Читать книгу Die dunkle Seite - Thomas Seidl - Страница 4

Alles Geld der Welt

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Mann, bin ich heute spät dran! Ich muss dringend in die Firma. Diese Meetings in der Früh sind einfach nicht mein Ding, aber egal, ich muss mich beeilen. Telefon raus und meinen Chauffeur Paul anrufen, dass er mich gleich unten abholt. Aber er hebt nicht ab! Was soll das? Ich habe es wirklich eilig!

Ich rufe Rex an.

„John?“

„Ja, ich bin es, Rex. Ich schaffe es nicht rechtzeitig zum Meeting.“

„John, was soll das! Du musst rechtzeitig hier sein, es geht um Millionen, und du weißt das!“

„Ja, aber ich schaffe es einfach nicht rechtzeitig.“

„John, beweg deinen Arsch her, egal, wie du das anstellst, aber du bist rechtzeitig da!“

„Kannst du nicht für mich das Meeting übernehmen?“

„Nein, und jetzt beeile dich!“

„Okay, ich versuche es.“

Ich setze mich in meinen Wagen, einen Maserati mit 640 PS, und rase los. Gleich über die erste rote Ampel, egal, ich habe es eilig. Die Autos ziehen an mir vorbei, ich muss mich noch mehr beeilen. Ich drücke das Gaspedal durch, gehe volles Risiko. Die Straßen sind sehr belebt, aber ich achte nicht auf den Verkehr. Es ist wie immer um diese Uhrzeit, zu viele Autos auf zu engen Straßen, aber heute ist es mir egal, denn ich muss rechtzeitig ankommen. Ein Formel 1-Pilot könnte es nicht besser machen. Ich hasse diese zweispurigen Straßen! Wer hat sich das nur ausgedacht? Eigentlich hasse ich die ganze Stadt, die Leute, die Häuser und diese Straßen, diese verdammten Straßen! Zu viele Menschen leben hier, jeden Tag werden es mehr. Es gibt genau zwei Sorten von Menschen in dieser Stadt: die einen, die hier leben, um zu überleben, und die anderen, die hier leben und die Menschen, die nur überleben wollen, ertragen müssen. Ich muss diese Menschen ertragen, aber eigentlich will ich das gar nicht. Die Gossen stinken nach Dreck, und der Abschaum breitet sich aus. Diese Stadt war mal schön, aber heute herrscht hier nur mehr Elend und Leid. Natürlich, ich zähle nicht dazu, ich bin einer der Privilegierten, einer der zehn reichsten Männer dieser Stadt. Mir sind diese Menschen egal, alles, was zählt, bin ich, und heute muss ich pünktlich sein. Verkehrsregeln gelten heute nicht für mich, jede Minute zählt, denn es geht um den größten Deal in der Geschichte unserer Firma. Eine Kooperation mit einem japanischen Konzern. Wir wären einer der mächtigsten und einflussreichsten Konzerne aller Zeiten, und ich habe diesen Deal eingefädelt. Ich bin genial! Aber jetzt nur nicht zu spät kommen! Wieder eine rote Ampel. Augen zu und durch. Mit meinem Fahrstil komme ich noch rechtzeitig an, nur noch die Brücke da vorne und schon bin ich fast am Ziel.

Nur noch ein paar Minuten, ich muss es schaffen! Ich schalte vom zweiten in den dritten Gang, lasse die Kupplung langsam kommen und trete das Gaspedal voll durch. Ich überhole einen weißen Toyota, ziehe rechts an ihm vorbei. Es ist so einer dieser Untersätze, die alte Omas fahren. Ich hasse diese kleinen Autos und die Leute, die sie fahren, denn sie geben weder Gas noch haben sie den Anstand, gar nicht erst mit so einem Auto auf der Straße zu fahren. Sie behindern nur den Verkehr. Heute ist mir aber auch das egal, ich rausche einfach daran vorbei. Als ich rechts vorbeiziehe, sehe ich vor mir einen Porsche. Ein sehr edles Auto. Ich bleibe auf dem Gas und will gerade links vorbeiziehen, aber plötzlich schert der Porsche auch nach links aus. Ich trete voll auf die Bremse, reiße mein Lenkrad nach rechts und touchiere dabei den Porsche leicht. Mein Puls steigt plötzlich auf 180, mein Herz rast, und ich merke, wie der Wagen rechts ausbricht.

Es ist wie in Zeitlupe und doch nur ein Augenblick. Wie ein Moment, den man nicht wahrnimmt, eine Millisekunde und doch eine Ewigkeit. Mein Wagen durchbricht das Geländer. In Zeitlupe fliege ich von der Brücke. Ich sehe mein Leben, mein Geld, meine Frauen und dann ... Stille.

Als ich erwachte, konnte ich mich nicht mehr bewegen, meine Hände und Füße waren taub, und ich konnte mein Gesicht nicht mehr spüren. Ich lag im Koma. Man sagt immer, Leute, die im Koma liegen, würden ihre Umwelt wahrnehmen. Ich kann das nur bestätigen. Ich hörte, wie ein gewisser Dr. Magnus über meinen Zustand sprach. Doch ich konnte meine Augen nicht öffnen und meine Hände und Füße nicht bewegen. Anscheinend war mein Zustand kritisch, doch so komisch es klingen mag, ich fühlte mich wohl. Der Doktor sprach darüber, dass man nicht sagen könne, wann ich wieder erwachen würde. Doch ich war wach, nur konnte ich meine Augen nicht öffnen. Ich verstand jedes Wort. Ich merkte, wie Rex an meinem Bett saß und meine Hand hielt. Mein bester Freund war da, auch Collin, Harry, Sammy, Harold und Danny kamen mich besuchen. In diesen Momenten fühlte ich mich fast glücklich. Es war sehr merkwürdig, eine Tragödie. Es hatte einen Hauch von Hollywood. So etwas passiert normalerweise doch nur in Hollywoodfilmen.

Es vergingen Tage, Wochen und Monate. Irgendwann lag ich nur mehr allein in diesem Krankenhaus. Die Besuche blieben aus, und mein Geist wurde traurig. Die Ärzte kamen seltener, und ich hörte nichts mehr über meinen Zustand, sie hatten mich alle verlassen. Ich fühlte mich wie ein von Vater und Mutter verstoßenes Baby und spürte, wie meine Kraft weniger wurde, mein Geist aufgab und meine Seele zu gehen bereit war.

Doch wohin sollte meine Seele gehen? Was passiert, wenn man stirbt? Darauf hatte ich keine Antwort. Je länger ich darüber nachdachte, desto stärker wurde mein Wille, wieder zu leben. Wie eine innere Kraft, die versuchte, meinem Körper wieder Leben einzuhauchen. Adrenalin schoss durch meine Venen, mein Herz pochte schneller, lauter und stärker. Mein Geist erwachte wieder, ich war wieder da.

Ich hörte Dr. Magnus: „Schwester, ich fürchte, dieser Doyle wird wohl nicht mehr wach! Wir werden ihn auf eine andere Station verlegen.“

Ich weiß, was ihr jetzt denkt: Doyle, was für ein Nachname! Soweit ich mich erinnern kann, wird dieser Name sehr häufig in Gangsterfilmen verwendet. Aber egal, das ist nun mal mein Nachname, ich heiße John Doyle, und in diesem Moment bin ich gerade dabei, wieder aufzuwachen.

Ich höre die Schwester rufen: „Doktor, Doktor! Ich glaube, unser Patient hat sich gerade bewegt!“

„Das ist unmöglich!“

„Nein, Dr. Magnus! Er bewegt gerade seine Augen!“

„Tatsächlich!“

Die Ärzte und Schwestern sprachen von einem Wunder, doch es war keines. Ich weiß nicht genau, was mich in diese Welt zurückholte. Die Angst zu sterben oder die Angst, nicht zu wissen, was nach dem Tod passiert? Wenn man es genau nimmt, waren diese beiden Gedanken ein und dasselbe. Im Nachhinein denke ich, dass es ein Auslöser und meine Zeit noch nicht gekommen war. Ich war wieder zurück im Leben. Ein Leben, das so anders sein sollte als zuvor. Ich war wieder wach, aber noch lange nicht gesund.

Die dunkle Seite

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