Читать книгу Die Sache mit Ben - Tom Gardner H. - Страница 5
Jessica Winters kleiner Bruder
ОглавлениеDie Luft draussen tat gut! Ein herrlicher Sommerabend! Wie er es liebte! Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihm: 18.10 Uhr! Ob er es noch wagen konnte, an der Nordklinik vorbei zu fahren? Er wollte es wagen! Schließlich hatte er noch die kleine Plastikbox in seinem Sakko! Die wollte er unbedingt loswerden. Ohne länger nachzudenken, programmierte er sein Navi! Zum Glück waren dort auch Krankenhäuser eingespeichert! Die Adresse hatte er ja nicht bekommen! Nach einer kurzen Wartezeit sah er die Distanz - 5,8 km! Das war machbar! Falls er dort nichts mehr erreichen würde, war der kleine Umweg verkraftbar! Also fuhr er los!
Die Nord-Klinik war ein riesiges Gebäude! Es gab einen alten Teil, der mit Sicherheit schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hatte! Man konnte genau die Epochen der unterschiedlichen Anbauten erkennen, die im Zeitgeist der jeweiligen Baukunst entstanden waren. Insgesamt war ein riesiger Klotz angewachsen. Auch ohne Navi wäre es einfach zu finden gewesen! Der neueste Abschnitt der Klinik, 2 Türme, ragte wie 2 gigantische Riesen in den Himmel. Alleine die Parkfläche war schon enorm, aber selbst um diese Zeit gab es nur vereinzelt Lücken, die frei waren. Vom Parkhaus aus war der Weg bis zum Eingang und der Information ausgeschildert! Alles war hier perfekt organisiert. Eine freundliche junge Dame lächelte Ben mit einem Zahnpastalächeln entgegen! Was kann ich für Sie tun, mein Herr? Ich möchte zu einer Dame, die heute nach einem Verkehrsunfall hier eingeliefert wurde. Jessica Winter ist ihr Name! Flink tippte die adrette Blondine den Name am PC ein, ohne ihr lächelndes Gesicht von Ben abzuwenden. Es piepste kurz! Treffer! Nun ging leider kein Weg dran vorbei! Die Dame musste ihr Gesicht abwenden, um die Zimmernummer auf dem Bildschirm zu sehen. 3. Etage, Zimmer 318! Die Aufzüge sind hier rechts um die Ecke. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend! Ihnen auch, junge Frau! Ben kniff ihr ein Auge zu und verschwand in die angegebene Richtung! 4 Fahrstühle nebeneinander regelten den kompletten Fluss für die Etagenabwicklung im Krankenhaus! Definitiv zu wenig! Vor den Fahrstuhltüren hatten sich schon Trauben an Menschen gebildet, einzelne Personen, Paare, alt und jung, mit schreienden Babys im Kinderwagen oder nörgelnden Kleinkindern an der Hand. Nicht, dass Ben etwas gegen Kinder hatte, aber ihm war die ruhigere Ausführung sehr viel lieber! Seiner Meinung nach waren wohlerzogene Kinder immer ein Spiegelbild ihrer Eltern! Plärrte das Junggemüse nur herum, konnte mit den Eltern auch etwas nicht stimmen. Ein Gong ertönte und die meisten Köpfe schauten gebannt auf die Pfeile über den Fahrstühlen, die vorab zeigten, welche Tür sich öffnen würde! Endlich kam die Erlösung! Eine Tür öffnete sich und Menschen verliessen den Fahrstuhl! Immer wieder kamen neue Leute zum Vorschein! Ben hätte nie geglaubt, dass der kleine Raum so geräumig sein könnte! Dann setzte sich der Strom von der anderen Seite in Bewegung. Es waren einfach zu viele Menschen, die sich in eine obere Etage begeben wollten. Ein weiteres Warten erschien dem Anwalt sinnlos! Es würden immer wieder Besucher nachkommen, die zu faul waren, die Treppen zu benutzen! Dafür hatte er sich nun entschieden. 3 Etagen! Das würde er ja wohl verkraften. Er schaute in den offenen Fahrstuhl! Die Insassen standen dort gepresst wie die Ölsardinen! Das war nichts für ihn. Ein Stück weiter den Gang entlang an den Fahrstühlen vorbei leuchtete ein kleines grünes Schild, so dass man es von beiden Seiten erkennen konnte. Die meisten Leute waren einfach zu bequem. Ihm würde ein wenig Bewegung sicherlich gut tun. Normalerweise ging er 3-4 Mal die Woche wenigstens für eine Stunde ins Fitness-Studio! Immerhin war das ein guter Ausgleich für seinen Job, der doch auch viel in sitzender Tätigkeit durchgeführt wurde. Der Anwalt war eitel. Ein makelloses Aussehen und gute Kleidung schienen ihm schon sehr wichtig! Als er die Klinke der Tür zum Treppenflur öffnete, war er nur froh, dass er noch seine Lederhandschuhe trug, die er immer zum Autofahren trug! Ich möchte nicht wissen, wie viele Bakterien sich hier überall verstecken, sagte er zu sich selbst, als das Leder die Klinke berührte! 3 Etagen dürften ein Klacks sein. Doch als der smarte Endfünfziger in seinem italienischen Anzug und Designer-Schuhen oben angekommen war, wurde ihm bewusst, dass er nicht mehr der Jüngste war. Zum Glück konnte keiner sehen, dass ihm die Schweißperlen ein wenig auf der Stirn standen. Er verließ den Treppenaufgang und musste sich auf der Station erst einmal orientieren. Die Nummern in die linke Richtung waren niedriger, die Nummern nach rechts stiegen an! Rechts war der richtige Weg! Da war es auch schon! Zimmer 318. Die Tür war leicht angelehnt! Ben klopfte, trat aber sofort danach ein! Es handelte sich um ein Einzelzimmer! Jessica Winter lag in dem einzigen Bett neben der breiten Fensterfront! Sie sah schon nicht mehr ganz so daneben aus, wie er sie noch in Erinnerung hatte. Sicherlich hatten ihr die letzten Stunden der ärztlichen Hilfe und Medikamente zur Beruhigung gut getan. Auf der kleinen Nachtkonsole stand eine schmale Vase mit einer roten Rose, auf dem kleinen Tisch auf der anderen Seite des Zimmers stand eine üppige Schale mit frischem Obst! Doch Jessica war nicht alleine. Neben dem Obsttisch saß ein Mann in den Vierzigern. Er hatte in einem Magazin geblättert, als der Anwalt die Tür betreten hatte, und sah nun genauso erstaunt hoch wie Jessica. Gekleidet war er in einer engen schwarzen Lederkombi. Ein Helm lag neben ihm auf der Erde. Hallo Frau Winter! Wie geht es Ihnen? Ben war der erste, der dieses unheimliche Schweigen brach! Jetzt, wo Sie da sind, geht es mir bestens. Sie strahlte den Anwalt an wie ein Honigkuchenpferd! Es war wohl nur der Schock! Ich bin auch nur bis morgen zur Beobachtung hier. Es ist alles noch glimpflich ausgegangen. Mit dem Blechschaden werde ich schon klar kommen! Ich hatte zu Protokoll gegeben, dass mich die Sonne geblendet hatte und ich nichts sehen konnte. Das Handy hatte ich nicht erwähnt! Die Versicherung würde mir dann auch sicherlich einen Strich durch die Rechnung machen! Eine Anzeige gäbe es noch oben drauf! Sie sah gut aus, obwohl sie ein paar Schrammen und Blutergüsse im Gesicht hatte. Sie wollte auch gut aussehen! Für sie schien der Tag noch ein Wink Gottes zu sein! Ihrer Meinung nach war es kein Zufall, dass dieser Mann ihren Weg im wahrsten Sinne des Wortes gekreuzt hatte. Darf ich Ihnen meinen Bruder vorstellen, Herr Mertlich? Die Visitenkarte, die er dem Notarzt gegeben hatte, lag nun neben ihr auf einem Schränkchen! Das ist Mark, mein jüngerer Bruder! Mark stand auf! Seine Blicke zogen den Anwalt förmlich aus. Das entging auch nicht seiner Schwester! Schön, Sie kennen zu lernen, Herr Anwalt! Seitdem ich meine Schwester besuche, spricht sie nur von Ihnen! Nun kann ich es verstehen! Schade, dass dieser Typ vor ihm nur auf Frauen stand! Mark stand auf Männer; da macht er auch keinen Hehl raus, aber in Sachen feste Beziehung hatte er es bisher genauso gehalten wie seine Schwester! Das Single-Dasein gefiel ihm, aber Mr. Right hatte sich ihm auch noch nicht gezeigt. Doch nun stand er vor ihm. Wenn man von Liebe auf dem ersten Blick sprach, so hatte es Mark nun voll erwischt. Hallo Mark! Ich darf Sie doch beim Vornamen nennen, oder? Die Freude ist ganz meinerseits! Er gab seinem gegenüber die Hand und Mark hätte sie am liebsten nicht mehr losgelassen. Er schaute dem Anwalt dabei tief in die Augen. War da auch so eine Art Interesse zu sehen? Sicherlich war es nur Einbildung! Ich bin Ben! Sie sind also Motorradfahrer? Mich faszinieren heiße Maschinen, aber leider hatte ich nie das Vergnügen, einen Führerschein zu machen. Schule, Studium und dann der Job! Viele Interessen oder heimliche Leidenschaften blieben dabei auf der Strecke! Er zwinkerte Mark dabei ein Auge zu. Wie hatte er das zu verstehen? War da etwas Zweideutiges in den Worten des Anwalts? Darf ich Sie auch Ben nennen? Der Anwalt stand unglücklicherweise so, dass er Jessica den Rücken zugedreht hatte. Sie fühlte sich wohl ein wenig abgeschoben. Natürlich! Ben drehte sich um und zeigte ihr seine perfekten weißen Zähne! Es waren übrigens Originale, dank seiner guten Pflege! Ich wollte mich auch nicht lange aufhalten! Da ich aber nach dem Unfall keine ruhige Minute hatte, wollte ich mein Gewissen noch beruhigen und mich nach Ihrem Zustand erkundigen! Mein Wagen hatte zum Glück kaum etwas abbekommen. Oh, das ist aber kein Problem! Meine Versicherung ist schon in Kenntnis gesetzt! Mark hatte sich sofort bei ihnen gemeldet. Ich bin froh, dass ich ihn habe! Wir sind halt unzertrennlich, nicht wahr, kleiner Bruder? Sie warf ihm einen Kuss zu! Mark war es sichtlich peinlich! Wie stand er nun da? Kleiner Bruder! Was für eine Blamage. Wie konnte er mit so einer Titulierung punkten? Er nickte nur und wurde dabei ein wenig rot. Bevor ich es vergesse! Ben kramte eine kleine Pralinenpackung aus seiner Aktentasche! Etwas Süßes für eine Süße, und legte ihr die kleinen Kalorienbomben auf die Nachtkonsole neben die Blumenvase! Sie packte seine Hand, als er die Schachtel gerade ablegte und er spürte den Druck ihrer Finger! Danke, Ben, Sie haben mir heute das Leben gerettet! Ich weiß gar nicht, wie ich das wieder gut machen kann? Darf ich Sie morgen anrufen, wenn ich wieder zuhause bin? Natürlich, Jessica, das können Sie gerne machen! Melden sie sich bitte in der Kanzlei! Ich habe dort morgen einige Termine und werde wohl erst spät aus dem Büro kommen. Sie werden erst bei Frau Bremer, meiner Sekretärin landen, aber ich werde ihr mitteilen, dass sie sofort durchstellen kann. Der Anwalt schaute auf die Uhr! Nun muss ich mich entschuldigen! Zuhause wartet noch ein wenig Heimarbeit auf mich! Außerdem wartet mein Mädchen! Bei den letzten Worten blieb sowohl Jessica als auch Mark der Atem stehen! Mädchen, was hatte das zu bedeuten? Keiner von beiden wollte eine Frage stellen. Mark's Gehirnzellen fuhren Achterbahn. Habe ich mich so getäuscht? Dieser heiße Typ ist wohl alles andere als schwul! Wie ein Gentleman nahm Ben Jessica's zierliche Hand und gab ihr einen Handkuss! Wir hören voneinander, Jessica! Als seine Lippen ihre Haut berührten, hatte sie das Gefühl, als wenn ihr Herz gleich aus dem Körper springen würde. Er wandte sich Mark zu! War nett, Sie kennengelernt zu haben! Als er Mark zum Abschied die Hand gab, spürte dieser ein Stück Papier auf seiner Handfläche! Er schaute dem Anwalt überrascht in die Augen, sagte aber nichts. Schnell ließ er die Hand in seiner Lederhose verschwinden, konnte es aber selbst kaum erwarten, einen Moment zu erhaschen, in dem er prüfen konnte, was er weggesteckt hatte. Wir sehen uns! Ben durchbohrte ihn mit seinem Blick, schaute nochmals auf seine Lederkluft, drehte sich um und verschwand. Der Typ ist ein totales Rätsel, ging es Mark durch den Kopf. Ist er nicht bezaubernd? Dieser Mann hat Stil; er ist ein richtiger Gentleman. Ich muss ihn haben, koste es, was es wolle! Sie war hin und weg! Das gefiel ihrem Bruder überhaupt nicht! Verrenn dich in nichts! Er lebt nicht alleine. Du hast es doch gehört! Komm mal ein wenig von deiner Seifenblase runter. Man wird sehen. Ich habe das Gefühl, dass auch er mehr von mir will! Hast du gesehen, wie er mich anschaut? In seinem Blick konnte ich lesen, dass er einiges vielleicht auch unanständiges mit mir vorhat. Jessica lachte übermütig, stöhnte aber einen kurzen Augenblick später schmerzverzehrt auf. Ich muss mich noch ein wenig schonen. Beim Lachen schmerzt mir jedes einzelne Glied! Ruh dich noch ein wenig aus! Ich werde mich jetzt auch auf die Socken machen. Du weißt, dass ich nachher noch zum Sport verabredet bin. Es ist Dienstag! Du weißt, dass mir mein Sport heilig ist. Für dich kann ich hier auch nichts mehr tun! Versuche einfach zu schlafen! Du kannst mich morgen früh anrufen. Ich hole dich dann ab! Mark ging auf seine Schwester zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn! Schlaf gut, große Schwester! Er grinste sie hämisch an! Schwungvoll nahm er den Helm vom Boden und ging Richtung Tür! Als er schon fast draussen war, rief sie ihm nach! Und Mark! Lass die Finger von ihm! Er steht nicht aufs gleiche Geschlecht! Ich kenne dich! Blamier dich bitte nicht! Er nickte ihr nur zu. Wenn du wüsstest, Schwester, dachte er. Er liebte sie, aber es gab Dinge, da musste er halt mehr an sich selbst denken. Kaum war er draussen, griff er nervös in seine Hosentasche! Es war die Visitenkarte des Anwalts. Wieso hatte er sie bekommen? Und wieso heimlich? Ben hatte nicht gewollt, dass Jessica etwas davon mitbekam. Sollte er alles auf eine Karte setzen und einfach anrufen? Was könnte passieren? Er könnte ja sagen, dass Jessica nochmals gebeten hatte, ihn anzurufen. Dann würde er sicherlich schlauer sein. Mit zittrigen Fingern wählte er die Nummer auf dem Display seines Handys! Es ertönte ein Freizeichen, 1 x , 2 x! Mark war sich unsicher! Er wollte schon gerade wieder auflegen, als sich Ben's Stimme meldete! Rechtsanwalt Mertlich, guten Tag! Mark hatte einen Kloß im Hals, schluckte kurz! Hallo, Ben! Entschuldigen Sie, ich bin es, Mark, Jessica's Bruder! Meine Schwester…! Weiter kam er gar nicht. Ich weiß, wer du bist! Lass dieses Sie! So schnell hätte ich nicht mit deinem Anruf gerechnet, aber ich hatte gehofft, dass ich schnell von dir höre. Können wir uns morgen sehen? Bei mir in der Kanzlei! Mark traute seinen Ohren nicht. Er war selbständig als freier Handelsvertreter in der Kosmetikbranche tätig. Somit konnte er sich glücklicherweise die Arbeitszeit ein wenig einteilen. Für morgen standen zwar schon Termine an, aber er konnte sie sicherlich kurzfristig verlegen! Das hier war ihm wichtiger! Wann wäre es dir recht? Zwischen 11.00-12.00 Uhr habe ich keine Termine! Könnte das zeitmäßig für dich hinhauen? Es entstand eine kurze Pause. Mark war sichtlich mit der Situation überfordert. Ich würde mich freuen, schob Ben nach! Kein Problem, ich werde es einrichten! Schön, Mark! Kommst du mit dem Motorrad? Mir hat dein Outfit gefallen! Wenn du möchtest? Er wäre wahrscheinlich sowieso mit dem Bike gefahren. Er kannte das Stadtviertel, wo die Kanzlei lag! Eine exklusive Gegend, die auch The Upper Hills genannt wurde. Ich werde da sein! Auf dem Motorrad. Gibt es noch etwas bezüglich der Autoreparatur zu besprechen oder einen anderen Anlass? Lass dich einfach nur überraschen; und tue mir einen Gefallen! Kein Wort zu deiner Schwester! Bitte! Alles klar, wir sehen uns morgen, Anwalt! Mark hatte ein wenig seine Unsicherheit verloren. Wir sehen uns morgen, Mark! Ich freue mich! Dann wurde aufgelegt! Bevor er sich den Helm aufsetzte, starrte Mark fasziniert auf sein Handy, als wenn er alles das, was er gerade gehört hatte, dort nochmals lesen konnte. Dann steckte er es weg, stülpte sich den Helm über und ging zu seiner Maschine! Sollte er nun ein schlechtes Gewissen gegenüber Jessica haben? Noch war nichts passiert. Es gab also keinen Anlass dazu! Selbst wenn etwas passieren sollte! Dieser adrette Anwalt war ein Geschoss! Er würde alles seiner Schwester überlassen oder mit ihr teilen, aber nicht Ben!