetreten ist, sagt Arte, dass es sich „laut Moskau“ nun um eine „globale Organisation, die über die Hälfte der Weltbevölkerung“ vertrete, handelt. Aber warum „laut Moskau“? Für einen Redakteur bei Arte klingt es offenbar gut, wenn man sagen kann, dass Moskau etwas behauptet, doch ein Blick auf die Liste der Mitgliedsländer zeigt, dass die Formulierung durchaus korrekt ist.
Und nicht zuletzt unterstellt Arte Russland Großmachtstreben, weil es sich in Syrien eingemischt hat und laut Arte nur deshalb dabei Erfolg hat, weil die Europäer und die USA so zerstritten sind. Ich frage mich allerdings, wo es zwischen der EU und den USA Streit zum Thema Syrien gab? Erst seit Trump ankündigte, seine Soldaten abzuziehen, gibt es dazu Meinungsverschiedenheiten, vorher jedoch nicht. Und dass der Einsatz von westlichen Soldaten und Flugzeugen in Syrien ein grober Verstoß gegen das Völkerrecht ist, das so etwas nur erlaubt, wenn der UNO-Sicherheitsrat es genehmigt hat, wird vorsichtshalber ganz verschwiegen. De facto führt der Westen, also auch Deutschland und Frankreich, in Syrien einen illegalen Angriffskrieg. Aber das erwähnt Arte lieber auch nicht.
Wer will nach einem solchen Beitrag von einem staatlich finanzierten Sender wie Arte noch daran zweifeln, dass es im Westen Propaganda gibt?
1 https://www.ohchr.org/Documents/Countries/UA/24thReportUkraineAugust_November2018_EN.pdf
2 ISBN-10: 3941956787
3 https://www.osce.org/special-monitoring-mission-to-ukraine