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DIE NACHFOLGE CHRISTI IN VIER BÜCHERN

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Die Schrift setzt sich aus vier Büchern zusammen. Weil sie als Spruchsammlungen nicht streng strukturiert sind, war es seit den Tagen ihrer Niederschrift nicht schwer, die einzelnen Buchteile in unterschiedlicher Reihenfolge oder auch nur teilweise zu vervielfältigen. Wie ersichtlich, handelt es sich um eine Blütenlese von Weisheitsworten. Eine als „Rapiarium“18 bezeichnete Anthologie hatte die Aufgabe, die Leserschaft mit richtungweisenden Leitworten zu versorgen, seien es solche aus der Heiligen Schrift oder seien die Zitate anderen kirchlichen oder sonstigen literarischen Quellen entnommen. Groß ist daher der Anteil an biblischen Texten. Andere wichtige Quellen stellen Wortlaute des Zisterziensers Bernhard von Clairvaux dar. Als einflussreich erwies sich der Dominikaner und spätere Kartäuser Ludolf von Sachsen (gestorben 1378). Durch Geert Groote fand seine Vita Jesu Christi Eingang in die Devotio moderna, wo sie geradezu zur Standardlektüre erhoben wurde. Dieser Vita war ihrerseits eine weitreichende Wirkung beschieden.19 Sie gehörte z.B. zum Lesestoff, der Ignatius von Loyola auf seinem Krankenlager zur Verfügung stand und der ihn für die Meditationsanweisungen in seinem Exerzitienbuch inspirierte.

Das erste Buch der Nachfolge Christi bietet Ratschläge und Ermahnungen (admonitiones), wie sie Menschen innerhalb wie außerhalb eines Klosters zur spirituellen Lebensgestaltung mit Blick auf die Nachfolge Jesu Christi nützlich sein können. Und wenn die in Bruder- und Schwesternhäusern Lebenden, abgesehen von den Augustiner Chorherren der Windesheimer Kongregation, sich keiner strikten Ordensregel unterwarfen, so stellen Kloster und Zelle zumindest ein Gleichnis für die eigene Innerlichkeit dar. Prinzipiell geht es darum, sich in das Leben des Herrn zu versenken und als Vorbild für das eigene geistliche Unterwegssein zu betrachten. Wenn beispielsweise der Rat gegeben wird, das Herz möge sich von allen Äußerlichkeiten um des Ewigen willen abwenden, so ergibt sich aus heutiger Sicht daraus eine überaus befremdliche weltdistanzierte Einstellung. Sie beherrscht ohnehin die Spiritualität der Devotio moderna im Allgemeinen und des Nachfolge-Buches im Besonderen. Diese Einseitigkeit soll jedenfalls nicht verschwiegen werden.

Derselben Haltung entspricht die in diesen Kreisen zu beobachtende Skepsis gegenüber allzu abgehobenen Spekulationen, wie sie aus der zeitgenössischen Philosophie und der scholastischen Theologie bekannt geworden sind. Daher konnte es nur verpönt sein, wenn ein Priester und Theologe sich etwas auf seinen geistlichen Status zugute tut, es jedoch an einer ernsthaften spirituellen Gesinnung und Ethik mangeln lässt. Umso mehr wird die zeitbedingte praktizierbare Frömmigkeit geschätzt, um den in Kirche und Gesellschaft sich abzeichnenden Niedergangserscheinungen durch eine umso strengere Askese entgegenzutreten. Alle Übung dient dem Ziel einer nüchternen Selbsterkenntnis und als Demut deklarierten kritischen Selbsteinschätzung. So gesehen sind es die Ideale des mönchischen Lebens, wie sie nach der Überzeugung der Devoten das Leben eines jeden Christen bestimmen sollten. Mit anderen Worten:

„Eine große Hilfe zu einem wahrhaft mönchischen Leben ist das Vorbild der heiligen Väter und systematische Übungen (exercitia). Am fruchtbarsten ist indes die Einsamkeit und Stille der Zelle, so kann man Gott am besten dienen. ‚In der Zelle wirst du finden, was du draußen oft verlierst. Dauernd in der Zelle zu sein, macht sie köstlich ... In Schweigsamkeit und Stille gedeiht die andächtige Seele und lernt die Geheimnisse der Schrift.‘ “20

Mehr noch: Im 20. Kapitel gibt Thomas den Rat, Jesus als den Geliebten der Menschenseele einzuladen und die Türe der Zelle zu verschließen. Mit keinem als mit diesem Gast werde der Meditierende den ersehnten inneren Frieden empfangen.

Im zweiten Buch kommt die mystische Note der Christus-Nachfolge in der Weise zur Geltung, dass der Kompilator der Schrift darauf bedacht ist, dem inneren Meister eine ihm angemessene Wohnung, das heißt eine entsprechende geistigseelische Beheimatung zu schaffen. Deshalb das Insistieren auf Reinheit und Einfalt des Herzens, auf die Schärfung des Gewissens und die Herstellung eines inneren Friedens. Auch hier wird Jesus als Freund und Geliebter geachtet, der in der Herzenstiefe wohnen möge. Mit Recht wird das 12. und letzte Kapitel dieses zweiten Buches als Höhepunkt bezeichnet, geht es doch um den „Königsweg des Kreuzes“. Daher der Hinweis: „Wandle, wo du willst, suche, was du willst, du wirst keinen Weg höher hinauf, noch einen sichereren nach unten finden als den Weg des heiligen Kreuzes!“

Das dritte Buch bietet mancherlei Anklänge an das in den beiden vorausgegangenen Buchteilen Gesagte. Der Schreiber will seinen Lesern in der Weise einen inneren Zuspruch vermitteln, dass er die Bereitschaft zu einem inneren Hören zu wecken versucht. Er tut es in Anlehnung an Psalm 84: „Ich will hören, was Gott der Herr in mir spricht.“ Dies lässt sich als eine Einladung zur Kontemplation verstehen, in der der Übende jene Stille herstellt, die nötig ist, damit das wortlose Wort vernommen werden kann. Von daher ergibt sich auch eine dialogische Struktur, nach der der innere Christus zur menschlichen Seele spricht. Und deren Antwort kann nur ein beseligendes Hören und Schweigen sein.

Gipfelt das zweite Buch in dem erwähnten Kapitel vom „Königsweg des Kreuzes“, so zeigt das vierte Buch, worin aufs Ganze gesehen das Ziel des Christus-Wegs besteht. Und dieses Ziel wird Mal um Mal in der Feier der Eucharistie, beim heiligen Abendmahl, symbolisch erreicht. Denn der sakramentale Akt der Verbindung mit Christus in der Kommunion mittels Brot und Wein ist zugleich und hauptsächlich ein mystisches Geschehen. Damit setzt Thomas von Kempen in der Nachfolge Christi ein bedeutsames Zeichen. Haben sich zahlreiche Kapitel dieser Schrift in der Hauptsache mit dem Exerzitiencharakter dieses Erbauungsbuches beschäftigt, haben sie Anleitungen und Vorschläge für das Vorankommen auf dem Weg vermittelt, so hebt das abschließende Buch hervor, wohin die Devotio moderna als individuell gestalteter Seelenweg führen will, nämlich zur Gemeinschaft mit dem Christus selbst. So liest man auf den letzten Seiten der Imitatio:

„Jeder Andächtige kann alle Tage und zu jeder Stunde zur geistlichen Kommunion Christi heilsam und ohne Hinderung hinzutreten. Denn jedes Mal kommuniziert er in mystischer Weise und wird unsichtbar gestärkt, wenn er das Mysterium von Christi Menschwerdung und seine Passion andächtig betrachtet und in Liebe zu ihm entbrennt.“

Thomas von Kempen

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