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Kapitel 4

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»Also, wie lange, denkst du, lässt uns der alte Dippidi-Dew hier warten, während er die verdammten Kipplaster da unten abzählt?«, fragte Jerry und schaute sich die Unterlagen auf dem Schreibtisch an, bei welchen es sich hauptsächlich um Lohnabzüge handelte.

Woody saß am Rand des Schreibtischs und seufzte. »Du kennst doch Dew. Er macht keine halbgewalkten Sachen. Er hat einen Anruf bekommen, hier hochzukommen, und niemanden angetroffen; der hört nicht auf, bis er nicht ganz genau herausgefunden hat, was los ist. Selbst, wenn die großen Jungs hier ankommen …«

»Falls sie ankommen«, warf Jerry ein.

»… wenn sie ankommen, wird er nicht davon ablassen. Er wird diesen Teppich ausklopfen, bis der ganze Schmutz herausgefallen ist.«

Jerry pfiff durch die Zähne. »Mann, ich mag den Vergleich. Wenn es je einen Polizisten gegeben hat, der ein menschlicher Putzteufel war, dann der alte Dew.«

»Ich meine, er ist gründlich. Wenn dir etwas passieren würde, würdest du nicht auch wollen, dass er deinen Fall übernimmt? Er gibt niemals auf.«

»Ich bezweifle ja nicht, dass er ein guter Polizist ist«, sagte Jerry. »Was ich nicht an ihm mag, ist, dass er uns jedes Mal, wenn wir etwas entdecken, zurücklässt. Als wären wir Pfadfinder und er der Truppführer, der über uns wacht. Wir sind auch Polizisten. Es ist genauso unser Job, herumzuschnüffeln. Wir sollten mit ihm da unten sein, statt hier zum Fenster hinauszusehen.«

Woody seufzte wieder. Jerry war schon manchmal ein vernünftiger Kerl, aber nicht jetzt. Wenn er unter Stress stand, fing er an zu jammern und zu stöhnen, zu nölen und zu mosern wie eine alte Frau.

»Dew ist die Sorte Kerl, die von der Front führt«, erklärte er Jerry. »Er würde uns keiner Gefahr aussetzen, der er sich nicht zuerst gestellt hat.«

»Junge, du verehrst den Kerl ja richtig.«

»Es geht nicht um Verehrung, Jer. Man nennt das Respekt.«

»Respekt, sagt er. Scheiße.«

Woody ging nicht darauf ein. »Dew ist seit über dreißig Jahren Polizist, Mann. Er kennt den Mist. Warum lässt du nicht mal von ihm ab und lernst von ihm?«

Jerry kicherte. »Das sollte ich wohl, denn es geht um R-E-S-P-E-K-T, nicht wahr?«

Woody ignorierte auch das.

Jerry dachte an sein Mädchen. An Frühstück im Bett mit Marianna. Woody dachte bei sich, dass er auch mies drauf wäre, wenn er hierfür darauf verzichten müsste, mit diesem Mädchen im Heu herumzutollen. Sie war groß und dunkelhäutig, Beine bis zum Hals. Diese dunklen Augen, die glatte, olivfarbene, italienische Haut. Und lasst uns nicht diese Titten vergessen. Gott, die waren echt etwas Besonderes. Wie kam es nur, dass Mistkerle wie Jerry immer die heißesten Freundinnen abbekamen?

Wie erwartet, sagte Jerry: »Du bist ziemlich dicke mit dem alten Dew, oder?«

»Klar, wir sind an der Hüfte zusammengewachsen.«

»Darauf würde ich wetten. Würde mich nicht wundern, wenn er dich zum Untersheriff macht, jetzt, wo Frank in Pension geht.«

»Oh, das bezweifle ich.«

Jerry schnaubte und lachte hohl. »Oh, ich bezweifle es nicht. Du und Dew, ihr seid richtig eng. Verdammt eng. Nicht, dass das schlimm wäre. Wenn ich das könnte, würde ich ihm auch in den Arsch kriechen, aber darin bin ich nicht so gut.«

Nein, bist du nicht, dachte Woody. Wenn man es genau nimmt, bist du in gar nichts gut.

»Zwischen mir und Dew stimmt die Chemie einfach nicht. Absolut nicht. Außerdem bringe ich es nicht über mich, seinen Schwanz zu lutschen, nur um eine Beförderung zu bekommen.«

Ah, jetzt wurde es klar: Eifersucht. Das war der Kern der Sache. Woody war sich bewusst, dass dies schnell in einem Streit enden konnte, aber das würde er nicht zulassen. Er musste ihn ablenken und das funktionierte bei Jerry nur auf eine Weise.

»Ich mag Dew. Er ist in Ordnung und ich brauche ein Vorbild.« Woody zwinkerte ihm zu. »Aber ich habe auch keine Supermodelfreundin wie Marianna.«

»Du hörst besser auf, dich um meine Freundin zu kümmern.«

»Ich ziehe dich nur auf.«

»Du erzählst immer Scheiße über sie.«

Woody starrte ihn an. »Hör damit auf, Jerry, okay? Hör einfach auf. Ich habe noch nie irgendetwas Respektloses über deine Freundin gesagt und das weißt du ganz genau. Ich habe einen Witz gemacht. Also sei kein Arsch.«

»Scheiße.«

Jerry war nervös. Dieser Ort machte ihn fertig und er reagierte darauf auf die einzige Art und Weise, die er kannte: indem er ein Arschloch war. Woody wusste, dass er ihn ignorieren musste, denn sonst würde Jerry weiter Scheiße erzählen, bis er die Reaktion bekam, die er haben wollte; seinen Partner anpissen, damit er nicht mehr der Einzige war, dem es schlecht ging. Würde zu bewahren, wenn er unter Beschuss stand, war nicht Jerrys Stärke.

»Warte einfach ab«, sagte er zu ihm.

»Scheiße«, sagte Jerry noch einmal.

Aber es ließ ihn dennoch verstummen. Immerhin. Es gab Dinge in der Welt, die sich einfach nicht mit Geld aufwiegen ließen.

Aus irgendeinem Grund konnte Woody den Blick nicht von der verschlossenen Tür am anderen Ende des Raums abwenden. Als er das erste Mal versucht hatte, sie zu öffnen, hätte er schwören können, dass sich der Knauf hatte drehen lassen, und zwar einfach … kurz bevor er sich verklemmt hatte. Fast, als hätte ihn jemand auf der anderen Seite festgehalten.

Oh, fang jetzt nicht auch noch mit diesem Mist an, mahnte er sich.

Dennoch wollte er dort hinübergehen und es noch einmal probieren. Aber, wenn er das tat, würde Jerry bemerken, dass er sich deswegen Sorgen machte.

Jerry stand auf. Er ging die paar Schritte bis zum Fenster und sah hinaus. »Wo zur Hölle ist er hin?«

Woody sah hinaus. Die Laster standen in Reih und Glied, aber Dew war nicht zu sehen. Das hatte nichts zu bedeuten. Der Parkplatz da unten war riesig.

»Vielleicht sollten wir nach ihm sehen«, sagte Jerry. »Vielleicht ist etwas passiert.«

»Er ist erst seit zehn Minuten dort. Entspann dich.«

Aber Jerry entspannte sich nicht und Woody auch nicht. Dew würde es nicht mögen, wenn sie nicht genau das taten, was er ihnen gesagt hatte … aber dennoch, was, wenn etwas passiert war? Woody schob den Gedanken beiseite. Oder versuchte es zumindest. Etwas war den Leuten hier zugestoßen. Und dieses mysteriöse Etwas könnte auch Dew zugestoßen sein. Er schüttelte den Kopf. Es brauchte schon einen höllischen Spuk, um diesen Kerl zu erwischen. Warum hatte er das gerade gedacht? Spuk? Warum dieses Wort? Er seufzte erneut und wartete weiter ab.

Jerry konnte nicht still sitzen. »Dieser Ort macht mich fertig.« Er zog sein Motorola hervor. »Dew? Hier ist Jerry, bist du da?«, sagte er, seine Stimme so angespannt, als würde sie bald brechen. »Dew? Hörst du mich? Dew?« Es gab nur ein Rauschen und dann plötzlich ein lautes Quietschen. Fast ließ er das Funkgerät fallen. »Scheiße … hast du das gehört?«

Woody schluckte, dann schluckte er noch einmal. Er hatte Schwierigkeiten, seine Lippen zu befeuchten. »Nur das … das Erz in den Hügeln, wie Dew gesagt hat. Dein Signal ist direkt zurückgeworfen worden.«

»Meine Güte, Erz.« Jerry drückte seine Nase am Glas platt. »Das ist doch Scheiße und ich mag es ganz und gar nicht.«

Woody sah mittlerweile auch hinaus. Er konnte einfach nicht anders. Er hatte das furchtbare Gefühl, dass sich irgendetwas um sie herum aufbaute, wie ein Blitz kurz vor dem Einschlagen. Die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf. Für einen grausigen Augenblick glaubte er, einen spinnenartigen Schatten zwischen den Lastern da unten gesehen zu haben, aber es war so schnell vorbei, dass er sicher war, dass seine Augen ihm nur einen Streich gespielt hatten. Dennoch war er besorgt und allein bei der Vorstellung geradezu entsetzt. Irgendwo da draußen kam ein Wind auf, dessen hohles Stöhnen seine Hände zittern ließ.

»Es reicht«, sagte Jerry. »Wir gehen da jetzt runter.«

»Okay.«

Woody ging voraus, froh, etwas tun zu können. Er ging zur Tür und griff nach dem Knauf. Als er versuchte, ihn zu drehen, rührte er sich nicht. Verzweifelt rüttelte er daran.

»Lass mich mal«, sagte Jerry. Sein Atem hatte sich beschleunigt. Er rüttelte und rüttelte mit all seiner Kraft daran, aber nichts rührte sich. »Was zum Teufel?«

»Es war doch vorher offen.«

»Ja, ich weiß, dass es vorher offen war. So sind wir hier ja reingekommen.« Jerry kämpfte mit dem Knauf und als dieser nicht nachgab, rammte er die Tür in einem Anflug von Wut mit der Schulter. Als das auch nicht half, trat er darauf ein. »Scheiße, was ist hier los?«, keuchte er, sein Gesicht rot, die Augen weit aufgerissen. »Diese Tür war offen! Ich weiß, dass sie verdammt noch mal offen war!«

»Beruhige dich!«, sagte Woody.

Jerry lief im Kreis, trat einen Mülleimer aus dem Weg, fluchte leise und warf sich dann in einem heftigen Ansturm gegen die Tür, rammte und trat sie erneut. Er verursachte eine Delle und verletzte sich an der Schulter, das war aber auch alles, was ihm gelang.

»Bist du jetzt fertig?«, fragte Woody.

Jerry rieb sich die Schulter. »Ja.«

»Wenn es wirklich zum Äußersten kommt, haben wir immer noch unsere Waffen. Wir können das Schloss locker aufschießen … aber lass uns lieber erst etwas anderes probieren, denn Dew wird uns zusammenscheißen, wenn wir unsere Waffen für so etwas entladen.«

»Dew, Dew, Dew. Mein Gott.«

Woody seufzte. »Soll heißen?«

»Das heißt, dass du von dem Kerl besessen bist. Du führst dich auf, als wäre er dein verdammter Vater. Wird langsam langweilig.«

»Das wieder.«

»Vielleicht«, sagte Jerry.

»Okay, dann lass uns über deine Freundin reden.«

Jerry starrte ihn finster an. »Damit überschreitest du eine Grenze.«

»Ich überschreite sie, weil du ein Arsch bist.«

Jerry wandte sich von ihm ab und starrte auf die Tür. »Schau dir den Knauf an«, sagte er.

»Ja? Was ist damit?«

»Schau!«, sagte Jerry. »Es gibt noch nicht mal ein Schloss. Da ist gar nichts. Man kann sie nicht abschließen.«

Woody wusste, dass er recht hatte. Er hatte die ganze Zeit schon darüber nachgedacht, aber es nicht zugeben wollen. Vorsichtig ging er hinüber und rüttelte daran. Immer noch verschlossen. Er lockerte seinen Griff und versuchte noch einmal, den Knauf zu drehen für den Fall der Fälle, dass es nur eine Sache des richtigen Griffs war. Ohne Erfolg.

Plötzlich riss er keuchend seine Hand weg. »Es ist … es ist scheißwarm. Ich meine, wirklich warm.«

»Du bist verrückt«, sagte Jerry. Er griff selbst danach und zog seine Hand gleich wieder weg. »Es ist verdammt noch mal brennend heiß!«

Und wie erklärst du das nun? Woody fragte sich das selbst in dem Wissen, dass es keine vernünftige Erklärung dafür geben konnte. Jerry sah ihn an, darauf wartend, dass Woody auch diese jüngste Entwicklung wegerklären konnte, um die Schatten aus seinen Gedanken zu vertreiben. Es war gar nicht mal so, dass er es hören wollte, sondern hören musste.

»Riechst du das?«, fragte Jerry.

Er nickte. »Wie … wie etwas Süßes oder so.«

»Ja.«

Es war jedoch mehr als das. Es war wie der Geruch eines Halloweenbeutels am Morgen nach dem Süßes-sonst-gibt’s-Saures vom Vorabend; ein wundervolles, köstliches Aroma von Candy Corn und Schokolade, Erdnussbutterküssen und Salzwassertoffee, orangefarbenen Jack-O-Lantern-Lutschern und Schädellakritze. Dieser wunderbare Mischduft von Herbstfreude, den jedes Kind kannte und jeder Erwachsene noch immer tief in den Lustzentren seines Gehirns trug.

»Es ist verrückt«, sagte Jerry. »Nichts kann so riechen … nicht hier.«

Woody öffnete seinen Mund, um ihm zuzustimmen … und schloss ihn genauso schnell. Eine Reihe lauter Geräusche war in den Wänden zu hören. Bumm, bumm, bumm, bumm-bumm-bumm. Jerry schrie schrill wie ein Kind auf und Woody spürte sein Herz gefrieren. Es kam wieder und dann noch einmal. Als wenn da draußen jemand herumlief und gegen die Wand hämmerte.

Jerry verlor beinahe die Nerven. »AUFHÖREN!«, rief er laut, zog seine Beretta und zielte auf die Tür. Seine Hand zitterte dabei stark. »ICH HABE EINE WAFFE UND ICH WERDE SIE VERDAMMT NOCHMAL BENUTZEN! ICH SCHWÖRE BEI GOTT, ICH WERDE SIE NUTZEN!«

Woody wollte ihn bitten, die Waffe wegzulegen, aber er tat es nicht. Er tat es nicht, weil er nun selbst seine Waffe gezogen hatte. Er hatte es automatisch getan, ohne darüber nachzudenken. Die Geräusche draußen waren verstummt. Im Kopf zählte er leise die Sekunden. Eins … zwei … drei … vier … fünf … sechs … Dann fing es wieder an: Bumm, bumm, bumm-bumm-bumm! Jerry stolperte beinahe rückwärts über den Tisch. Stattdessen landete er auf seinem Hosenboden. Er murmelte etwas mit tiefer, tränengeschwängerter Stimme, kurz vor dem Zusammenbruch.

Das Klopfen hörte auf.

Wieder zählte Woody die Sekunden.

Etwas stieß von draußen gegen die Tür.

Jerry wimmerte. Mithilfe des Schreibtischs zog er sich auf die Beine. Seine Augen waren feucht und weit aufgerissen, sodass man das Weiße erkennen konnte. Seine Lippen verzogen sich zu einer Grimasse, während die Adern an seinem Hals hervorstanden.

Der Türknauf drehte sich vor und zurück.

Dann wurde er wie verrückt gerüttelt.

Jerry schrie auf und ließ los. Er feuerte drei Salven durch die Tür und der Lärm in dem engen Büro war ohrenbetäubend. Eine kleine Stimme tief in Woodys Hinterkopf sagte: Oh scheiße, oh Gott, was, wenn das da draußen Dew war …

Aber es war nicht Dew.

Was auch immer da draußen gestanden hatte, ließ einen quietschenden Schrei los, wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten war. Sie hörten, wie es sich trampelnd die Rampe hinunter zurückzog.

»Jerry«, hauchte Woody. »Es ist weg … es ist weg …«

Und mit ihm der süße, kandierte Geruch. Stattdessen hatte es einen ausgesprochen beißenden, üblen Geruch nach Essig hinterlassen.

Jerry versuchte zu nicken, aber er zitterte so heftig, dass sein Kopf in diesem Moment eher auf dem Hals wackelte. Woody sagte ihm, dass er die Waffe wegstecken sollte, und Jerry tat es. Woody ging hinüber zur Tür und drehte den Knauf. Er war nicht länger heiß. Und die Tür war auch nicht länger verschlossen. Der Knauf bewegte sich ganz leicht in der Hand.

»Komm schon«, sagte er.

Jerry nickte wieder und trat an seine Seite. Da hörten sie hinter sich ein anderes Geräusch. Das Geräusch kam von der zweiten Tür, der verschlossenen Tür. Woody wirbelte herum. Der Knauf drehte sich und die Tür begann sich langsam zu öffnen.

Und als sie es tat, nahmen die beiden Männer einen Geruch wahr, als würde eine heiße Suppe Blut das Büro füllen.

DIE MINE

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