Читать книгу Der Peloponnesische Krieg - Thukydides - Страница 7

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101. Die in Schlachten besiegten und belagerten Thasier wandten sich nun um Hülfe an die Lacedämonier, und forderten diese auf, sie durch einen Einfal in Attika zu unterstützen. Diese versprachen es zwar, ohne daß es die Athener erfuhren, und waren im Begriff, es zu thun; aber sie wurden durch das Erdbeben daran verhindert: während welcher Zeit auch die Heloten, und von der freien Unterthanen die Thuriaten und Nethäer sich empörten und nach Ithome zogen4. Die meisten der Heloten aber waren Abkömmlinge der alten Messenier, welche ehemals unterjocht worden waren; daher hatten sie auch den allgemeinen Namen Messenier. Die Lacedämonier hatten nun mit denen in Ithome Krieg zu führen. Die Thasier ergaben sich nach dreijähriger Belagerung den Athenern durch Vertrag, und mußten ihre Festungswerke niederreissen, ihre Schiffe ausliefern, und sich eine Geldsteuer auflegen lassen, wovon sie eine Summe sogleich, das Uebrige in Zukunft entrichten sollten: auch mußten sie dem Besitze des Festlandes und der Bergwerke entsagen.

102. Als sich nun der Krieg gegen die, welche Ithome belebt hatten, in die Länge zog, so riefen die Lacedämonier unter andern Bundesgenossen auch die Athener zu Hülfe. Diese kamen unter Anführung Cimons mit nicht geringer Macht. Man hatte sie hauptsächlich darum herbeigerufen, weil sie in der Belagerungskunst für vorzüglich galten, und bei dem langen Verzuge der Belagerung das Mangelhafte in dieser Hinsicht sich offenbarte. Denn wäre es blos auf Kriegsmacht angekommen, so würden sie die Stadt erstürmt haben. Bei diesem Feldzuge wurde zuerst eine feindselige Stimmung zwischen der Lacedämoniern und Athenern offenbar. Denn, als der Platz nicht erstürmt werden konnte, so fürchteten die Lacedämonier wegen der Kühnheit und des raschen Unternehmungsgeistes der Athener, die sie überdieß als ein Volk nichtverwandten Stammes ansahen, sie möchten bei längerem Verweilen von denen in Ithome zu Umtrieben verleitet werden: daher entließen sie dieselben allein unter allen Verbündeten, indem sie, ohne ihren Verdacht zu äußern, erklärten, man bedürfe ihrer jetzt nicht mehr. Die Athener aber merkten wohl, daß sie nicht in der besten Absicht, sondern wegen eines vorwaltenten Argwohnes entlassen worden. Da ihnen nun dieses höchst empfindlich, war, und sie eine solche Behandlung nicht um Sparta verdient zu haben glaubten, so sagten sie sich gleich nach ihrer Heimkehr von dem mit den Lacedämoniern gegen die Perser geschlossenen Bunde los, und wurden Bundesgenossen der Argiver, ihrer Feinde; und zugleich giengen beide Völker mit den Thessaliern ein eidliches Bündniß unter denselben Bedingungen ein.

103. Als im zehnten Jahre (455 v. C.) die in Ithome sich nicht länger zu halten vermochten, so ergaben sie sich den Lacedämoniern unter der Bedingung, daß sie unter dem Schutze das Vertrags aus dem Peloponnes abziehen dürften, und denselben nie wieder betreten wollten: wofern sich einer treffen ließe, so sollte er der Sklave dessen sein, der ihn auffinge. Die Lacedämonier hatten nämlich, vormals einen pythischen Götterspruch erhalten: sie sollten die, welche bei dem Zeus von Ithome Schutz suchen, ziehen lassen. Und Jene Bogen mit Weibern und Kindern ab. Die Athener aber nahmen sie bei ihrer jetzigen feindseligen Stimmung gegen die Lacedämonier auf, und verpflanzten sie nach Naupattos [das heutige Lepanto), daß sie seit kurzem gerade den Ozolischen Lokrern abgenommen hatten. Auch die Megareer traten in die Bundesgenossenschaft der Athener, und trennten sich von den Lacedämoniern, weil die Korinther sie wegen der Grenze ihres Gebiets durch einen Krieg beunruhigten. Die Athener besetzen hierauf Megara und Pegä, und bauten den Megareern die langer Mauern von der Stadt nach Nisäa5, und legten eine Besatzung hinein. Besonders durch diesen Anlaß entstand der heftige Haß der Korinther gegen die Athener,

104. Inarus, der Sohn des Psammetichus, ein Libyer, Fürst der an Aegypten gränzenden Libyer, der Marea, eine Stadt jenseits Pharus, zum Sammelplatz seiner Macht hatte, brachte den größten Theil von Aegypten zum Abfall von dem Perserkönig Artorerres: er selbst wurde nun Herr des Landes, und rief die Athener zu seinem Beistande (462 p. 6.) Diese hatten gerade mit 300 eigenen und Bundesgenossen-Schiffen einen Zug nach Cypern gemacht: und verließen nun die Insel, und kamen dorthin, und schifften vom Meere landeinwärts auf dem Nil, und wurden Meister des Stromes, und von zwei Drittheilen der Stadt Memphis, und bekriegten den dritten Theil, die weiße Mauer genannt, wo sich die geflüchteten Perser und Meder und die Aegyptier befanden, die nicht Theil an dem Aufstande genommen hatten.

105. Die Athener aber landeten mit ihren Schiffen bei Haliä6, und kamen mit den Korinthern und Epidauriern ins Treffen, in welchem die Korinther siegten. Später lieferten die Athener den Peloponnesischen Schiffen bei Sekryphalea7 ein Seetreffen, und trugen den Sieg davon. Als nun ein Krieg zwischen den Athenern und Aegineten ausbrach, so erfolgte eine große Seeschlacht bei Aegina, an der die beiderseitigen Bundesgenossen Theil nahmen. Die Athener siegten, eroberten siebenzig feindliche Schiffe, machten eine Landung, und belagerten die Stadt, unter der Anführung des Leokrates, des Sohnes von Ströbus. Nun wollten die Peloponnesier den Aegineten Hülfe bringen, und schifften nach Aegina dreihundert Schwerbewaffnete über, die früher Hülfstruppen der Korinther und Epidaurier gewesen waren, und besetzen die Höhen von Seranea8. Auch drangen die Korinther nebst ihren Verbündeten ins Megarische Gebiet, in der Meinung, die Athener würden nicht im Stande sein, den Megareern Hülfe zu bringen, da ein großer Theil ihrer Kriegsmacht in Aegina und Aegypten abwesend sei: sollten sie aber zu Hülfe eilen wollen, so würde man sie nöthigen, Aegina zu verlassen. Die Athener aber brachen mit ihrem Heere von Regina nicht auf; sondern es rückten von den in der Stadt zurückgebliebenen die Aeltesten und Jüngsten nach Megara, unter Anführung des Myronides. Es erfolgte nun ein unentschiedenes Treffen gegen die Korinthen: beide Theile, zogen sich zurück, um, glaubten bei dem Vorfalle nicht den Kürzern gezogen zu haben. Jedoch waren die Athener mehr im Vortheil gewesen, und stellten nach dem Abzuge der Korinther ein Siegeszeichen auf. Die Korinther aber, weil sie von den Aelteren in der Stadt Vorwürfe erhielten, waffneten sich, etwa zwölf Tage später, kamen wieder, und stellten ihrer Seits auch ein Siegeszeichen auf, als ob sie gesiegt hätten. Die Athener aber rückten schnell aus Megara aus, erschlugen die, welche das Siegeszeichen errichteten, und siegten in einem Gefechte mit den Uebrigen.

106. Die Besiegten aber zogen sich zurück: und eine nicht unbeträchtlide Abtheilung derselben, die sid, durch die Nachsetzenden im Gedränge befand, und des Weges verfehlte, gerieth auf das Gut eines Bürgers, das zufällig von einem großen Graben umschlossen war, und keinen Ausgang hatte. Als die Athener dies bemerkten, schlossen sie jene von vorn durch Schwerbewaffnete ein, und stellten rings herum die leichten Truppen, und tödteten durch Schleuderwürfe alle, die dort hineingegangen waren. Dieser Verlust war den Korinthern sehr empfindlich: die Mehrzahl ihres Heeres aber kehrte nach Hause zurück.

107. Die Athener begannen um diese Zeit auch die langen Mauern zum Meere zu bauen, die eine nach dem Hafen Phaleros, die andere nach dem Piräeus. Die Phoceer machten einen Heerzug gegen das Gebiet der Dorier9, das Mutterland der Lacedämonier, wo Boion, Eytinion und Erineon liegen, und eroberten eines von diesen Städtchen. Die Laredämonier aber, geführt von Nikomedes, dem Sohne des Kleombrotus, dem Stellvertreter des noch unmündigen Königes Preistoanar, des Sohns von Pausanias, kamen den Doriern mit fünfzehnhundert eigenen Schwerbewaffneten und Zehntausend Mann verbündeter Truppen zu Hülfe: und nach: dem sie die Phoceer gezwungen hatten, in einem Vertrage die Stadt zurückzugeben, begannen sie den Heimzug. Aber die Athener kreuzten mit einer Flotte in jener Gegend, und schickten sich an, ihnen die Ueberfahrt zu sperren, falls sie durch die Bucht von Krissa10 übersetzen wollten. Der Zug durch Geranea aber schien ihnen gefährlich, da die Athener Megara und Pegä bestzt hielten: dem Geranea ist unwegsam, und wurde beständig von den Athenern bewacht: auch hörten sie, die Athener hätten im Sinne, ihnen auch hier den Weg zu versperren. Sie beschlossen also, in Böotier zu verweilen, und zu sehen, wie sie am sichersten hinüberkommen könnten: dazu kam noch, daß einige Männer aus Athen sie heimlich einluden, in der Hoffnung, dort die Volksregierung zu stürzen, und den Bau der langen Mauer zu hemmen. Es rückten aber die Athener mit ihrer Gesamtmacht gegen sie aus, und tausend Argiver, und von den übrigen Bundesgenossen nach Verhältniß, so daß vierzehntausend Mann zusammenkamen. Sie unternahmen diesen Zug in der Meinung, daß jene wegen des Heimzugs in Verlegenheit seien: auch hatten sie einigen Verdacht, daß sie ihre Volksherrschaft stürzen wollten. Es stießen zu den Athenern auch Thessalische Reiterschaaren, gemäß dem Bundesvertrage, die aber bei dem Treffen selbst zu den Lacedämoniern übergingen.

108. In der hierauf erfolgten Schlacht bei Tanagra in Böotien [457 v. C.] siegten die Lacedämonier und ihre Bundesgenossen: und von beiden Seiten floß viel Blut. Die Lacedämonier zogen nun auf das Megarische Gebiet, verheerten die Baumpflanzungen, und kehrten durch Geranea und die Korinthische Landenge in die Heimath zurück. Die Athener aber unternahmen unter Anführung des Myronides zweiundsechzig Tage nach der Schlacht einen Heerzug gegen die Böotier, und besiegten die Böotier bei Denophyta, bemächtigten sich des Böotischen und Phokischen Gebiets, und rissen die Mauern von Tanagra nieder: auch nahmen sie von den Opuntischen Lokriern hundert der Reichsten als Geiseln mit: fernen vollendeten sie jetzt ihre eigenen langen Mauern. Darauf ergaben sich den Athenern auch die Aegineten mit der Bedingung, ihre Mauern niederzureissen, ihre Schiffe auszuliefern, und in Zukunft einen Tribut zu entrichten. Die Athener umschifften auch den Peloponnes, unter Anführung des Tolmides, Sohns von Tolmäus. . Dabei verbrannten sie das Schiffswerft der Lacedämonier, eroberten Chalcis, einen den Korinthern gehörigen Ort11, und siegten bei einer Landung. in einem Gefecht gegen die Sikyonier.

109. Indessen blieben die Athener und ihre Verbündesten noch in Egypten, und es gestaltete sich ihnen der Krieg auf mancherlei Weise. Im Anfange waren die Athener Meister von Egypten. Nun sandte der Perserkönig den Megabazus, einen Perser, mit Geld nach Lacedämon, damit er die Peloponnesier zu einem Einfall in Attika bewegen, und so den Rückzug der Athener aus Egypten veranlassen möchte. Als ihm aber dieß nicht gelang, und sein Geld vergeblich aufgewendet wurde, so kehrte Megabazus mit dem Ueberreste des Geldes nach Asien zurück. Dann schickte der König den Perser Megabazus, des Zopyrus Sohn, mit einem großen Heere aus. Dieser rückte auf dem Landwege ein, besiegte die Egyptier und ihre Bundesgenossen in einer Schlacht, vertrieb die Hellenen aus Memphis, schloß sie zuletzt auf der Insel Prosopitis ein, und belagerte sie dort ein Jahr und sechs Monate, bis er endlich den Canal austrocknete, und sein Wasser anderswohin leitete, und so die Schiffe auf das Trockene rette, wodurch er einen großen Theil der Insel mit dem festen Lande verband, so daß er zu Fuß hinüberkommen konnte, worauf er die Insel eroberte. [456 v. 6.]

110. So wurde das Unternehmen der Hellenen zu nichte, nachdem sie sechs Jahre Krieg geführt hatten: von dem großen Heere retteten sich wenige über Libyen nach Syrene; die Meisten waren umgekommen. Egypten aber mußte sich, dem Perserkönige wieder unterwerfen, mit Ausnahme des Amyrtäus, der in den sumpfigen Gegenden (Niederungen) herrschte, den man wegen des großen Umfangs der Sümpfe nicht bezwingen konnte, da zugleich die Bewohner dieser Gegenden die streitbarsten unter den Egyptiern sind. Inaros aber, der Libysche Fürst, der das ganze Unternehmen in Egypten veranlaßt hatte, wurde durch Verrath gefangen und gekreuzigt. Von den Athenern aber und dem übrigen Bundesvereine segelten fünfzig Dreiruder zur Ablösung nach Egypten, und ankerten bei dem Mendesischen Vorgebirge, ohne von jenen Vorfällen Kunde zu haben. Ueber diese fielen nun Landtrappen von der Küste, und von der Seeseite die Phönicischie Flotte her, und zerstörten die meisten Schiffe, so daß die geringere Zahl entkam. Also endete der große Feldzug der Athener und ihrer Bundesgenossen gegen Egypten.

111. Orestes, der Sohn des Echekratides, eines Fürften der Thessalier, der aus Thessalien vertrieben war, bewog die Athener, ihm zu feiner Wiedereinsetzung zu helfen: sie nahmen also die Böotier und Phoceer, ihre Bundesgenossen, mit sich, und zogen gegen Pharsalus in Thessalien zu Felde. Sie bemächtigten sich nun zwar des Aachen Landes, so weit es möglich war, ohne sich von ihrem Standlager zu weit zu entfernen, woran die Thessalische Reiterei sie hinderte: doch konnten sie die Stadt nicht erobern: auch die übrigen Zwecke ihres Feldzugs erreichten sie nicht, sondern zögen sich mit Orestes unverrichteter Dinge zurück. Nicht lange hernach schifften sich in Pegä, das die Athener besetzt hielten, tausend Mann ein, und fuhren nach Sikyon herüber, unter Anführung des Perikles, des Sohnes von Xauthippus, und, nachdem sie gelandet, besiegten sie in einem Treffen diejenigen Sikyonier, die mit ihnen handgemein geworden waren. Unmittelbar darauf zogen sie die Achäer an sich fuhren jenseits hinüber, und rücken gegen Deniadä in Akarnanien an12, und belagerten den Ort; doch eroberten sie ihn nicht, und kehrten nach Hause zurück.

112. Später, nach Verfuß von drei Jahren, wurde auf fünf Jahre von den Peloponnesiern und Athenern ein Waffenstillstand geschlossen: und die Athener stellten jetzt die Feindseligkeiten in Hellas ein: dagegen machten sie unter Unführung des Simon mit zweihundert eigenen und Bundesgenossen-Schiffen einen Zug gegen Cypern. Sechzig Fahrs. zeuge von diesen segelten nach Egypten, da Amyrtäus, der Fürst in den Sumpfgegenden, fie eingeladen hatte: die übrigen belagerten Sition. Als aber Timon starb13, und Hungersnoth eintrat, so zogen sie sich von Tition zurück, und fuhren auf die Höhe von Salamis in Sypern, und lieferten den Siliciern und Phöniciern eine See- und Landschlacht: und nach doppeltem Siege zogen sie in die Heimath zurück, nebst den aus Egypten wiedergekehrten Schiffen. Die Lacedämonier zogen hierauf zu dem sogenannten heiligen liriege aus, und bemächtigten sich des Tempels zu Delphi, und übergaben ihn den Delphiern. Später, als sie abgezogen waren, rückten die Athener ein, gewannen die Oberhand, und übergaben den Tempel wieder den Phoceern.

113. Nach Verfluß einiger Zeit (447 v. C.), als Böotische Verbannte Orchomenus und Chäronen und einige andere Plätze Böotiens besetzten, zogen die Athener mit tausend Schwerbewaffneten und verhältnismäßig gestellten Schaaren der Bundesgenossen gegen diese Orte, die man als feindlich ansah, unter Anführung des Tolmides, des Sohn von Tolmäus. Sie eroberten Chäronea, und nachdem sie eine Besatzung dorthin gelegt, zogen sie wieder ab. Aus dem Zuge aber wurden sie bei Coronea von den verbannten Böotiern aus Orchomenus und den Lokriern, die es mit diesen hielten, und den Euböischen Ausgewanderten, und wer sonst zu dieser Partei gehörte, angegriffen. Diese siegten im Treffen, und tödteten einen Theil der Athener, den andern nahmen sie gefangen. Die Athener räumten hierauf nach geschlossenem Vertrage ganz Böotien, unter der -Bedingung, daß man die Ihrigen wieder frei ließe; und die Verbannten der Böotier, die wieder eingesetzt wurden, und die übrigen Alle wurden wieder unabhängig.

114. Bald darauf (446 v. C.) fiel Enböa von den Athenern ab. Und als bereits Perikles mit einem Athenischen Heere dorthin übergesetzt hatte, erhielt er Nachricht, daß Megara abtrünnig geworden, und die Peloponnesier im Begriff seien, in Attika einzufallen, und die Beratung der Athener von den Megareern niedergemacht worden sei, die ausgenommen, welche sich nach Nisäa geflüchtet. Die Megareer hatten nämlich ihren Abfall mit Hülfe der Korinther, Sikyonier und Epidaurier bewerkstelligt. Perikles aber führte schleunig sein Heer von Euböa zurück. Hierauf machten die Peloponnesier einen Einfall in Attika nach Eleusis und auf das Thriasische Feld, und verheerten es unter Aluführung des Lacedämonischen Königs Pleistoanar, des Sohns von Pausanias. Weiter rückten sie aber nicht vor, sondern zogen nach Hause zurück. Die Athener setzten nun wieder nach Euböa über, unter Anführung des Perikles, und brachten die ganze Insel zur Unterwerfung. Dem übrigen Theile gaben sie eine durch Vertrag bestimmte Verfassung; die Hestiäer aber vertrieben sie, und behielten ihre Ländereien für sich.

115. Nicht lange nach dem Abzuge von Euböa (445 v. CH.) schlossen sie auf dreißig Jahre einen Frieden mit den Lacedämoniern und ihren Bundesgenossen, und gaben Pegä Nisäa, Trözen und Achaja zurück. Denn diese Theile des Peloponneses hatten die Athener inne. Nach sechs Jahren ( 440 v. C. ) erfolgte ein Krieg zwischen den Samiern und Milesiern wegen Priene: und da die Milesier in diesem Kriege Verlust hatten, so wandten sie sich an die Athener, und beschwerten sich über die Samier. Es unterstützen sie aber auch einzelne Bürger aus Samos selbst, die eine Aenderung in der Verfassung wünschten. Die Athener regelten nun mit vierzig Schiffen nach Samos, setzten dort eine Volksregierung ein, und nahmen von den Samiern fünfzig Kinder und eben: so viele Männer zu Geiseln, brachten diese nach Lemnos und ließen eine Besatzung in Samos, und zogen wieder ab. Einige Samier aber waren nicht da geblieben, sondern hatten sich auf das Festland geflüchtet: diese schlossen mit den Angesehensten in der Stadt und mit Pissuthnes, dem Sohne des Hystaspes, der damals Statthalter von Sardes war, einen Bund, brachten gegen siebenhundert Mann Hülfsvölker zusammen, und setzten bei Nacht nach Samos über. Und zuerst erregten sie einen Aufstand gegen die Mitglieder der Volksregierung, und bemächtigten sich der Meisten: sodann entführten sie die aus ihrer Mitte genommenen Geiseln von Lemnos, erklärten den Abfall, und überlieferten die Beratung der Athener und die Beamten, die bei ihnen waren, dem Pissuthnes, und rüsteten sich alsbald zum Kriegszuge gegen Milet. Mit ihnen fielen auch die Byzantier ab.

116. Als die Athener dieß hörten, so segelten sie mit sechzig Schiffen gegen Samos, wovon sie aber sechzehn hier nicht gebrauchten: denn diese waren zum Theil gegen Karien auf Kundschaft gegen die Phönicischen Schiffe ausgelaufen, zum Theil nach Chios und Lesbos, um Hülfe zu holen. Sie lieferten nun mit sechs und vierzig Schiffen unter der Anführung von Perikles und neun andern, bei der Insel Tragia siebenzig Samischen Schiffen ein Seetreffen, wovon zwanzig mit Landtruppen bemannt waren: alle aber waren von Milet hergekommen. Die Athener trugen Hier den Sieg davon. Später stießen zu ihnen noch vierzig Athenische und fünf und zwanzig Schiffe von Chios und Lesbos; nun landeten sie, gewannen ein Landtreffen, und umgaben die Stadt Samos von drei Seiten mit Belagerungswerken, und schlossen sie zugleich zur See ein. Perikles aber nahm sechzig Schiffe von denen, die dort vor Anker lagen; und regelte schnell gegen Kannus (jetzt Kaigues an der Küste von Natolien) und Karien hin, da man ihm gemeldet hatte, daß Phönicische Schiffe gegen die Athener ausgelaufen seien. Es war auch aus Samos Stefagoras und Andere mit fünf Schiffen den Phönicifchen entgegengefahren.

117. Indessen liefen die Samier unerwartet aus, übers fielen das Athenische Geschwader, das zur Gegenwehr nicht gefaßt war, zerstörten die Wachschiffe, besiegten in einem Seetreffen die Schiffe, die zum Kampfe sich entgegenstellten, und waren vierzehn Tage lang Meister des Meeres in ihrer Umgegend, so daß sie nach Gefallen die Ein- und Ausfuhr betreiben konnten. Als aber Perikles zurückkam, so wurden sie wieder von seiner Flotte eingeschlossen: auch kamen ihm später vierzig Schiffe unter Thucydides,14 Hagnon und Phormion, und zwanzig unter Tlepolemus und Antikles, Hund von Chios und Lesbos dreißig zu Hülfe. Die Samier versuchten noch ein kleines Seetreffen zu liefern: da die sich aber nicht behaupten konnten, so wurden sie nach neun Monaten durch die Belagerung genöthigt, sich zu ergeben. Die Vertragsbedingungen waren, daß sie ihre Mauern niederreißen, Geiseln stellen, Schiffe ausliefern und die aufgewendeten Kosten in bestimmten Fristen erstatten sollten. Auch die Byzantier ergaben sich unter der Bedingung, daß sie, wie zuvor, Athen unterworfen sein sollten.

118. Darnach, erfolgten, wenige Jahre später,15 die oben erwähnten Begebenheiten, welche Corcyra und Potidäa betrafen, und alles das, was zu diesem Kriege den Vorwand gab. Dieß alles, was die Hellenen in ihren gegenseitigen Verhältnissen und wider die Perser thaten, umfaßt einen Zeitraum von etwa fünfzig Jahren zwischen dem Rückzuge des Xerres und dem Anfange des Peloponnesischen Krieges. In dieser Zeit begründeten die Athener ihre Oberherrschaft immer fester, und gediehen zu großer innerer Macht. Wiewohl nun dieß von den Lacedämoniern nicht unbemerkt blieb, so leisteten sie doch nur kurzdauernden Widerstand, und verhielten sich, die meiste Zeit ruhig, theils weil sie von jeher gewohnt waren, nicht rasch zum Kriege zu schreiten, wenn man sie nicht dazu nöthigte, theils, weil sie auch durch einheimische Kriege verhindert waren: bis endlich die Macht der Athener sich auffallend erhob, und ihre Bundesgenossenschaft antastete. Nun glaubten sie, es nicht länger ertragen, sondern mit allem Eifer Hand ans Wert legen zu müssen, um, wo möglich durch Unternehmung dieses Kriegs, jene Macht zu stürzen. Die Lacedämonier selbst hatten sich nun dahin entschieden, daß der Friede gebrochen sei, und die Athener Unrecht haben. Doch schickten sie nach Delphi, und befragten den Gott, ob, wenn sie Krieg begännen, der Vortheil ihnen zufallen würde. Er aber ertheilte, wie man sagt, die Antwort: es werde ihnen, wenn sie mit Nachdruck kämpfen, der Sieg zu Theil werden: er selbst aber werde, gebeten oder ungebeten, ihnen beistehen.

119. Sie beriefen nun abermal ihre Bundesgenossen zusammen, um abstimmen zu lassen, ob man Krieg anfangen solle. Da nun die Abgeordneten des Bundesvereines angekommen waren, und die Versammlung zusammen trat, so trugen die Uebrigen ihre Wünsche vor, und beschwerten sich meist über die Athener, und stimmten für den Krieg: besonders aber erschienen die Korinther, die schon früher einen Staat um den andern insbesondere gebeten hatten, für den Krieg zu stimmen, aus Furcht wegen Potidäa, es möchte indessen verloren gehen, auch jetzt, und traten zulegt auf, und hielten folgenden Vortrag:

120. "Wir dürfen wohl jetzt, ihr Verbündeten, den Lacedämoniern nicht mehr den Vorwurf machen, sie hätten nicht selbst den Krieg beschlossen, da sie uns ja zu diesem Zwecke hierher berufen haben. Allerdings gebührt es dem Volke, das die Oberleitung hat, seine besonderen Angelegenheiten auf gleichem Fuß zu behandeln, und doch dabei für die gemeinsamen vorzugsweise zu sorgen, da es ja in andern Dingen vor Allen den Vorrang hat. Was nun alle diejenigen unter uns betrifft, die schon mit den Athenern in Verhältnisse gekommen sind, so bedürfen sie keine Belehrung mehr, sich vor ihnen zu hüten. Diejenigen aber, welche weiter landeinwärts und nicht an Stapelplätzen wohnen, mögen bedenken, daß, wofern die Küstenbewohner nicht von ihnen unterstützt werden, die Ausfuhr der Landeserzeugnisse, und ebenso die Einfuhr dessen, was das Meer dem Festlande liefert, für sie erschwert werden wird. Sie dürfen daher das, was jetzt verhandelt wird, nicht unrichtig beurtheilen, als ob es sie nicht anginge, sondern erwarten, daß einst, wofern sie das Uferland preisgeben, die Gefahr wohl auch zu ihnen dringen werde. Sie haben daher jetzt ebensowohl ihre eigene Sache mit zu berathen. Daher dürfen sie sich auch nicht bedenken, den Frieden mit dem Kriege zu vertauschen. Denn wiewohl kluge Mäßigung gebietet, wenn man nicht beleidigt wird, sich ruhig zu verhalten; so ziemt es doch rechtschaffenen Männern, wenn ihnen Unrecht geschieht, statt des Friedens den Krieg zu wählen, bei günstiger Gelegenheit aber vom Kriege zur Sühne zu schreiten, und weder durch das Glück im Kriege zum Uebermuthe, noch durch das Angenehme der Friedensruhe zur Duldung einer Beleidigung sich verleiten zu lassen. Denn wer, reines Wohlbehagens wegen, unthätig ist, der wird wohl, wenn er so ruhig bleibt, sehr bald aus jener behaglich-bequemen Lage, die ihn zur Thatenschen veranlaßte, gerissen werden. Wer aber durch das Glück im Kriege übermüthig wird, der bedenkt nicht, wie trügerisch das Vertrauen ist, das seinen Muth erhebt. Denn schon manche schlecht entworfene Plane sind doch gelungen, weil man zufällig noch unbesonnenere Gegner vor sich hatte: und noch weit mehr Entwürfe, die gut angelegt schienen, haben schimpflicher Weise eine entgegengesetzte Wendung genommen: denn niemand führt den Gedanken, den er mit Zuversicht gefaßt, ebenso auch wirklich aus; vielmehr machen wir in sicherer Stimmung Plane, hinter denen wir bei der Ausführung furchtsam zurück bleiben."

121. "Wir aber beginnen jetzt den Krieg, weil wir beleidigt sind, und gegründete Beschwerden haben: wir werden denselben aber auch, wenn wir an den Athenern Rache genommen, zur rechten Zeit wieder beendigen. Aus vielen Gründen aber ist es wahrscheinlich, daß der Sieg unser sein werde: erstens, weil wir ihnen an Zahl und Kriegserfahrung überlegen sind; sodann, weil wir alle auf gleiche Weise den Befehlen der Obern zu gehorchen wissen. Die Seemacht, die ihre Stärke ausmacht, werden wir theils aus den eigenen Mitteln der Einzelnen, theils durch die Schätze zu Delphi und Olympia uns verschaffen. Denn durch ein Anlehen werden wir in den Stand gesetzt, ihre Miethtruppen zur See durch höhern Sold ihnen abtrünnig zu machen. Denn die Athenische Macht beruht mehr auf Söldnern, als auf Einheimischen. Der unsrigen aber kann so etwas weit weniger widerfahren, da ihre Hauptstärke mehr in der Mannschaft, als im Gelde besteht. Durch Einen Seesieg sind sie wahrscheinlich zu Grunde gerichtet. Sollten sie aber sich doch länger halten, so werden auch wir durch die Länge der Zeit im Seewesen Uebung gewinnen: und haben wir einmal unsere Geschicklichkeit auf einen gleich hohen Grad gebracht, so wer: den wir durch unsere Tapferkeit ihnen gewiß überlegen sein. Denn den Vorzug, welchen wir von Natur besitzen, können sie durch keinen Unterricht sich erwerben: was sie aber an Geschicklichkeit voraus haben, müssen wir durch Uebung unwirksam zu machen suchen. Die Geldmittel aber, welche dazu nöthig sind, werden wir herbeischaffen. Denn sonst wäre es doch gar zu auffallend, wenn, während ihre Bundesgenossen zu ihrer eigenen Unterjochung Beiträge zu geben sich nicht weigern, wir zur Züchtigung unserer Feinde und zu unserer eigenen Rettung keinen Aufwand machen sollten, da es uns daran gelegen sein muß, daß sie uns jene Schätze nicht rauben, und vermittelt derselben uns wehe thun."

122. "Wir können aber auch noch Anderes, was der Krieg darbeut, benützen, den Abfall der Bundesgenossen, der ihre Einkünfte, worin ihre Stärke besteht, bedeutend schmälern wird, und die Anlegung von Festungen in ihrem eigenen Gebiet, und manches Andere, was man jetzt noch nicht vorhersehen kann. Denn der Krieg geht keineswegs einer vorher bestimmten Gang, sondern entwickelt aus sich selbst Manches nach zufälligen Umständen. Wer mit gemäßigtem Eifer sich dabei benimmt, steht fester: wer aber mit Hitze handelt, geräth dabei in eben dem Grade in Nachtheil. Aber auch das müssen wir bedenken: hätte einer oder der andre unserer Staaten mit einem Gegner von gleicher Macht Grenzstreitigkeiten, so wäre dieß wohl auszuhalten: nun aber sind die Athener uns insgesammt gewachsen, und weit mächtiger als jeder einzelne Staat. Wofern wir daher nicht mit gesammter Macht, kein Volk und keine Stadt ausgenommen, einmüthig uns gegen sie wehren, so werden sie uns in unserer Getrenntheit ohne Mühe bezwingen: und die Niederlage - wir dürfen's uns nicht verhehlen, mag es auch ein hartes Wort sein - würde uns nichts anderes bringen, als geradezu Knechtschaft. Könnten wir darüber auch nur mit einem Worte zweifelhaft sein, und sollten so viele Staaten von einem einzigen sich mißhandeln lassen, welche Schmach wäre dieß für den Peloponnes! Entweder würde man von uns denken, daß uns Recht geschehe, oder daß wir es uns aus Feigheit gefallen lassen, und offenbar ausgeartet seien von der Weise unserer Vorfahren, welche Hellas die Freiheit gaben: da wir diese nicht einmal für uns selbst zu behaupten müßten, und eine Stadt für sich eine Gewaltherrschaft gründen ließen, während wir doch die Ehre ansprechen, die Alleinherrscher in einzelnen Städten zu stürzen. Und wir können nicht begreifen, wie ein solches Betragen von den drei größten Fehlern, dem Unverstande, der Feigheit und der Nachlässigkeit, freigesprochen werden könnte. Denn davon habt ihr euch in der That nicht gehütet, und euch daher zu einem überklugen Stolze, der schon so Vielen verderblich geworden ist, erhoben, welcher, weil er Viele zu täuschen pflegt, den entgegengesetzten Namen der Unklugheit erhalten hat."

123. "Doch wozu sollten wir länger, als es der Zweck des Augenblicks erfordert, bei dem Tadel eurer früheren Handlungsweise verweilen ? Was aber das Künftige betrifft, so müssen wir unserer jetzigen Lage durch, weitere Aufopferungen zu Hülfe kommen: denn es ist von den Vätern er: erbte Sitte bei uns, nur durch Anstrengung Vorzüge zu erringen; und ihr dürfet von dieser Sitte nicht abweichen, wenn ihr auch jetzt an Reichthum und Macht die Vorfahren um Weniges übertreffet. Denn es wäre nicht Recht, was in der Dürftigkeit erworben wurde, im Ueberflusse zu verlieren. Vielmehr müssen wir, durch viele Gründe ermuthigt, zum Kriege schreiten, da der Gott selbst den Ausspruch gethan, und seinen Beistand verheißen hat, und das ganze übrige Hellas uns unterstützen wird, zum Theil aus Furcht, zum Theil des Vortheils wegen. Auch werdet ihr nicht zuerst den Frieden brechen; denn der Gott, der den Krieg gebeut, erklärt ihn für gebrochen. Vielmehr werdet ihr die verletzten Verträge schützen. Denn nicht die sind bundbrüchig, die sich, vertheidigen, sondern die, welche zuerst angreifen."

124. "Da es nun aus allen Rücklichten vortheilhaft für euch ist, den Krieg zu beginnen: da wir gemeinschaftlich euch dazu rathen: wofern es anders unzweifelhaft ist, daß das durch das gemeinsame Wohl der Staaten und der einzelnen Bürger gefördert werde; so säumet nicht, den Potidäern Hülfe zu leisten, da sie Dorier sind, und von Ioniern belagert werden - ein Fall, wovon sonst das Gegentheil vorkam - und die Freiheit der Uebrigen zu behaupten. Denn es ist nicht thunlich, sie länger warten zu lassen, und zuzugeben, daß der eine Theil bereits Verlust erleide, und der andere bald nachher das nämliche Schicksal habe, wenn es bekannt wird, daß wir zwar zusammengetreten sind, aber nicht den Muth haben, uns zu vertheidigen. Ueberzeugt euch vielmehr, ihr Verbündeten, daß jetzt der Augenblick der Noth eingetreten ist, und daß unsere Meinung die richtige ist; und so beschließt denn den Krieg. Fürchtet dabei nicht die augenblickliche Gefahr, sondern strebt nach dem daurendern Frieden, der daraus hervorgehen roll. Denn durch Krieg wird der Friede sicherer befestigt: aber nicht eben so gefahrlos ist es, aus Liebe zur Ruhe den Krieg zu meiden. Ueberzeugt euch, daß der in Hellas aufgestandene Zwingherren-Staat Alle auf gleiche Weise bedrohe, und, während er über die Einen herrscht, gegen die Andern herrschsüchtige Plane hege: ihn wollen wir daher angreifen und überwältigen: so wollen wir in Zukunft sicher wohnen, und die jetzt unterjochten Hellenen befreien." Also redeten die Korinther.

125. Nachdem die Lacedämonier die Vorträge sämmtlicher Bundesgenossen angehört hatten, ließen sie alle Anwesenden der Reihe nach, sowohl größere als kleinere Staaten, abstimmen; und die Mehrzahl stimmte für den Krieg. Wiewohl sie nun diesen Beschluß gefaßt hatten, so war es doch bei dem Mangel an Vorbereitung unmöglich, sogleich anzugreifen; gleichwohl beschlossen sie, jede Stadt solle alles Erforderliche ohne Verzug herbeischaffen. Jedoch verfloß kein volles Jahr, bis sie, nachdem die nöthigen Einrichtungen getroffen waren, in Attika einfielen, und den offenen Krieg begannen.

126. In der Zwischenzeit schickten sie Gesandtschaften nach Athen, um ihre Beschwerden vorzubringen, damit, wenn sie kein Gehör fänden, der Krieg um so mehr gerechtfertigt erschiene. Durch die erste verlangten die Lacedämonier von den Athenern, sie sollten den Greuel tilgen, wodurch Athens Schubgöttin entheiligt wäre. Mit diesem Greuel hatte es folgende Bewandtnis. Es war vormals in Athen ein Bürger Cylon, der in Olympia einen Preis erhalten hatte, von edlem Geschlechte und großem Ansehen, vermählt mit einer Tochter des Theagenes, des Megareers, der damals Gewaltherrscher in Megara war. Eylon hatte das Orakel zu Delphi befragt, und die Antwort erhalten, er solle an dem größten Feste des Zeus die Burg von Athen besetzen. Er zog nun Kriegsvölker von Theagenes an sich, und gewann seine Freunde für seinen Plan ; und als das Olympische Fest im Peloponnes eintrat, so besetzte er die Burg, um der Alleinherrschaft sich zu bemächtigen (um das Jahr 600), in der Meinung, dieß sei das größte Fest des Zeus, das ihr als olympischen Sieger noch näher anginge. Ob aber in Attika oder sonst wo ein Fest das größte genannt werde, daran dachte er weiter nicht, und das Orakel hatte sich nicht darüber erklärt. Die Athener haben aber auch ein Fest, genannt Diasia, welches außerhalb der Stadt gefeiert wird, und das größte Fest des Zeus Milichius16 heißt, wobei das ganze Volk opfert, aber keine Schlachtthiere, sondern Opferkuchen, wie sie im Lande üblich sind. Er aber, in der Meinung, seine Ansicht sei die richtige, schritt zur Ausführung seines, Planes. Als die Athener dieß erfuhren, so rückten sie schaarenweise vom Lande gegen Cylons Partei, lagerten sich, vor der Burg, und schlossen sie ein. Da aber die Sache sich verzog, wurden die Athener der Beschwerden der Belagerung überdrüssig, zogen großentheils ab, und überließen es den neun Archonten, die Wachen und alles Uebrige mit uneingeschränkter Vollmacht und nach Gutdünken anzuordnen. Diese Behörde verwaltete damals die meisten Staatsgeschäfte. Die Anhänger des Cylon aber geriethen durch die Belagerung aus Mangel an Lebensmitteln und Wasser in große Noth. Cylon und sein Bruder entkamen. Die Uebrigen aber, als sie so im Gedränge waren, und schon Einige Hungers starben, setzten sich als Flehende auf den Altar in der Burg. Die Athener aber, denen die Wache aufgetragen war, als sie sahen, daß Jene in dem Heiligthume mit dem Tode rangen, forderten sie auf, wegzugehen, mit dem Versprechen, ihnen kein Leid zuzufügen: und so führten sie sie weg, und tödteten sie. Auch brachten sie Einige um, die sichy im Vorbeigehen auf die Altäre der ehrwürdigen Göttinnen (Eumeniden, Furien) gesetzt hatten. Daher wurden sie und ihre Nachkommen Greuelbeladene und Frevler an der Göttin genannt. Die Athener hatten nun zwar diese Verbrecher verbannt; dasselbe that auch später Kleomenes, der Lacedänonier, mit den zum Aufstande vereinigten Athenern, wobei die Lebenden vertrieben, und die Gebeine der Todten ausgegraben und weggeworfen wurden. Doch durften jene später in die Heimath zurückkehren: und noch befindet sich ihr Geschlecht in der Stadt.

127. Die Lacedämonier verlangten nun die Tilgung dieses Greuels, zunächst unter dem Scheine, die Ehre der Götter zu rächen, in der That aber, weil sie wußten, daß Perikles, des Xanthippus Sohn, von mütterlicher Seite mit den Greuelbeladenen verwandt war, und dachten, wenn Perikles verbannt wäre, so würde es ihnen eher mit den Athenern gelingen. Doch erwarteten sie nicht sowohl, daß ihm dieß widerfahren würde, als, daß es ihn bei der Stadt in schlimmen Ruf bringen dürfte, wenn man dieses sein nachtheiliges Verhältniß zum Theil als Ursache des Krieges ansähe. Denn er war der angesehenste unter seinen Zeitgenossen, und leitete die Staatsgeschäfte, und war in Allem den Lacedämoniern entgegen, und rieth immer den Athenern, nicht nachzugeben, sondern trieb sie zum Kriege an.

128. Zur Erwiederung verlangten nun die Athener von den Lacedämoniern, sie sollten den Greuel von Tänarus til: gen. Denn die Lacedämonier hatten einst flehende Schützlinge aus den Heloten vom Tempel des Poseidon in Tänarus weggelockt, sie abgeführt und getödtet. Man glaubt daher auch, das große Erdbeben in Sparta sei darum über sie gekommen. Ferner verlangten sie, Sparta sollte den Greuel, am Tempel der Athene Chalkiökos17 verübt, tilgen. Diese Sache verhielt sich also. Als Pausanias, der Lacedämonier, das erstemal durch die Spartaner von seiner Befehlshaberstelle im Hellesponte abberufen, von ihnen vor Gericht gezogen wurde, und von der Schuld freigesprochen war, so wurde er zwar von Staatswegen nicht mehr mit einer Sendung beauftragt: aber er nahm auf eigene Kosten einen Hermioneischen Dreiruder, und begab sich, ohne Genehmigung der Lacedämonier, in den Hellespont, unter dem Vorwande, an dem Hellenischen Kriege Theil zu nehmen, in der That aber, um für die Sache des Perserkönigs zu arbeiten, wie er es schon früher, als er nach der Oberherrschaft über Hellas trachtete, versucht hatte. Er hatte sich, um das ganze Unternehmen einzuleiten, den König zuerst durch folgende Gefälligkeit verpflichtet. Als er bei seiner früheren Anwesenheit nach dem Abzug von Cypern Byzanz eroberte, das von den Persern besetzt war, worunter sich einige Angehörige und Verwandte des Königs befanden, die dort gefangen wurden, so sendete er diese Gefangenen, ohne Vorwissen der übrigen Bundesgenossen, dem Könige heimlich zurück, und gab vor, sie seien ihm entwischt. Dieß veranstaltete er mit Hülfe des Eretriers Gongylus, dem er Byzanz und die Gefangenen anvertraut hatte. Diesen schickte er auch mit einem Briefe an den Perserkönig, der, wie man später fand, folgenden Inhalts war: "Ich Pausanias, Feldherr von Sparta, sende, um Dir eine Gefälligkeit zu erweisen, diese meine Kriegsgefangenen Dir zurück, und bin geneigt, wenn es Dir so gefällt, mit Deiner Tochter mich zu vermählen, und Sparta und das übrige Hellas unter Deine Botmäßigkeit zu bringen. Ich glaube auch, im Einverständnisse mit Dir im Stande zu sein, dieß zu bewerkstelligen. Genehmigst Du nun einen dieser Vorschläge, so sende einen zuverlässigen Mann an die Küste, durch den wir ferner unterhandeln können."

129. Dieß war der Inhalt des Schreibens. Dem Xerres war dieser Brief sehr angenehm ; er sandte den Artabazus, des Pharnakes Sohn, in die Seeprovinzen, mit dem Auftrage, die Statthalterschaft Daskylium18 zu übernehmen, und den Megabates, den bisherigen Statthalter, abzulösen: auch übergab er ihm ein Antwortschreiben mit dem Auftrag, es unter Vorweisung des Siegels sobald wie möglich übergeben zu lassen; und wenn Pausanias in seiner Angelegenheit etwas durch ihn bestellen wollte, so sollte er es mit aller Sorgfalt und Treue ausrichten. Er that nach seiner Ankunft, wie ihm befohlen war, und überschickte den Brief, der folgende Antwort enthielt: "Dieses entbeut der König Xerres dem Pausanias: die Gefälligkeit, welche du durch sichere Uebersendung der Männer aus Byzanz von der andern Meeresküste herüber mir erwiesen, wird bei meinem Hause in beständigem Andenken bewahrt bleiben. Auch deine Vorschläge billige ich. Betreibe Tag und Nacht unablässig das, was du mir versprochen. Weder an Gold und Silber, noch an Heeresmacht soll es dir fehlen, wenn solche irgend erforderlich sein sollten. Verhandle nun mit Artabazus, einem rechtschaffenen Manne, den ich an dich sende, meine und deine Angelegenheit, wie es für uns beide am besten und zuträglichsten sein wird."

130. Pausanias, der wegen des Oberbefehls bei Platäa schon zuvor bei den Hellenen in großem Unsehen stand, wurde nun nach Empfang dieses Schreibens noch übermüthiger, und konnte es nicht über sich gewinnen, nach hergebrachter Weise zu leben, sondern legte Persische Kleidung an, verließ Byzanz, und ließ sich auf einer Reise durch Thrazien von Persischen und Egyptischen Trabanten begleiten: richtete seine Tafel auf Persischen Fuß ein, und vermochte seine Gesinnung nicht zu verbergen, sondern verrieth bereits im Kleinen durch sein Betragen, was er im Großen später zu thun im Sinne hatte. Er wurde schwer zugänglich, und nahm gegen Jedermann ohne Unterschied ein so unerträglich hochfahrendes Wesen an, daß sich Niemand ihm nähern mochte. Dieß war auch eine Hauptveranlassung, warum der Bundesverein zu den Athenern überging.

131. Als die Lacedämonier dieses vernahmen, so riefen sie ihn das erstemal deshalb zurück. Da er nun zum zweitenmale mit dem Hermionischen Schiffe, ohne ihre Erlaubniß, hingesegelt, und es augenscheinlich war, daß er mit solchen Dingen umginge; als er ferner von den Athenern durch Gewalt genöthigt wurde, Byzanz zu verlassen, und nicht nach Sparta zurückkehrte, sondern sich in Kolonä, im Trojischen Gebiete niederließ, und die Klage vor die Spartaner gebracht wurde, daß er mit den Persern unterhandle, und in schlimmer Absicht dort verweile: so nahmen die Ephoren nicht länger Anstand, und schickten einen Herold mit einem Roubriefe19 an ihn ab, und befahlen ihm, von dem Herolde sich nicht zu entfernen: wo nicht, so sollte er als Feind der Spartaner er: klärt sein. Er aber wollte so wenig als möglich Verdacht erregen, und glaubte, durch Geld die Anklage niederschlagen zu können; und kehrte wieder nach Sparta zurück. Er kam nun zuerst auf Befehl der Ephoren in gefängliche Haft: denn die Ephoren dürfen diese auch gegen einen König verfügen. Dann brachte er es dahin, daß er wieder loskam, und erklärte sich bereit, denen, die ihn eines Vergehens überweisen wollen, sich vor Gericht zu stellen.

132. Einen entscheidenden Beweis hatten nun zwar die Spartaner nicht, weder seine Feinde, noch der ganze Staat, worauf man eine Strafe hätte zuverlässig begründen können gegen einen Mann von königlichem Geschlechte, der damals einen so hohen Rang besaß: denn als Blutsverwandter war er Vormund des unmündigen Königs Pleistarchus, des Sohnes von Leonidas. Aber durch seine Uebertretung der Gesetzte und Nachäffung der Perser hatte er den starken Verdacht erregt, daß er in die bestehende Verfassung sich nicht fügen wolle. Unter andern Abweichungen von dem gesetzlichen Herkommen suchte man ihm auch das hervor, daß er sich's her: ausgenommen hatte, auf den Dreifuß zu Delphi, den die Hellenen als Erstlingsopfer nach dem Siege über die Perser zum Weihgeschenk aufgestellt hatten, aus eigener Willkür eine Inschrift in folgenden elegischen Versen zu setzen: "Hellas Feldherr, nachdem er die Schaaren der Meder vernichtet, "Hat Pausanias dieß Denkmal dem Phoebus geweiht.“ Diese Inschrift hatten die Lacedämonier damals sogleich auf dem Dreifuße durch den Meißel ausgraben, und in die Inschrift alle Städte namentlich aufnehmen lassen, die an der Besiegung der Perser Theil genommen, und das Weihgeschenk gestiftet hatten. Auch dieß wurde jedoch dem Pausanias als Vergehen angerechnet: und bei seiner jetzigen Lage erschien jene Handlung mit seinen gegenwärtigen Planen nody weit mehr in Uebereinstimmung. Man erhielt auch Kunde, daß er mit den Heloten etwas vorhabe: und es verhielt sich wirklich so. Er hatte ihnen Freiheit und Bürgerrecht versprochen, wenn sie an seinem Aufstande Theil nähmen, und ihm eine allgemeine Umwälzung bewirken hälfen. Demungeachtet wollte man einigen Heloten, welche die Sache anzeigten, nicht glauben, und meinte noch nicht Grund zu haben, um ein außerordentliches Verfahren gegen ihn eintreten zu lassen. Sie handelten dabei nach dem unter ihnen gegenseitig gewöhnlichen Grundsatze, gegen einen Spartaner ohne unzweifelhafte Beweise nicht zu rasch etwas zu verfügen, was nicht mehr gut gemacht werden könnte. Endlich gab ein gewisser Mann aus Argilus, einst sein Liebling und rein Vertrauter, der seinen letzten Brief an den König dem Artabazus überbringen sollte, die Sache an. Bei diesem hatte die Bemerkung, daß noch keiner der frühern Boten je zurückgekehrt war, Besorgnisse erregt. Er machte also das Siegel nach, damit, wenn er in seiner Vermuthung sich täuschen sollte, oder Jener in dem Schreiben noch etwas ändern wollte, er es nicht erfahren möchte; nun öffnete er den Brief, worin er einen Nebenauftrag von der Art vermuthete, und wirklich geschrieben fand, daß man ihn tödten solle.

133. Nun erst, als er dieses Schreiben vorwies, schien den Ephören die Sache glaubwürdiger: doch wollten sie mit eigenen Ohren eine Aeußerung des Pausanias darüber vernehmen. Der getroffenen Abrede zufolge floh also jener Mann als Schutzflehender nach Tänarus, und ließ sich, eine Hütte, die durch eine Queerwand abgetheilt war, bauen: in welche er einige der Ephoren versteckte. Da nun Pausanias zu ihm kam, und ihn um die Ursache, warum er Schutz suche, befragte, so vernahmen sie Alles genau, wie dieser Mensch ihm vorwarf, was er seinetwegen geschrieben, und ihm das Uebrige der Reihe nach vorhielt, wie er ihn, als er bei seinen Unterhandlungen mit dem König von ihm gebraucht worden, nie in Verlegenheit gesetzt habe, und nun den Ehrendank haben solle, wie die meisten seiner Diener gemordet zu werden: wie ferner Pausanias gerade dieses eingestand, und Jenen bat, wegen des Bisherigen keinen Groll zu behalten, und ihm mit Beziehung auf das Heiligthum Sicherheit zuschwor, wenn er wegginge, und ihn aufforderte, sobald wie möglich abzureisen, und sein Vorhaben nicht zu hintertreiben.

134. Als nun die Ephoren Alles genau vernommen, entfernten sie sich: und weil sie jetzt eine entschiedene Ueberzeugung gewonnen hatten, so wollten sie seine Verhaftung in der Stadt veranstalten. Als er nun eben auf der Straße er: griffen werden sollte, so merkte er, wie man sagt, an der Miene eines Ephoren, der ihm nahe kam, womit dieser umgehe: und da ein anderer ihm einen stillen Wink gab, und aus Freundschaft es ihn merken ließ, so lief er eilends zum Tempel der Athene Chalkiökos, und entkam so, und erreichte denselben noch zu rechter Zeit. Denn der heilige Ort befand sich in der Nähe. Er trat nun in ein kleines Nebengebäude des Tempels, um nicht den Beschwerden der freien Luft aus: gesetzt zu sein, und verhielt sich ruhig. Wiewohl sie nun den Zweck der Verfolgung für den Augenblick nicht erreicht hatten, so ließen sie doch das Dach und die Thüren des Gebäudes wegnehmen, und erwarteten den Zeitpunkt, wo er innen war, um ihn einzusperren und die Pforten zu vermauern. So umlagerten sie ihn, bis sie ihn anshungerten. Da er nun in diesem Zustande im Gebäude schon dem Verscheiden nahe war, so bemerkten sie es, und führten ihn noch lebend aus dem Heiligthume heraus, worauf er sogleich verschied. Sie waren nun im Begriffe, ihn in die Schlucht Käadas zu werfen, wohin man die Verbrecher zu stürzen pflegt: sie beschlossen aber doch, ihn irgendwo in der Nähe zu verscharren. Der Gott zu Delphi gebot aber später den Lacedämoniern, das Grab an den Ort zu versetzen, wo er gestorben war, (und noch jetzt ruht er vor dem Tempelhofe, wie man aus der Inschrift auf den Säulen sieht) und da sie durch diese That einen Frevel verübt, so sollten sie zwei Leiber statt des Einen der Chalkiökos darbringen. Sie ließen nun zwei eherne Bildsäulen verfertigen, und weihten sie gleichsam für Pausanias.

135. Die Athener verlangten nun zur Erwiederung20 von den Lacedämoniern, daß auch sie jenen Greuel tilgen sollten, da auch der Gott ihn dafür erklärt hätte. Die Lacedämonier aber schickten damals Gesandte an die Athener, und klagten auch den Themistokles wegen der Verbindung mit den Persern an, in welcher Pausanias gestanden: wie sie bei der Untersuchung gegen diesen gefunden hätten: und verlangten, es rollte ihm dieselbe Strafe zuerkannt werden. Da er nun gerade durch das Scherbengericht verbannt war, und sich in Argos aufhielt, aber auch im übrigen Peloponnes umher: reiste, so ließen sich, die Athener dazu bereden, und schickten in Verbindung mit den Lacedämoniern, die zu seiner Verfolgung bereit waren, Leute aus, die den Befehl hatten, ihn zu greifen, wo sie ihn träfen.

136. Themistokles aber, der vorher Kunde erhalten hatte, floh aus dem Peloponnes nach Korcyra, dessen Einwohner er sich durch Wohlthaten verpflichtetet hatte. Da aber die Korcyräer äußerten, sie fürchten, sich mit den Lacedämoniern und Athenern zu verfeinden, wenn sie ihn bei sich behielten, so ließ er sich von ihnen auf das gegenüberliegende Festland übersetzen. Da ihm nun die, welchen es aufgetragen war, auf die Nachricht, wohin er sich begäbe, nachsetzen, so sah er sich genöthigt, in der Verlegenheit bei Admet, dem Könige der Molosser, der nicht rein Freund war, einzukehren. Dieser war gerade nicht zu Hause. Themistokles aber trat als Flehender vor seine Gemahlin, und erhielt von ihr die Weisung, mit ihrem und Admets Sohne auf den Heerd zu sitzen. Als Admet bald darauf ankamm, so entdeckte sich ihm Themistokles, und bat, er möchte, wenn er einst einmal gegen reine Wünsche vor den Athenern gesprochen, an ihm als Flüchtling nicht Rache nehmen. Denn in seiner jetzigen Lage würde er, als der Schwächere, durch ihn unglücklich werden: edel aber sei es, nur an seines Gleichen in gleicher Lage sich zu rächen. Ueberdieß habe er sich dem Könige nur bei einer Geschäftsangelegenheit, nicht aber in einem Falte, wo das Leben auf dem Spiele stand, widersetzt. Wofern er ihn ausliefere, so werde er ihm die Mittel nehmen, sein Leben zu retten. Dabei erzählte er ihm, von wem und weswegen er verfolgt werde. Als Admet dieß vernommen, so hieß er ihn mit seinem Sohne, wie er sich mit demselben niedergesetzt hatte, aufstehen: denn dieß war die wirksamste Art, Schutz zu suchen.

137. Und als bald darauf die Lacedämonier in Athen ankamen, und ihm dringende Vorstellungen machten, lieferte er ihn doch nicht aus, sondern entsandte ihn, da er zum Perserkönig reisen wollte, an die Küste des jenseitigen Meeres auf dem Landwege nach Pydna, der Stadt des (Macedonischen) Alexander. Dort traf er ein Lastschiff, das nach Ionien absegelte, bestieg dasselbe, und wurde durch Sturm unter das Athenische Geschwader getrieben, welches Naros belagerte. Nun war er zwar auf dem Schiffe unerkannt, sagte aber doch aus Furcht dem Schiffsherrn, wer er sei, und warum er sich auf der Flucht befinde: und drohte ihm, wenn er ihn nicht rette, so werde er angeben, daß er durch Geld sich habe verleiten lassen, ihn mitzunehmen; ihre Sicherheit aber beruhe darauf, daß Niemand das Schiff verlasse, bis man weiter segle: die Erfüllung dieses Verlangens werde er mit angemessener Belohnung ihm gedenken. Der Schiffsherr befolgte dieß, und lag einen Tag und eine Nacht jenseits des Standorts der Flotte auf offner See, und gelangte sodann nach Ephesus. Themistokles erwiederte seinen Dienst durch ein Geschenk an Geld (denn er erhielt später aus Athen und Argos von seinen Freunden die Summen, welche er heimlich in Verwahrung gegeben hatte): und reiste dann mit einem Perser, der an der Küste Asiens wohnte, in's Innere des Landes, und sandte ein Schreiben an den König Artorerres, den Sohn des Xerres, der seit Kurzem die Regierung angetreten hatte. Der Inhalt des Schreibens war folgender:

"Ich Themistokles komme zu Dir, der ich, so lange ich mich gegen Deines Vaters Angriff nothgedrungen zu vertheidigen hatte, Deinem Hause am meisten unter allen Hellenen Schaden zugefügt, aber auch noch weit mehr Gutes er: wiesen habe, nachdem ich mich wieder in Sicherheit befand, er aber unter Gefahren sich zurückzog. Man ist mir also Dank für eine Wohlthat schuldig (hier führte er in seinem Schreiben an, wie er jenen von Salamis aus wegen des Rückzugs zu rechter Zeit Nachricht gegeben, und wie durch ihn damals die fälschlich vorgegebene Zerstörung der Brücken hintertrieben worden): und auch jetzt noch im Stande, Dir wichtige Dienste zu leisten, bin ich hier angekommen, da mich die Hellenen wegen meiner Freundschaft gegen Dich verfolgen. Ich will aber nach Jahresfrist Dir selbst eröffnen, warum ich hieher gekommen.".

138. Der König bewunderte, wie man erzählt, den Verstand des Mannes, und billigte seinen Plan. Er aber machte sich während der genommenen Frist mit der Persischen Sprache und den Landessitten, so viel wie möglich, bekannt. Nach Verfluß des Jahres erschien er vor dem König, und gelangte bei ihm zu großem Ansehen, wie noch kein Hellene, theils wegen des zuvor erworbenen großen Ruhmes, theils weil er dem Könige Hoffnung machte, ihm die Hellenischen Staaten zu unterwerfen, vornehmlich, aber, weil er ihm nach den gegebenen Proben als ein einsichtsvoller Mann erschien. Denn in der That war Themistokles ein Mann, in welchem sich die Kraft der Natur auf's stärkste offenbarte, und er war in dieser Hinsicht vorzugsweise vor Andern der Bewunderung werth. Denn er wußte durch seinen natürlichen Verstand, ohne diesen durch frühern oder spätern Unterricht unterstützt zu haben, nach ganz kurzer Ueberlegung plötzliche Vorfälle trefflich zu beurtheilen, und bei künftigen Dingen den wirklichen Erfolg meist ganz richtig zu errathen. Das, womit er sich beschäftigte, verstand er auch als Redner gut auszuführen, und selbst die geschickte Beurtheilung dessen, wovon er nicht unterrichtet war, blieb ihm nicht fremde. Auch bei dem, was noch die Zukunft verhütte, sah er das Bessere oder Schlimmere trefflich voraus. Er besaß, um mit Einem Worte Alles zu sagen, in hohem Grade den Vorzug, durch die Kraft der Natur und durch kurzes Nachdenken das Rechte augenblicklich herauszufinden. Er starb an einer Krankheit. Nach einigen Berichten hin: gegen roll er sich durch Gift getödtet haben, weil er sich ausser Stand glaubte, dem Könige seine Versprechungen zu erfüllen. Sein Grabmal steht auf dem Marktplatze zu Magnesia in Asien. Denn er war Statthalter dieser Gegend gewesen, da der König ihm Magnesia, welches jährlich fünfzig Talente eintrug, zum Brode, Lampsakus, welches den Ruf hatte, damals eine der weinreichsten Gegenden zu sein, zum Weine, und Myus zur Zuspeise angewiesen hatte. Seine Gebeine aber wurden, wie seine Angehörigen behaupten, seiner Anordnung gemäß, in die Heimath gebracht, und ohne Wissen der Athener in Attika beerdigt: denn es war nicht erlaubt, ihn dort zu begraben, da er als hochverräterischer flüchtig geworden war. So endete Pausanias der Lacedämonier, und Themistocles der Athener, die unter den Hellenen ihrer Zeit den glänzendsten Ruhm erlangt hatten.

139. Dieses waren nun die Ausinnen und Gegenforderungen, welche die Lacedämonier bei der ersten Gesandtschaft wegen der Verbannung der Fluchbeladenen machten und er: hielten. Später brachten sie wiederholt bei den Athenern das Begehren vor, sie sollten von dem Angriffe auf Potidäa ablassen, und Aegina die Unabhängigkeit gewähren. Auf's dringendste und bestimmteste aber erklärten sie, eine Bedingung der Abwendung des Krieges sei die Aufhebung des Beschlusses gegen Megara, wodurch, bestimmt war, daß die Megareer zu den Häfen in dem Athenischen Gebiete und zu den Attischen Märkten nicht sollten zugelassen werden. Allein so wenig die Athener in die übrigen Forderungen willigten, so wenig hoben sie jenen Beschluß auf, in welchem sie als Beschwerde gegen die Megareer die Anpflanzung des heiligen Feldes und der noch nicht abgegrenzten Ländereien, und die Aufnahme ihrer entlaufenen Sklaven aufstellten. Endlich da zum letztenmale Rhamphias, Melesippus und Agesander als Gesandte von Sparta ankamen, und, ohne der früher gewöhnlichen Forderungen zu erwähnen, blos ihre Erklärung in folgende Worte faßten: „die Lacedämonier wünschen den Frieden, und er werde fortbestehen, wofern Athen den Hellenen Unabhängigkeit gewähre," so veranstalteten die Athener eine Volksversammlung, und machten dieß unter sich zum Gegenstande der Besprechung: und man beschloß, ein für allemal das Ganze zu berathen, und eine Antwort zu ertheilen. Es traten nun verschiedene Redner auf, und die Meinungen waren getheilt: einige sagten, man solle die Waffen ergreifen: andere, jener Volksbeschluß rolle kein Hinderniß des Friedens werden: sondern man müsse ihn aufheben. Da trat auch Perikles auf, damals der erste Mann in Athen, ein eben so gewaltiger Redner als einflußreicher Staatsmann, und ermunterte sie durch folgende Rede:

140. "Noch immer, ihr Athener, beharre ich bei meiner Ansicht, daß man den Peloponnesiern nicht nachgeben dürfe, wiewohl ich weiß, daß die Menschen nicht dieselbe Lebhaftigkeit des Eifers, mit der sie sich zum Kriege bestimmen lassen, auch bei der wirklichen Ausführung behaupten: sondern daß mit den Glücksfällen auch die Gesinnungen wechseln. So sehe ich denn auch jetzt keinen andern Rath, den ich euch ertheilen könnte: und mache die Anforderung an diejenigen unter euch, welche mir beipflichten, daß sie unsere gemeinsamen Beschlüsse, auch im Falle, daß wir einen Stoß erleiden sollten, unterstützen, oder daß sie bei glücklichem Erfolge auch die klugen Plane sich nicht beimessen. Denn es ist möglich, daß die Fügungen des Zufalls einen eben so ungeschickten Gang nehmen, als die Gedanken der Menschen: daher sind wir auch gewohnt, wenn etwas Auffallendes sich ereignet, die Schuld dem Glücke beizumessen. Entschieden ist es, daß die Lacedämonier schon längst, und jetzt besonders, feindselige Absichten gegen uns hegen. Denn wiewohl ausdrücklich festgesetzt worden ist, daß beide Theile bei gegenseitigen Zwistigkeiten sich einer gerichtlichen Entscheidung zu unterwerfen haben, und daß jeder Theil im Besitz dessen, was er hat, bleiben solle, so haben doch sie noch keine rechtliche Verhandlung verlangt, noch unser Anerbieten derselben angenommen. Sie wollen lieber durch Krieg als durch Unterhandlung die Beschwerden erledigt wissen, und treten jetzt befehlend, und nicht mehr beschwerdeführend auf. Sie verlangen, wir sollen von unserm Angriffe auf Potidäa ablassen, Aegina die Unabhängigkeit gewähren, und den Volksbeschluß wegen der Megareer aufheben. Ja die jüngst angekommenen Gesandten erklären sogar, wir sollen den Hellenen ihre Selbständigkeit lassen. Niemand unter Euch glaube übrigens, daß es eine Kleinigkeit sei, für die wir Krieg ans fangen, wenn wir den Beschluß wegen der Megareer nicht aufheben, den jene hauptsächlich zum Vorwande nehmen, indem sie das Nichteintreten des Kriegs von seiner Aufhebung abhängig machen. Lasset bei euch selbst den Vorwurf nicht sich befestigen, daß ihr wegen unbedeutender Ursachen zu den Waffen gegriffen habet. Denn mit dieser Kleinigkeit hängt die Befestigung und Probe eurer Grundsätze überhaupt zusammen. Gebt ihr diesesmal nach, so wird man euch bald Größeres auferlegen, in der Meinung, ihr hättet auch jetzt aus Furcht nachgegeben. Widersetzt ihr euch dagegen mit Festigkeit, so werdet ihr jenen einen deutlichen Beweis geben, daß sie euch, fernerhin mehr als ihres Gleichen behandeln müssen."

141. "Dem zufolge möget ihr nunmehr euch bedenken, ob ihr, ehe ihr einen Nachtheil leidet, euch fügen wollet, oder ob wir Krieg anfangen sollen (was ich meinerseits für das Beste halte), als Männer, die unter keinem Vorwande, er sei wichtig oder unwichtig, nachgeben, und furchtlos, was sie errungen, behaupten werden. Denn die kleinste und größte Forderung, welche jemanden von seines Gleichen vor rechtlicher Entscheidung auferlegt wird, hat eine gleich erniedrigende Bedeutung. Daß wir aber hinsichtlich des Kriegs und der beiderseitigen Hülfsmittel nicht der schwächere Theil sein werden, darüber laßt euch durch meinen Vortrag im Einzelnen belehren. Die Peloponnesier leben von ihrer Handarbeit, und weder der einzelne Bürger, noch der öffentliche Schatz ist dort mit Geld versehen. Sodann haben fie feine Erfahrung in langdaurenden und in solchen Kriegen, die mit überseeischen Feinden zu führen sind, weil sie, ihrer Armuth wegen, unter sich nur kurze Kriege führen. Solche Leute vermögen weder Schiffe, die sie bemannen, noch Landheere wiederholt auszusenden, indem sie dann von ihrem Eigenthum sich entfernen, und von demselben auch die Kosten bestreiten müssen, und dazu noch das Meer ihnen gesperrt ist. Kriege aber kann man mehr durch Geldvorrath, als durch gewaltsam abgerungene Steuern aushalten. Leute, die von ihrer Handarbeit leben, sind auch geneigter, persönlich, als mit Geld, Krieg zu führen, weil sie in Betreff ihrer Person die Zuversicht haben, unter den Gefahren sich doch wohl durchzubringen, ihrer Habe wegen aber nicht versichert sind, ob sie dieselbe nicht zu früh aufzehren werden, zumal wenn, wie es doch wahrscheinlich ist, der Krieg wider ihr Vermuthen sich in die Länge ziehen sollte. In Einer Schlacht können nun zwar die Peloponnesier und ihre Bundesgenossen mit den gesammten übrigen Hellenen es wohl aufnehmen: aber einen eigentlichen Krieg gegen einen ungleich besser gerüsteten Feind zu führen, sind sie nicht im Stande, da sie einerseits keinen Vereinigungspunkt ihrer Berathschlagungen haben, und daher nichts augenblicklich und rasch ausführen können, andererseits bei gleichem Stimmrechte und verschiedener Abstammung jeder seine besonderen Zwecke verfolgt: Verhältnisse, unter welchen nichts zur Vollendung gebracht zu werden pflegt; denn während der Eine vornehmlich die Absicht hat, au Diesem oder Jenem Rache zu nehmen, wünscht der Andere die möglichste Schonung seines Eigenthums. Wenn sie nach langem Zaudern zusammen kommen, so widmen sie der Berathung des allgemeinen Wohls nur kurze Zeit, die Meisten hingegen der Betreibung ihrer besondern Angelegenheiten. Jeder meint, sein gleichgültiges Betragen werde nicht viel schaden, und es werde schon ein Anderer die Mühe übernehmen, statt seiner etwas zu besorgen: weil das her jeder Einzelne diese Einbildung für sich hegt, so leitet unvermerkt das Gesammtwohl Noth."

142. "Das wichtigste aber ist, daß der Mangel an Geld ihnen hinderlich sein wird, wiefern sie dasselbe nur allmählig und mit Zandern herbei schaffen, da doch die Gelegenheiten im Kriege kein langes Warten zulassen. Uebrigens ist weder die Anlegung von Festungen gegen uns, noch die Seemacht bei ihnen furchtbar zu achten: denn jene in gehörigen Stand zu setzen, hat schon im Frieden, selbst bei einem Staate, der andern gewachsen ist, seine Schwierigkeit, noch vielmehr aber in Feindeslande, zumal da auch, wir unsere Vollwerke haben, die wir ihnen entgegensetzen können. Werden sie aber auch eine Verschanzung zu Stande bringen, so mögen sie wohl einem Theile unseres Gebiets durch Streifzüge und Begünstigung der Ueberläufer Schaden zufügen; doch wird dieß nicht hinlänglich sein, um unser Land zu sperren, und zu uns verhindern, gegen ihr Gebiet Seezüge zu thun, und mit dem, worauf unsere Stärke beruht, mit unserer Flotte gegen sie zu kämpfen. Denn wir haben durch das Seewesen mehr Geschicklichkeit für den Landkrieg erlangt, als sie durch den Landkrieg für das Seewesen: und sie werden nicht so leicht auch Kenntniß des Seewesens sich erwerben. Seid ja doch ihr selbst darin noch nicht ganz ausgebildet, wiewohl ihr bereits seit dem Beginne der Perserkriege euch darin zu üben anfiengt: wie vermöchten nun Leute, welche den Ackerbau treiben, und nicht die Schifffahrt, darin etwas bedeutendes zu leisten, da wir überdieß ihnen keine Zeit lassen werden, sich darin zu üben, weil wir mit unserer zahlreichen Flotte sie beständig umlagert halten? denn wenn sie auch gegen wenige kreuzende Schiffe den Kampf wagen, und durch Ueberzahl bei ihrer Unerfahrenheit sich ermuthigen sollten, so werden sie sich doch ruhig verhalten müssen, wenn sie von vielen eingeschlossen werden. So werden sie dann wegen Mangels an Uebung ziemlich ungeschickt, und darum auch sehr zaghaft sein. Das Seewesen aber erfordert so sehr, als irgend Etwas anderes, Kunstfertigkeit, und man darf sich in demselben nicht etwa bei vorkommenden Fällen nebenher üben; sondern man kann vielmehr dabei keine andere Nebenbeschäftigung treiben."

143. "Sollten sie auch die Schätze zu Olympia und Delphi angreifen, und durch höhern Sold die Miethtruppen auf unsern Schiffen uns zu entführen versuchen, so wäre dieß allerdings gefährlich, für uns, wenn wir nicht durch Bemannung der Flotte aus unserer Mitte und aus den Beisitzern ihnen gewachsen wärent. Nun aber ist dieß der Fall, und was das Beste ist, wir haben Bürger zu Steuermännern, und die übrige Schiffsmannschaft ist zahlreicher und besser bei uns, als im ganzen übrigen Hellas. Auch würde wohl keiner unserer Söldner sich entschließen, auf's Gerathewohl sein Vaterland zu meiden, und unter so geringen Aussichten wegen einer Solderhöhung von wenigen Tagen sich im Kampfe an sie anzuschließen. In dieser oder einer ähnlichen Lage befinden sich nun, nach meiner Ansicht, die Peloponnesier: unser Zustand aber ist frei von den Mängeln, die ich bei Jenen gerügt habe, und hat ungleich grössere Vortheile vor ihnen voraus. Fallen sie mit einem Landheere in unser Gebiet ein, so greifen wir das ihrige mit der Flotte an: und dann ist es nicht mehr gleichbedeutend, ob ein Theil des Peloponneses von uns, oder ganz Attika von ihnen verwüstet wird: denn sie vermögen statt desselben kein anderes Land ohne Kampf zu besetzen: wir aber haben noch Land genug, theils auf den Inseln, theils auf dein Festlande. Denn gewaltig ist die Macht des Meeres. Betrachtet die Sache also: Wären wir Inselbewohner, wer würde unbezwingbarer sein, als wir? Und nun müssen wir diesem Gedanken so nahe wie möglich zu kommen suchen, unser Land-Gebiet und unsere Wohnungen verlassen und das Meer und die Stadt behaupten: und uns nicht durch leidenschaftlichen Eifer für jenes Besitzthum zu einer Entscheidungsschlacht mit den an Zahl weit stärkeren Peloponnesiern hinreißen lassen. Denn siegen wir auch, so werden wir doch bald wieder mit nicht geringeren Scharen zu kämpfen haben: verlieren wir die Schlacht, so ist die Macht unserer Bundesgenossen, die unsere Hauptstärke ausmacht, zugleich für uns verloren. Denn diese werden nicht länger ruhig bleiben, wenn wir nicht mehr im Stande sind, mit bewaffneter Macht gegen sie zu ziehen. Auch dürfen wir nicht um unsere Häuser und Felder, sondern nur um unsere Personen jammern: denn jene Dinge sind nicht Herren über die Menschen, sondern die Menschen über sie. Ja! könnte ich hoffen, euch zu überreden, so würde ich rathen, ihr selbst solltet hinausziehen, und Land und Häuser verwüsten, und so den Peloponnesiern zeigen, daß ihr um solcher Dinge willen euch ihren Befehlen nicht fügen werdet."

144. "Noch habe ich manche andere Gründe für die Hoffnung des Sieges, wofern ihr nur im Kriege nicht zugleich weitere Eroberungen machen, und durch eigene Wahl euch neue Gefahren zuziehen wollet. Denn ich fürchte weit mehr unsere eigenen Fehler, als die Plane der Gegner; doch davon soll euch ein anderer Vortrag, wenn es zur Ausführung selbst kommt, belehren. Jetzt aber wollen wir die Gesandten mit folgender Antwort entlassen: „Wir werden den Megareern den Zutritt zu unsern Märkten und Häfen gestatten, wofern auch die Lacedämonier keine Fremden mehr weder von uns, noch von unsern Bundesgenossen aus ihrem Gebiete wegweisen: denn weder das Eine, noch das Andere ist den Verträgen entgegen. Wir wollen ferner die Freiheit der Staaten ungekränkt lassen, wenn wir bereits beim Abschlusse des Vertrags sie als unabhängig behandelten, und wenn auch sie ihren Städten das Recht zurückgeben, sich nicht dem Lacedämonischen Staatsvortheile, sondern ihrem eigenen gemäs nach Gutdünken eine freie Verfassung einzurichten. Auch wollen wir eine gerichtliche Entscheidung vertragsmäßig uns gefallen lassen. Den Krieg wollen wir nicht anfangen, aber gegen Angreifer uns vertheidigen." Eine solche Antwort ist eben so gerecht, als der Würde unserer Stadt angemessen. Jedoch müssen wir uns überzeugt halten, daß der Krieg unvermeidlich ist: unternehmen wir ihn nun mit freiem Entschlusse, so werden wir uns von den Feinden um so weniger bedrängt sehen. Je gefahrvoller der Kampf, desto grösser der Ruhm, der aus ihm für den Staat und den einzelnen Bürger hervorgeht. Haben doch unsere Väter, die den Kampf mit den Persern bestanden, mit geringeren Kriegsmitteln, und sogar ihr Besitzthum verlassend, mit mehr Einsicht als Glück, mit mehr Kühnheit als Macht; die Barbaren zurückgeschlagen, und ihre Macht auf diesen Gipfel gebracht. Hinter ihnen dürfen wir nicht zurückbleiben, sondern wir müssen gegen die Feinde uns auf jede Weise vertheidigen, und uns bemühen, jene Macht den Nachkommen ungeschmälert zu hinterlassen."

145. Also redete Perikles. Die Athener aber, überzeugt, daß sein Rath der beste sei, faßten den Beschluß nach seinem Antrage. Sie antworteten daher den Lacedämoniern nach seinem Vorschläge über jeden einzelnen Punkt, und überhaupt, wie er es angegeben hatte: daß sie sich nichts werden befehlen lassen, aber bereit seien, vertragsmäßig durch rechtliche Entscheidung die Beschwerden zu erledigen, unter der Bedingung der Rechtsgleichheit. Jene kehrten nach Hause zurück, und es erschien nun weiter keine Gesandtschaft von ihnen.

146. Dieses waren die Beschwerden und Streitigkeiten beider Theile vor dem Kriege, welche gleich mit den Vorfällen in Epidamnus und Korcyra anfiengen. Doch hatten sie während derselben noch Verkehr mit einander, und gingen hin und her, zwar ohne sicheres Geleit, doch nicht ohne Mißtrauen. Denn das Vorgefallene war doch eine Störung des Friedensvertrags, und bot einen Vorwand zum Kriege dar.

Der Peloponnesische Krieg

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