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Die Grenze zur Sucht
ОглавлениеWie es insgesamt unterschiedliche Süchte gibt, so hat auch die Spielsucht ihre speziellen Facetten. Die bekannteste ist die am Automaten, dem so genannten einarmigen Banditen, die vor allem in Spielhallen die Szene beherrschen. Man sitzt anonym vor einem Spielautomaten, schmeißt seine Münzen hinein und es drehen sich meist drei Rollen nebeneinander mit unterschiedlichen Symbolen. Bleiben in einer Reihe drei gleiche Symbole, etwa Glocken oder Pflaumen, stehen, hat man gewonnen – entweder Freispiele oder Geld. Der Name einarmiger Bandit stammt von den alten Geräten, die meist rechts seitlich am Spielgerät einen Hebel hatten, mit dem man das Drehen der Rollen im Gerät starten und stoppen konnte. Heute hat man dafür Stopp-Tasten neben der Start-Taste auf dem Gerät. Bei solchen Spielautomaten sitzt man allein vor einem Gerät und spielt und spielt und spielt bis man entweder alles verloren hat oder mit einem Gewinn nach Hause geht. Hat man Glück, geht man mit einigen hundert Euros mehr glücklich aus der Spielhalle. Die meisten Spielsüchtigen marschieren jedoch mit einem Fluch an der Spielhallen-Aufsicht frustriert vorbei. Solche Spielhallen schießen wie Pilze aus dem Boden, weil es eben ein sehr einträgliches Geschäft ist. Die Möglichkeit auf einen fetten Gewinn boomt ungebrochen, ja selbst Hartz 4-Empfänger verjubeln hier ihr knappes Geld.
In eine ähnliche Richtung geht das Glücksspiel im Spielcasino. Da gibt es Poker, Roulette oder Kartenspiel. Das bekannteste Kartenspiel ist 17 und vier, in der Spielersprache Black Jack genannt. Wer genau 21 Punkte hat, gewinnt. Man spielt immer gegen die Bank, also gegen das Casino, und kann so viele zusätzliche Karten anfordern wie man möchte oder braucht, um möglichst nahe an die 21 Punkte zu gelangen. Allerdings verzockt man sich da auch leicht. Wer bei mageren und aussichtslosen 14 Punkten eine Zehn als zusätzliche Karte erwischt, ist raus. Ein weiteres Kartenspiel ist das Pokern (jeder Spieler hält fünf Karten in der Hand). Auch hier kommt es darauf an, ein möglichst vorteilhaftes Bild zu erreichen – niedrigster Wert ist ein Paar, also zwei Karten mit einem gleichen Wert, also zwei Könige, zwei Zehner oder zwei Siebener. Zwei Paare sind schon besser, der Royal Flash mit allen Karten aus einer Farbe und in einer Reihenfolge – 7, 8, 9, 10, Bube zum Beispiel. Alle Kartenspiele haben viel mit Psychologie zu tun. Man darf seine Emotionen tunlichst nicht zeigen, um den Gegenspielern keine Anhaltspunkte auf die Qualität und Aussichten des eigenen Blatts zu liefern. Deshalb spielen Profis mit Sonnenbrillen, tief ins Gesicht gezogenen Caps und quasi in sich eingerollt, damit ja keiner auch nur irgendeine Gemütsregung sieht. So zockt man oder blufft.
Roulette ist das Spiel mit der kleinen weißen Kugel, die der Croupier in eine sich rotierende Schale mit Nummern- und Farbfeldern (rot oder schwarz) entgegen der Rotation wirft. Irgendwann hat sich die Kugel ausgerollt und bleibt in einem Feld hängen – rot oder schwarz und in einer Zahl. Wer nun exakt auf Zahl setzt, hat die höchsten Gewinnchancen und räumt ab. Bei Rot oder Schwarz gibt es immer nur eine fifty-fifty-Chance und man gewinnt halt nur seinen doppelten Einsatz oder verliert ihn auch. Dann finden sich natürlich auch jede Menge Automaten im Casino. Es gibt Tische, an denen man Karten spielt.
Darüber hinaus finden Sie viele weitere Möglichkeiten. Man spielt Lotto, wettet auf den Ausgang von Sportereignissen wie Fußballspiele, Pferde- oder Hunderennen. Bekannt wurde das durch Wett-Manipulationen bis in die höchsten Spielklassen. Dahinter steckt eine weltweit operierende Mafia, deren Anführer in Asien sitzen (Malaysia, Singapur, China – die chinesischen Tiraden). Es geht um Milliardenbeträge, wenn zum Beispiel auf einen Elfmeter in der 83. Minute gesetzt wird oder auf exakt ein bestimmtes Ergebnis. Man kann sich gut vorstellen, dass hier Spieler und Schiedsrichter bestochen sein müssen. Gerade beim Lotto kommt man leicht von der Million oder gar von den Millionen ins Träumen, wird einem doch mit dem zweistelligen Millionen-Jackpot quasi das Geld zum Einsatz aus der Tasche gezogen.
Spielsucht gibt’s in allen Varianten – ob Rubbellose oder Kirmeslose, das ganz normale Kartenspiel oder eine Wette – überall steht das Gewinnen im Vordergrund. Und nicht alles ist legal, weil der Staat am Glückspiel mit verdienen will. Deshalb finden sich oft in versteckten Hinterzimmern Pokerrunden ein, bei denen es um viel Geld geht.
Wann aber wird das Spiel zur Sucht? Nämlich genau dann, wenn man die Kontrolle über Anfang und Ende verliert, nicht zu wissen, wann es besser ist aufzuhören, wann es für einen selbst und seine eigene Existenz gefährlich wird. Spielen soll doch Freude machen, einen unterhalten und ablenken – eben keinen Stress produzieren. Am besten spielt man erst gar nicht um Geld. Aber selbst wenn es beim Skatspiel nur um Cents geht, kommt irgendwann doch innerer Ärger auf, wenn man nur noch auf der Verliererstraße ist. Hier setzt genau der Punkt ein, wo Spiel in Sucht übergeht. Selbst wenn es nur um kleine Einsätze geht, will man sein Geld wieder zurück gewinnen. Man sieht es als einen Verlust, etwas für ein verlorenes Spiel abzugeben. In dem Wahn, sich seinen Anteil wieder zu holen, verliert man meistens noch mehr. Der Ärger wird größer, man ist unkonzentriert aufs Spiel, weil man sich aufs Geld kapriziert. Je mehr man verliert, umso stärker wird der verbissene Wille zu spielen. Anstatt aufzuhören und sich selbst zu sagen, diesen kleinen überschaubaren Verlust kann ich locker verkraften, spielt und setz man weiter. Umgekehrt ist es nicht anders. Hat man ein wenig gewonnen, setzt automatisch die Gier nach mehr ein.
Da ist doch noch was zu holen, ich bin gerade auf der Gewinnerstraße, die Glückssträhne wird mich schon nicht verlassen. Wir können uns einfach nicht mit einem kleinen Gewinn begnügen, nein wir gieren nach mehr. Anstatt sich beim Verlust und auch beim Gewinn eine Marge, eine Deadline, ein Limit zu setzen und dann aufzuhören, kriegen wir die Kurve einfach nicht – das genau ist dann die Spielsucht. Wir tun es instinktiv wie ein Hund, der sich vollgefressen hat, aber noch vor einem halbvollen Napf steht. Er frisst weiter, bis er alles wieder auskotzt.
Das sind die kleinen Teufel aus unserem Unterbewusstsein, die uns immer wieder zuraunen „Spiel doch weiter!“ So lange wir diese intuitiven Signale nicht abschalten können, bleiben wir spielsüchtig. Spielsucht liegt dann vor, wenn wir nicht aufhören können, nicht wissen, wann Schluss ist, uns ruinieren und mehr Geld verjubeln als wir haben, Schulden machen und anfangen, unseren Hausrat zu verkaufen. Ein ganz normales Spielverhalten wäre es, in einer ganz bestimmten Zeit einen vorher limitierten Betrag maximal einzusetzen oder bei einem Gewinn aufzuhören. Diesen Spagat kriegen jedoch die Wenigsten hin. Spielsucht gibt es aber auch noch in anderer Form, etwa das Zocken an der Börse oder Glücksspiele im Internet (Online-Casino, Online-Poker und so weiter). Auch Computerspiele und Konsolenspiele können süchtig machen, etwa wenn man mehr als vier oder sechs Stunden täglich vor dem Bildschirm hängt. Das ist dann eine emotionale Sucht, man will gewinnen, der Leader (Führer, Anführer) sein. Eng zu vergleichen ist diese Art der Spielsucht mit der Computersucht. Man verliert zwar in der Regel kein Geld, ruiniert sich nicht finanziell, aber emotional. Nehmen Sie mal einem Kind die Spielkonsole weg, wenn es sich viel zu lange damit beschäftigt. Die Kleinen schreien und toben, sind auf Entzug, fangen an zu zittern, vergessen, wen sie vor sich stehen haben, nämlich Vater und Mutter.