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Kazzenkatt der Träumer:

Die Asche der Vergangenheit

Es kam selten vor, dass er von Sarlengort träumte – von den Augen am Himmel, dem roten und dem weißen Auge der Doppelsonne hoch am Purpurhimmel, und von den Feuern, die die Glut der Asche neu entfachten. Wie ein graues Tuch bedeckte die Asche den Planeten, und aus dem Grau ragten weiß und makellos die Türme der Träumer empor. Nicht einmal der schwarze Schnee konnte ihren weißen Stahl beschmutzen.

Erinnerungen ...

An Stimmen in der Finsternis, an Stimmen am fahlen Tag. Und an Monde, die wie Tropfen aus geschmolzenem und wieder erstarrtem Gold die Aschewelt umkreisten. Du hast versagt, raunten die Monde. Und wer versagt und seine Pflichten vernachlässigt, hat Strafe verdient ... Er wusste, wer da mit den Stimmen der Monde sprach, und im Traum krümmte er sich zusammen und schrie: Es ist nicht meine Schuld! Ich habe alles versucht. Die Schuld trifft allein die Technos ... Aber er erhielt keine Antwort.

Im Traum wanderte er wieder über die rußgeschwärzten Hügel und an der Küste entlang, wo sich Schlacke zu grimmigen Skulpturen türmte. Ascheflocken wirbelten über den glasierten Strand. Am Horizont, halb in den Fluten des schmutzigen Ozeans ertrunken, kämpfte ein Raumschiffswrack der Wi'n gegen die Wellen. Bis auf das träge Rauschen der Brandung war es still. Der Wind hielt den Atem an, die letzten Ascheflocken fielen zu Boden. Im Süden flackerte der Widerschein der großen Feuer.

Die Schlacht war geschlagen, die Schlacht war verloren.

Das stolze Sarlengort war verbrannt. Es gab nur noch die Asche und die Türme der Träumer. Länger als zehn Jahrtausende hatten die Träumer über die Galaxis Narzesch geherrscht. Länger als zehn Jahrtausende hatten sie im Schutz ihrer unzerstörbaren Türme geträumt und im Traum die Geschicke von zahllosen Welten und Völkern bestimmt. Als körperlose Bewusstseine waren sie zu den Sternen geflogen, von einem Ende der Galaxis zum anderen, unsichtbar, aber allgegenwärtig, Herren über hundertfünfzig Milliarden Sonnen, Herren über Raum und Zeit, über das Leben von Billionen intelligenten Wesen.

Sie hatten die Leere des intergalaktischen Weltraums ausgespäht und die fernen Milchstraßen und Nebelcluster mit begehrlichen Blicken verschlungen. In Narzesch gab es keine Gegner mehr, mit denen sie im Traum spielen konnten; keine Rivalen, die stark und klug genug waren, um die Macht der Träumer zu gefährden. Und die Träumer – so lange unbesiegt, dass ihnen die Unbesiegbarkeit als Geschenk des Schicksals erschien – hatten zu Millionen den Leerraum durchquert, um die Nachbargalaxis zu erobern, um mit den Mächtigen der blauen Galaxis ihr altes Spiel zu treiben.

Die Träumer hatten nicht gewusst, dass die blaue Galaxis den Wi'n gehörte. Die Träumer hatten nicht gewusst, dass die Wi'n seit Jahrhunderten in einen kosmischen Krieg verstrickt waren und die Grenzen ihres Reiches von Maschinen bewachen ließen, denen nichts von dem entging, was im Leerraum geschah. Die Maschinen entdeckten das Invasionsheer der Zeroträumer und vernichteten es bis auf den letzten Mann. Und dann ...

Wie Heuschreckenschwärme waren die Patrouillen von Wi'n in Narzesch eingefallen; schnelle, schwerbewaffnete Raumschiffe, zu riesigen Flotten formiert, die jeden Widerstand brachen und dann den Himmel von Sarlengort verdunkelten. Vier Tage und vier Nächte lang hatte es Feuer geregnet, und als der Feuerregen aufhörte, gab es nur noch die Asche und die Türme.

Und in den Türmen Schläfer, die nie wieder erwachen würden; Träumer, in einem Albtraum gefangen, aus dem es kein Entkommen gab.

Die Wi'n hatten die weißen Türme nicht zerstören können, doch sie hatten dafür gesorgt, dass sich die Türme in Kerker verwandelten.

Erinnerungen ...

Dunst lastete auf dem Grau des zähflüssigen Ozeans; Asche lag auf dem verbrannten Land; Ruß hing in der Luft. Und wie ein ungeheures feuchtes Tier schlich der Dunst um die Küste. Längst war das geborstene Wrack hinter den schmutzigen Nebelschwaden verschwunden. Dann kam Wind auf und blies Asche in großen Wolken über den glasierten Strand, die Schlacke, die Hügel, bis das Aschegestöber dicht genug war, um den Turm zu verhüllen, der sich jenseits der Hügel in die Höhe reckte. Im Traum spürte er die klamme Umarmung des Dunstes und den trockenen Atem des Windes, und von plötzlicher Verzweiflung übermannt, schrie er auf: Warum ich? Warum lebe ich noch, während alle anderen dem Tod entgegenträumen?

Der Dunst zerriss.

Die Aschewolken verschwanden.

Aus der Nacht, die sich heimlich vom Horizont genährt hatte, trat eine dunkle Gestalt; dunkler als der Ruß, der die Wolken am Purpurhimmel schwärzte, dunkler als die Aschenacht und fremder als alles, was diese Welt je gesehen hatte. Die Gestalt war aus dem Nichts gekommen, auf Wegen, die kein normales Geschöpf beschreiten konnte, mit Plänen, die zu verschroben waren, als dass man sie laut auszusprechen wagte.

Im Traum war die Angst so roh wie damals.

Im Traum waren seit jener Nacht am verbrannten Strand keine viertausend Jahre vergangen. Im Traum stand er noch immer dem dunklen Fremden gegenüber, und wie damals las der Fremde seine geheimsten Gedanken.

»Ich kann dir helfen, dich an den Wi'n zu rächen«, sagte der dunkle Besucher.

»Wer bist du?«, fragte der Träumer.

»Dein Herr«, sagte der Fremde. »Dein Herr, dein Retter. Ich habe dich aus dem Traumgefängnis der Wi'n befreit. Mir allein hast du es zu verdanken, dass du aus dem endlosen Traum erwachen und deinen Turm verlassen konntest.«

Die Antwort machte ihm Angst, denn er wusste: Jede Hilfe hatte ihren Preis. Er wich zurück. Die Pigmentsensoren, die wie rötliche Sommersprossen seinen haarlosen, eckigen Kopf überzogen, wurden dunkler und stumpfer, als hoffte sein Körper, dass der Fremde verschwand, wenn er ihn nur lange genug ignorierte. Seine Angst wuchs. Aus seinem Atemmund drang ein erstickter Laut, und wie unter Krämpfen zogen sich die Schließmuskeln des Speisemunds zusammen.

»Was willst du?«, stieß der Zeroträumer hervor. »Was verlangst du von mir?«

Der Fremde bewegte sich nicht. Schwarz stand er in der Nacht, dunkler als sie, dunkler als alles auf Sarlengort.

»Du wirst mir dienen«, antwortete das dunkle Geschöpf. »Über andere wirst du herrschen, aber mir wirst du dienen. Du wirst mich nicht verraten, denn wenn du mich verrätst, wirst du sterben. Wenn du mir dienst, schenke ich dir das ewige Leben.«

Im Traum sah er zu seinem Besucher auf, und er wagte nicht, ihm zu glauben. »Das ewige Leben?«, wiederholte er zweifelnd. »Unsterblichkeit? Als Lohn für meine Dienste? Welche Dienste sind so wertvoll, dass man sie mit dem ewigen Leben belohnt?«

»Es ist Krieg«, sagte der Fremde. »Der Krieg ist schon so alt, dass selbst ich vergessen habe, wann er begonnen hat. Die Mächte der Vernunft ringen mit dem größten Feind, den das Universum hat. Dieser Feind täuscht vor, für die Ordnung und gegen das Chaos zu kämpfen, doch die Ordnung, die dieser Feind meint, ist der Tod für mich und meinesgleichen. Der Feind hat viele Gesichter und trägt viele Namen. Seine Helfer sind Legion und seine Machtmittel schier unbegrenzt. Die Mächte der Vernunft wären schon vor Äonen besiegt worden, hätte der Feind sich nicht selbst geschwächt ... durch die Beschädigung des Moralischen Kodes.«

Im Traum sah er an dem Fremden vorbei, sah das dunstige Meer und die glasierte Küste, die graue Asche des Landes und die Feuer am Horizont. Im Traum stellte er sich die gleichen Fragen, die er sich damals gestellt hatte: Warum soll ich ihm nicht dienen? Warum soll ich auf Sarlengort bleiben und sterben, wenn ich ewig leben kann? Die Völker von Narzesch werden sich daran erinnern, was wir Träumer ihnen im Lauf unserer zehntausendjährigen Herrschaft angetan haben. Sie werden kommen, um sich zu rächen, jetzt wo die Patrouillen von Wi'n die Macht der Träumer gebrochen haben. Sie werden kommen und eine Welt aus Asche finden, und in der Asche die Türme, und in den Türmen die letzten Sarlengort, unter ihren Träumen begraben ...

Dennoch fürchtete er sich vor dem Entschluss. Seine Pigmentsensoren – Auge, Ohr und Nase zugleich – wurden stärker durchblutet, als ob die Furcht seine Sinne schärfen wollte, um ihm das zu zeigen, was sich hinter all den Worten verbarg. Er fand, was er erwartet hatte. Eine Drohung. Ungehorsam bedeutet Tod. Zu seiner eigenen Überraschung erleichterte ihn die Drohung. Sie befreite ihn von der Last der eigenen Verantwortung. Der Gehorsam war eine Bürde, die sich leichter tragen ließ.

»Ich werde dir dienen«, wiederholte er im Traum die Worte von damals. »Ich denke, dass ich ...«

Schmerz traf ihn wie der Schlag einer stählernen Faust. Wilder körperlicher Schmerz, der ihn aufbrüllen ließ, aber die Welt war verbrannt, und die Träumer in den Türmen schliefen zu fest, um ihn hören zu können. Und das einzige Wesen auf Sarlengort, das ihn hörte, kümmerten seine Schreie nicht.

»Du wirst dienen, nicht denken«, sagte sein neuer Herr. »Du bist ein Werkzeug; mehr nicht.«

Er stöhnte. Ruß schwärzte seine weiße Haut; Ascheflocken blendeten seine Pigmentsensoren. Der Schmerz ließ langsam nach, und während der Schmerz abflaute, wuchs Zorn in ihm. Ohnmächtiger Zorn. Ich bin ein Sarlengort!, dachte er. Mein Volk hat zehn Jahrtausende lang über eine ganze Galaxis geherrscht! Niemand hat das Recht, mich so zu behandeln! Niemand ...

»Du bist mein Werkzeug«, sagte sein Herr. »Und du wirst mein Werkzeug bleiben. Mein wichtigstes Werkzeug, doch trotzdem ein Werkzeug, ein Element. Das Element der Lenkung, der Führer des Dekalogs der Elemente. Du bist nicht das erste Lenkungselement. Vierzehn haben mir vor dir gedient. Bis zu ihrem Tod. Sie starben im Kampf gegen die Mächte der falschen Ordnung, und dieser Tod war sanft; oder sie starben durch meine Hand, weil sie unfähig waren und versagt hatten, und dieser Tod ...«

»Ich verstehe.«

»Du verstehst nichts.«

Im Traum lag er keuchend in der Asche. Ruß verklebte die empfindlichen Pigmentsensoren, und als er den Kopf hob, verwandelte der Rußfilm die Hügel und den weißen Turm im Norden in Schattenrisse. Ganz Sarlengort war ein Schattenland – mit Schatten als Bewohnern. Er dachte an die Schläfer in diesem und den anderen Türmen und an das Schicksal, das sie erwartete. Er sah seinen Herrn an, aber ihm fehlte der Mut, ihn um Hilfe für sein Volk zu bitten. Ein Werkzeug diente und gehorchte; einem Werkzeug wurden keine Bitten gewährt. Er richtete sich mühsam auf.

»Du brauchst einen Namen«, sagte sein Herr, »einen neuen Namen.«

»Warum?«, wagte er zu fragen. Instinktiv, in Erwartung einer neuen Schmerzwelle, duckte er sich, doch der Schmerz blieb aus.

»Weil du von nun an mein Werkzeug bist. Du beginnst erst jetzt zu existieren. Was vorher war, hat es nie gegeben. Es muss so sein.« Etwas wie Belustigung ging von dem Unheimlichen aus. »Nur wer keine Bindungen hat, ist ein perfekter Diener. Nur wer keine eigene Identität, keine Vergangenheit hat, ist ein vollkommenes Werkzeug. Ich werde dir Identität und Vergangenheit nehmen und dir dafür Macht und Unsterblichkeit geben.«

»Du bist großzügig.«

»Was ich gebe, kann dir jederzeit genommen werden.«

Im Traum dachte er über einen neuen Namen nach, wie er vor viertausend Jahren auf Sarlengort nachgedacht hatte, und genau wie damals fand er die Antwort im Brandungsrauschen. Das Meer war tot, aber es rauschte noch.

»Nenn mich Kazzenkatt«, sagte er. »Kazzenkatt der Träumer.«

Denn Kazzenkatt, fügte die Brandung mit feuchter, schwerer Stimme hinzu, Kazzenkatt heißt: Ich will leben.

*

Mit einem Schrei fuhr er aus dem Schlaf. Einen schrecklichen Moment lang sah er noch die graue Asche und den glasierten Strand von Sarlengort vor sich, dann verblassten die Erinnerungsbilder. Er war wieder in der Wirklichkeit, in der Zentrale der PRIMAT DER VERNUNFT. Die Wände aus grüner Formenergie, der Boden, die Decke, das ganze Schiff – alles schien von innen heraus zu glühen. Wie um die Schatten seiner Träume zu vertreiben.

Formenergiehände massierten seine verspannte Rückenmuskulatur; aus dem Seitenwulst der Schlafmulde schob sich ein flexibler Schlauch. Automatisch öffnete er den Speisemund und trank gierig den mit belebenden Wirkstoffen versetzten Nährbrei. Während er trank, atmete er über das Luftröhrensystem des Atemhalses reinen Sauerstoff ein.

Kazzenkatt fühlte sich zerschlagen – wie nach jedem dieser seltsamen Träume, in denen er sich nicht von seinem Körper löste, sondern in den Abgrund seiner Erinnerungen stürzte.

Keiner seiner Artgenossen auf Sarlengort hatte je derartige Träume gehabt. Ein Traum war stets ein Zerotraum gewesen – das Bewusstsein schüttelte die Fesseln des Körpers ab und konnte in dieser ätherischen Zustandsform die Grenzen von Raum und Zeit überwinden, in Gedankenschnelle Entfernungen zurücklegen, für die sogar das Licht lange Jahre benötigte.

Auf Sarlengort hatte man nie davon gehört, dass es Träume gab, die in den Kosmos der Innenwelt führten statt in den Kosmos der Außenwelt, und dass im Universum des Unbewussten manchmal größere Gefahren lauerten als im Universum der Sterne und Galaxien.

Kazzenkatt schob den Nährschlauch zur Seite und horchte mit hellroten Pigmentsensoren in die Leere des Schiffes. Nichts. Nur das fast unhörbare musikalische Wispern der Formenergie. Er gab dem Bordcomputer einen mentalen Befehl. Die Formenergie der Schlafmulde bildete sich um. Die Mulde wuchs zu einem bequemen Sessel; ein weiterer Mentalbefehl, und in der Luft erschien ein unstrukturiertes holografisches Projektionsfeld. Während er unentschlossen das bunte Flackern des Hologramms betrachtete, fiel ihm ein, dass die Innenweltträume kurz nach seinem fünfhundertsten Geburtstag begonnen hatten. Und nun war er über viertausend Jahre alt, obwohl die natürliche Lebensspanne eines Sarlengort nur zweihundert Jahre betrug. Ohne die Zellduschen auf LAGER wäre er schon vor langer Zeit gestorben ...

Vielleicht, dachte Kazzenkatt, sind diese Träume der Preis der Unsterblichkeit. Vielleicht sind wir Sarlengort dem ewigen Leben psychisch nicht gewachsen. Die Last der Jahre wird drückender und drückender, bis nicht einmal mehr der Zerotraum Erleichterung bringt; was bleibt, sind die Reisen in die Innenwelt ... Ich werde meine Fähigkeit zum Zeroträumen verlieren, dachte Kazzenkatt deprimiert. Je länger ich lebe, desto schwerer wird die Last der Jahre, und um diese Last abzuschütteln, fliehe ich in den Weltraum. Aber die Jahre eines Unsterblichen sind zahllos, und eines Tages wird die Last unerträglich sein. Der Körper verwandelt sich in ein Gefängnis, aus dem es für den Geist kein Entkommen gibt. Was für eine schreckliche Vorstellung!

Und da ich dies erkannt habe, durchfuhr es Kazzenkatt, weiß es auch der Herr der Negasphäre. Er weiß, dass ich als Lenkungselement wertlos bin, wenn ich die Gabe des Zeroträumens verliere. Er wird mich töten oder mir die nächste Zelldusche verweigern ...

Aber dann wurde ihm bewusst, wie absurd seine Überlegungen waren. Die Entscheidung war bereits gefallen. Er hatte versagt, und seine Tage waren gezählt. Selbst der verzweifelte letzte Schlag, den er gegen den Gegner geführt hatte, hatte die Niederlage nicht mehr abwenden können. Die Kosmokraten und ihre Verbündeten – die Endlose Armada, die Milchstraßenvölker, die Hanse und die Superintelligenz ES – hatten die Auseinandersetzung um die Chronofossilien gewonnen. Der Versuch der Mächte des Chaos, die Chronofossilien zu neutralisieren und so die Rückkehr des Frostrubins und die Reparatur des Moralischen Kodes zu verhindern, war bislang gescheitert.

Schlimmer noch: Eines der wirkungsvollsten Machtinstrumente der Chaotarchen, der Dekalog der Elemente, war faktisch zerschlagen.

Es ist meine Schuld, dachte Kazzenkatt. Ich bin das Element der Lenkung. Ich habe den Krieg gegen die Milchstraße geführt. Ich bin für den Untergang des Dekalogs verantwortlich.

Er fröstelte.

Wann wird er kommen, der Herr der Negasphäre, um mich für mein Versagen zu bestrafen?, fragte sich Kazzenkatt. Oder ist er schon hier? An Bord der PRIMAT DER VERNUNFT? Habe ich deshalb von jenem Tag vor viertausend Jahren geträumt, von jenem Aschetag auf Sarlengort, an dem ich meinem Herrn zum ersten Mal sah?

Plötzlich erkannte er, dass es ihn nicht kümmerte. Er hätte sich fürchten, Todesangst empfinden müssen, doch ihm war es gleich. Fast trotzig sagte er sich: Soll er mich töten. Soll er mich dafür bestrafen, dass die Macht der Elemente nicht groß genug war, die Gegner zu besiegen. Ich habe genug von allem. Ich bin müde.

Kazzenkatt lachte verärgert auf.

Sinnlose Gedanken. Sie änderten nichts an seiner Situation. Er war nur ein Werkzeug; er war noch immer ein Element des Dekalogs. Sein Leben lag in der Hand des Unheimlichen aus der Negasphäre – und so war es seit viertausend Jahren.

Im Grunde, dachte Kazzenkatt resignierend, im Grunde hat sich nichts geändert. Ich diene und gehorche, weil ich leben will. Deshalb habe ich nichts für die letzten meines Volkes in den Türmen von Sarlengort getan; deshalb habe ich mich dem Herrn der Negasphäre unterworfen und für ihn einen Feldzug nach dem anderen geführt – gegen die Patrouillen von Wi'n, gegen die Genetische Allianz, die Bewohner der isolierten Regionen und schließlich gegen die Galaxis Milchstraße. Ich habe getan, was mir gesagt wurde, und ich habe alle meine Mittel eingesetzt. Es lag nicht an mir. Der Gegner war stärker; das ist alles.

Er spannte die Muskulatur seines Doppelhalses und hob den quaderförmigen Kopf; ein kurzer Mentalimpuls, und der Bordrechner zeigte ihm eine holografische Darstellung des transsolaren Weltraums. Sol war dreißig Lichtjahre entfernt, ein trüber Lichtpunkt, der vor dem Hintergrund der Milchstraße und ihres strahlenden Zentrumskerns fast unsichtbar war. Die PRIMAT DER VERNUNFT hatte in den letzten Stunden mehrfach die Position gewechselt, um den Patrouillenschiffen der LFT und der GAVÖK zu entgehen, und befand sich nun näher am galaktischen Rand. Aber selbst in diesem Sektor wimmelte es von Einheiten des Gegners.

Trotz ihres Ortungsschutzes, das aus dem Hightech-Arsenal der Basis LAGER stammte, war die PRIMAT DER VERNUNFT gefährdet. Der wissenschaftlich-technische Entwicklungsstand der Terraner und ihrer Verbündeten war hoch – und Kazzenkatt hatte mehr als einmal erfahren müssen, was es bedeutete, den Gegner zu unterschätzen. Außerdem war da noch die Endlose Armada; und die SYZZEL, das Schiff der Kosmokraten. Nicht einmal der Herr der Negasphäre hatte mit letzter Sicherheit sagen können, über welche Mittel Taurec verfügte.

Kazzenkatt wies den Bordcomputer an, sofort die Position zu wechseln, wenn sich gegnerische Schiffe der PRIMAT DER VERNUNFT um mehr als einer Lichtstunde näherten, und konzentrierte sich dann auf das Solsystem.

Eine glitzernde Materiewolke schien die kleine gelbe Sonne und ihre Planeten zu verhüllen. Die Wolke bestand aus Millionen und aber Millionen Raumschiffen und reichte weit in den interstellaren Raum. Aus Sicherheitsgründen arbeitete der Bordcomputer nur mit den passiven Ortungssystemen; ihr Auflösungsvermögen reichte nicht aus, die Pulks der Armadaeinheiten oder einzelne Schiffe herauszufiltern. Die unvorstellbar große Flotte, die seit Jahrmillionen das Universum durchstreift hatte, blieb diffus, war weder verstandesmäßig fassbar, noch mit den Instrumenten zu analysieren.

Eine funkelnde Wolke mit einer Ausdehnung von mehreren Lichtjahren, die das Heimatsystem der Terraner in kosmischen Nebel hüllte und dabei selbst hinter einer Nebelwand zu liegen schien.

Kazzenkatt bezweifelte, dass er mit den aktiven Ortungssystemen bessere Ergebnisse erzielen konnte. Er hatte schon mehrfach festgestellt, dass eine Art hyperenergetisches Feld die Armada abschirmte und die Messergebnisse verfälschte. Natürlich wäre es möglich gewesen, die Armada im Zerotraum auszukundschaften, doch Kazzenkatt scheute davor zurück. Seit die Riesenflotte die galaktische Eastside erreicht hatte, war sie zu einem starken Psi-Strahler geworden. Die Strahlungsquelle ließ sich nicht lokalisieren; er hatte sogar den Eindruck, dass es Tausende Quellen gab, die über die ganze Armada verteilt waren ...

Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Hologramm.

Die Endlose Armada war nicht der einzige Gast im Solsystem. Außer den Einheiten der Liga Freier Terraner und der Kosmischen Hanse hatten sich in den letzten Tagen und Wochen rund vierzigtausend Raumschiffe der terranischen Alliierten eingefunden – Blues, Akonen, Arkoniden, Springer, Überschwere, Topsider und Haluter, Verbände der ehemaligen terranischen Kolonien, eine Flotte Fragmentraumer von der Hundertsonnenwelt und eine ganze Reihe anderer Schiffe, über deren Herkunft Kazzenkatt nur Vermutungen anstellen konnte. Die deutlichsten Tasterreflexe lieferten die BASIS und die beiden Kosmischen Basare NOWGOROD und DANZIG, sowie das Loolandre.

Eine gewaltige Streitmacht.

Und da war noch das Virenimperium, das als gewaltiger, hundert Lichtstunden durchmessender Ring das Solare System umgab.

Kazzenkatt seufzte.

Selbst mit der Macht des gesamten Dekalogs der Elemente im Rücken wäre ein Angriff auf das Solsystem eine riskante Angelegenheit gewesen.

Aber der Dekalog existierte nicht mehr, dachte der Zeroträumer.

Und eine Stimme sagte: »Was hast du getan?«

Es war eine kalte Stimme, kalt wie Trockeneis aus der Minuswelt, und sie drang aus dem Nichts. Der Zeroträumer fuhr mit einem Schrei hoch. Seine Pigmentsensoren röteten sich, ließen ihn klar und scharf hören, riechen und sehen, das ihm bisher so warm und vertraut erschienen war, wirkte mit einemmal giftig.

»Herr?«, stammelte er. »Wo bist du, Herr?«

»Ich bin bei dir«, sagte die Stimme seines Herrn. »Ich bin immer bei dir gewesen. Ich habe dich vor dem Tod bewahrt und dir das Leben geschenkt, das ewige Leben, die Unsterblichkeit. Aber was hast du getan, Kazzenkatt?«

»Herr, töte mich nicht!«, rief der Sarlengort. Unterwürfig fiel er auf die Knie. »Es ist nicht meine Schuld! Verschone mich, Herr!«

In der Zentrale wurde es dunkler. Schatten legten sich über das Grün der Formenergie, und aus den Schatten – dunkler als die Asche von Sarlengort – schälte sich eine humanoide Gestalt. Die Gestalt eines Terraners, eines Feindes, und die Tatsache, dass der Herr der Negasphäre ausgerechnet diese Erscheinungsform gewählt hatte, verstärkte Kazzenkatts Furcht.

Ich will leben!, dachte er verzweifelt. Das ist alles, was ich will!

»Du hast versagt«, erinnerte der Herr der Negasphäre.

Kazzenkatt hob trotzig den Kopf. »Ja«, sagte er laut. »Ich habe versagt. Aber ich bin nur dein Werkzeug. Wenn du dein Werkzeug töten willst – ich bin bereit.«

Ein verächtliches Lachen antwortete ihm, und eine unsichtbare Hand packte ihn mit brutaler Gewalt, zerrte ihn hoch, schmetterte ihn in den Sessel aus Formenergie.

»Narr!«, donnerte der Herr der Negasphäre. »Natürlich hast du den Tod verdient! Aber glaubst du nicht auch, dass ich dich längst getötet hätte, wenn ich dich töten wollte? Glaubst du nicht auch, dass ich meine Gründe habe, dich trotz deines Versagens am Leben zu lassen? Vergiss nicht, Kazzenkatt«, raunte er, »dass ich der Herr bin und dass du mir dienst. Vergiss nicht, was ich dir einst gesagt habe – dass der Tod dir wie eine Erlösung erscheinen wird, wenn ich beschließe, dir die Gnade des Todes zu gewähren. Aber noch ist es nicht soweit. Noch benötige ich deine Dienste, Element der Lenkung ...«

Hoffnung keimte in Kazzenkatt auf, doch sie währte nur kurze Sekunden. Denn wie sollte er dienen, machtlos wie er war? Was konnte er gegen die Terraner und ihre Verbündeten ausrichten?

»Was kann ich tun?«, fragte er krächzend. »Wie kann ich dir jetzt noch dienen, wo ich alles verloren habe? Das Element der Zeit ist im Abgrund der Vergangenheit verschwunden. Das Element der Maske hat mich verraten. Das Element der Kälte wurde geopfert, um die Eisige Schar in dieses Universum zu rufen, und als die Eisigen in die Minuswelt zurückkehrten, folgten ihnen die Elemente des Raumes und des Geistes, des Krieges und der Transzendenz. Und die Anin An, das treueste und mächtigste Element, das Element der Technik, das die Terraner fast bezwungen hätte, erlag den Einflüsterungen Ordobans. Und das letzte Element, die Finsternis ...«

Plötzlich wusste er, was der Herr der Negasphäre von ihm verlangen würde. Er hatte es die ganze Zeit über gewusst und dieses Wissen verdrängt, weil ihm die Vorstellung zu absurd erschienen war. Die Finsternis einsetzen? Das Risiko einer unkontrollierbaren Entwicklung eingehen?

»Du musst es tun«, sagte der Unheimliche. Er sprach sanft, fast zärtlich. Schwarz wie er war, mit Augen, in denen sich das Licht ferner Sterne spiegelte, und einem Lächeln, das Freundlichkeit vortäuschte, um Grausamkeit zu verbergen, trat der Herr auf den Diener zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

Kazzenkatt schauderte unter der Berührung. Nein!, dachte er grimmig. Niemals! Bei den goldenen Monden von Sarlengort – ich werde es nicht tun!

»Du wirst es tun«, wisperte der Herr der Negasphäre. »Du weißt, dass dir keine Wahl bleibt, nicht wahr? Es ist deine einzige Möglichkeit, die Niederlage in einen Sieg zu verwandeln. Zuviel steht auf dem Spiel. Wenn Perry Rhodan Eden II erreicht ... Wenn der Frostrubin in die Tiefe zurückkehrt und die Lücke im Moralischen Kode schließt ... Du kannst dir nicht vorstellen, was das bedeutet, Kazzenkatt, für mich bedeutet. All die Jahrmillionen ...! All die klugen, großen Pläne, die gewonnenen Schlachten und die mühsam erkämpften Triumphe ...! Soll alles vergeblich gewesen sein?«

Er beugte sich zu Kazzenkatt hinunter und lächelte, doch das Lächeln beschränkte sich auf die schwarzen Lippen und erreichte nicht die Augen, in denen jetzt kalte Flammen loderten.

»Sie wollen mich verderben, mein träumender Freund«, sagte der Herr der Negasphäre. »Die Kosmokraten wollen mich verderben, weil sie mich fürchten und weil sie mich hassen. Ich habe zu lange gelebt und zu hart gekämpft, um noch aufgeben und sterben zu können. Sie wollen mir alles nehmen – mein Leben, meine Welt, sogar meine Vergangenheit. Sie werden erst zufrieden sein, wenn alle Spuren meines Daseins ausgelöscht sind, wenn nichts im ganzen Universum mehr an mich und mein Wirken erinnert, wenn sogar die Zeit vergessen hat, wer ich war und was ich getan habe. Sie sind schlechte Kreaturen, Kazzenkatt. Alles, was aus der Region jenseits der Materiequellen kommt, ist abgrundtief schlecht und ohne Erbarmen. Sie klagen mich der Lüge an, und dabei sind sie es, die lügen. Sie beschuldigen mich abscheulicher Verbrechen, doch sie sind es, die die größten Verbrechen begehen.

Weißt du, was geschehen wird, wenn sie siegen?«, fragten die schwarzen Lippen. »Sie werden mich erniedrigen, wie nie zuvor ein denkendes Geschöpf erniedrigt wurde. Ich bin so hoch gestiegen, dass ich die weiten Himmel sehen kann, die grenzenlosen Räume der Unendlichkeit, wo diese schrecklichen Kreaturen in ihrer Größe thronen und eifersüchtig darüber wachen, dass kein Wesen dieses Universums ihnen in ihrer Größe gleichkommt. Deshalb verfolgen sie mich, und deshalb wollen sie mich vernichten – weil ich sie sehen kann, sie und das, was sie dort tun. Was sie in den Äonen vollbracht haben und was sie für die Zukunft planen.

Sie sind so vermessen!«

Das Wesen aus der Negasphäre schwieg einen Moment. Die gesplitterten schwarzen Spiegel der Augen hellten auf, und Kazzenkatt sah schattengleich Myriaden Gesichter in den Myriaden Bruchstücken, vage Erinnerungen an etwas, das längst vergangen war. Die Gesichter waren Legion, aber nicht einmal ihre Zahl hatte sie vor dem Vergessen bewahrt. Plötzlich begriff der Zeroträumer. Wie betäubt blickte er in die schwarzen Spiegel, die fremden Augen, und las in ihnen die Antwort auf die Frage, die ihn seit viertausend Jahren quälte. Die Frage nach der Herkunft seines Herrn.

Er ist die Inkarnation der intelligenten Lebensform, die einst jene Region beherrscht hat, aus der die Negasphäre entstand, dachte Kazzenkatt. Als sich TRIICLE-9 aus der psionischen Doppelhelix des Moralischen Kodes löste, wurde in diesem Teil des Universums das Schöpfungsprogramm gelöscht. Die Materie zerfiel, als die Naturgesetze ihre Gültigkeit verloren, aber sie passten sich an. Wer oder was auch immer dort gelebt hat – sie müssen fremd gewesen sein, anders als die Bewohner Narzeschs oder der Milchstraße. Fähig, den Zusammenbruch von Raum und Zeit zu überstehen; bereit, um jeden Preis zu überleben; bereit, alles zu opfern, um nicht selbst zu Opfern zu werden ... Aber welche Lebensform ist in der Lage, eine apokalyptische Katastrophe wie die Löschung des Schöpfungsprogramms zu überstehen? Welches Volk der Urzeit war groß und mächtig genug, dem Nichts zu trotzen und sich dem Chaos anzupassen?

Kazzenkatts Gedanken wirbelten wie Schneeflocken in einem Wintersturm. Er sah den Herrn in der Gestalt eines Humanoiden vor sich stehen, und plötzlich verstand er. Die Antwort war so offensichtlich!

Ich kenne dich, sagte er zu den blinden Spiegeln im Gesicht seines Herrn. Ich weiß, was du bist, woher du kommst. Du bist das alte Volk, von dem nur Legenden geblieben sind – und die Spreu, über den Kosmos verteilt. Du bist der Schoß, aus dem das humanoide Leben entsprang. Du bist das alte Volk, das vor Äonen ruhelos von Galaxis zu Galaxis zog und nach Brüdern suchte und nirgendwo Geschöpfe fand, die ihm gleich waren. Du bist der Stammvater aller humanoiden Rassen, und selbst deine Feinde, die Terraner, gehören zu den Kindern deiner Kinder ...

»Es ist nicht wichtig«, sagte der Herr der Negasphäre, als hätte er Kazzenkatts Gedanken belauscht. »Es ist nie wichtig gewesen.«

»Aber du bist es, nicht wahr?«, stieß der Zeroträumer hervor. »Das alte Volk, das vor Millionen Jahren verschwand, die Urzelle aller humanoiden Völker des Kosmos. Aber ...« Er machte eine hilflose Geste. »Aber wie konnte so etwas geschehen? Wie war es möglich, dass eine mächtige Rasse wie die Alten diesen Weg ging?«

»Das alte Volk ist ein Mythos.« Die schwarzen Lippen verzogen sich zu einem freudlosen Lächeln. »Und du bist ein Narr.«

»Ich bin dein Diener«, sagte Kazzenkatt.

»Ich habe dich dazu gemacht.«

»Dann gib mir Befehle.« Der Zeroträumer hob den kalkweißen Schädel; die Pigmentsensoren waren wie Blutflecke auf einem Kreideblock.

Das Lächeln der schwarzen Lippen wurde breiter, ohne dass es an Freundlichkeit gewann. »Wir haben wenig Zeit«, erklärte der Herr der Negasphäre. »Perry Rhodan muss nur noch zwei Fossilien aktivieren, um den porleytischen Anker des Frostrubins zu lösen. Terra – und Eden II.«

»Ein Angriff auf Eden II?«, fragte Kazzenkatt überrascht. »Lauten so deine Befehle? Ein Angriff auf das Allerheiligste der Superintelligenz ES?«

»Unsinn«, wies ihn der Herr zurecht. »Was könntest du gegen eine Superintelligenz ausrichten? Im Vergleich zu ES bist du weniger als eine Amöbe, mein träumender Freund ... Nein, um Eden II werde ich mich persönlich kümmern. Von dir verlange ich einen anderen Dienst. Du wirst das letzte Element gegen Terra einsetzen.«

Kazzenkatt fuhr zurück.

Fast mitleidig flüsterte das Geschöpf der Negasphäre: »Du weißt, dass ich dich zu diesem Dienst nicht zwingen kann. Ich kann dich töten, aber nicht zwingen, das zu tun, was uns vielleicht zum Sieg verhelfen wird.«

»Ich habe Angst«, gestand Kazzenkatt mit heiserer Stimme. »Es ist zu gefährlich – nicht nur für mich, nicht nur für die Terraner, sondern für alle. Auch für dich.«

Das schwarze Gesicht blieb unbewegt.

»Eher sterbe ich!«, brauste der Sarlengort auf.

Der Herr der Negasphäre nickte. »Das wirst du, wenn du dich weigerst.«

»Und wenn ich gehorche, sterbe ich auch«, erwiderte er. Verbittert presste er die Ringmuskulatur seiner beiden Münder zusammen. Viertausend Jahre, kam es ihm in den Sinn. Und nun der Tod ... »Ich habe es immer geahnt«, fuhr er leise fort. »Das letzte Element wartet auf mich, seit ich es zum ersten Mal rief. Es will mich zu sich holen; dorthin, wo nicht einmal du dich hinzubegeben wagst.«

»Aber es ist das einzige Element des Dekalogs, über das du noch gebieten kannst«, erinnerten die schwarzen Lippen. »Und der Verlust der Basis VERSTÄRKER nimmt uns die Möglichkeit, unter den Zeitkonservierten neue Elemente zu rekrutieren.«

»Warum setzen wir nicht die technischen Mittel LAGERS ein?«, fragte Kazzenkatt. »Hightech-Geräte wie den Sperrfeldgenerator, den Pedo- oder Fiktivtransmitter ...«

»Ich benötige das Arsenal LAGERS für meine eigenen Zwecke.«

»Dann töte mich!«, rief Kazzenkatt. »Ich kann es nicht tun! Eher sterbe ich, als noch einmal das letzte Element zu rufen! Ich kann mich noch genau erinnern, wie es war, als es sich vor Andro-Beta manifestierte, auf der BASIS, bei der Entführung Perry Rhodans ... Es hat mich gesucht. Ich weiß es. Und wäre es noch einige Minuten länger geblieben, hätte es mich gefunden.«

Seine Sensorpigmente waren jetzt fast rosa. Schmerzhaft deutlich sah er das Gesicht des Herrn vor dem grünen Hintergrund der Formenergie: Ein schwarzes Oval mit den Zügen eines Terraners. Die Stille, die seinen letzten Worten gefolgt war, dauerte an, wurde bedrückend, unerträglich. Er horchte mit den Pigmentsensoren, doch nicht einmal das musikalische Summen der Formenergie war zu vernehmen.

»Ich schenke dir die Freiheit, wenn du gehorchst«, sagte der Herr.

Doch die Freiheit ist eine Lüge, dachte Kazzenkatt. Verbittert lachte er auf. »Was nützt mir die Freiheit, wenn mich das letzte Element verschlungen hat?«

»Es gibt eine Möglichkeit für dich, diesem Schicksal zu entrinnen – obwohl du dieses Schicksal verdient hättest, Element der Lenkung.« Etwas wie Müdigkeit lag in der Stimme des Herrn der Negasphäre; Müdigkeit und Ungeduld. »Rufe es nur für kurze Zeit; sorge dafür, dass es sich nur so lange manifestiert, bis du Perry Rhodan in den Zerotraum entführen kannst. Dir ist es schon einmal gelungen. Mit der Hilfe des letzten Elements könntest du es erneut schaffen.«

»Und wenn es bleibt? Mit jeder Manifestation ist es stärker geworden ...«

»Dann kannst du immer noch fliehen. Es spielt keine Rolle, was aus dem Solsystem wird. Wird es vom letzten Element vernichtet – gut. Übersteht es den Angriff – auch gut.« Wieder das freudlose Lächeln der schwarzen Lippen. »Mir geht es um Perry Rhodan. Er ist der Schlüssel zu den Chronofossilien. Wenn du ihn im Zerotraum tötest, können die Kosmokraten Eden II nicht aktivieren. Der Frostrubin bleibt an seinem Platz, und der Moralische Kode bleibt beschädigt.«

Kazzenkatts Furcht ließ ein wenig nach. Er überlegte, und er war intelligent genug, um zu erkennen, dass der Plan des Herrn durchführbar war. Wenn es nur um Perry Rhodan ging ... Wenn die Vorbereitungen sorgfältig getroffen wurden ... Ja, es war möglich!

Die Freiheit!, dachte das Element der Lenkung. Nach viertausend Jahren im Dienst des Dekalogs ...

»Du wirst mich nicht betrügen?«, fragte er heiser.

»Ich habe dich nie betrogen«, sagte der Herr der Negasphäre.

Kazzenkatt atmete tief durch. »Ich bin einverstanden. Ich werde es tun. Ich werde das letzte Element ins Solsystem rufen – und Perry Rhodan töten ...«

Die schwarzen Lippen lächelten. Es war ein heiteres, zufriedenes Lächeln.

Perry Rhodan 1246: Die Macht des Träumers

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