Читать книгу Veyron Swift und der Orden der Medusa: Serial Teil 3 - Tobias Fischer - Страница 3

Der Augustus

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Die Nacht verbrachten sie in einer Billig-Herberge. Das Zimmer war klein, Boden und Decke knarzten unentwegt und die Mauern wiesen zahlreiche Sprünge auf, denen man regelrecht beim Wachsen zusehen konnte. Veyron unterzog das Gebäude einer gründlichen Untersuchung und befand es schließlich für sicher – zumindest für eine Nacht. Tom brachte dennoch kein einziges Auge zu, ständig erwartete er den Zusammensturz des unsäglichen Gemäuers. Dafür bekam er genug von den nächtlichen Aktivitäten der Nachbarschaft mit und musste einige Male den Kopf schütteln oder kichern, je nachdem, ob sich die Bewohner gerade stritten oder andere Geräusche von sich gaben.

Kurz nach Sonnenaufgang, war Veyron wieder auf den Beinen. Er schleifte einen vollkommen übernächtigten Tom hinaus auf die Straße, wo sie sich in einer langen Reihe anstellen mussten, um sich an einem öffentlichen Brunnen zu waschen. Tom schlug daher einen Besuch in den Illaurian-Thermen vor. Veyron klärte ihn jedoch über das knapp bemessene Zeitfenster auf, dass sie hatten, um noch rechtzeitig zum Stadtsee zu gelangen. Floyd würde wohl nicht auf sie warten, bei so vielen hochgeborenen Passagieren, die er nach Bovidium ausfliegen durfte.

»Es war natürlich meine Idee gewesen, das Floyd dem Senat dieses Angebot unterbreitete. Ein kostenloser, blitzschneller Flug von Gloria Maresia nach Bovidium und an Bord fast die ganze kaiserliche Familie, sicher vor jedem Zugriff Consilians. Zehn Leibwächter wurde dem Kaiserclan zugestanden, keiner aus den Reihen der Prätorianergarde«, erklärte Veyron mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf den schmalen Lippen.

Kaum waren sie gewaschen, machten sie sich auf den Weg zum Stadtsee, den sie eine knappe Stunde später ohne Verzögerungen erreichten. Er lag auf der anderen Uferseite des Tirvin, im Südwesten der Stadt und wies dort nach nur zwei Kilometern dem Häuserwachstum eine natürliche Grenze auf. Der künstlich geschaffene, elliptische See war von einem ebenso künstlichen Ufer aus marmornen Trittplatten eingefasst. Jenseits des Sees lagen kleine, grüne Hügel mit Olivenhainen und Citrus-Plantagen.

Verfolger vermochte Tom diesmal keine auszumachen und Veyron schien es auch gar nicht weiter zu scheren. Sie erreichten das marmorne Ufer, wo sie von Toink, dem Zwerg, empfanden wurden. Er machte ein mürrisches Gesicht und hatte sich zornig die Fäuste in die Hosentaschen gestopft. Sein mächtiger, rotbrauner Bart zitterte vor Erregung.

»Ein unmögliches Betragen haben diese hochwohlgeborenen Prinzesslein! Pah! Haben mich angestarrt wie ein Wesen aus einer anderen Welt und die Nasen über meinen feinen Bart gerümpft!« beklagte er sich über seine Passagiere.

Tom gab zumindest Verständnis vor, während Veyron ganz offen sein vollkommenes Desinteresse für die Sorgen und Nöte des Zwergs demonstrierte.

Toink wetterte noch ein wenig weiter, während er sie per Ruderboot zur Silberschwan brachte. Sogar seinen Lehnsherrn hätten diese unverschämten Gören mit knappen Begrüßungen und ohne große Dankbarkeit abgekanzelt. Was für eine Unverfrorenheit!

»Kein Wunder, das Maresia bei uns auf Talassair so einen schlechten Ruf hat. Es gibt eintausend Vorurteile – und sie stimmen alle!«

Unter einer aufgehenden Sonne, lag das große Flugschiff golden schimmernd inmitten des Sees und wartete geduldig auf seine Passagiere. Über den Stummelflügel an Steuerbord kamen die hohen Herrschaften an Bord geklettert, wobei die uniformierten Seemänner den Damen eine helfende Hand reichten. Dank erhielten sie allein von Prinzessin Iulia, was Toink erneut in Empörung versetzte.

Kaum befanden sich die letzten Gäste an Bord, wurde der Anker gelichtet. Mit mehrfachem Knallen, starteten die zwölf Propellermotoren in ihren sechs Triebwerksgondeln. Blubbernd und hustend erwachten sie zum Leben und trieben die Do X gemächlich über das Wasser.

Während Veyron und Floyd den illustren Gästen Gesellschaft leisteten, erbat sich Tom die Erlaubnis, den Start vom Cockpit aus zu beobachten. Captain Viul hatte nichts dagegen einzuwenden. Tom durfte ihm und Copilot Wagner vom Navigationstisch aus über die Schultern blicken.

»Die Startstrecke reicht gerade aus, ist furchtbar kurz. Wäre der Verlauf des Tirvin etwas gerader, wäre das der viel bessere Lande- und Startplatz gewesen. Aber der König bestand ja ausgerechnet auf diesem Winzlingssee«, murrte der Captain der Silberschwan.

Der Stadtsee war an seiner längsten Stelle etwas über zwei Kilometer lang und mit vier Metern auch noch erschreckend flach.

»Das Landen ist nicht so schwierig, da reichen mir vierhundert Meter locker aus, bei vollem Gegenschub schaffe ich es sogar auf zweihundert Metern und weniger. Doch das Starten, das ist die Schwierigkeit. Kann also gut sein, dass wir ins Ufer krachen oder an einem der nahegelegenen Wohnhäuser hängen bleiben. Schnall dich gut an, Kleiner«, warnte Viul und zog das Sprachrohr heran.

»Toink, vollen Schub auf alle Zwölf«, rief er hinein. Tom krallte sich in die hölzernen Sitzlehnen und starrte gebannt aus den großen Scheiben. Er betete zu allen höheren Mächten sämtlicher Welten, dass nichts schiefging. Bei seinem letzten Abenteuer hatte er bereits eine furchtbare Bruchlandung mitgemacht. Auf eine Wiederholung war er nicht wild.

Viul beschleunigte, ließ die Silberschwan zum anderen Ende des Sees fahren, wo er das Flugschiff wendete und dann vollen Schub gab. Tom zählte die Sekunden, während das gegenüberliegende Ufer immer näher kam. Erst langsam hob sich die Silberschwan aus dem Wasser, stieg sanft und ohne Ruckeln immer höher in die Luft. Sie schossen über das Ufer hinaus, genau auf die ersten Mietsblöcke der Stadt zu. Tom krallte sich in die Armlehnen. Er hielt die Luft an. Gleich würde es krachen!

Die Katastrophe blieb aus, wenngleich knapp. Die Do X schaffte es gerade noch über die Hausdächer. Nach und nach gewann sie an sicherer Höhe. Copilot Wagner atmete mit hörbarer Erleichterung aus, der bärbeißige Captain schnalzte dagegen mit der Zunge.

»Na, so knapp war’s noch nie. Muss an dem ganzen Gepäck liegen, welche die kaiserlichen Herrschaften an Bord mitschleppen«, meinte er. Tom wurde am Navigationstisch vom Navigator abgelöst. Erleichtert begab er sich nach unten zu den Passagieren.

Die zehn Leibwächter hatten sich in den hinteren Teil der Reisekabine zurückgezogen, wo sie verkrampft in den Sesseln saßen und nicht wagten, aus den Bullaugen zu blicken. Anders als die Soldaten der Prätorianergarde, trugen sie einfache Tuniken aus dunkelblauem Leinen, darunter Hosen von dunkelgrüner Farbe und primitive Lederschuhe. Einige der Männer wiesen Bärte auf, die Jüngeren hatten sich die langen, dunkelblonden Haare auf dem Hinterkopf zusammengeknotet. Sie gehörten zum Stamm der Hroderingas, wie Tom später erfuhr, eines Barbarenvolks aus Turanon, dass dem Imperium Maresia zur Treue verpflichtet war. Von den Wundern Talassairs hatten sie noch nie gehört und zeigten daher auch die entsprechende Furcht vor der unbegreiflichen Flugmaschine.

Die edlen Damen und Herren saßen dagegen mit Floyd im Salon beisammen. Sie ließen sich vom König des Inselreiches mit Anekdoten aus seiner Jugend unterhalten. Es ging um Partys und noch mehr Partys, Floyds Lieblingsthema. Veyron zog sich bald darauf in eine Koje zurück. Dort versank er in tiefe Meditation. Die Augen hielt er geschlossen, doch die Zuckungen unter den Lidern, verrieten seine unermüdlichen Gedankengänge.

Tom kannte diesen Zustand inzwischen zur Genüge. Weil er keine Lust hatte, von seinem Paten ignoriert zu werden, zog er sich in eine eigene Koje zurück und legte sich schlafen.

Der nur einstündige Flug verlief ohne besondere Vorkommnisse. Lediglich ein einziges Mal wachte Tom auf. Die Blase drückte ihn schwer, es war fast nicht auszuhalten. Schnell begab er sich nach vorne in den Bug, wo sich das kleine WC befand. Ganz zu seiner Überraschung fand er die Toilettentür verschlossen vor. Er hörte jemanden würgen und winseln. Tom verdrehte die Augen. Eine der Prinzessinnen war luftkrank. Mann, das war ja voll peinlich.

Er klopfte gegen die Tür. »He, alles in Ordnung da drin?«

Keine Antwort, aber das Winseln hörte sofort auf.

Es verging ein weiterer Moment. Das Türschloss wurde geöffnet, Tom wich überrascht zurück. Anstatt einer Prinzessin, kam ein Junge heraus, vielleicht ein Jahr älter als Tom, aber einige Zentimeter kleiner. Sein Gesicht war regelrecht grün vor Übelkeit, er zitterte wie Espenlaub und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Der Junge trug eine feuerrote Tunika und ein purpurnes Pallium darüber, den römischen Herrenumhang. Das wies ihn sofort als Mitglied der kaiserlichen Familie aus. Der Saum seiner Tunika besaß einen kunstvollen Goldrand in Form eines gestickten Lorbeermusters. Ohne Tom eines weiteren Blickes zu würdigen, schob er ihn beiseite und wankte vorbei.

»Hey! So geht’s ja auch nicht!« beschwerte sich Tom. Er packte den Jungen am Ärmel. Mit einem Aufschrei riss sich der Prinz von ihm los.

»Fass mich nicht an, du Sklave!« herrschte ihn der Prinz mit explosionsartigem Zorn an.

»Sklave? Ich glaub dir geht’s wohl zu gut, was? Hier gibt’s keine Sklaven. Wie bist du denn drauf?«

Der Prinz ließ sich davon nicht beeindrucken, ganz im Gegenteil. Die Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. Völlig unbeherrscht fing er an zu brüllen.

»Du wagst es? Ich bin Gaius Aurelius Caesar, Großenkel des vergöttlichten Illaurian! Niemand macht mir hier Vorschriften! Niemand, verstehst du?«

Tom hob die Augenbrauen, fühlte, wie ihm die Hitze in den Kopf stieg. Er ballte die Fäuste.

»Und ich soll jetzt Angst vor dir haben, oder wie stellst du dir das vor?«

Gaius Caesar, Neros jüngster Bruder, stierte Tom einen Moment lang mit hasserfüllten Augen an, dann wirbelte er herum und eilte in den Salon davon. Tom rief ihm noch ein »Du Blödmann« hinterher, aber Gaius reagierte nicht mehr.

»Was für eine sympathische Familie! Die haben sich ja alle nicht unter Kontrolle. Lauter Psychos, Toink hat schon recht«, schimpfte Tom, ehe er im WC verschwand.

Endlich kam Bovidium in Sicht, eine große Insel inmitten azurblauer Fluten, in der Form eines gekrümmten Hornes. Die Küsten ragten steil aus dem Wasser, an der breitesten und zugleich niedrigsten Stelle nur fünf Meter, an der schmalsten und höchsten gewaltige dreihundert. Und dort thronte er, auf der äußersten Klippe, der Palast des Augustus. Ein gewaltiger Bau, der bis zur Hauptterrasse ganze vierzig Meter Hanglage überwand und dann noch einmal zwei Stockwerke in den Himmel ragte. Der eigentliche Wohn- und Geschäftsbereich des Augustus wurde dabei von den Kelleranlagen, den Wohnstuben der Sklaven, Wachsoldaten und den großen Zisternen für die Wasserversorgung gestützt, umgeben von dreistöckigen Arkadenbögen. Die ganze Anlage war rechteckig gehalten, maß in Länge und Breite jeweils über einhundert Meter. Um einen zentralen Innenhof, grenzten auf allen Seiten die Gebäudeflügel an. Die Prachtterrasse im Westen ragte hinaus auf die Klippe.

Die Silberschwan kreiste einmal um die Insel. Vom Cockpit aus hatte Tom den perfekten Überblick. Der Palast von Kaiser Tirvinius schien das einzige bewohnte Gebäude auf der ganzen Insel zu sein. Ein einsamer Ort, dachte er. Was für ein Mensch mag der Kaiser sein, wenn er sich hierher zurückzog, anstatt in der Hauptstadt zu regieren?

Captain Viul leitete schließlich die Landung ein. Sanft wie immer, setzte die Silberschwan nahe der Küste auf. Lediglich die Gischt, die hinter dem Heckruder aufbauschte, zeugte davon, dass sie tatsächlich gewassert war. Kaum stand sie still, spürte Tom das leichte Hin- und Herwogen der Wellen.

Es vergingen nur ein paar Minuten, ehe eine Gruppe Sklaven mit großen, prächtigen Ruderbooten ankam und längs der beiden Stummelflügel festmachte. Die Besatzung der Silberschwan hieß die Männer willkommen. Sie erfuhren, dass die Sklaven vom Augustus geschickt wurden, um seine Familie an Land zu bringen. Die illustren Passagiere verließen das Flugschiff also wieder einer nach dem anderen. Tom, Floyd, Toink, Viul und Veyron waren die letzten, die sich nach Bovidium aufmachten. Jedoch nicht an Bord eines Sklavenruderers, sondern in einem kleinen silbergrauen Rettungsboot, dass Toink sicherheitshalber mit Außenbordmotor ausgestattet hatte.

»Nicht, dass wieder so eine peinliche Flucht wie bei Loca Inferna ansteht«, murrte der Zwerg, worauf Veyron sich rechtfertigte, dass ein Boot mit Außenbootmotor sie ganz sicher sofort verraten hätte. Außerdem war ja alles gutgegangen und darum jede weitere Diskussion zu diesem Thema Zeitverschwendung. Toink brummelte zur Antwort etwas auf Zwergisch. Die Übersetzung behielt er trotz Toms Nachfragen lieber für sich.

Sie folgten den Sklavenruderern zu einem torähnlichen Höhleneingang und fanden sich in einer mit Fackeln beleuchteten Grotte wieder, wo geschickte Handwerker einen Steg samt Kaimauer angelegt hatten. Der kaiserlichen Familie wurde von Bord geholfen, für jeden stand eine Sänfte mit insgesamt vier Trägern zur Verfügung. Ein jeder nahm sie in Anspruch, mit Ausnahme von Prinzessin Iulia, die mit einem Blick auf Tom & Co, sichtlich von einem schlechten Gewissen geplagt wurde.

»Ich werde lieber zu Fuß gehen«, ließ sie die wartenden Sklaven wissen, worauf der älteste von ihnen regelrecht erschrak.

»Für eine hohe Herrin ist das nicht standesgemäß«, protestierte er mit sichtlicher Empörung.

»Lässt sich mein Großvater auf Bovidium in Sänften herumtragen«, fragte sie mit pikiertem Tonfall.

Der Sklave verneinte das überrascht und schien zu begreifen. Er schnippte mit den Fingern und die Sänftenträger entfernten sich ohne weiteren Kommentar. Iulia wartete, bis Veyron und die anderen angelegt hatten und zu ihr aufschlossen.

»Das ist sehr rücksichtsvoll von Euch, Prinzessin. Aber keine Sorge, wir sind gut zu Fuß«, meinte Veyron.

Nur Floyd war anderer Meinung.

»Wir hätten meinen Rolls Royce mitbringen sollen«, sagte er zu Captain Viul, doch dieser lachte nur.

»Den hätten wir niemals diese kleine Treppe hinaufbekommen. Viel zu schmal«, konterte er und deutete nach vorne auf den in den Fels gehauenen Aufgang. Eine gewundene Treppe führte tiefer in die Höhle hinein.

Floyd zuckte mit den Schultern. »Dann eben meinen Rolls und ein zwergisches Sprengkommando. Überhaupt fallen mir hier zahlreiche notwendige bauliche Maßnahmen auf. Elektrisches Licht und Unterwasserscheinwerfer zum Beispiel. Hier könnte man ein fantastisches blaues Licht an die Wände werfen. Style, Captain; hier fehlt es an Style. Diese Grotte hat sicherlich Potential. Die Felsen gehörten poliert, goldene Stoßleisten für die Stufen, vielleicht noch mit LED-Beleuchtung und…«

Weiter hörte sich Tom diese aberwitzigen Ausführungen nicht mit an. Dem armen Captain Viul blieb dagegen keine andere Wahl, als den visionären Umgestaltungsentwürfen seines Lehnsherrn zu lauschen.

Direkt unterhalb des Palastareals, führte die Treppe wieder ins Freie. Hier standen einige kleine Wirtschaftsgebäude, dahinter begannen die Gärten des Palastes. Sie waren in dem abfallenden Hang eingebettet, die gepflasterten Gehwege immer wieder durch marmorne Treppen unterbrochen, flankiert von Statuen nackter, athletischer Männerkörper. Sie zeigten allesamt erfolgreiche Olympioniken mit verschiedenen Sportgeräten – oder Halbgötter mit ihren Waffen. So genau konnte das Tom nicht unterscheiden.

Die Prozession, mit den Leibwächtern an der Spitze, nahm die Wege durch die Gärten hinauf zum Palast. Künstliche Bäche mit Wasserfällen und kleinen, halb unter Felsen verborgenen, blau schimmernden Grotten, prägten das Gartenbild. In künstlichen Teichen, an deren Ufern bronzene Wasserspeier standen, tummelten sich schillernde Fische. Zunächst hatte Tom sie für Goldfische gehalten, doch waren sie kleiner und lebten in großen Schwärmen. Je nach Lichteinfall nahm ihr Schuppenkleid eine andere Farbe an, mal leuchtend blau, mal grün, dann wieder gelb, rot, oder leuchtend violett.

»Diese Fische lebten früher in einem See in den Grünen Hügeln. Unsere Vorfahren hatten den See ausgetrocknet und man hielt diese Fischart für ausgestorben. Schließlich wurden sie hier auf Bovidium in einem fast ausgetrockneten Tümpel wiederentdeckt. Mein Großvater ließ sie in großen Becken züchten und dann in allen Teichen hier aussetzen. Sie sind die letzten ihrer Art. Wir nennen sie „Regenbogenwechsler“«, erklärte Iulia, als ihr Toms Staunen auffiel. Er schaute den leuchtenden Schwärmen noch einen Moment zu, anschließend beeilte er sich, um wieder zu Veyron und Toink aufzuschließen.

Zwischen den alten, krummen Pinien wuchsen auf freien Plätzen Mandarinenbäume und Palmen, von Gärtnern stets zurechtgestutzt und im Wuchs unnatürlich symmetrisch gehalten. Der Rasen der Gartenanlage wurde penibel gehegt und jedes fremde Kraut sofort entfernt. Einen gepflegteren Rasen gab es wohl auch in England nicht, da war Tom sicher. Schließlich erreichten sie die Stützarkaden des Palastes, der jetzt hoch über ihnen aufragte.

Über eine gewaltig hohe Außentreppe mussten die Besucher die vierzig Meter bis zum Haupteingang im Norden überwinden. Tom zählte 250 Stufen. Immerhin waren die Architekten von Tirvinius gnädig genug gewesen, alle fünfzig Stufen eine kleine Plattform dazwischen zu schieben, von der aus man über die Steilküste hinaus aufs Meer und die ferne Küste Maresias blicken konnte.

Dort, so erklärte ihm Veyron, stand in der Hafenstadt Sirenum ein großer Leuchtturm. Mit Hilfe von Lichtsignalen wurden Nachrichten aus Gloria Maresia an den Augustus übermittelt und seine Antworten wiederum zurück in die Hauptstadt „gefunkt“. Zwischen Sirenum und Porta Gloria, der nur zehn Kilometer westlich von Gloria Maresia liegende Flottenstützpunkt, standen im Abstand von zwanzig Kilometern sieben weitere Signaltürme, meist auf Hügeln platziert. Obwohl er eine Dreitagesreise entfernt von der Hauptstadt residierte, konnte der Kaiser auf diese Weise unmittelbaren Einfluss auf die Geschehnisse im ganzen Imperium nehmen.

»Tirvinius mag den Trubel der Hauptstadt hinter sich gelassen haben und auf Bovidium die Einsamkeit suchen. Wir sollten uns davon jedoch nicht täuschen lassen. Trotz Consilians Macht und Einfluss, ist und bleibt Tirvinius der Imperator Augustus. Sieh dir nur diesen Palast an. Der wurde nicht gebaut, damit das Ego eines Kaisers darin Platz findet, sondern um Staatsgeschäfte zu betreiben, zu repräsentieren und hochrangigen Besuchern ein adäquates Quartier zu bieten«, erläuterte Veyron.

Als die Prozession beim Haupteingang ankam, der aus einem tempelartigen Vorbau bestand, dessen Dachgebälk auf hellblauen Säulen ruhte, wurden sie von einem Prätorianertribun begrüßt. Der Offizier erklärte ihnen, dass die Unterkünfte für die Familie vorbereitet wären.

»Der Augustus hat für heute Abend ein großes Bankett angeordnet. Aus gegebenem Anlass wünscht er all seine Verwandten bei Tisch, die Damen wie die Herren, ebenso die Besucher aus Fernwelt und Talassair«, sprach der junge Tribun. Mit einer zackigen Drehung auf den Absätzen wandte er sich an Veyron und Tom.

»Euch, Meister Veyron Swift, wünscht der Augustus allerdings sofort zu sehen. Ich habe den Befehl, Euch notfalls mit Gewalt in sein Amtszimmer zu schaffen«, sagte er, die Hand bedeutungsschwer auf dem Knauf seines Schwerts ruhend. Veyron nickte bedächtig.

»Gewalt wird nicht notwendig sein. Euer Gebieter hat meine Absicht, um eine Audienz zu bitten, vorweggenommen. Ich komme gern, vorausgesetzt mein Assistent darf mich begleiten. Anderenfalls wird Euch weder Gewalt noch sonst eine Macht auf dieser Insel nützen«, erwiderte Veyron kalt.

Der junge Tribun wirkte für einen Moment verunsichert. Schließlich erklärte er sich einverstanden. Er bat die beiden ihm zu folgen, während die vielen Sklaven die Mitglieder der kaiserlichen Familie in den Palast führten.

Das Eingangsportal erweiterte sich in einen hallenartigen Durchgang, von verschiedenfarbigen Säulen flankiert, die Decke gewölbt und reich mit Stuck und wertvollem Zierrat dekoriert. Sie führte in einen großen Innenhof, in dessen Zentrum ein großer, runder Brunnen stand. Hinter den gelben, rosaroten und mintgrünen Marmorsäulen dieses Peristyls lagen nach Ost und West zeigend, zwei gewaltige Treppenaufgänge, die in die höheren Etagen des Palastes führten. Alle Wände waren mit aufwendigen Malereien versehen, die Garten- und Badelandschaften zeigten, in denen schöne Frauen und Männer sich die Zeit vertrieben. Die Südwand wurde von einem beeindruckend großen Baum aus marmornen Stuck, Silber und Gold eingenommen, dessen Äste und Zweige in zahlreichen silbernen Früchten endeten, in welche Namen aus goldenen Lettern eingraviert waren.

Bevor Tom sich dieses Kunstwerk genauer ansehen konnte, wurden er und Veyron vom Tribun schon die westliche Treppe hochgeführt.

Der Palast erweiterte sich im Westen in eine dreissig Meter breite Gebäudeausbuchtung, eine Apsis. Im ersten Stock lag das riesige Arbeitszimmer, direkt über der großen Klippenterasse. Drei Meter hohe Arkadenbögen boten einen unvergesslichen Ausblick auf die Weiten des kristallblauen Meers. Seidene Vorhänge bauschten sich im Wind, der über das Meer kam. Der Tribun führte die beiden Besucher in das Zimmer, das ansonsten nur von einem wuchtigen Arbeitstisch aus dunklem Holz bevölkert war. Zudem standen in den Ecken Marmorbüsten Illaurians und natürlich von Tirvinius selbst. Gebieterisch blickten die strengen Gesichter der beiden Augusti auf die Besucher, das steinerne Haar von goldenen Eichenblattkränzen gekrönt.

Veyron sah sich regungslos um, während Tom vor die Arkaden trat und seinen Blick hinaus auf das Meer schweifen ließ. Er hörte tief unten die Wellen rauschen, wie sie gegen die Klippen Bovidiums brandeten, als sehnten sie sich danach, hier herauf zu kommen. Irgendwo in der Ferne kreischten ein paar Möwen, ansonsten war kein anderes Geräusch zu hören, kein Geschrei von Menschen oder Tieren, kein Knarren und Ächzen von Wagengespannen. Hier oben herrschte die perfekte Stille. Soweit das Auge reichte, lag unter ihm das türkisblaue Meer, nirgendwo ein Schiff auf den Wellen. Nach dem Trubel auf den Straßen von Gloria Maresia, war die Abgeschiedenheit Bovidiums die reinste Wohltat.

Tom atmete tief durch, ließ die salzige Meeresluft in seine Lungen strömen.

»Ich genieße diesen Ausblick auch jedes Mal aufs Neue«, ertönte eine dunkle Stimme hinter ihm. Erschrocken wirbelte Tom herum.

Ein alter Mann stand im Eingang, hochgewachsen, mit breiten Schultern und kräftigen Händen, das kahle Haupt lediglich am Hinterkopf von einem Kranz aus schlohweißem Haar umgeben. Die vielen Falten in seinem Gesicht verrieten nicht nur das hohe Alter des Fremden, sondern auch seine grimmige Entschlossenheit.

»Imperator Augustus«, grüßte Veyron und verbeugte sich höflich.

Tom machte es ihm sofort nach. Der Kaiser des Imperium Maresia, mit einer schlichten, weißen Tunika bekleidet, hob in segnender Geste die Hand und trat ein. Die bewaffneten Leibwächter, Tom konnte sie kurz erkennen, blieben draußen. Ohne Zögern, oder seine Gäste eines weiten Blickes zu würdigen, ging Tirvinius zu seinem Schreibtisch und setzte sich in den großen Thron dahinter. Schweigsam musterte er Tom und Veyron.

»Meister Veyron Swift und sein jugendlicher Gehilfe, Tom Packard. Ihr sollt wissen, dass mich der Großmeister der Simanui, Taracil, vor Euch gewarnt hat. Ihr verursacht nichts anderes als Ärger, so der Großmeister. Doch auf das Wort eines Simanui gebe ich schon lange nichts mehr, darum bat ich Consilian um einige ergänzende Informationen. Mein Prokurator ist für gewöhnlich sehr versiert, alle Dinge Fernwelt betreffend. Er lobt Euren scharfen Verstand und Eure Beobachtungsgabe. Lasst also hören, was Euch hier, während Eurer kurzen Anwesenheit, aufgefallen ist«, befahl der Augustus. Die aufrechte Haltung, die zu Schlitzen verengten Augen und die tief nach unten gezogenen Mundwinkel verliehen Tirvinius das Aussehen eines alten Generals, der es kaum erwarten konnte, wieder in die Schlacht zu ziehen. Versagen oder Verweigerung würde er nicht akzeptieren.

Veyron nahm diese Herausforderung natürlich sofort an.

»Euer Arbeitszimmer ist sehr sauber und schlicht, ganz Eurem Wesen entsprechend. Lange Jahre habt Ihr als Kommandeur der Legionen gedient, als Feldherr in fremden Ländern und in zahlreichen Kriegen. Ihr verzichtet auf Sänftenträger und betreibt viel Sport«, sagte er kalt und ungerührt.

Tirvinius schnaubte verächtlich. »Nicht sehr beeindruckend. Zu dieser Analyse wäre jeder Straßenkünstler fähig, der des Lesens mächtig ist. Biographien gibt es genug, zudem habt Ihr viel Zeit mit meiner Enkeltochter verbracht«, höhnte er.

»Da stimme ich Euch absolut zu, Augustus. Allerdings bezweifle ich, dass Prinzessin Iulia von Eurem Missgeschick heute Morgen mit dem Federkiel weiß. Die Spitze ist gebrochen, als Ihr zu fest aufdrücktet. Die Tinte spritze Euch mitten ins Gesicht. Kein Wunder, wo Ihr doch die rechte Hand benutztet, obwohl Ihr eigentlich Linkshänder seid. Warum habt Ihr das getan? Wolltet Ihr jemanden auf die Probe stellen? Mich vielleicht?

Das war allerdings heute nicht Euer einziges Missgeschick. Ihr habt einen Ring verlegt und ihn immer noch nicht gefunden. Vermutlich geschah es vor dem Bad, das Ihr heute Morgen genommen habt – nach dem Missgeschick mit dem Federkiel. Zumindest konntet Ihr Euer Bad genießen und habt es als sehr erholsam empfunden. Es war übriges eine sehr wohlriechende Mischung aus Limette, Orange und…« Veyron sog die Luft tief ein, »Erdnussöl.«

Tirvinius schenkte Veyron einen langen, missmutigen Blick. Im nächsten Moment explodierte ein Lachen aus seinem Inneren heraus, die strenge Miene des Kaisers hellte sich auf.

»Consilian hat nicht übertrieben als er Eure Beobachtungsgabe lobte. Aber sagt mir, wie seid Ihr zu diesen Schlüssen gelangt?«

Veyron gestattete sich ein flüchtiges Lächeln, ob des kaiserlichen Lobes.

»An den Fingern Eurer rechten Hand gibt es immer noch ein paar blasse Tintenspuren. Außerdem sind da ein paar kleine Tintenflecken hinter eurem rechten Ohr, Stellen die man beim Waschen gerne übersieht und die selbst im Spiegel schwer zu erkennen sind. Nicht zu vergessen, die zerknüllten Blätter in Eurem Papierkorb – unbeschrieben aber mit Tinte bekleckst. Eure Linke weist Schwielen an Daumen und Mittelfinger auf, was auf viel Schreibtätigkeit hinweist. Ihr seid also Linkshänder, dennoch habt Ihr heute einmal die Rechte benutzt. Da Eure Linke jedoch weder verletzt noch verstaucht ist, bleibt das Verwenden der Rechten als Schreibhand verwunderlich. Es sei denn, ihr wolltet damit jemanden testen. Da Ihr jedoch für heute keinen höheren Besuch erwartet habt – König Floyd lassen wir jetzt einmal außen vor – bleibe nur ich als Kandidat übrig. Zweifellos habt Ihr bereits von meinen detektivischen Fähigkeiten erfahren und wolltet sie auf die Probe stellen.

Nun zu Eurem Ring. Dass Ihr ihn verlegt und die Ringe nicht einfach umgesteckt habt, verrät mir die helle Stelle an Eurem rechten Ringfinger, der einzige Finger, neben den beiden Daumen, der keinen Ring trägt. Ihr nehmt die Ringe vor dem Bad immer ab, die hellen Ränder an den Ringen zeigen, wo sie wegen der aufgequollenen Haut noch nicht ganz in die alte Position zurückgerutscht sind. Ach ja, das Bad. Die Zusammensetzung des Badewassers ist für jede feine Nase zu riechen, die Schrumpeln Eurer Haut verraten die intensive Länge, worauf sich wiederum Euer Wohlbefinden zurückführen lässt. Alles ganz einfach und ohne jede Magie.«

Tirvinius musste erneut lachen. »Ihr habt natürlich mit allem recht, Meister Swift. Lediglich in einer einzigen Sache irrt Ihr Euch.«

Er griff unter seine Tunika und fischte einen Ring heraus, den er sich dann demonstrativ auf den Finger steckte. Tom warf seinem Paten einen neugierigen Blick zu. Veyron atmete angestrengt aus, seine Rechte ballte sich kurz zur Faust. Rasch bemühte er sich wieder um ein gefälliges Lächeln, aber es gelang ihm nicht zur Gänze.

»Natürlich«, raunte er. »Das war der eigentliche Test für mich. Ich hätte das in meiner Analyse stärker berücksichtigen müssen.«

»Das hättet Ihr. Berücksichtigt dafür nun dies: Mein Vertrauen in Consilian ist unerschütterlich. Ganz gleich welch krude Anschuldigungen einige Mitglieder meiner Familie gegen ihn auch erheben, ich vertraue dem Prokurator uneingeschränkt. Er wäre ein sehr viel geeigneterer Nachfolger, als jedes andere Mitglied des aurelisch-livischen Kaiserhauses. In Consilian steckt ein umsichtiger und ausnehmend befähigter Herrscher«, erwiderte Tirvinius, jetzt wieder streng und finster.

Tom wollte lautstark protestieren. Das konnte doch nicht der Ernst dieses alten Mannes sein! Ehe er ein Wort sagen konnte, hielt ihn Veyron mit einem Griff an die Schulter zurück.

»Somit fällt unser beider Urteil, Consilian betreffend, unterschiedlich aus, Augustus. Dennoch muss ich Euch an dieser Stelle vor diesem Manne warnen. Wenn Ihr ihm vertraut, begebt Ihr Euch in allerhöchste Gefahr.«

Tirvinius schnaubte verächtlich. »Consilian hat sich noch keines einzigen Verrats schuldig gemacht, im Gegensatz zu diesem Nero. Ich selbst hatte ihn nach Loca Inferna verbannt. Mit seinem aufrührerischen Gerede hat er nichts anderes bewirkt, als den Senat zu entzweien. Er hat meine Autorität in Frage gestellt. Vielleicht war Euch nicht bewusst, dass sein Vater, Talarius, selbst heute noch, acht Jahre nach seinem Tod, in den Legionen hohes Ansehen genießt. Nero wurde zu einer Gefahr für das Reich, womöglich hätte es sogar einen Bürgerkrieg gegeben. Das Gleiche gilt für seinen Bruder, den Möchtegern-Usurpator Claudius. Den beiden jungen Männern stieg der Ruhm ihres Haues zu Kopf! Verbannung und Kerker waren die einzigen Möglichkeiten, den Reichsfrieden zu wahren. Vielleicht aber wäre ein Todesurteil doch die sicherste Methode gewesen. Man sieht ja, was alles dazwischen kommen kann«, erklärte der Kaiser missmutig.

Tom schluckte, als er das hörte. Er hatte nicht erwartet, dass Tirvinius tatsächlich mit Consilian unter einer Decke steckte. Schlimmer noch: Das harte Los Neros, schien einzig allein Tirvinius Plänen entsprungen zu sein.

Der Augustus erhob sich aus seinem Stuhl. Er trat vor die großen Bögen und ließ den Blick über das Meer schweifen. Eine Weile sagte er gar nichts, ließ Tom und Veyron einfach warten. Schließlich brach er das Schweigen mit einem tiefen Seufzer.

»Die ganze kaiserliche Familie ist ein einziger Albtraum, Meister Swift. Talarius Kinder sind allesamt verdorben. Die Töchter verzogene Gören, zu nichts zu gebrauchen, und die Söhne von Selbstverliebtheit geblendet. Sie führen sich auf wie Halbgötter, bestärkt von ihrer von Ehrgeiz zerfressenen Mutter. Einzig mein Sohn, Honorius, mein einziges Kind, besaß das nötige Gespür für einen würdigen Augustus. Ausgerechnet er musste vorzeitig von uns gehen, noch vor mir, seinem greisen Vater! Der Alkohol hat ihn zerstört, daran kann kein Zweifel bestehen. Von einem diszipliniertem Leben hielt er nichts, das zeigte er bei jedem Gelage aufs Neue. Das muss ich mir als Vater selbst ankreiden. Als Heerführer tolerierte ich ein solches Verhalten bei meinen Soldaten nie, aber meinen Sohn ließ ich an der langen Leine. Ich hätte ihn öfter züchtigen müssen, ich war zu nachlässig. Und was hat er mir hinterlassen? Eine liebeshungrige, unzüchtige Witwe und meine Enkeltochter Iulia, ein naives Dummchen.

Dazu noch dieser speichelleckende, unerträgliche Senat. Dreihundert in weiße Roben gekleidete Narren, die sich gegenseitig wegen irgendwelcher fadenscheinigen Bagatelle anklagen, in der vergeblichen Hoffnung, dadurch meine Gunst zu erlangen. ›O Augustus, seht: Ich habe einen Verräter entlarvt. Er hatte Euch beleidigt‹. Das ist das Einzige, zu dem dieses Gremium noch zu gebrauchen ist. Eine nutzlose, veraltete Institution, die weder reale Macht besitzt noch Achtung verdient. Auch hier sollte aufgeräumt werden. Eine Säuberung, das ist es, was dieser Senat bräuchte, einen regelrechten Kehraus, mit aller Härte durchgeführt. Doch das steht außer Frage, es wäre gegen alle Gesetze.

Genau aus diesem Grunde habe ich mich hierher zurückgezogen, fort von der ganzen unerträglichen Verwandtschaft, fort von diesem noch unerträglicheren Senat. Meine Anweisungen führt jetzt Consilian aus, bislang zu meiner vollsten Zufriedenheit. Und nun taucht Ihr aus Fernwelt auf und stiftet neuen Unfrieden.«

»Ich nehme an, Ihr wollt mir die kleine Befreiungsaktion auf Loca Inferna zum Vorwurf machen. Das ist natürlich Euer gutes Recht. Aber ich hatte Gründe an Neros Schuld zu zweifeln und eine Verschwörung zu vermuten«, sagte Veyron ungerührt.

Die Mundwinkel des Augustus zogen sich wieder tief nach unten.

»Wärt Ihr ein Bürger des Imperiums, oder sonst irgendein Bewohner Elderwelts, wäre Euer Vorgehen auf Loca Inferna Euer Todesurteil gewesen. Da Ihr aber aus Fernwelt stammt und weder mit der Geschichte noch mit den Gesetzen des Imperiums vertraut seid, will ich Nachsicht walten lassen. Es gilt jedoch, was Consilian Euch schon sagte: Noch einmal werde ich eine Einmischung in die Angelegenheiten des Imperiums nicht tolerieren, Veyron Swift!«

Veyron und Tirvinius maßen ihre Blicke. Er ließ den Augustus gewinnen, gönnte sich lediglich ein verschmitztes, stilles Lächeln.

»Schade, dass Ihr schon jetzt ein Urteil über diese Angelegenheit fällen wollt, Augustus. Wenn Ihr es also erlaubt, werde ich mich jetzt zurückziehen. Ich möchte noch einige, hoffentlich erhellende, Gespräche mit Mitgliedern der kaiserlichen Familie führen«, meinte er.

Tirvinius nickte gebieterisch.

»Ich gestatte es. Zum Bankett erwarte Ich allerdings Eure Anwesenheit. Trotz unserer Meinungsverschiedenheit, seid Ihr Gäste an meiner Tafel, Meister Swift. Auch Euer Gehilfe soll mir willkommen sein. Vielleicht kann er etwas zur Erheiterung des Abends beitragen«, sagte er.

Tom fiel der geringschätzige Blick des Kaisers auf. Er musste sich zusammenreißen, um sich vor diesem alten, missgünstigen Mann zum Abschied zu verbeugen. Er fand es bewundernswert, wie Veyron trotz dieser offen ausgetragenen Feindseligkeit so ruhig und gelassen bleiben konnte. Wäre es nach Tom gegangen, er hätte diesem Augustus ordentlich die Meinung gegeigt. Wahrscheinlich wären sie dann jedoch nicht mehr lebend aus diesem Zimmer herausgekommen.

Veyron Swift und der Orden der Medusa: Serial Teil 3

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