Читать книгу Der Bergpfarrer 252 – Heimatroman - Toni Waidacher - Страница 3

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»Die Hochdruckzone Irina wird dem Süden Deutschlands in den nächsten Tagen endlich das lang ersehnte Sommerwetter bescheren.« Wie aus weiter Ferne drang die Stimme des Nachrichtensprechers an Sophie Tapperts Ohr. Die Pfarrhaushälterin öffnete die Augen und blinzelte gähnend in Richtung Mattscheibe. Wieder einmal war sie vor dem Fernseher eingenickt. Nun hatte sie das Ende des Liebesfilms und den halben Wetterbericht verpasst!

Sophie Tappert seufzte und suchte auf dem Beistelltischchen neben ihrem Sessel nach der Fernbedienung, um das Fernsehgerät abzuschalten.

Unterdessen redete der Sprecher weiter: »Ab Anfang Juli sehen Sie jeden Mittwoch um dieselbe Zeit die Doku-Soap ›Jungbauer gesucht!‹ Die unterhaltsame Sendung will einerseits jungen Menschen, die Interesse und Begeisterung für den Beruf des Landwirts aufbringen, die Chance geben, sich ihren Lebenstraum als Bauer auf dem eigenen Hof zu verwirklichen. Andererseits will sie Bauern, die keinen Nachfolger für ihr Anwesen haben, die Möglichkeit verschaffen, ihr Lebenswerk und das ihrer Vorfahren dennoch in berufene Hände zu legen. Reporter unseres Fernsehsenders begleiten Hofbesitzer und Bewerber bei ihrer gegenseitigen Annäherung mit der Kamera. Der erste Hof ohne Nachfolger, den wir Ihnen vorstellen möchten, gehört Burgl und Franz Pörnbacher aus St. Johann im Wachnertal. Das Anwesen der beiden Bauersleute, das sich ein wenig außerhalb des beliebten bayerischen Ferienorts in wunderschöner, idyllischer Lage befindet, ist seit über zweihundert Jahren in Familienbesitz. Zum ersten Mal in seiner langen Geschichte soll es nun außerhalb der Familie weitergegeben werden. Wir und unsere Mitarbeiter hoffen, dass Herr und Frau Pörnbacher, nachdem sie die Bewerber auf Herz und Nieren geprüft haben, den Nachfolger ihrer Wahl finden. Wir wünschen sowohl den beiden Bauersleuten als auch den Kandidaten schon im Voraus viel Glück und Erfolg.«

Sophie Tappert, die die Fernbedienung inzwischen gefunden hatte, vergaß vollkommen, den Ausschaltknopf zu drücken. Wie gebannt schaute sie auf den Fernsehschirm, über den nun Bilder vom Wohnhaus des Pörnbacher-Hofs flimmerten, von den Stallungen, samt Haushund und dösender Katze, und von den zum Anwesen gehörenden Feldern und Wiesen. Dazwischen zeigte die Kamera immer wieder die Pörnbachers, die sich in ihren schönsten Sonntagsstaat geworfen hatten und freundlich, wenn auch ein wenig gezwungen lächelten.

»Sollte es Sie also reizen, als zukünftiger Bauer auf dem Pörnbacher-Hof zu schalten und zu walten, und sind Sie überzeugt, die dazu notwendigen Bedingungen erfüllen zu können, melden Sie sich bitte bis zum 20. Juni hier bei uns im Sender oder direkt auf dem Pörnbacher-Hof. Die Adressen geben wir im Anschluss an die Sendung bekannt.«

Sophie Tappert schnappte nach Luft. Das durfte doch wohl nicht wahr sein!

»Das zweite Anwesen, das einen Nachfolger sucht, werden wir Ihnen …«

Der Ansager verstummte mitten im Satz, als Sophie Tappert den Fernseher abstellte. Sie schüttelte entgeistert den Kopf.

Die Pörnbachers wollten also aufgeben und ihren Hof in jüngere Hände legen! Sie konnte kaum glauben, was sie soeben gehört hatte.

Die Pörnbachers waren doch erst in den Fünfzigern und, soweit sie wusste, bei guter Gesundheit. Zum anderen erinnerte sich Sophie Tappert nur zu gut, wie Burgl Pörnbacher beim letzten Ausflug des katholischen Frauenbunds gesagt hatte, sie könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, sich je von ihrem Hof und von ihrem Beruf als Bäuerin zu trennen.

So hatte Burgl noch vor ein paar Wochen geredet. Und jetzt …

Die Suche nach einem Nachfolger für den Pörnbacher-Hof konnte eigentlich nur Franz Pörnbachers Idee gewesen sein. Den einsamen Entscheidungen ihres Mannes hatte Burgl sich schließlich noch nie widersetzen können. Auch dann nicht, wenn sie im Grunde ihres Herzens nicht Franz’ Meinung gewesen war.

Aber warum in aller Welt hatte sich der eher ein wenig menschenscheue Franz Pörnbacher mit seinem Anliegen ausgerechnet an das Fernsehen gewandt? Hätte er nicht genauso gut oder besser Pfarrer Trenker um Rat und Hilfe bitten können?

Mit einem neuerlichen Kopfschütteln stand Sophie Tappert aus ihrem Sessel auf. Sie nahm sich vor, sich noch eine warme Honigmilch zu machen und dann zu Bett zu gehen. Den Beruhigungstrunk konnte sie gut gebrauchen, denn ihre ursprüngliche Müdigkeit war mittlerweile verflogen.

Burgl und Franz Pörnbacher gingen ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Sie hatte aber noch nicht einmal die Küche erreicht, als sie hörte, wie an der Pfarrhaustür der Schlüssel herumgedreht wurde. Rasch warf sie einen Blick auf die Uhr. Es ging mittlerweile schon auf elf, und der gute Pfarrer Trenker kam erst nach Hause!

»Guten Abend, Frau Tappert! Auch noch munter?«, hörte sie im nächsten Moment bereits seine Stimme.

Sophie Tappert wandte sich dem Geistlichen zu.

»Ja«, erwiderte sie spontan.

»Ich war zwar schon müd’, aber dann …, dann ist im Fernsehen gekommen, dass unsere Pörnbachers hier aus St. Johann ihren Hof übergeben wollen. Und deshalb in einer Doku-Soap nach einem Nachfolger suchen. Da bin ich natürlich mit einem Schlag wieder hellwach geworden.«

Sebastian runzelte verwirrt die Stirn.

Sophie Tappert biss sich auf die Zunge.

So unvermittelt hätte sie Pfarrer Trenker doch nicht überfallen brauchen. Das hätte doch auch bis zum Frühstück warten können!

»Es tut mir leid, Herr Pfarrer. Ich wollt’ Ihnen heut’ Abend net noch eine zusätzliche Sorge aufbürden«, sagte Sophie Tappert schnell. »Das mit den Pörnbachers ist mir einfach so herausgerutscht. Soll …, soll ich Ihnen vielleicht noch etwas zum Essen herrichten? Und etwas zum Trinken?«

Sebastian Trenker nickte.

»Gern, Frau Tappert. Etwas in den Magen wäre jetzt net das Schlechteste. Aber wirklich nur eine Kleinigkeit. Und natürlich nur, wenn es Ihnen keine Mühe macht«, antwortete er und fragte nach: »Was …, was haben Sie da von den Pörnbachers gesagt, Frau Tappert? Die beiden sollen im Fernsehen gekommen sein? Oder hab ich mich irgendwie verhört?«

Sophie Tappert schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Sie haben sich net verhört, Herr Pfarrer«, antwortete sie. »Es ist schon so, wie ich gesagt hab.«

»Wieso überhaupt im Fernsehen?«, erkundigte er sich, während er Frau Tappert in die Küche begleitete.

»Das hab ich mich beim sonst so eigenbrötlerischen Pörnbacher auch gefragt«, gab sie zurück, während sie zwei dicke Scheiben von ihrem köstlichen, selbst gebackenen Brot abschnitt, auf einen Teller legte und dann den Kühlschrank öffnete.

Pfarrer Trenker runzelte die Stirn.

»Welches Programm hat denn die Filmaufnahmen von den Pörnbachers gesendet?«, hakte er nach.

»Ich hab den Bayernkanal angeschaut wie meistens«, berichtete sie und belegte dabei die eine der Brotscheiben reichlich mit Speck und die andere mit herrlichem Bergkäse von Franz Thureckers Kandereralm. »Auf einmal ist eine Vorschau gekommen. Und der Pörnbacher-Hof samt Hund und Katz.«

Die Pfarrhaushälterin halbierte ein paar Essiggurken, um die Brote zu garnieren, und gab währenddessen sehr gewissenhaft wieder, was ihr von den Worten des Fernsehsprechers in Erinnerung geblieben war.

Der Bergpfarrer machte ein nachdenkliches Gesicht, als er sich an den Tisch setzte, biss dann aber doch herzhaft in sein Käsebrot.

»Es war also nur eine Vorschau, sagen Sie«, fasste er nach einer Weile zusammen. »Und geeignete Bewerber sollen sich erst melden. Das heißt, die Pörnbachers könnten also, sollten sie es sich anders überlegen, bestimmt noch einen Rückzieher machen. Meinen Sie net auch?«

Sophie Tapperts Blick wurde sorgenvoll.

»Ich weiß net so recht«, antwortete sie bedrückt. »Irgendwie hab ich ein ungutes Gefühl.«

Sebastian Trenker seufzte.

»Ein ungutes Gefühl hab ich, ehrlich gesagt, auch«, pflichtete er seiner Haushälterin bei. »Zumal ich mich natürlich frag’, warum der Franz und die Burgl, als ich sie vor ein paar Wochen besucht hab, kein Wort von ihrem Vorhaben gesagt haben. Irgendetwas stimmt da net.«

Sophie Tappert nickte stumm.

»Möchten S’ net noch ein Brot und ein Stück vom kalten Braten, Herr Pfarrer?«, fragte sie, als sie sah, dass Sebastian Trenkers Teller leer war.

Sebastian lehnte dankend ab und stand auf.

»Eigentlich wollt’ ich morgen früh eine Tour auf die Streusachhütte machen. Aber daraus wird wohl nix werden«, sagte er mit einem leisem Bedauern. »Ich glaub, ich mach mich stattdessen lieber auf den Weg zum Pörnbacher-Hof.«

»Ich glaub auch, dass es net schaden könnt’, wenn Sie die Burgl und den Franz auf ihre neue Rolle als Fernsehstars ansprechen und sie vor allzu hohen Erwartungen warnen«, setzte Sophie Tappert hinzu. Es klang besorgt, aber nachdem Sebastian Trenker sich zurückgezogen hatte, und die Pfarrhaushälterin den Teller in die Spülmaschine stellte, fühlte sie sich etwas erleichtert. Sie war nun doch froh, die Angelegenheit mit den Pörnbachers so rasch zur Sprache gebracht zu haben. Der gute Hirte von St. Johann würde sicherlich den richtigen Weg finden, um den beiden zu helfen.

*

»Wie bitte? Was soll ich tun?«, rief Christine Hartmann.

Verwirrt und wütend zugleich starrte die junge Frau ihr Gegenüber an.

»Tickst du eigentlich noch richtig, Lukas? Oder ist bei dir im Kopf irgendeine Schraube locker?«

Lukas Brenner, Mitarbeiter des »Bayernkanals«, musterte seine Kollegin Christine, mit belustigter Überlegenheit.

»Ob du es glaubst oder net, Chris, aber wenn du so richtig in Fahrt bist und Funken sprühst vor Zorn, finde ich dich zum Anbeißen«, gab er grinsend zurück.

Christine Hartmanns dunkelbraune Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Die Tatsache, dass ihre Einwände an Lukas abprallten wie Regentropen an gut imprägnierter Schlechtwetterkleidung, brachte sie nur noch mehr in Rage.

»Interessieren würd’s mich schon, wer von unserem Sendeteam auf die Schnapsidee gekommen ist, ausgerechnet mich in dieses vermaledeite St. Johann zu schicken«, wollte sie wissen, wobei ihre Stimme gereizt klang wie die einer fauchenden Wildkatze. »Dir würd’ ich so einen unsinnigen Einfall glatt zutrauen. Dir am aller ehesten.«

Lukas Brenner sagte nichts, sondern trat auf Christine zu, legte ihr seine kräftigen Arme um die schmalen Schultern und versuchte, sie trotz ihres Widerstrebens an sich zu ziehen.

»Ich bin es net gewesen, Chrissie. Großes Ehrenwort. Ich bin nur der Überbringer der Nachricht. Net weniger, aber auch net mehr«, erwiderte er und tat dabei so, als wäre er sehr gekränkt, durch diese Unterstellung. »Von den anderen war es auch keiner. Es war niemand aus unserem Team, wirklich. Dafür leg ich meine Hand ins Feuer. Wenn es dir net gefällt, nach St. Johann zu reisen, musst du dich bei Gregor Albrecht, unserem Programmchef, bedanken. Dass die Wahl gerade auf dich gefallen ist, geht nämlich auf sein Konto.« Lukas Brenner machte eine kleine Pause, räusperte sich und behauptete: »Wobei ich finde, dass du es als Kompliment nehmen solltest, Chris, anstatt dich dermaßen aufzuregen. Freu dich doch, dass unser Boss so große Stücke auf dich hält.«

Christine Hartmann schob Lukas mit einer energischen Bewegung von sich.

»Darüber kann ich mich in diesem Fall net freuen«, erwiderte sie patzig. »Und dabei geht es mir im Grunde gar net sosehr darum, ob ich nach St. Johann fahre oder net. Es geht mir in erster Linie um die Schwindelnummer, die ihr euch ausgedacht habt. Ich würd’ meinen Kopf verwetten, dass ihr das ganz allein wart. Und net unser Programmchef, der euren Plan bestimmt nur abgesegnet hat.« Ärgerlich zupfte sie an einem ihrer Ohrringe. »Als Journalistin vor Ort sein, ist eine Sache. Lügen, was das Zeug hält, ist eine andere. Ich …, ich mag solche Sachen einfach net. Und ich kann so etwas auch net. Wenn ich es könnte, wär’ ich Schauspielerin geworden und net Fernsehjournalistin.«

Lukas Brenner seufzte. Umständlich zündete er sich mit seinem schwarz lackierten Feuerzeug, auf dem eine üppige Blondine in einem freizügigen Dirndl abgebildet war, eine Zigarette an. Er blies den Rauch in Kringeln in die Luft und ließ seine Blicke im Wohnzimmer seiner Penthousewohnung herumschweifen, als suche er nach etwas. Schließlich wandte er sich der Terrassentür zu.

»Wäre es net schöner, alles Weitere draußen zu besprechen, Chrissie?«, schlug er vor. »Bei romantischem Kerzenlicht und einem prickelnden Glas Sekt? Dann könnten wir, während wir reden, wenigstens den herrlichen Blick über die Altstadt von München-Schwabing und den Englischen Garten genießen. Es ist sowieso der erste laue Sommerabend in diesem Jahr. Den wollen wir uns doch auf keinen Fall im muffigen Zimmer um die Ohren schlagen, oder?«

Christine Hartmann machte immer noch ein mürrisches Gesicht. Sie zuckte nur stumm die Schultern und folgte Lukas ins Freie.

Eine Weile standen die beiden nebeneinander an das Geländer der Dachterrasse gelehnt und schauten auf das rege Treiben in den engen verwinkelten Gassen Alt-Schwabings. Aus den zahlreichen Kneipen drang ein Gewirr von Musik und lachenden, kreischenden Stimmen zu ihnen herauf.

»So klingt das heitere, unbeschwerte Leben«, sagte Lukas.

Er lächelte Christine aufmunternd zu und rückte dichter neben sie, aber sie hielt abweisend ihre Arme vor der Brust verschränkt.

Für einen Moment kamen Lukas Brenner nun doch Zweifel, ob Christine der ihr zugedachten Aufgabe wirklich gewachsen war, aber er schob seine Bedenken rasch beiseite.

Die Doku-Soap »Jungbauer gesucht!« war allein seine Idee gewesen. Einer seiner bisher besten Einfälle, auf den er mächtig stolz war. Und das vollkommen zu Recht, wie er glaubte.

Natürlich hatte er schon von Anfang an gehofft, dass die von ihm geplante Sendung recht bald umgesetzt werden würde. Dass sein Konzept bei Gregor Albrecht, dem Programmchef, wie eine Bombe einschlug und einen wahren Begeisterungssturm auslöste, hatte ihn dann aber doch überrascht. Noch nie in seiner ganzen bisherigen Laufbahn war er dermaßen gelobt worden!

Obendrein war sein Honorar um ein Beträchtliches erhöht worden und sollte, wenn die Doku-Soap tatsächlich die erhofften Einschaltquoten erzielte, erneut steigen. Unwillkürlich trat beim Gedanken an den zu erwartenden Geldsegen ein Lächeln auf Lukas Brenners Lippen. Er drückte seine Zigarette am Balkongeländer aus und zündete sich eine neue an. Dabei musterte er Christine eine Weile von der Seite, überließ sich dann aber wieder voll und ganz seinen hochtrabenden Zukunftsträumen.

Im Stillen sah er sich schon, wie er den Goldenen Löwen für die beste Unterhaltungssendung in Empfang nahm! Ganz deutlich sah er sich, wie er im eleganten Smoking auf der Bühne stand und die begehrte Trophäe in seinen Händen hielt!

Wer konnte ihm verdenken, dass er bei der Angelegenheit auf Nummer sicher gehen wollte? Und ganz spontan war ihm, als er auf der Fahrt ins Fernsehstudio im Gasteig wieder einmal im Stau festhing, die richtige Idee zum Aufpeppen der Sendung gekommen.

Wieder warf Lukas Christine ein paar flüchtige Seitenblicke zu. Wie konnte eine derart gutaussehende Frau nur so schrecklich spießig sein! Und seinen genialen Schachzug verkennen und ablehnen, bloß weil …

Unwillig schüttelte Lukas den Kopf.

Eine schöne Städterin, die Aussteigen wollte und fest entschlossen war, sich eine Existenz als Bäuerin aufzubauen, musste in der heutigen Zeit bei den Zuschauern einfach Interesse, wenn nicht sogar Neugierde wecken. Und nicht zuletzt auch die Lachmuskeln reizen. Vor allem, wenn sie schon nach den ersten Tagen ernüchtert feststellen musste, dass die Praxis sich doch ein wenig anders anfühlte als der schöne Traum vom Landleben.

Lukas Brenner schnippte launig die Asche von seiner Zigarette.

Bestimmt würde der Pörnbacher, der einen eher konservativen Eindruck machte, ebenfalls für Zündstoff sorgen. Spätestens, wenn er sich als gestandener Bauer einer jungen Frau aus der Stadt gegenübersah, die seinen Hof übernehmen wollte.

Lukas spitzte seine Lippen, als wollte er pfeifen. Natürlich war ihm von Anfang an klar gewesen, wer die Aussteigerin und Möchtegern-Bäuerin sein sollte: Christine natürlich.

Im Grunde verstand sich das ja von selbst, dass es jemand aus seinem Team sein musste, wenn er alle Fäden in der Hand halten wollte. Und Gregor Albrecht hatte ihm auch in diesem Punkt vollkommen freie Bahn gegeben!

Und nun das! Christine weigerte sich und drohte all seine schönen Pläne zunichte zu machen! Er musste sich schleunigst etwas einfallen lassen, um sie doch noch zu überzeugen, er musste …

Während Christine noch gedankenverloren von der Balkonbrüstung in die vor Menschen wimmelnden Gassen starrte, kehrte Lukas kurz entschlossen ins Innere seiner Wohnung zurück, entkorkte eine Flasche Sekt und schenkte zwei Gläser voll. Dann trat er, die Sektflöten in der Hand, dicht hinter Christine.

»Chrissie, Liebes«, sagte er sanft, wobei er versuchte, seine Stimme besonders dunkel und samten klingen zu lassen.

Mit fragendem Blick drehte Christine sich zu ihm um.

Lukas reichte ihr eines der Gläser und prostete ihr zu. »Bitte sei mir nicht böse, Liebes. Die Sache mit St. Johann tut mir leid. Ich …, ich will dich auf keinen Fall zu etwas zwingen. Das ist doch klar. Wenn ich geahnt hätte … Nur ich war …, ich war mir so sicher, dass auch du von meiner Idee begeistert sein würdest. Und mit fliegenden Fahnen auf den Pörnbacher-Hof … Aber lassen wir das. Und wenden uns lieber erfreulicheren Dingen zu.« Er schaute Christine tief in die Augen. »Weißt du eigentlich, dass es übermorgen auf den Tag genau zwei Jahre her ist, seit wir uns zum ersten Mal begegnet sind?« Lukas legte alle Sehnsucht der Welt in seinen Blick. »Zwei lange Jahre haben wir inzwischen zusammen verbracht, Chrissie. Zwei wunderschöne Jahre, von denen mich jeder einzelne Tag und jede einzelne Stunde glücklich gemacht hat.«

Christine Hartmanns Miene hellte sich auf wie der Himmel nach einem Sommergewitter. Nach ein paar Sekunden trat sogar der Hauch eines Lächelns auf ihre Züge.

»Lukas, du …, du erinnerst dich wirklich immer noch an unsere erste Begegnung?«, staunte sie. »Das hätte ich nie geglaubt. Aber du hast Recht: Übermorgen kennen wir uns zwei Jahre. Es …, es ist schön von dir, dass du den Tag nicht vergessen hast … Und dabei habe ich in letzter Zeit immer gedacht, dass ich dir nicht mehr so viel bedeute wie am Anfang unserer Beziehung. Ehrlich gesagt war ich schon beinahe überzeugt davon, dass du und Kerstin, unsere neue Assisten­tin …«

Christine verstummte erschrocken mitten im Satz. Lukas sprach vom Tag ihres Kennenlernens und sie kam ihm mit Eifersucht und Misstrauen! Sie fühlte, wie ihr eine heiße Röte in die Wangen stieg. Und war froh, dass Lukas es im matten Schein der flackernden Kerzen bestimmt nicht sehen konnte. Was sollte Lukas von ihr denken!

Lukas zuckte allerdings nur nachsichtig die Schultern, auch wenn es bei der Erwähnung der neuen Assistentin unwillkürlich wie ein Ruck durch seinen Körper gegangen war. Wie in aller Welt war Christine bloß dahintergekommen, dass Kerstin ihm nicht gleichgültig war! Natürlich hatte er der Zuckerpuppe mehr als einmal begehrliche Blicke hinterhergeworfen. Aber er war sich sicher gewesen, seine Leidenschaft für Kerstin trotz allem sehr geschickt verborgen zu haben.

»Auf uns und unsere Liebe, Chrissie«, sagte Lukas schließlich, als wäre nichts gewesen. »Auf dass sie ewig dauern möge.«

Christine sah ihm tief in die Augen.

»Auf dass sie ewig dauern möge«, wiederholte sie sehr leise, aber beinahe feierlich.

»Ja. Ewig und einen Tag«, fügte Lukas hinzu und näherte seine Lippen denen Christines.

Er hatte diesen Spruch einmal irgendwo gelesen.

»Ewig und einen Tag«, gab Christine wie ein Echo zurück, ehe sie sich voneinander lösten und an dem kleinen verschnörkelten Tischchen neben einem in einem Pflanzkübel vor sich hin mickernden Oleander Platz nahmen.

»In den nächsten Tagen werde ich mich dann wohl dazu aufraffen müssen, Gregor dem Großen zu sagen, dass du net nach St. Johann fährst«, stellte Lukas nach einer Weile mit gesenktem Blick fest. Scheinbar nervös und unsicher drehte er dabei seine Sektflöte zwischen seinen Händen hin und her. »Es wird mich auf der Karriereleiter ein gutes Stück zurückwerfen, aber wenn ich dir damit einen Gefallen tun kann …. Du weißt, dass ich für dich und deine Liebe alles opfern, auf alles verzichten kann.«

Noch während er redete, rückte Lukas näher ran, griff nach Christines Hand und umfasste sie fest mit seinen Fingern.

Christine schloss die Augen und ließ ihren Kopf an Lukas’ Schulter sinken.

»Du bist wirklich lieb, Luk«, flüsterte sie. »Ich …, ich möchte dich auf keinen Fall in Schwierigkeiten bringen. Dazu hab ich dich doch viel zu gern. Ich meine, die Sache mit diesem Pörnbacher-Hof in St. Johann … Wenn es dir etwas bringt, könnte ich das Spielchen dir zuliebe wenigstens einmal versuchen. Vielleicht bin ich eine bessere Schauspielerin als ich denke. Und nachdem ich nun nimmer fürchten muss, dass du mich nur für eine Weile los sein willst, um dich Kerstin zuwenden zu können … Meine Eifersucht war kindisch, ich weiß. Aber …«

Lukas Brenner fiel es wie Schuppen von den Augen:

Es war wohl doch gar nicht so sehr das Schwindelmärchen von der Möchtegern-Bäuerin, das Christine die Reise nach St. Johann vergällt hatte, sondern in erster Linie die Angst, ihn zu verlieren. Lukas’ Herz klopfte bei diesem Gedanken unwillkürlich schneller. Er fühlte sich geschmeichelt, erleichtert und voll neuer Hoffnung zugleich.

»Du musst mir deine Liebe net mit einem Aufenthalt im Wachnertal beweisen, Chris«, wagte er nach kurzem Zögern einen weiteren Vorstoß. »Allerdings wär’ ich dir, ehrlich gesagt, schon sehr dankbar, wenn du dich doch noch dazu bereit fändest.« Er kaute einen Moment lang auf seiner Unterlippe herum, dann fügte er hinzu: »Es ist mir selber auch net gerade leichtgefallen, eine mehrwöchige Trennung von dir zu akzeptieren. Das darfst du mir glauben, Liebes. Ich wollte Gregor dem Großen nur net widersprechen. Du kennst unseren Boss ja zur Genüge und weißt, wie sauer er auf Gegenwind reagiert. Da hab ich halt stillgehalten. Aber vermissen werd’ ich dich schrecklich, Chris. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute. Das war mir von Anfang an klar. Daran gibt es keinen Zweifel. Im Grunde fang’ ich ja jetzt schon damit an. Und den Pörnbacher werd’ ich glühend beneiden, weil er in deiner Nähe sein darf. An irgendwelche attraktive Jungbauern-Bewerber darf ich erst gar net denken, sonst wird mir gleich ganz anders. Du siehst, Chrissie, dass net nur du hin und wieder von der Eifersucht gepackt wirst. Mir ergeht es auch net besser.«

Sanft strich Lukas über Christine Hartmanns dunkle Locken. Und schmunzelte, als ihr ein wohliger Seufzer entfuhr.

»Wir werden telefonieren, Luk«, schlug Christine vor. »Jeden Morgen, noch vor dem Frühstück. Und jeden Abend. Und sobald ein paar Tage drehfrei sind, komm’ ich nach München.«

Lukas streichelte weiter, aber eher automatisch, denn mit Gefühl. Nervös leckte er sich über die Lippen.

»Das wird net nötig sein, Schatz«, antwortete er ein wenig zu rasch und ein wenig zu laut. »Weil ich jede freie Minute in St. Johann verbringen werde. Net dass dich mir doch noch einer der Jungbauern ausspannt, die alle auf den Pörnbacher-Hof wollen.«

Christine schlang ihre Arme um Lukas’ Nacken und blinzelte dem Kollegen und Freund verliebt zu.

»Davor brauchst du keine Angst zu haben. Ich werd’ dir net untreu, Luk«, versicherte sie. »Erstens mag ich nur dich allein. Und zweitens möcht’ ich wissen, was ausgerechnet ich mit einem Bauern anfangen sollte. Schließlich spiel’ ich ja nur die Aussteigerin. Den ganzen Tag Stall ausmisten, Kühe melken und im Feld arbeiten, würd’ mir grad noch fehlen.« Sie lachte. »Vielleicht stell’ ich mich zu all den Sachen ja sogar so dumm an, dass mich dieser Pörnbacher schon nach einer Woche wieder vor die Tür setzt. Dann sehen wir uns schneller wieder, als Gregor dem Großen lieb ist.«

Lukas Brenner stimmte in Christines Lachen ein, wenn ihn auch beim Gedanken an Kerstin und mögliche Überraschungsbesuche Christines in München eine leise Unruhe beschlich.

*

Mit ausgreifenden, aber doch bedächtigen Schritten marschierte Pfarrer Trenker in Richtung Pörnbacher-Hof. Einmal warf er kurz einen leicht wehmütigen Blick zum Kogler hinauf und zu der Senke, in der die Streusachhütte lag, lief dann aber zügig weiter, bis er Franz’ und Burgls Anwesen erreicht hatte.

Luxl, der Hofhund, kam ihm aufgebracht bellend und knurrend entgegen, verstummte aber, als er den Geistlichen erkannte, und wedelte freundlich mit dem Schwanz. Nur Murr, der Kater, kannte kein Pardon. Er fauchte, auf dem Fensterbrett buckelnd, den Bergpfarrer giftig an, als er sich der offen stehenden Haustür näherte.

Sebastian klopfte. Als sich nichts regte, rief er nach den Bewohnern, betrat schließlich den Flur und schaute sich um, aber keine Menschenseele war zu sehen. Schulterzuckend verließ er das Haus wieder und wandte sich in Richtung Stall. Gerade wollte er die große Holztür öffnen, als sie sich öffnete.

Aus dem Halbdunkel trat Burgl Pörnbacher, einen Melkeimer in der Hand.

»Guten Morgen, Herr Pfarrer«, grüßte Burgl freudig überrascht. »Das ist aber schön, dass Sie uns wieder einmal besuchen.«

Sie hielt dem Bergpfarrer die nicht ganz saubere Hand hin, die der Geistliche warm und herzlich drückte.

»Guten Morgen, Burgl«, erwiderte er freundlich den Gruß der Pörnbacher-Bäuerin. Er zögerte einen Moment, weil er nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen wollte, dann setzte er hinzu: »Wie geht es dir und dem Franz? Alles in Ordnung bei euch hier heroben?«

Burgl holte tief Luft.

»So weit schon«, antwortete sie, trat dann einen Schritt zurück und musterte Pfarrer Trenker mit einem leicht verlegenen Seitenblick. »Allerdings wollen wir unseren Hof aufgeben und sind auf der Suche nach einem Nachfolger. Aber davon haben Sie wahrscheinlich schon gehört. So etwas spricht sich in einem Ort wie St. Johann schließlich schnell herum. Vor allem, wenn man, wie wir gestern, in den Wohnstuben sämtlicher Häuser über den Bildschirm flimmert.«

Pfarrer Trenker lächelte.

»Sogar im Pfarrhaus«, meinte er und blinzelte Burgl zu. »Ehrlich gesagt, ein wenig gewundert hab ich mich schon. Im Grunde seid ihr ja für den Ruhestand noch ein bissel jung, du und dein Franz. Findest net auch, Burgl?«

Die Pörnbacherin zuckte die Schultern.

»In den Fünfzigern sind wir halt«, sagte sie. Freilich ist das in der heutigen Zeit noch kein Alter. Und eigentlich wollten wir ja immer hier auf unserem Hof arbeiten, solang wir irgend können. Bloß auf einmal hat der Franz dann nur noch davon geredet, dass wir auf die Art und Weise gar nix mehr von unserem Leben haben.« Burgl hielt inne, griff nach ihrem Taschentuch und schnäuzte sich. »Wenn ich ehrlich bin, war ich von der Idee, jetzt schon in Rente zu gehen, am Anfang gar net sonderlich begeistert. Aber nach und nach hat der Franz mich überzeugt. Für wen rackern wir uns eigentlich ab? Wir haben keine Kinder. Unser Hof kommt, wenn der Franz und ich einmal nimmer können, sowieso in fremde Hände. Was macht es für einen Unterschied, ob jetzt gleich oder in zehn Jahren?« Burgl machte wieder eine kleine Pause und setzte den schweren Melkeimer ab. »Der Franz hat gemeint, je eher wir übergeben, desto mehr gemeinsame Zeit bleibt uns noch. Sorglos und frei. Mein Schwiegervater ist als junger Mann über zwei Jahre in Amerika gewesen und hat dem Franz, als er noch ein Bub war, immer wieder von der Neuen Welt erzählt. Und ihn neugierig gemacht. Kein Wunder, dass mein Mann sich gewünscht hat, die Berge von Montana einmal mit eigenen Augen zu sehen. Aber eine so weite Reise ist, wenn man einen Bauernhof hat, schlicht unmöglich.« Burgl ließ ihre Blicke für einen Moment über ihren Hof hin schweifen. »Was mich selbst betrifft, hab ich als junges Madl ständig von einer Hochzeitsreise nach Venedig geträumt. In einer warmen Sommernacht eine Gondelfahrt zu zweit auf dem Canale Grande, wenn sich die Sterne im Wasser spiegeln und der Gondoliere ein romantisches Liebeslied singt … Aber nachdem der Franz und ich geheiratet hatten, war leider keine Zeit für Flitterwochen. Ein paar Flitterstunden haben wir gehabt, das war alles. Während unserer bescheidenen Hochzeitswanderung auf die Kandereralm haben wir uns geschworen, alles nachzuholen. Aber wie das halt so ist im Leben …«

Pfarrer Trenker nickte.

»Von der Seite hab ich die Sache bis jetzt noch gar net betrachtet«, meinte er, nachdenklich geworden. »Vielleicht ist die Entscheidung, die dein Mann getroffen hat, wirklich gar net so schlecht. Wo ist der Franz eigentlich? Im Wohnhaus hab ich geklopft, aber niemanden angetroffen.«

»Das glaub ich Ihnen gern«, gab Burgl zurück. »Der Franz ist heut früh gleich nach dem Frühstück in die Kreisstadt gefahren, einen wichtigen Behördengang erledigen. Und den Hannes, unseren Knecht, hat er mitgenommen. Ria, die Magd, hat heut’ ihren freien Tag, und …« Burgl unterbrach sich mitten im Satz und tippte sich gegen die Stirn. »Und ich bin unhöflich, dass es gar nimmer unhöflicher geht«, vollendete sie. »Ich red’ und red’ und lass Sie einfach mitten auf dem Hof stehen, Herr Pfarrer. Anstatt Sie ins Haus zu bitten. Ich hoff’, Sie sind mir net bös. Aber die Geschichte mit der Hofübergabe treibt mich halt doch um. Und ich war einfach froh, mit Ihnen reden zu können. Mit einem Menschen, der einem einen ehrlich gemeinten Rat gibt und auf dessen Urteil man sich unbedingt verlassen kann.«

Pfarrer Trenker wusste nicht so recht, was er antworten sollte. Burgls Vertrauen ehrte und rührte ihn. Aber dass der Bäuerin die Entscheidung für den Ruhestand offenbar doch schwererfiel, als sie es sich eingestehen wollte, war kaum zu überhören und das beunruhigte Sebastian.

»Es ist alles in Ordnung, Burgl, mach dir keine Gedanken«, sagte er und schüttelte lächelnd den Kopf.

»Gott sei Dank«, gab die Pörnbacher-Bäuerin erleichtert zurück. Sie wies auf den Melkeimer. »Ein Glas frische Milch mögen Sie doch sicher, Herr Pfarrer«, bot sie an. »Und einen Kaffee mach’ ich Ihnen auch noch. Zu dem Guglhupf, den ich gestern gebacken hab. Er schmeckt zwar bestimmt net halb so gut wie der, den Ihre Frau Tappert Ihnen kredenzt, aber der Franz und unser Knecht waren bisher mit meinen Koch- und Backkünsten jedenfalls net unzufrieden.«

Sebastian Trenker konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er Burgl Pörnbacher, die ihm das Tragen des schweren Melkeimers nur widerstrebend überließ, ins Haus folgte. Er nahm auf dem Sofa in der geräumigen Wohnküche Platz und stellte angenehm berührt fest, dass der Raum seit seinem letzten Besuch nichts von seiner Behaglichkeit eingebüßt hatte. Auf dem schweren Eichentisch stand eine Blumenvase mit üppigen Bauernrosen. Von den holzvertäfelten Wänden grüßten immer noch die Fotos und Bilder der Familien, die einmal hier auf dem Pörnbacher-Hof gelebt und gewirkt hatten. Und alles blitzte und funkelte nur so vor Sauberkeit.

»Da ist die Milch, Herr Pfarrer«, unterbrach Burgl Pörnbacher schon nach kurzer Zeit Sebastian Trenkers stille Betrachtung ihres häuslichen Wirkens. »Kaffee und Guglhupf kommen gleich.«

Es dauerte in der Tat nicht lange, bis die Bäuerin mit einem bemalten Holztablett, auf dem sich ein Teller mit Kuchen und eine blaue Kaffeekanne nebst passender Tasse befanden, zurückkehrte.

Sebastian nahm der Pörnbacher-Bäuerin ihre verführerisch duftende Last ab.

»Und du, Burgl? Willst’ mir net Gesellschaft leisten und auch etwas essen und trinken?«, schlug er vor.

Burgl Pörnbacher überlegte einen Moment, dann nickte sie.

»Warum eigentlich net«, stimmte sie zu und verschwand noch einmal, um sich selbst ebenfalls mit Kaffee und Kuchen zu bedenken.

Der Bergpfarrer und die Bäuerin saßen noch nicht lange beisammen, als mit einem Mal der Hofhund anschlug und fast gleichzeitig draußen das Motorengeräusch eines Autos zu vernehmen war.

»Jesses, der Franz. Er wird doch net schon da sein«, freute sich Burgl und sprang auf.

Sie eilte zur Tür und öffnete. Gerade noch rechtzeitig, um ihren Mann hereinzulassen.

Franz gab seiner Frau einen kurzen Begrüßungskuss, dann fiel sein Blick auf Pfarrer Trenker. Einen Moment lang stutzte er, doch die Freude über den unverhofften Besuch überwog.

Mit einem herzlichen Lächeln streckte er dem Bergpfarrer beide Hände entgegen.

Sebastian Trenker ergriff sie, hatte aber Mühe das leise Erschrecken zu verbergen, das er beim Anblick Franz Pörnbachers empfand.

Der ehemals stämmige Mann war zwar immer noch kräftig, hatte aber doch an Gewicht verloren. Und sein Gesicht war nicht mehr so braun gebrannt wir früher, sondern viel blasser, als Sebastian es in Erinnerung hatte.

»Ich hab dem Herrn Pfarrer schon von unserem Vorhaben erzählt«, erklärte Burgl, noch ehe einer der beiden Männer hätte das Wort ergreifen können.

Pfarrer Trenker und Franz Pörnbacher sahen sich ein wenig verlegen an, dann lachte der Bauer bemüht auf.

»Das wär’ bei unserem neuen Bekanntheitsgrad wahrscheinlich gar net nötig gewesen, Burgl«, bemerkte er scherzhaft und setzte, zu Sebastian Trenker gewandt, hinzu: »Ich hab mich über mich selber gewundert, dass ich alter Einsiedler es geschafft hab, in eine Fernsehkamera zu grinsen. Aber wozu man fähig ist, weiß man bekanntlich erst, wenn man es ausprobiert. Jetzt brauchen sich jedenfalls nur noch die richtigen Leute zu melden. Dann ist die Sache geritzt.«

Burgl warf Pfarrer Trenker einen Hilfe suchenden Blick zu.

»Ich wollt’ Sie sowieso schon fragen, ob Sie es net doch ein bissel riskant finden, ausgerechnet über das Fernsehen nach einem Nachfolger für unseren Hof zu suchen. Ich mein’, weil sich schließlich auch leicht ein Hallodri melden könnt’, der gar kein wirkliches Interesse hat. Und sich bestenfalls einen Spaß mit uns macht. Und schlimmstenfalls …«

Franz Pörnbacher verdrehte die Augen.

»Burgl, ich bitt’ dich. Fang doch net schon wieder mit diesem Blödsinn an«, wies er seine Frau sanft, aber bestimmt zurecht. »Wie oft hab ich dir gesagt, dass gar nichts von alldem eintreten wird. Wir werden einen netten arbeitsamen und anständigen jungen Mann finden, der unser Anwesen vielleicht sogar erfolgreicher weiterführen wird, als wir es in unseren besten Jahren getan haben. Und, wenn erst alles vorbei ist, werden wir froh sein, dass wir die Sorgen und die ewige Plackerei mit unserem Hof los sind.«

»Aber deshalb darf ich den Herrn Pfarrer doch trotzdem bitten, dass er sich, wenn es erst so weit ist, die Mühe macht, ein Auge auf unsere Bewerber zu werfen«, wagte Burgl einen Einwand. »Der Herr Pfarrer hat bestimmt mehr Menschenkenntnis als du und lässt sich net so leicht an der Nase herumführen. Schließlich ist er auch mit dem raffinierten Weibsstück fertiggeworden, das mit ihrer Schönheitsklinik die Nonnenhöhe verschandelt hat.«

Franz Pörnbacher blieb angesichts Burgls Vorstoß nichts übrig, als stumm ein weiteres Mal die Augen zu verdrehen. Zumal er Burgls Idee im Grunde gar nicht so abwegig fand. Er hatte sogar selbst schon mit dem Gedanken gespielt, Pfarrer Trenker als unvoreingenommenen Beobachter hinzuzuziehen. Verstärkung konnte schließlich nie schaden.

»Ich möcht’ Sie zwar net mit unseren Angelegenheiten behelligen, Herr Pfarrer«, sagte Franz, »aber wenn meine Frau Angst davor hat, hereingelegt zu werden, und mir net zutraut, es zu merken, könnt’ es ja vielleicht wirklich net schaden, wenn Sie sowohl auf die Bewerber als auch auf die Fernsehleute ein wachsames Auge werfen würden. Natürlich nur, damit meine Burgl beruhigt ist.«

Sebastian Trenker war über Franz Pörnbachers Reaktion sichtlich erleichtert.

»Warum net?«, meinte er. »Drei Leute sehen schließlich mehr als zwei. Und Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste.«

Nun mussten alle drei lachen, und der Bergpfarrer machte sich, nachdem er seinen Guglhupf verzehrt und seinen Kaffee getrunken hatte, ein gutes Stück beruhigter auf den Heimweg als er gekommen war.

Der Bergpfarrer 252 – Heimatroman

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