Читать книгу Der Bergpfarrer 152 – Heimatroman - Toni Waidacher - Страница 3

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»Mensch, freu’ ich mich, dich zu sehen!«

Kathrin Raitmayr fiel Saskia um den Hals, kaum, daß das blonde Madl aus dem Auto gestiegen war.

»Hallo, Kathi, wie geht es dir?«

»Wie’s mir geht?« lachte die dunkelhaarige Bauerntochter. »Prima, jetzt wo du endlich da bist! Sieben Jahre kennen wir uns jetzt schon, aber nur vom Briefeschreiben und Telefonieren. Es wurde höchste Zeit, daß du mich mal besuchen kommst.«

Saskia Benthof schaute sich um. Die Brieffreundin wohnte auf einem schmucken Bauernhof, und es war alles genauso, wie die Studentin es sich vorgestellt hatte.

»Laß deine Sachen noch im Auto«, meinte Kathi. »Ich will dich erstmal meinen Eltern vorstellen. Der Kaffee ist auch schon fertig, und den Kuchen hab’ ich extra heut’ morgen für dich gebacken.«

Im selben Augenblick kam ein Hund herbeigelaufen, der Saskia freudig einen Ball vor die Füße legte.

»Der Rex mag dich auch«, lächelte Kathi. »Aber ich warn’ dich, wenn du erstmal angefangen hast, den Ball zu werfen, dann findet er kein Ende.«

Die Brieffreundin nahm das Spielzeug des Hundes trotzdem und warf es über den Hof. Sofort schoß Rex hinterher und suchte es irgendwo zwischen Scheune und Stall.

»Komm«, sagte die Bauerntochter und legte ihren Arm um die Freundin. »Vater und Mutter sind schon ganz gespannt darauf, dich kennenzulernen.«

Hinter dem Haus befand sich ein großer Garten. Auf der Wiese standen Tisch und Stühle. Franz Raitmayr und seine Frau saßen schon dort und sahen den Madln entgegen.

»Herzlich willkommen«, begrüßte Burgl die Studentin. »Schön, daß wir dich endlich mal persönlich kennenlernen.«

»Ja, und wir hoffen, daß du dich bei uns wohl fühlst«, setzte der Bauer hinzu.

»Erzähl’ mal, wie war die Fahrt?« erkundigte sich Kathi, nachdem sie Platz genommen hatten.

Saskia Benthof wohnte in Passau. Sie erzählte, daß es während der Fahrt keine Probleme gegeben hatte. Auch den Hof hatte sie schnell gefunden, Kathis Wegbeschreibung war kurz und präzise gewesen.

Zur Feier des Tages hatte die Bauerntochter einen Apfelkuchen gebacken. Saskia, die jeden weiteren Backversuch nach einigen Reinfällen aufgegeben hatte, lobte den Kuchen und mußte sich nicht nötigen lassen, ein zweites Stück zu essen.

Anschließend zeigte Kathi der Freundin das Zimmer, in dem Saskia die nächsten zwei Wochen wohnen sollte. Es lag gleich neben dem der Bauerntochter und hatte früher der älteren Schwester gehört, die aber längst verheiratet und in die Stadt gezogen war. Außerdem gehörte zu der Familie noch Thomas, der Bruder, der später einmal den Hof übernehmen würde.

»Den Thomas lernst heut’ abend kennen«, sagte Kathi. »Im Moment ist er grad droben im Holz.«

Sie räumten Saskias Koffer aus und verstauten die Sachen im Schrank. Natürlich hatte die Studentin ein kleines Gastgeschenk mitgebracht, und Kathi freute sich sehr über das gerahmte Foto, das die Brieffreundin gemeinsam mit ihren Eltern zeigte.

Dann wurde es Zeit, den Hof zu besichtigen. Saskia stammte aus einer Familie, die seit Generationen Ärzte hervorgebracht hatte, ihr Vater hatte eine Praxis in der Nähe von Passau, und eines Tages würde die Tochter dort mit einsteigen.

Allerdings stand davor noch der lange Weg des Medizinstudiums, das Saskia gerade erst vor einem halben Jahr begonnen hatte. Jetzt aber staunte sie über die riesige Scheune, in der Traktoren, Mähdrescher und andere landwirtschaftliche Geräte standen. Oben auf dem Boden lagerte das Heu für den Winter, und in der hintersten Ecke befand sich eine komplett eingerichtete Werkstatt.

»Vater und Thomas versuchen möglichst immer alles selbst zu reparieren«, erklärte Kathi.

Danach gingen sie in die Stallungen. Allerdings befanden sich die Kühe draußen auf der Alm.

»Wir haben noch zwanzig Stück auf unserer Alm steh’n«, erläuterte die Bauerntochter. »Da bleiben s’ und kommen erst im Herbst, zum Almabtrieb, wieder herunter.«

Im Melkstand herrschte peinliche Sauberkeit.

»Wir sind ein anerkannter Biobetrieb«, erzählte Kathi stolz. »Und bei Rohmilch muß man ohnehin auf Hygiene achten. Das ist sehr heikel, wegen der Bakterien.«

»Das ist wirklich beeindruckend«, meinte Saskia.

Dann standen sie auf dem Hof und sahen sich lachend an.

»Tja, da bist also«, sagte Kathi glücklich.

»Ja, da bin ich«, nickte Saskia. »Lang’ genug hat’s gedauert.«

Kennengelernt hatten sich die beiden vor Jahren, als sie noch Teenager waren. Sie schwärmten damals für denselben Popstar, und über einen Fanclub wurde der erste Kontakt geknüpft. Inzwischen waren sie hübsche, junge Frauen geworden, auch ihr Musikgeschmack hatte sich ein wenig geändert, aber ihre Brieffreundschaft hatte Bestand gehabt. Unzählige Male hatten sie sich gegenseitig das Herz ausgeschüttet und dabei kein Thema ausgelassen, egal, ob es sich um Probleme in der Schule handelte oder um Liebeskummer. Und wenn die eine konnte, dann stand sie der anderen mit Rat zur Seite.

Schon lange waren gegenseitige Einladungen ausgesprochen worden, doch immer hatte es irgendwie nie geklappt. Erst jetzt hatte sich Saskia einen Ruck gegeben.

»Ich komme zu euch«, versprach sie beim letzten Telefonat. »Und diesmal wird mich nichts davon abhalten!«

Und nun war sie angekommen, es war schön, und die Freundinnen standen da und freuten sich von ganzem Herzen.

*

Thomas Raitmayr begrüßte Saskia genauso freundlich, wie es schon seine Eltern getan hatten. Kathis Bruder war mit seinen Siebenundzwanzig vier Jahre älter als seine Schwester. Er war groß und schlank. Das dunkle Haar trug er kurz geschnitten, und wenn er lachte, dann saß ihm der Schalk in seinen braunen Augen. Thomas war mit Michaela Brendler verlobt, der Tochter eines Bauern aus Waldeck. In einem halben Jahr sollte Hochzeit sein, und die Braut würde dann hierher auf den Hof ziehen.

Der Bauernsohn verabschiedete sich gleich nach dem Abendessen, um ins Nachbardorf zu fahren. Saskia und Kathi halfen der Bäuerin den Tisch abzudecken, aber als sie sich an den Abwasch machen wollten, schüttelte Burgl Raitmayr den Kopf.

»Laßt nur«, sagte sie. »Unternehmt lieber was. Ihr habt euch doch bestimmt viel zu erzählen.«

Das hatten die zwei Madln zwar schon den ganzen Nachmittag getan, aber natürlich gingen die Themen nicht aus, wenn man sich nach all den Jahren jetzt erst persönlich kennengelernt hatte.

»Wir fahren nach St. Johann«, schlug Kathi vor.

Saskia war einverstanden. Sie war schon ganz neugierig auf das Dorf, von dem die Freundin in so vielen Briefen und Telefongesprächen schon geschwärmt hatte. Auf der Herfahrt war sie nicht durch den Ort gekommen, sondern daran vorbeigefahren.

»Was ist eigentlich mit deinem Freund?« erkundigte sie sich, als sie neben Kathi saß, die das Auto lenkte. »Er heißt doch Florian, oder? Ist er noch aktuell?«

Kathi schmunzelte.

»Aktueller als je zuvor«, antwortete sie. »Vielleicht treffen wir ihn nachher noch. Dann weißt du, warum.«

»Donnerwetter, das muß ja ein Prachtkerl sein«, lächelte Saskia. »Da wundert’s mich auch net, daß du mir bisher kein Foto von ihm geschickt hast.«

Die Bauerntochter lächelte ebenfalls. Sie drückte einen Knopf an dem Autoradio, und der eingebaute CD-Spieler ließ die ersten Takte eines Liedes hören, das die beiden nur zu gut kannten.

»Ist immer noch toll, was?« meinte Saskia, als die Stimme ihres einstigen Popidols erklang.

Kathi nickte.

»Vor allem ist es mein Lieblingslied, weil es gespielt wurde, als Florian mich das erste Mal geküßt hat«, erzählte sie und blickte träumerisch vor sich hin. »Ach, das waren noch Zeiten!«

»Na ja, so lang’ ist’s ja nun auch wieder net her«, lachte Saskia und deutete nach vorne. »Schau lieber auf die Straße. Träumen kannst nachher noch.«

Kathi konzentrierte sich wieder auf das Fahren. Die Bergstraße war kurvenreich und führte steil ins Tal hinunter.

Schließlich waren sie angekommen. Saskias erster Eindruck von St. Johann war der, daß es sich um ein kleines Dorf handelte, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein schien. Die Häuser waren alt, aber schmuck herausgeputzt. An vielen Fassaden und Giebeln sah sie die für diese Gegend so typischen Lüftlmalereien. Die Kirche in der Mitte des Ortes war imposant.

»Da würd’ ich gern’ mal hineinschauen«, sagte die Studentin.

»Machen wir auch noch«, versprach Kathi. »Aber jetzt schauen wir uns erst einmal ein bissel um. Bist ja schließlich zwei Wochen da. Wir haben also Zeit und Gelegenheit genug, was zu unternehmen.«

»Mußt denn net auf dem Hof helfen?« fragte Saskia erstaunt.

Die Bauerntochter schüttelte den Kopf.

»Meine Eltern haben mir sozusagen Urlaub gegeben«, antwortete sie. »Extra, damit ich Zeit für dich hab’.«

»Das ist aber nett von ihnen.«

»Ich komm’ auch prima mit ihnen aus. Überhaupt sind wir eine Familie, in der alle zusammenhalten.«

Kathi stellte das Auto auf dem Parkplatz des kleinen Einkaufszentrums ab, in dem die Läden bereits geschlossen waren. Trotzdem bummelten sie durch die Passage und schauten in die Auslage der Boutique, die immer aktuelle Damenmode führte. Danach spazierten sie durch das Dorf, ein Fußmarsch, der von einem Ende bis zum anderen kaum mehr als eine Viertelstunde erforderte.

»Hier ist’s wirklich schön«, sagte Saskia, was sie ehrlich empfand. »Und alles ist genauso, wie du’s immer beschrieben hast.«

Kathi zog sie mit sich.

»Komm, wir geh’n in den Biergarten.«

Es war früher Abend, und viele der Tische waren besetzt. Die zahlreichen Touristen, die nach St. Johann kamen, wohnten meist in den billigeren Pensionen und nicht im teuren Hotel. Dort aber gab es außer dem Frühstück keine anderen Mahlzeiten, so daß die Urlauber gerne den Bier- und Kaffeegarten aufsuchten um hier, je nach Tageszeit, zu Mittag oder Abend zu essen. Indes waren es nicht nur auswärtige Besucher, die sich hier einfanden. Die Bauern tranken ihren Abendschoppen meist im Wirtshaus, das zu dem Hotel gehörte, wie Saskia erfuhr, die jungen Leute frequentierten hingegen lieber das Außenlokal. An einem der Tische saßen zwei Bekannte von Kathi Raitmayr, und die Freundinnen setzten sich dazu. Saskia wurde freudig begrüßt, und schnell war man im Gespräch vertieft. Dabei ging es vor allem darum, wer mit wem auf dem letzten Tanzabend was angefangen hatte, oder welche Beziehung genau dort auseinandergegangen war.

Nachdem die zwei Madln, es waren Mägde vom Sonnenbichlerhof, sich verabschiedet hatten, saßen Saskia und Kathi zunächst alleine an ihrem Tisch. Die Bauerntochter nahm ihr Handy und rief ihren Freund an.

»Wir sind im Biergarten«, sagte sie, nachdem sie sich erkundigt hatte, ob Florian Burger Zeit hatte, zu ihnen zu kommen.

Er versprach es, und Kathi steckte ihr Mobiltelefon zufrieden wieder in die Tasche.

»In zwanzig Minuten ist er da«, erklärte sie.

»Fein. Ich freu’ mich schon darauf, ihn kennenzulernen«, nickte Saskia und trank einen Schluck von ihrem Radler.

Sie unterhielten sich weiter und merkten gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Und dann stand Flo­rian plötzlich vor ihnen, und Saskia schnappte nach Luft und wußte gar nicht, wie ihr geschah.

Donnerwetter, dachte Saskia, das ist also ihr Freund!

*

»Grüß euch«, sagte Florian Burger charmant.

Er beugte sich zu Kathi hinüber und gab ihr einen Kuß. Dann reichte er Saskia die Hand.

»Und du bist also Kathis langjährige Brieffreundin«, sagte er. »Freut mich, dich endlich kennenzulernen.«

Zu ihrer Überraschung beugte er sich auch zu Saskia rüber und gab ihr ebenfalls einen Kuß – auf die Wange.

Kathi schien das nicht zu stören.

»Hallo, Florian«, sagte die Studentin, um ihre Verlegenheit zu verbergen, »schön, daß du noch herkommen konntest.«

»Ach ja, es war ein langer Tag«, seufzte der Bauernsohn, während er sich setzte und nach der Kellnerin winkte.

Saskia betrachtete ihn verstohlen. Florian Burger war bestimmt über einen Meter achtzig groß und schlank. Er hatte gewelltes blondes Haar und blaue Augen. Sein markantes Gesicht war gebräunt, und unter dem Jeanshemd verbarg sich ein muskulöser Oberkörper. Lässig hatte er die Beine übereinandergeschlagen und bestellte eine Maß.

»Was darf ich denn den Damen spendieren?« erkundigte er sich.

Ihre Gläser waren noch voll, und sie lehnten dankend ab.

»Und habt ihr euch schon überlegt, was ihr alles so anstellen wollt, in den zwei Wochen?« erkundigte er sich.

Saskia war nicht ganz klar, an wen die Frage gerichtet war. Eigentlich hätte Florian sie Kathi stellen müssen, denn die war ja schließlich hier zu Hause. Der Bursche aber schaute sie dabei an – mit einem Blick, der Saskia unter die Haut ging.

Mensch, ist das ein Typ! dachte sie elektrisiert.

Gleichzeitig schlug eine Alarmglocke in ihrem Kopf an.

Finger weg, sagte sie sich, schließlich ist er Kathis Freund!

Die Bauerntochter erzählte, was sie sich alles überlegt hatte. Natürlich würden sie gleich morgen einen Ausflug in die nähere Umgebung machen, am Nachmittag vielleicht die Kirche besichtigen. Dann stand ein Badetag am Achsteinsee auf dem Programm, vielleicht sogar auch mehrere, je nachdem, wie das Wetter wurde. Außerdem wollte Kathi ihrer Freundin unbedingt das Jagdschloß »Hubertusbrunn« zeigen, das malerisch im Ainringer Wald gelegen war, und weil Saskia einmal hatte durchblicken lassen, daß sie hin und wieder gerne ausritt, wollte die Bauerntochter sie mit einem Besuch des Ferienhotels »Reiterhof« überraschen, wo man Pferde ausleihen konnte.

Von dieser Überraschung verriet sie allerdings noch nichts, als sie aufzählte, was alles geplant war. Florian nickte zustimmend.

»Das ist doch super«, meinte er. »Ich hab’ schon mit meinem alten Herrn gesprochen und ihm gesagt, daß ich in den nächsten Tagen ein bissel kürzer treten will auf dem Hof. Schließlich möcht’ ich so viel Zeit wie möglich mit euch verbringen. Dann muß halt der Georg ein bissel mehr schaffen.«

Georg war sein jüngerer Bruder, der ebenfalls auf dem Hof arbeitete.

»Ach, das ist schön«, freute sich Kathi und gab ihm einen Kuß.

Saskia bemerkte, halb amüsiert und halb entsetzt, daß Florian ihr dabei zuzwinkerte.

Ist das ein Frechling, ging es ihr durch den Kopf, da flirtet der doch mit mir, während er seine Freundin küßt!

Indes schien sich der Bursche darüber keine Gedanken zu machen. Er nahm seinen Bierkrug und prostete ihr zu.

»Also dann, auf schöne Ferien.«

Kathi und Saskia hoben ebenfalls ihre Gläser.

»Die Kirche ist wohl schon sehr alt, was?« fragte die Studentin, mehr um sich abzulenken.

»Das kannst meinen«, nickte Florian. »Bestimmt schon an die vierhundert Jahr’. Aber darüber kann dir unser Bergpfarrer mehr erzählen.«

»Bergpfarrer?« hakte Saskia stirnrunzelnd nach. »Wer ist das denn?«

»Eigentlich heißt er Pfarrer Trenker«, erklärte Kathi. »Aber die Leut’ nennen ihn halt so, weil er sich droben in den Bergen so gut auskennt. Bestimmt wirst Hochwürden noch kennenlernen, in den zwei Wochen, die du hier bist.«

»Hast eigentlich schon mal eine Bergtour gemacht?« wollte Florian wissen.

Die Studentin schüttelte den Kopf.

»Na, dann wird das aber gleich eingeplant«, rief Kathi sofort. »Vielleicht haben wir Glück und Pfarrer Trenker geht mit uns. Du, das ist ein einmaliges Erlebnis!«

»Mir soll’s recht sein«, sagte Saskia. »Ich bin zu jeder Schandtat bereit.«

Sie fühlte sich ausgesprochen wohl und wollte die zwei Wochen genießen.

Florian schaute auf die Uhr und trank sein Bier aus.

»So, seid mir net bös’«, sagte er, »aber ich muß los.«

Er stand auf und gab Kathi einen Kuß.

»Ich melde mich, und dann verabreden wir was. Und morgen nachmittag könntet ihr eigentlich auf einen Kaffee bei uns vorbeikommen«

»Einverstanden«, nickte Kathi.

Florian legte seinen Arm um Saskia, die genau wie die Freundin aufgestanden war, um den Bauernsohn zu verabschieden.

»Also«, sagte er, »schön, daß du da bist.«

Dabei schaute er ihr wieder tief in die Augen, daß Saskia unwillkürlich einen Schauer über ihren Rücken laufen spürte.

»Ja, find’ ich auch«, erwiderte sie mit belegter Stimme.

»Ich freu’ mich schon auf die Tage, die wir zusammen verbringen werden«, setzte er hinzu und strich ihr dabei bedeutungsvoll über das Haar.

Saskia schluckte und wollte sich eigentlich mit einer Bewegung davon befreien. Doch dann unterließ sie es und gab sich gelassen.

»Na, was sagst du?« fragte Kathi, als Florian gegangen war.

Die Studentin nickte.

»Fesch.«

Insgeheim fragte sie sich, ob ihre Brieffreundin etwas davon bemerkt hatte, wie Florian mit ihr geflirtet hatte.

»Sollten wir net auch aufbrechen?« fragte sie schließlich.

»Na ja, ich müßt’ schon ins Bett«, antwortete Kathi. »Zwar haben mir die Eltern zugestanden, die ganze Zeit mit dir zu verbringen, aber ich würd’ schon gern’ zumindest das Melken am Morgen übernehmen.«

»Das will ich auch«, erklärte Saskia. »Ich hab’ so was noch nie gemacht. Und den Stall ausmisten, das mußt mir auch beibringen.«

Kathi lachte.

»Du bist ja vor lauter Tatendrang net zu bremsen«, meinte sie. »Aber von mir aus. Mach’ dich bloß darauf gefaßt, daß der Wecker in aller Herrgottsfrühe klingelt!«

*

»Nanu, Hochwürden, Sie?« fragte Toni Wiesinger erstaunt, als der gute Hirte von St. Johann das Sprechzimmer des Arztes betrat. »Sind S’ etwa krank?«

Sebastian Trenker schüttelte den Kopf.

»Nein, mir geht’s bestens«, antwortete er und reichte Toni die Hand. »Ich will dich auch gar net lang aufhalten, das Wartezimmer ist ja voll. Bloß eine Frage. Hat sich der Moislinger-Karl mal wieder bei dir gemeldet, seit er so plötzlich ›abgereist‹ ist?«

Dr. Wiesinger schüttelte den Kopf.

»Merkwürdig«, sagte er, »genau an den hab’ ich heut’ morgen auch gedacht. Ist ja ein seltsamer Zufall, daß Sie jetzt herkommen und nach ihm fragen.«

Karl Moislinger war ein Obdachloser, der sich in der Erntezeit hin und wieder bei einem Bauern verdingte. Beim letzten Mal war er unglücklicherweise bei der Arbeit vom Heuboden gefallen und hatte sich ein Bein und mehrere Rippen verletzt. Nachdem er wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte, nahm Pfarrer Trenker Karl bei sich auf, wo er unter der Pflege der Haushälterin wieder ganz gesund werden sollte. Zunächst lief auch alles ganz harmonisch ab. Der Obdachlose wohnte in einem der Gästezimmer des Pfarrhauses, und Sophie Tappert verwöhnte ihn mit Speis und Trank. Gerne hätte sich Karl ein bissel nützlich gemacht, aber da er sich noch schonen sollte, achtete Sebastian darauf, daß sein Gast keine schweren Arbeiten verrichtete.

Dann eines Tages, es war Samstagmittag, verschwand Karl Moislinger aus dem Pfarrhaus und wurde seither nicht wieder gesehen.

Es dauerte eine Weile, bis der Bergpfarrer dahinterkam, was geschehen war. Karl hatte bei seinen Spaziergängen die Bekanntschaft von Maria Erbling gemacht. Die Witwe des früheren Poststellenleiters von St. Johann und gefürchtete Klatschtante des Dorfes hatte ein Auge auf den Obdachlosen geworfen, der jetzt, wo er im Pfarrhaus logierte, nicht nur manierlich ausschaute, sondern sogar einen recht feschen Eindruck machte.

Zunächst war es nur die Bitte, etwas in ihrem Haus zu richten, mit der Maria an ihn herantrat, doch schon bald wurde Karl klar, welche Absicht dahintersteckte, und er ergriff die Flucht.

»Ich hatte wirklich gehofft, daß er sich bei dir melden würd’«, sagte Sebastian. »Schließlich sollte ein Arzt ja danach schauen, was sein Bein macht, und ob die Rippen wieder zusammengewachsen sind.«

»Vielleicht hat er ja irgendwo einen Kollegen aufgesucht«, meinte Toni Wiesinger. »In Garmisch gibt’s zum Beispiel eine Sozialstation, wo Dr. Jäger jeden Mittwochnachmittag eine kostenlose Sprechstunde abhält.«

»Ich weiß«, nickte der Geistliche, »und ich hab’ Claudia auch schon gebeten, sich bei ihm nach Karl zu erkundigen. Aber dein Kollege sagte, daß er ihn noch nie dort gesehen hat.«

»Vermutlich sind unsre Sorgen unbegründet«, sagte der Arzt und nahm eine dunkelbraune Flasche von seinem Schreibtisch. »Jedenfalls solang’ der Karl net an solches Zeug hier gerät.«

Bei diesen Worten machte Dr. Wiesinger eine finstere Miene.

»Was ist denn das?« erkundigte sich Sebastian.

»Sie haben vorhin richtig bemerkt, daß das Wartezimmer voller Patienten ist«, sagte Toni. »Die Sommergrippe geht um, und die Leut’ greifen nach allen Mitteln, um wieder gesund zu werden.«

Er hielt das Fläschchen hoch.

»Aber anstatt zum Doktor zu geh’n, schlucken s’ lieber dieses Zeugs hier«, setzte der Arzt ärgerlich hinzu. »Die Flasche hab’ ich dem Stranninger weggenommen. Kommt der Kerl doch tatsächlich damit her und erzählt, er habe diese ›Medizin‹ beim Brandhuber gekauft, und ob ich ihm das net nachträglich verschreiben könnt’. Weil’s ja so teuer war, wollt’ er gern das Geld von seiner Krankenkasse erstattet haben. Na, dem hab’ ich aber was erzählt!«

»Vom Brandhuber?«

Sebastian schüttelte den Kopf.

»Ja, werden die Leut’ denn nie gescheit!«

Alois Brandhuber war der selbsternannte Wunderheiler von St. Johann. In Vollmondnächten trieb er sich in der Gegend herum, um nach Kräutern und Wurzeln zu suchen, aus denen er seine obskuren Mixturen braute. Die Tees, Salben und Tropfen verkaufte er dann für viel Geld an seine gutgläubigen Mitmenschen, die hofften, dadurch von ihren Zipperlein geheilt zu werden.

Es war ein ewiger Kampf, den der Bergpfarrer gegen den Brandhuber-Loisl führte, und ganz besonders verdächtig wurde es, wenn man von dem Scharlatan lange nichts hörte, wie es in der letzten Zeit gewesen war. Denn dann konnte man sicher sein, daß Loisl seine Geschäfte im Geheimen machte.

»Gerade jetzt ist ja die beste Zeit, um dieses Zeug an den Mann zu bringen«, sagte der Arzt. »Die Leut’ wollen verständlicherweise gesund werden, und das schnell. Aber eine Grippe braucht nun mal ihre Zeit, bis man sie überstanden hat, da ist’s ein Irrtum, wenn man glaubt, mit den Brandhuberschen ›Medikamenten‹ nachhelfen zu können. Das ist nur rausgeschmissenes Geld!«

»Ich werd’ mir den Burschen bei Gelegenheit vorknöpfen«, versprach Pfarrer Trenker. »Und diesmal wird er’s sich hoffentlich hinter die Ohren schreiben.«

Er deutete auf das braune Fläschchen.

»Was mag da wohl alles drin sein?«

»Keine Ahnung«, erwiderte Dr. Wiesinger. »Aber ich schick’s gleich heut’ nachmittag und laß es analysieren.«

»Gib mir Bescheid, wenn du das Ergebnis hast«, bat der Geistliche.

»Mach’ ich«, nickte Toni und geleitete Sebastian zur Tür.

Der gute Hirte von St. Johann ging nicht gleich zum Pfarrhaus zurück, sondern schlug den Weg zu der halbverfallenen Hütte ein, die Alois Brandhuber am Rande des Dorfes bewohnte. Der Alte sah genauso vernächlässigt aus wie seine Behausung. Das Haar war grau und verfilzt, die Kleidung alt und zerschlissen und vermutlich vor Jahren das letzte Mal gewaschen worden. Eigentlich hätte jeder, der dem Brandhuber-Loisl begegnete, gleich Reißaus nehmen müssen, doch leider fielen seine Heilsversprechen immer wieder auf fruchtbaren Boden, und die Geschäfte bescherten ihm ein lukratives Einkommen.

Sebastian klopfte an der Tür, die schief aus den Angeln hing. Indes schien er sich den Weg hierher umsonst gemacht zu haben. Der »Wunderheiler« war nicht zu Hause.

*

»Ach, ist das schön hier!«

Die Freundinnen hatten eine steile Bergwiese erklommen und sich ins Gras gesetzt. Neben ihnen lag der Rucksack, der ein wenig Proviant enthielt. Über zwei Stunden waren sie schon unterwegs, und Kathi hatte Saskia einige der schönsten Ecken ihrer Heimat gezeigt.

Gestern abend waren sie zwar zeitig nach Hause gefahren, dennoch konnten sie nicht gleich schlafen gehen. Sie saßen in Kathis Zimmer, hörten die Musik ihres einstigen Idols und unterhielten sich über tausend Dinge.

»Hast du eigentlich wieder einen Freund?« wollte die Bauerntochter beispielsweise wissen.

Saskia hatte ihr vor geraumer Zeit geschrieben, daß sie die Beziehung zu ihrem damaligen Freund beendet hatte. Der Schuft, so hatte sich herausgestellt, war nämlich ein Casanova, der gerne mehrere Eisen gleichzeitig im Feuer hatte.

Die Studentin schüttelte den Kopf.

»Das Thema ist vorläufig abgehakt«, antwortete sie. »Mal ganz abgesehen davon, daß mir die Uni kaum Zeit für private Vergnügungen läßt, hab’ ich erstmal die Nase voll von Beziehungsstreß.«

Seltsamerweise mußte sie bei diesen Worten an einen ganz bestimmten Burschen denken...

»Wie steht’s denn mit dir und Florian?« fragte Saskia. »Werdet ihr heiraten?«

Kathi zuckte die Schultern.

»Gesprochen haben wir darüber noch net«, sagte sie. »Aber ich denk’ schon.«

Sie lächelte.

»Wir sind jetzt fast ein Jahr zusammen, und auf dem Burgerhof werd ich schon fast wie die zukünftige Schwiegertochter empfangen«, fuhr sie fort. »Mit Richard und Margret, das sind Floris Eltern, komm’ ich gut aus, und wenn wir heiraten, dann zahlen meine Eltern eine gute Mitgift. Freilich möcht’ ich mal als Bäuerin auf dem Hof einheiraten. Hier würd’ ich ja nur als Magd vom Thomas arbeiten können, wenn er unsren Hof mal übernimmt.«

Saskia verstand, wie das alles zusammenhing. Eine Braut, die Geld mitbrachte, wurde gerne genommen. Andererseits stand Kathis Bruder als Erstgeborenem der Hof zu. Freilich würde er die Schwester auszahlen müssen, wenn sie einmal heiratete, aber bis dahin wäre sie darauf angewiesen, sich bei ihm als Magd zu verdingen.

»Wenn ich irgendwann mal mit dem Studium fertig bin, steig’ ich bei meinem Vater in die Praxis ein«, erzählte Saskia. »Schon mein Urgroßvater war Arzt, dann der Großvater und schließlich Papa.«

Sie schmunzelte.

»Alle hatten sie Söhne«, setzte sie hinzu, »bloß ich hab’ die Tradi­tion unterbrochen und bin ein Madl geworden.«

»Ich wette, deine Eltern hat’s trotzdem gefreut«, lachte Kathi.

Sie schauten auf die Uhr und gähnten gleichzeitig.

»Um Gottes willen«, stieß die Bauerntochter hervor, »in drei Stunden klingelt der Wecker. Laß uns bloß noch ’ne Mütze voll Schlaf nehmen.«

Saskia nickte und ging in ihr Zimmer. Es waren heute so viele neue Eindrücke auf sie eingestürzt, daß sie eigentlich viel zu aufgekratzt war, um rasch einschlafen zu können, doch dann schloß sie die Augen und wachte erst wieder auf, als das unbarmherzige Klingeln des Weckers sie wieder aus dem Schlaf riß.

Kurze Zeit später klopfte Kathi an die Tür.

»Ich hab’ dir ein paar Sachen mitgebracht«, sagte sie nach dem Morgengruß.

Beide lachten, als Saskia die derbe Hose und die blaue Arbeitsjacke angezogen hatte.

»Mensch, wenn meine Eltern mich so sehen könnten – die würd’ glatt der Schlag treffen«, rief die Studentin.

»Kein Problem!« meinte Kathi und nahm Saskias Fotoapparat, der auf dem Tisch lag. »Das halten wir doch gleich mal im Bild fest.«

Am Melkstand wurde weiter fotografiert. Kathi zeigte der Freundin, wie die Schläuche angelegt wurden, und knipste Saskia, als diese so tat, als würde sie die Kuh mit der Hand melken.

»Was ist denn hier los?« rief Thomas und bog sich vor Lachen, als er die beiden Madln sah. »Ihr seid aber früh auf. Wolltet ihr net ausschlafen?«

»Nö!« Seine Schwester schüttelte den Kopf. »Saskia wollte unbedingt lernen, wie gemolken und der Stall ausgemistet wird.«

»Na, dann viel Spaß«, grinste Thomas und verschwand wieder.

Beim Ausmisten ahnte Saskia, warum Kathis Bruder so unverschämt gegrinst hatte – es war ein sehr strenger Geruch, der im Stall herrschte...

»Du gewöhnst dich dran«, tröstete Kathi sie. »Und wenn du wieder daheim bist, dann wirst den Geruch richtig vermissen.«

»Na, ich weiß ja net«, prustete Saskia und stieß die Mistgabel in den Mist.

*

Beim Frühstück herrschte ausgesprochen gute Laune. Die Eltern wunderten sich zwar, daß ihre Tochter und deren Besuch schon so früh auf den Beinen waren, aber gegen eine helfende Hand hatte niemand etwas einzuwenden.

Anschließend wurde geduscht und sich umgezogen. Gegen acht Uhr verließen die beiden Madln den Hof und wanderten ein Stück die Bergstraße hinauf. Hoch über ihnen ragten die Gipfel in den wolkenlosen Himmel, und die Sonne strahlte mit den Freundinnen um die Wette.

»Das ist der ›Himmelsspitz‹ und gleich daneben die ›Wintermaid‹«, erklärte Kathi die Namen des Zwillingsgipfels, dessen schneebedeckte Spitzen scheinbar in den Himmel stießen. »Und irgendwo dazwischen ist die Kandereralm. Aber das kannst von hier aus freilich net sehen. Auf der Alm steh’n unsre an­deren Kühe. Mal sehen, wenn wir keine Gelegenheit für eine Wanderung haben, fahren wir eben mit dem Auto über den Wirtschaftsweg und besuchen den Franz mal da droben. Aber schöner wär’s schon, wenn wir richtig aufsteigen täten.«

Saskia hatte ihren Fotoapparat mitgenommen und machte fleißig Bilder. Dann fotografierten sie sich gegenseitig, und zwischendurch aßen sie vom Proviant und tranken von dem mitgebrachten Tee.

Das Mittagessen wollten sie ausfallen lassen und erst am Abend warm essen. Sie hatten genügend belegte Brote mitgenommen, und wenn der Tee ausgetrunken war, würden sie unterwegs an Bachläufe kommen, aus denen sie trinken konnten, hatte Kathi versichert.

Jetzt lagen sie faul auf der Bergwiese und schaute ins Tal hinunter.

»Komisch«, meinte Saskia, »obwohl es gestern ja wirklich spät geworden ist, bin ich kein bissel müd’.«

»Geht mir genauso«, nickte die Freundin. »Aber das kommt noch. Wenn wir wieder auf dem Hof sind, legen wir uns am besten erstmal ein bissel hin, bevor wir ins Dorf fahren, um die Kirche zu besichtigen.«

Am frühen Mittag machten sie sich wieder auf den Rückweg. Jetzt spürte Saskia tatsächlich die Anstrengungen der Wanderung und den fehlenden Schlaf. Erschöpft sank sie auf ihr Bett und schlief ein.

Erst gegen drei Uhr weckte Burgl Raitmayr ihre Tochter und Saskia.

»Wenn ihr weiterschlaft, dann braucht ihr erst gar net aufstehen«, meinte die Bäuerin.

Es waren nur knapp zwei Stunden gewesen, aber die hatten gereicht, um die beiden zu erfrischen. Nach einer Tasse Kaffee fuhren sie ins Dorf hinunter.

»Mal schauen, ob Hochwürden daheim ist«, meinte Kathi, als sie ihr Auto an der Straße vor der Kirche abgestellt hatte.

Gespannt ging Saskia neben ihr den Kiesweg hinauf. Sie betraten den kleinen Vorraum, und die Studentin hielt unwillkürlich den Atem an.

»Da staunst, was?« flüsterte die Freundin.

Saskia nickte. Langsam gingen sie durch das Kirchenschiff und schauten sich um. Überall gab es etwas zu sehen. Die Fensterbilder zeigten Szenen aus der Bibel, in Ecken und Nischen standen geschnitzte Heiligenfiguren, die zum Teil mit Blattgold verziert waren, und auf dem Altar blitzte ein goldener Kelch neben dem Kreuz.

»Herrlich«, sagte Saskia leise. »Ob man hier fotografieren darf?«

»Freilich«, nickte Kathi und deutete auf die anderen Besucher, die alleine oder in Gruppen standen, »die tun’s doch auch.«

An der Wand neben der Tür zur Sakristei, hing ein großes Bild. Es hieß »Gethsemane« und zeigte den Erlöser, am Abend vor der Kreuzigung, im Gebet versunken. Andächtig standen die Madln davor und betrachteten es. Auch wenn Kathi es schon oft gesehen hatte, war sie doch immer wieder von dem Gemälde angetan.

Gleich daneben war das wertvollste Stück der Kirche zu besichtigen. Eine Madonnenfigur aus Holz geschnitzt und ohne goldene Verzierung. Aber gerade die einfache Anmutigkeit machte sie so prachtvoll. Der unbekannte Schnitzer mußte all seine Liebe und seinen Glauben in das Werk gelegt haben, um so etwas Herrliches zu schaffen.

Kathi erzählte der Freundin, daß die Madonna schon einmal Opfer einer Bande von Kirchenräubern geworden war. Pfarrer Trenker und seinem Bruder, der Polizist in St. Johann sei, war es aber gelungen, die Täter überführen und die Mutter Gottes wiederzubeschaffen.

»Bergsteiger, Detektiv«, schmun­zelte Saskia, »euer Pfarrer muß ja wirklich vielseitige Talente haben.«

»Vor allem ist er unser guter Hirte, der für seine Schäfchen immer ein offenes Ohr hat«, sagte die Bauerntochter ernst. »Für unsren Herrn Pfarrer gibt’s kein Problem, das er net lösen könnt’.«

»Das ist aber schön, daß du so eine gute Meinung von mir hast«, hörten die beiden Madln plötzlich eine Stimme hinter sich.

Sie schauten sich um und sahen Sebastian, der unbemerkt hinter sie getreten war.

»Aber manchmal steh’ auch ich vor einem Rätsel, und es will mir net gelingen, es zu lösen.«

Kathi war vor Verlegenheit rot geworden. Aber der Geistliche ging darüber hinweg.

»Das ist also deine Brieffreundin, von der du mir erzählt hast«, sagte er.

»Ja, das ist Saskia Benthof«, stellte Kathi die Studentin vor. »Endlich hat’s mal geklappt, daß sie mich besuchen kann.«

»Grüß dich, Saskia«, nickte der Bergpfarrer ihr zu und reichte der Studentin die Hand. »Herzlich willkommen in St. Johann. Ich wünsch’ dir eine schöne Zeit hier.«

»Dank’ schön, Hochwürden«, antwortete sie. »Es ist wunderschön hier, und Ihre Kirche ist einmalig.«

»Ja«, lächelte Sebastian, »das sagen alle, die sie zum ersten Mal betreten.«

»Sie haben net zufällig eine Bergtour geplant?« fragte Kathi. »Wissen S’, die Saskia ist nämlich noch nie aufgestiegen.«

Saskia hatte ja schon von der Freundin gehört, daß dieser Geistliche etwas ganz Besonderes war. Aber das traf wohl nicht nur für sein Amt zu. Hätte er nicht seine Soutane getragen, würde sie diesen Mann niemals für einen Pfarrer gehalten haben. Mit seinem von vielen Aufenthalten im Freien leicht gebräunten, markanten Gesicht und der durchtrainierten Figur hatte man eher den Eindruck, vor einem prominenten Sportler oder Schauspieler zu stehen.

Die Studentin war von der Erscheinung sehr beeindruckt.

»Was? Das müssen wir aber schleunigst nachholen«, sagte Pfarrer Trenker. »Freilich finden wir einen Termin. Wißt ihr was? Kommt morgen nachmittag ins Pfarrhaus, bis dahin hab’ ich schon nachgeschaut, wann’s am besten paßt.«

»Okay, das machen wir«, nickte die Bauerntochter. »Vielen Dank.«

»Dafür net. Du weißt doch, daß es mir immer eine Freud’ ist, wenn ich jemandem die Schönheiten unsrer Heimat zeigen kann.«

Sie sprachen noch ein paar Worte, dann verabschiedeten die Madln sich. Vor ihnen lag noch der Besuch auf dem Burgerhof, und vor allem Saskia konnte es irgendwie gar nicht erwarten, dorthin zu kommen...

*

Margret Burger kochte Kaffee und schnitt einen Topfkuchen an. Florians Mutter hatte Kathi und Saskia herzlich begrüßt.

»Die Männer sind noch unterwegs«, erklärte die Bäuerin. »Aber es dürft’ net mehr lang’ dauern, bis sie heimkommen. Bis dahin machen wir’s uns gemütlich.«

Sie setzten sich vor das Haus, wo eine Bank, zwei Stühle und ein Tisch standen.

Alles aus schönem Holz gezimmert. Saskia beantwortete die Fragen, die Margret Burger ihr stellte, und Kathi erzählte, wie die beiden sich seinerzeit kennengelernt hatten.

»Ich hatte auch mal eine Brieffreundin«, sagte die Bäuerin. »Lange Jahre haben wir uns geschrieben. Aber dann hat die Christel nach England geheiratet, und ich hab’ nix mehr von ihr gehört.«

»Na, das wird bei uns net so werden«, meinte die Bauerntochter. »Ich bleib’ ohnehin im Wachnertal, und Saskia in Passau, wenn sie erstmal Ärztin ist.«

»Bloß, daß es bis dahin noch ein langer Weg ist«, seufzte die Studentin.

Nach einer Weile kam ein Traktor herangefahren. Schon von weitem hörten sie das Tuckern des Motors.

»Ah, da sind s’ ja«, sagte die Bäuerin und stand auf, um noch zwei Tassen und Kuchenteller zu holen.

Florian sprang vom Traktor herab und kam an den Tisch. Sein Vater stellte das Gefährt erst einmal in die Scheune.

»Grüß dich, Spatzl«, sagte der Bauernsohn und gab Kathi einen Kuß.

Dann lächelte er Saskia an.

»Grüß dich. Na, wie war euer erster Tag?«

»Herrlich«, antwortete die Studentin. »Man könnt’ glatt in Versuchung geraten, den Urlaub zu verlängern. Aber leider geht’s net.«

Der Bergpfarrer 152 – Heimatroman

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