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Hundeleben

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Sie tanzt und die Welt steht still. Ihre endlosen Beine, von den schwarzen Netzstrümpfen eher betont, denn verborgen. Ihr knackiger Po, die runden Backen sich bei jeder Bewegung provozierend durch den dünnen Stoff des Minirocks abzeichnend.

Ihre vollen Brüste, ihre nackten Arme, selbst ihr langes Haar: alles schwingt, alles wippt, alles bewegt sich. Im Rhythmus der uns umgebenden Musik und doch irgendwie völlig wild, animalisch, enthemmt und frei.

Die Welt steht still. Jedenfalls die meine, liegt mein Fokus doch momentan allein auf Jenna. Meine Augen folgen jeder ihrer Bewegungen, den Rest des mich umgebenden Partyvolkes blende ich einfach aus.

Gierig und ohne Scham saugen meine Sinne das Dargebotene auf, wie die sonnentrockene Erde die Tropfen eines kurzen, lang ersehnten Sommerschauers. Ich gestatte es ihnen rückhaltlos, denn schließlich tanz sie nicht mit mir.

Ich beobachte sie, die seit langem begehrte Frau. Sehe, wie sie lacht und sich freut. Wie sie singt und schließlich – das Lied aus den Boxen hat mittlerweile gewechselt und allen Anwesenden einen Dämpfer in Form einer Ballade beschert – die Arme um den Hals ihres Tanzpartners schlingt, seine Hände im Gegenzug widerspruchslos hinab über ihre Taille bis zu just erwähntem Gesäß wandern lässt und ihn zärtlich küsst.

Die Szene sollte mich eigentlich fertig machen. Vor Eifersucht, verletztem Stolz und Enttäuschung darüber, dass die von mir Verehrte sich derart einem ihr bis zum heutigen Abend Fremden an den Hals wirft, sollte ich schier vergehen und den Club umgehend verlassen. Doch ich sitze einfach nur da und sehe den Beiden beim eng umschlungenen Tanzen zu, mein erigiertes Gemächt hierbei pochend vor Lust.

Ich freue mich für sie, ehrlich. Starren mich meine Begleiter, im Wissen um meine unerwiderten Gefühle Jenna gegenüber, momentan auch sämtlich klammheimlich und überaus mitleidig an.

Unsere Freunde. Ein zu Anfangszeiten des Studiums zufällig zusammengewürfelter Haufen Neuberliner, mit welchem wir nun bereits seit zwei Jahren gemeinsam umherziehen. Sie wissen über meine verschmähte Liebe Bescheid, bleiben aber still.

Jenna heute ebenso, hatte sie dereinst auch ob des Geständnisses meiner Zuneigung ihr gegenüber, als wäre es ein Scherz gewesen, nur herzlich gelacht.

Grausam, sie jetzt in den Armen eines Anderen zu sehen. Doch all das macht das Betrachten des, mittlerweile irgendwo zwischen Petting und Schwof beheimateten Schauspiels da direkt vor meiner Nase, in meinem kranken Hirn eher erregender, denn abstoßend.

Die Zurschaustellung ihres Sexes, während sie sich genussvoll an ihm reibt und ihn balztanzartig umgarnt. Die Begierde in den Augen des Mannes, während er seine Hände immer und immer wieder über ihren biegbaren Körper streichen lässt. Die mitfühlend gemeinten, doch erniedrigenden Blicke unserer Freunde.

Die der ganzen Szene inne liegende Demütigung. Die Peinlichkeit, die mich zum chancenlosen Nebenbuhler degradierende Offensichtlichkeit, mit welcher Jenna sich anbietet: all dies spricht den masochistischen Teil meiner Seele und selbstverständlich auch meinen Trieb unendlich an.

Für Viele herzlos, wie hier auf meinen Gefühlen herum getrampelt wird. Und doch lässt mich die Szenerie auf unverhoffte Weise teilhaben am beginnenden Glück und Liebesspiel der für mich Unerreichbaren.

Herabwürdigend, wie die von mir Vergötterte sich vor meinen Augen an den Hals eines Anderen wirft, mich dabei nicht nur verschmähend, sondern mir dies auch noch vor aller Augen unter die Nase reibend. Und doch macht gerade diese Unerreichbarkeit, die Desavouierung allen was ich bin und gerne für sie wäre, die junge Frau in meinen Augen nur noch begehrlicher.

Den ganzen Abend geht das so, letztlich setzten sich beide gar erschöpft zu uns an den Tisch. Allerdings nicht zu erschöpft, um im Anschluss noch die Nacht miteinander zu verbringen, wie ich Stunden später feststellen muss. Im Regen vor dem Reinickendorfer Altbau auf der Straße stehend, in welchem Jenna in einer kleinen Wohnung lebt.

Ihnen heimlich hinterher getrottet, wie ein ab geliebter Hund, beneide ich den Glücklichen, welcher „meiner“ Jenna wahrscheinlich gerade ihr Höschen die strammen Schenkel herab zieht. Doch suhle ich mich auch genussvoll in der Rolle des Verlierers, des Verschmähten und nicht Genügenden, dessen kleiner Freund selbst jetzt noch vor Erregung steht, von sämtlichen Anforderungen der Männlichkeit befreit.

Vielleicht ist irgendetwas in meinem Kopf falsch verdrahtet, denke ich, während es mich in den frühen Morgenstunden endlich heimwärts zieht.

Lust aus grausamer Erniedrigung, Verlangen durch kalte Ablehnung, Zuneigung angefeuert von offensichtlicher Distanzierung. DAS konnte doch nicht normal sein, oder?

Welche Art Beziehung sollte denn einer wie ich, fern ab der Norm, überhaupt einmal führen können, welcher Frau Glück könnte ein solcher Unmann schon sein?

An diesem Abend liege ich noch lange wach, von Selbstzweifeln zerfressen und doch bis in die Haarspitzen geil.

Am nächsten Tag jedoch, da treffen wir uns bereits alle wieder - von der ehemals verlockenden Eroberung des Vorabends jedoch, fehlt bei Jennas Eintreffen jede Spur.

„Geiler Fick, extrem befriedigend, aber weiter wird es nicht gehen.“, lässt uns die Frau meiner Träume bald schon, untermalt von einem kessen Zwinkern und ohne jegliche Zurückhaltung wissen.

Einen Vorteil hat das Ganze also, denke ich daraufhin schweigend bei mir. Lover kommen und gehen.

Dem verschmähten und sie dennoch weiterhin bedingungslos anbetenden „nur Freund“ jedoch, welcher anspruchslos im Schatten kauert und sie ohne Einschränkungen vergöttert, dem bleibt Frau treu.

Leidenslust

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