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Kapitel 6: Die Schreckensfahrt

Du kanntest diesen Typen, oder?«, fragte Tom Welf, kaum dass sie wieder in seinem Ami-Schlitten saßen. Welf nickte.

»Okay, und warum bitte wollte er nicht, dass ich unterschreibe? Warum wollte er mir die alte Geisterbahn abkaufen, und warum spricht er so, als hätte er einen Akzent, und warum ist die Frau in Rot so … so krass? Was bitte hatte das alles zu bedeuten?«, sprudelte es aus Tom heraus. Und das waren nur die wichtigsten Fragen, die in seinem Hirn darum drängelten, als Erstes durch seinen Mund nach draußen zu blubbern.

Doch Welf antwortete nur: »Nicht jetzt.« Und schwieg.

Da stieß Tom ein so lautes Boah-bin-ich-genervt-Geräusch hervor, dass Welf wohl dachte, auf der Straße hätte jemand gehupt und sich verwundert umsah.

»Was soll das denn für eine Antwort sein?«, legte Tom im gleichen, ultragenervten Tonfall nach. »Nicht jetzt. Na toll! Das sind Antworten, wie man sie in irgendwelchen Fernsehserien hört, wenn die Leute einfach nur miteinander sprechen müssten, und dann wäre die Folge sofort rum, weil dann alles klar wäre. Stattdessen heißt es dann Nicht jetzt oder Alles zu seiner Zeit oder Glaub mir, das willst du nicht wirklich wissen, damit der Zuschauer möglichst lange keine Ahnung hat, was eigentlich los ist. Das hier ist aber keine Fernsehserie. Ich bin nicht der Zuschauer, sondern mittendrin, Welf-der-angeblich-mein-Onkel-ist! Also frag ich dich jetzt einfach noch einmal, und bitte, gib mir doch eine Antwort, die mir auch irgendwas beantwortet, okay?« Tom atmete nach diesem langen Wortschwall tief ein und wiederholte dann überdeutlich: »Was hatte das alles zu bedeuten?«

»Glaub mir, das willst du nicht wirklich wissen«, sagte Welf, und der Anflug eines Grinsens umspielte seine schmalen Lippen.

Tom fühlte sich ziemlich verarscht. »Toll, ganz toll. Danke. Super«, brummelte er und drehte sich so weit weg, wie es ihm in dem Autositz möglich war.

Nach etwa zwanzig Minuten brütendem Schweigen erreichten sie schließlich das Gewerbegebiet außerhalb der Stadt. Zunächst reihten sich blitzsaubere und modern wirkende Fabrikgebäude, Firmensitze und Outlet-Stores entlang schnurgerader Straßen ohne Bäume oder Sträucher. Danach folgten einige Lagerhallen, ein ausgedehnter Schrottplatz, eine Kiesgrube. Und dann, ganz am Ende der Straße …

»Eine Tankstelle?«, fragte Tom laut.

Welf nickte. »Wurde gebaut, als man noch dachte, hier würde die Straße weitergehen bis zur Autobahn.«

»Autobahn? Hier ist doch gar keine Autobahn, die führt doch auf der anderen Seite um die Stadt rum«, wunderte sich Tom.

»Richtig«, grummelte Welf und stieg aus. Anscheinend dachte er, dass er Tom damit genug Informationen gegeben hatte.

Tom stieg ebenfalls aus und sah sich um. Neben dem großen Werkstattgebäude mit dem riesigen, verrosteten Tor in der Mitte wirkte die Tankstelle selbst ziemlich klein. Doch auch das Kassenhäuschen und das Dach über den nicht vorhandenen Zapfsäulen war winzig im Vergleich zu modernen Tankstellen. Tom vermutete, dass diese hier wohl in den Fünfzigerjahren gebaut worden war. Die abgeblätterten Pastellfarben und die schmalen Zapfsäulen erinnerten Tom an die alten Sonntagnachmittagsfilme, die Oma so gerne schaute. Und das Dach hatte diese geschwungene, spitz zulaufende Form von Omas altem Couchtisch. Anscheinend hatte man sich damals entschieden, die Autobahn doch anders herum um die Stadt zu führen, was diese Tankstelle hier mitsamt der Straße überflüssig machte.

Na, wenigstens wird die Miete hier billig sein, dachte Tom, als er Welf über den Platz folgte. Rechts neben der Tankstelle fiel ihm noch eine rostige Klappe im Boden auf, die mit einem schweren Metallriegel verschlossen war. Dies musste wohl der unterirdische Tank für die Zapfsäulen sein. Überall auf dem Platz wuchs Unkraut zwischen den Pflastersteinen, teilweise so hoch, dass es Tom bis zu den Knien reichte. Nur im Bereich der Ausfahrt aus der Werkstatt bis zur Straße war das Grünzeug halbwegs eingedämmt.

Welf öffnete eine kleine Tür in dem großen Tor. Anstatt einer Einladung oder irgendeinem Wort der Erklärung stand er einfach nur da und nickte in Richtung des tiefschwarzen Nichts, das in der Halle auf Tom wartete.

Tom seufzte. »Wie wär’s mit: Ich erklär dir gerne alles, bin ja schließlich dein Onkel, mach dir keine Sorgen, das wird schon?«

»Ich erkläre nicht gern, bin auch nicht wirklich dein Onkel, Sorgen sind absolut berechtigt, und ob das alles wird, muss sich noch zeigen«, antwortete Welf nur.

»Das ist ja … ziemlich ehrlich«, erwiderte Tom sarkastisch und trat dann extra forsch an Welf vorbei in die dunkle Werkhalle.

Eigentlich hatte Tom angenommen, dass sich seine Augen gleich an die Dunkelheit gewöhnen würden und das restliche Licht ihm erlaubte, wenigstens irgendetwas zu erkennen. Stattdessen blieb es einfach nur schwarz. Allerdings spürte Tom sehr deutlich, dass da irgendetwas in der Halle war. Er hätte nicht genau sagen können, warum, aber das Gefühl war eindeutig: Irgendetwas stand da vor ihm, wie ein massiver Haufen dichteste Finsternis.

»Achtung«, hörte er plötzlich Welf murmeln und danach ein Geräusch, als würde er einen schweren Schalter umlegen, der lautstark einrastete. Im nächsten Moment schrie Tom auf und riss die Arme hoch! Urplötzlich war es in der Halle zwei Dinge geworden: Hell und Laut.

Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte Tom hinter seinem linken Arm hervor und versuchte gleichzeitig, sich mit den Händen irgendwie die Ohren zuzuhalten. Es gelang ihm immerhin so lange, bis der Schreck überwunden war und sein Gehirn erkannt hatte, dass das monströse Ding vor ihm nur im Vergleich zu »stockdunkel« wirklich hell und auch nur verglichen mit »Totenstille« wirklich laut war.

Es war unglaublich, wie ein seltsamer Traum und doch real: Vor ihm blinkte und dudelte tatsächlich eine waschechte Geisterbahn, ganz genau so, wie man sie von typischen Rummelplätzen kannte.

Na ja, vielleicht doch nicht ganz genau so, denn je mehr sich Toms Augen an das Drumherum gewöhnt hatten, desto klarer wurde ihm: Diese Geisterbahn wirkte weniger gruselig und spannend als vielmehr unfreiwillig albern und verstaubt.

Mindestens ein Drittel der unzähligen bunten Glühbirnen war durchgebrannt oder fehlte, und Tom konnte nur hoffen, dass die ganzen Totenschädel, Gespenster, Vampire, Zombies und Mumien rund um den flackernden Schriftzug irgendwann einmal auch andere Farben getragen hatten als abgeblättertes Graubraun.

»Aha. Das ist also die Schrnsfat«, sprach Tom.

»Schreckensfahrt«, verbesserte Welf.

»Ja, wenn alle Buchstaben noch leuchten würden«, erwiderte Tom. »So ist es nur die Schrnsfat

Er drehte sich zu seinem angeblichen Onkel um und deutete hinter sich auf dieses glimmende, dudelnde Relikt vergangener Zeiten, dessen Besitzer er nun dank eines Daumenabdrucks geworden war.

»Welf, ohne Scheiß!«, rief Tom über den Lärm hinweg. »Das Ding ist vollkommen im Arsch! Und damit soll ich jetzt jahrelang von Kirmes zu Kirmes gondeln? Wer bitte geht da rein und zahlt auch noch dafür? Oder bezahlen wir die Leute, damit sie da reingehen?«

Tom drehte sich wieder zur Geisterbahn um und starrte fassungslos auf die kleinen Wägelchen, die gestaltet waren wie kleine Särge. Allerdings wirkten sie durch ihre eher breite und an den Ecken abgerundete Form nicht gruselig, sondern ganz arg albern. Stumm sah Tom zu, wie dieser Gnubbelsarg mühselig hinter dem Kassenhäuschen hindurchruckelte, um dann unter einem Fallgitter hindurch in der »Schrnsfat« zu verschwinden. Dieses Gitter sollte wohl den Eindruck erwecken, als würde es jeden Moment herunterfallen und so für den ersten Schreck sorgen. Leider zuckte es nur armselig, und von den fünf Spitzen am unteren Ende des Gitters fehlten die mittleren drei.

Da öffnete sich auf der rechten Seite ein Burgtor, das auch nur noch wenig Ähnlichkeit mit einem schweren, beschlagenen Türflügel hatte. Es sah eher aus, als würde jemand mit einer labbrigen Scheibe Vollkorntoast winken. Ein weiterer Wagen kam zum Vorschein, der seine Runde durch die Bahn offensichtlich beendet hatte.

Hier, am Ende der Fahrt, wechselten die Wägelchen in eine extra Schiene, wo sie langsamer fuhren, um das Ein- und Aussteigen zu erleichtern. Am Anfang dieser Schiene war ein Metallzapfen angebracht, der dafür sorgen sollte, dass sich auch der Sicherheitsriegel öffnete. Bei diesem Wagen allerdings schien das nicht so recht zu funktionieren, denn anscheinend war der Bügel verklemmt oder festgerostet. Der kleine dicke Sarg blieb an dem Zapfen hängen und blockierte so die gesamte Mechanik. Erstaunt bemerkte Tom, dass dabei auch die Glühbirnen dunkler wurden und flackerten, während die blecherne Musik zu leiern begann und schließlich klang, als würde sich die Welt nur noch in Zeitlupe bewegen.

Welf seufzte und versetzte dem Schienenbett einen wuchtigen Tritt. Es gab einen metallischen Schlag, der Sicherheitsbügel sprang zurück, das Wägelchen löste sich aus der Blockade, und die Geisterbahn quälte sich langsam eiernd wieder bergauf bis zur Normgeschwindigkeit.

»Äh … wann soll das Ganze denn losgehen?«, fragte Tom mit matter Stimme.

»Bald«, antwortete Welf. »Wir haben genug Zeit, um dir alles zu zeigen. Und dann fangen wir mit dem Abbau an. Unsere erste Station ist ein Kirchweihfest in Bad Reichenhall.«

»Ah«, machte Tom, während in seinem Gesicht Fassungslosigkeit und Zukunftsangst um die Vorherrschaft kämpften und ihm so einen arg verwirrten Ausdruck verliehen. Mit diesem alten, armseligen Kasten sollte er bald durch die Gegend schippern? Ernsthaft jetzt? Und Oma hatte ihn nicht einmal davor gewarnt! Tom schüttelte den Kopf. Das konnte doch alles gar nicht wahr sein.

»Weißt du was?«, sagte er schließlich an Welf gewandt. »Das Ding macht mir wirklich Angst. Aber aus den falschen Gründen. Ich hab grad einfach nur Schiss vor den nächsten vier Jahren. Wie sollen wir dieses Teil bitte halbwegs sinnvoll betreiben? Wer soll das alles reparieren, und vor allem, wer bezahlt die, die das alles reparieren sollen? Ich krieg erst Geld, wenn die Zeit rum ist, aber bis dahin bin ich längst vollkommen pleite! Und mit den Nerven am Ende! Und …«

Welf gab ihm keine Antwort. Stattdessen unterbrach er Toms Monolog, indem er ihn am Arm mit sich zog.

»Hey!«, rief Tom. »Was soll das denn, warum … Waaahhh!« Ehe er sich’s versah, hatte Welf ihn einfach hochgehoben und zielsicher in eines der Wägelchen geworfen. Es schepperte, als Tom mit dem Hintern auf die hölzerne Sitzbank prallte. Er verzog schmerzhaft das Gesicht, und gleichzeitig war er jetzt richtig sauer!

»Das machst du nicht noch mal mit mir, hörst du?« Tom rappelte sich auf, um wieder auszusteigen, bevor er in der Geisterbahn verschwinden würde. »Ich hab jetzt echt keinen Bock, mit diesemmmpfff…«

Weiter kam er nicht, denn gerade war der Sicherheitsriegel hochgeklappt und hatte Tom mit überraschend viel Wucht zurück in den Sitz gedrückt. Kaum hatte er seinen Atem wiedergefunden, war Tom auch schon unter dem Gitter hindurchgefahren und …

… der Tom, der wenige Minuten später am anderen Ende der Schreckensfahrt herausfuhr, ähnelte dem, der hineingefahren war, nur in Kleidung, Körpergröße, Haar- und Augenfarbe. Der gesamte Rest war ein zitternder, bleicher Pudding aus rasendem Puls und nackter Angst.

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