Читать книгу Klang. Welt. - Thomas Von steinaecker - Страница 5

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Es ist auf den ersten Blick eine verwunschene Gegend, in die man gerät, biegt man von der Autobahn ab, auf die kurvige Landstraße Richtung Kürten. Hügel, auf satten grünen Wiesen weiden Kühe, immer wieder dichter Laubwald, altbergische Fachwerkhäuser, gelegentlich heruntergekommene Pommesbuden und potthässliche graue Ziegelbauten dazwischen, auf denen die Deutschlandflagge den einzigen Farbtupfer bildet: eines der wenigen Anzeichen dafür, dass heute, am Samstag, das WM-Spiel um Platz Drei stattfindet, um das sich auch nahezu jeder Bericht um Radio dreht. Spielt Ballack? Spielt Borowski?

Eine gute halbe Stunde entfernt von Köln ist das hier die tiefste Provinz, ein Urlauberparadies, aber keine Gegend, wo die Post abgeht. Die Jugendlichen an den Bushaltestellen machen einen etwas ungeduldigen Eindruck. Hinter ihnen: Plakate für das Schützenfest in Wipperfürth, für eine Grönemeyer-Westernhagen-Cover-Show („das Original“), immer häufiger jetzt auch für die Stockhausen-Kurse, ganz in weiß dazwischen, wie ein Fremdkörper.

Dann ist die Abzweigung zum Kettenberg vorbeigezogen, wo Stockhausen seit 1965 in einem selbst entworfenen Haus wohnt, und man befindet sich auch schon „mitten“ in Kürten (auf dessen einziger Hauptstraße am Abend ein einsamer Autofahrer hupend für sich allein den dritten Platz der Nationalmannschaft feiern wird), ein schon leicht in die Jahre gekommener Gesamtschulkomplex, hinter der Tür der Sporthalle ist Musik zu hören, man tritt ein. Dunkelheit. Auf der Bühne spielt eine in schwarz gekleidete Flötistin, „die schwarze Katze Kathinka“, zwischen zwei mit Zahlen und Noten beklebten Mandalas, dazu elektronische Musik, eine Zeremonie, eine Parallelwelt, die unabhängig von „der Welt da draußen“ zu existieren scheint – ein Gefühl, das einen die nächsten acht Tage öfter beschleicht, während der Neunten Stockhausen-Kurse, die ihre über 123 Teilnehmer aus 27 Ländern ganztägig und in mehrerlei Hinsicht in Anspruch nehmen werden: Um 8 beginnt der Tag mit einer Einführung in die Yoga-ähnlichen Gesten, die Stockhausen erfunden hat. Es folgen die Proben für das abendliche Konzert unter der Leitung des Komponisten, ein Analyse-Seminar zu Stockhausens Opern-Zyklus, die Kurse für die Pianisten, Klarinettisten, Flötisten und anderen Interpreten, das von Stockhausen geleitete Kompositionsseminar, abschließend das Konzert, der Tag endet um 22 Uhr. Das Besondere in diesem Jahr: Nach fast 30 Jahren Arbeit an seinem „LICHT“-Opernzyklus stellt Stockhausen, der kurz vor seinem 80. Geburtstag steht, teilweise in Uraufführungen die vier ersten Teile seines neuen Projekts, „KLANG – Die 24 Stunden des Tages“, vor. Über die nächsten Jahre will er sich damit beschäftigen.

In Kürten gehen die Uhren anders.

Klang. Welt.

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