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Die Lauscher von Frankfurt

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In der Gutleutstraße, unweit des Frankfurter Bahnhofsviertels, befindet sich eine schmucklose Lagerhalle aus Wellblech. Sie besitzt weder Fenster und noch Firmierung. Über einen Durchgang ist sie mit dem danebenliegenden Bürogebäude, Hausnummer 310, verbunden, das auch schon bessere Tage gesehen hat. Nichts deutet darauf hin, welch gigantische Informationsmengen hier verarbeitet werden. In dem Gebäudekomplex befinden sich Server, die Teil des DE-CIX sind, des größten Internetknotens der Welt. Insgesamt rauschen an verschiedenen Frankfurter DE-CIX-Standorten jede Sekunde etwa vier Terabyte an Datenvolumen durch. Das entspricht zwei Milliarden Schreibmaschinenseiten. Hunderte Organisationen aus mehr als sechzig Ländern sind an den DE-CIX angeschlossen, darunter praktisch alle großen Internet-Service-Provider. Ein wesentlicher Teil des globalen Nachrichten- und Datenverkehrs wird am Main abgewickelt. Während die Daten durch die Frankfurter City rasen, haben so einige den Finger am Puls des Datenstroms. Mit dem von Edward Snowden losgetretenen NSA-Skandal wurde offenbar, dass sowohl der größte US-amerikanische Nachrichtendienst als auch sein britisches Pendant GCHQ immer wieder versuchen, wichtige Knotenpunkte anzuzapfen, um so Zugang zur Gesamtheit des globalen Datenverkehrs zu erhalten. Auch der DE-CIX ist betroffen — eine fettere Beute als dieses Frankfurter Kreuz des Internets kann man sich schließlich kaum vorstellen. Klaus Landefeld, Beirat der DE-CIX Management GmbH, berichtete 2015 vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags, der Bundesnachrichtendienst zapfe den Knoten am Main seit 2009 an und schöpfe interessante Informationen ab. Seine Erkenntnisse leitet der BND an die US-Amerikaner und andere weiter.

Es mutet kurios an, dass sich das Zentrum der Massenüberwachung des 21. Jahrhunderts ausgerechnet in Frankfurt befindet. Denn wenn wir zurück in die Geschichte schauen, stellen wir zum einen fest, dass man uns schon immer ausgespäht und bespitzelt hat. Zum anderen, dass die Mainmetropole dabei stets eine wichtige Rolle gespielt hat.

Frankfurt besitzt eine lange Überwachungstradition. In den sechziger Jahren liefen im sogenannten Fernmeldehaus auf der Eschenheimer Landstraße nahe der Zeil sämtliche Telefonverbindungen zusammen, die ins Ausland gingen oder von dort kamen. Dass die Bundespost sämtliche deutschen Ferngespräche über diesen Standort lenkte, hatte keineswegs technische Gründe. Schon damals bündelte man die Leitungen wohl einzig und allein zu dem Zweck, die Gespräche besser abhören zu können. Das besorgte vor allen die National Security Agency. Die NSA okkupierte mehrere Etagen des Fernmeldehauses. Über gepanzerte Standleitungen war sie direkt mit den Netzknoten der Bundespost verbunden.

Aber wir können noch viel weiter zurückgehen. Auch im neunzehnten, achtzehnten und sogar schon im siebzehnten Jahrhundert war Frankfurt ein nachrichtendienstliches Oberzentrum, natürlich nicht für digitale Daten oder Telefongespräche, sondern für Briefe. An genau jener Stelle, wo sich später das Fernmeldehaus erheben sollte, stand nämlich einst das Palais des Hauses Thurn und Taxis. Dieses Adelsgeschlecht stellte im Reich seit 1501 den capitaine et maistre de nos postes, der später Kaiserlicher Hauptpostmeister hieß. Frankfurt war also schon damals ein Informationsknoten. Die hier und anderswo eintreffenden Briefe wurden geöffnet und gelesen, und das in einer Umfänglichkeit, die einen heute verblüffen muss. Wenn wir uns im Folgenden die Geschichte der Massenüberwachung anschauen, müssen wir feststellen, dass das organisierte Bespitzeln der Bevölkerung eine viel längere Tradition hat, als den meisten bewusst sein dürfte. Orwells Albtraum „1984“ existierte in gewisser Weise bereits 1684.

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