Читать книгу Mond der Kindheit - Tor Åge Bringsværd - Страница 6

III

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Ich kann sie sehen. Undeutlich. Wie durch einen Schleier. Ich weiß, daß sie meine Mutter und mein Vater sind. Aber ich empfinde nichts für sie. Nicht jetzt. Und ich glaube ... damals auch nicht. Wir waren zu viele Geschwister. Die meisten von uns unerwünscht. Auch hier sind die Gesichter verwischt für mich. Oder aufgelöst in Splitter. Und willkürlich zusammengesetzt. Weshalb ich nie sicher sein kann, ob Augen und Haare vom selben Gesicht stammen. Vater starb, als ich fünf war. Und die Mutter hatte andere, um die sie sich mehr kümmerte. Meinte ich damals. Heute vermute ich, sie hat es wegen des Geldes getan. Das wir weiß Gott nötig hatten.

Mehr gibt es nicht zu sagen.

Mehr brauchst du nicht zu erfahren.

Ich habe dich aufgefordert, zuzuhören. Ich brauche keinen Beichtvater. Nie. Nie mehr.

Wir wußten, daß das Böse in der Welt war. Wir wußten, daß es nur schlimmer werden würde. Denn so stand es geschrieben. Das Böse müsse herrschen. Und erst dann ... wenn alles niedergebrannt war ... würde das Tausendjährige Reich kommen.

Aber konnte es schlimmer werden, als es bereits war?

Ich wurde in einem Europa geboren, in dem alle darauf warteten, daß der Himmel aufriß und die Engel des Herrn sich in den Wolken zeigten.

Ich kannte natürlich nicht die großen Zusammenhänge. Die erfuhr ich später. Ich wußte damals nicht, daß Frankreich gerade die Normandie erobert hatte und sich anschickte, nach England zu ziehen, wo Johann Ohneland gegen die Bischöfe und Barone kämpfte und die Kirchenglocken tausend Tage lang stumm geblieben waren. Ich wußte nicht, daß sich christliche Heere in Spanien sammelten, um die Almohaden zurückzuschlagen. Ich hatte keine Ahnung vom Kampf um den Thron im Heiligen Römischen Reich – das Gezänk zwischen Otto IV. und Friedrich II. Ich hatte nie den Namen Albigenser gehört. Ich wußte nur, daß der Papst – unser Heiliger Vater – Tag für Tag Ketzer und Juden verdammte. Und daß er Nacht für Nacht auf den Knien lag und verzweifelt darum betete, daß Jerusalem befreit werden möge.

Ich war ein Kind.

Ich wußte nur, daß wir in einem Jammertal lebten, heimgesucht von Hunger, Krieg und Pest.

Ich wußte, daß überall die Zeichen waren. Daß die Kometen wie Drachen am Himmel flogen. Daß Tote aus den Gräbern auferstanden. Daß Menschen mit Schweineköpfen geboren wurden. Und daß es in Hamburg Frösche regnete.

Man schrieb das Jahr 1212.

Ich wußte, daß wir in einer Endzeit lebten.

Aber ich hatte eine glückliche Kindheit. Das muß man mir glauben. Ich habe Kinder gesehen – woanders –, die zwischen verwesenden Leichen Verstecken spielten. Ich habe sie gesehen – halb verhungert –, wie sie Murmeln spielten vor Mauern, die einmal ein Heim umgeben hatten und nun nur noch rauchende Trümmer waren. Ich habe bei einem alten Märchen oder beim Grimassenschneiden apathische Gesichter wie einen Sternenhimmel aufleuchten sehen. Ich bin oft vor Kindern aufgetreten. Es braucht nicht viel, sie zu fangen. Ich habe Berufskollegen sagen hören, Kinder seien das anspruchsvollste Publikum. Meine Erfahrung ist gegenteilig. Sie sind leicht zu verführen. Eine spannende Verfolgung, ein paar einfache Fakten – und sie sind gebannt wie eine Motte im Licht. Es soll schwierig sein, Kinder zu betrügen? Ich hatte eine glückliche Kindheit. Zweifellos. Ich hatte zweifellos eine glückliche Kindheit. Denn Kinder sind sehr gewitzt, wenn es darum geht, einen Lichtblick zu entdecken. Im Verhältnis zur Körpergröße haben sie mehr Blut als Erwachsene. Es ist heiß und strömt schnell, besteht hauptsächlich aus Feuer und Wasser. Deshalb sind Kinder lebendiger und optimistischer als wir andern. Mitten im Elend.

Ich sprach einmal mit Yelü Chucai darüber. Ich stand ihm nicht besonders nahe. Und trotzdem ... das wird mir jetzt klar ... ich glaube, wir konnten über fast alles miteinander reden. Nie tagsüber. Da war ich nur einer von vielen. Aber wenn er nicht schlafen konnte, kam es vor, daß er einen Boten nach mir schickte. Er wollte immer, daß ich mein Gesicht geschminkt hatte oder eine Maske trug. Er sagte, er könne dann besser zuhören ... Während dieser nächtlichen Gespräche gingen wir gewöhnlich ein Stück, jedesmal den gleichen Weg. Hinaus durch die östlichen Stadttore, die auf sein geliebtes Cathay wiesen – die Heimat, die er verließ, um sich Dschingis Khan und der Goldenen Horde anzuschließen. Ich erinnere mich an seine Stimme. Leise und klar. Und jeder Satz genauso sauber gedreht wie der Krug eines Töpfers. Wir gingen allein unter den Sternen. Während die Häuser um uns langsam zu Erdhütten wurden und die großen Jurten zu kleinen, schmutzigen Zelten schrumpften. Ich glaube, er fühlte sich frei genug, zu sagen, was er wollte. Und ich weiß, daß er von mir dasselbe glaubte. Aber ich habe vielen Herren gedient. Ich weiß, daß bei Tageslicht vieles anders aussieht. Und ich habe mir nicht nur angewöhnt, meine Zunge zu hüten, ich achte auch ängstlich darauf, was ich meinen Ohren zu hören erlauben kann. Denn was ein Herr seinem Diener vertraulich oder im Rausch sagt, kann den Diener am nächsten Tag den Kopf kosten. Ich weiß, daß Yelü Chucai über solche Dinge erhaben war. Ich weiß, daß er meine Vorsicht nicht verdiente. Doch wer einmal eine Maus gewesen ist, sieht auch an der ausgestreckten Hand Katzenklauen. Meine Aufgabe war, ihn zu zerstreuen. Seine Gedanken abzulenken von den unangenehmen Pflichten. Ihm Bilder zu geben, die ihn zum Staunen brachten. So blieb ich in der Rolle. Versuchte, zu steuern, so gut es ging. Übertrieb nie. Aber obwohl ich es nicht wagte, völlig ich selbst zu sein ... der Ernsthaftigkeit unserer Gespräche tat das keinen Abbruch. Denn auch innerhalb einer solchen Rolle besteht eine gewisse Freiheit. Und ich weiß ... wir hatten beide Freude an unserem Zusammensein. Aber ich will mich nicht wichtiger machen, als ich war. Das geschah nicht sehr oft. Vielleicht ein- oder zweimal im Monat. Daß wir so wanderten ... nächtens und allein ... durch das Karakorum der Mongolen. Den Nabel dieses Monstrums von einem Staat, an dessen Geburt er selbst beteiligt war. Den er jetzt mit seinem Herzblut säugte. Ein neugeborenes Weltreich, so groß, daß ein Mensch zwei Jahre benötigte, um von einer Grenze zur anderen zu gehen. Ich musterte den kleinen Chinesen neben mir. Auch er war ein Fremder. Nur der Khagan war mächtiger als mein Herr Yelü Chucai. Und was dachte er über mich? Was las er in meinem weiß geschminkten Gesicht? Fühlte er sich wegen mir weniger fremd? Weil meine Wurzeln noch weiter von dieser verblasenen Steppe entfernt lagen als die seinen? War ich eine Art Freundschaftsersatz? Oder war ich nur ein exotisches Geschöpf vom Ende der Welt? Ich brachte ihn jedenfalls zum Lachen ... wenn ich ihm erzählte, was wir aßen, wie wir uns kleideten, wie wir saßen und wie wir schliefen. Er wollte alles wissen, jede Kleinigkeit in den Bildern meiner Erinnerung. Ich merkte, daß es ihn oft verwirrte. Doch auf diese Verwirrung legte er Wert. Er sagte: »Dadurch bekomme ich neue Augen.« Und etwas später: »Wie reden die Hunde in deiner Sprache? Wie die Hähne?« Und wir kläfften und bellten uns an. Wir standen auf einem Bein und krähten, zuerst auf deutsche, dann auf chinesische Weise. Es waren helle Nächte ... Ich erinnere mich aber auch an die Nacht, in der ich die Bilder mit Schatten versah. Als ich nicht mehr über meine eigene Erniedrigung lachte. Ihm mißfiel es, daß ich nichts von meinen Eltern hielt. Daß mich die Blutsbande nicht stärker mit der Familie verknüpften. Für ihn war das so undenkbar wie ehrlos. Trotzdem verdammte er meine Haltung nicht. Sagte nur: »Ich sehe. Auch wenn es mir schwerfällt, mit deinen Augen zu sehen.« Wo die Häuser und Jurten endeten, blieben wir stehen – dort, wo wir immer umzukehren pflegten, bei der großen, sechs Meter langen Schildkröte aus Granit, die eine Säule auf dem Rücken trägt. Yelü Chucai liebte es, beide Hände auf den verzierten Panzer zu legen. Er konnte lange so stehen. Wortlos. In dieser Nacht wunderte er sich nur darüber, warum ich als Kind niemanden gehabt hatte, den ich liebte. Er sagte: »Kleine Hunde vergessen rasch. Sie lecken die Hand, die sie gerade noch geschlagen hat. Bis sie lernen zuzubeißen, vergeht einige Zeit.« Schließlich erzählte ich ihm von Regine, meiner ältesten Schwester, die starb, als ich sieben war. Regine war zwölf. Sie war groß und schlank und glich einem Jungen. Sie arbeitete bei einem Bäcker. Jede Nacht schlief sie in seinem Keller. Um Ratten und Mäuse vom Mehl fernzuhalten. Heute ist auch ihr Gesicht für mich verwischt. Am besten erinnere ich mich an ihre Schürzentaschen. In denen immer Kuchenkrümel waren. Ich glaube nicht, daß sie sich mehr um mich kümmerte als die andern. Aber zu Hause war es eng – und Regine freute sich über Gesellschaft. Sooft ich konnte, schlich ich mich nachts fort und hinunter zu ihr in den Keller. Sie brachte mir das Zahlenschreiben bei. Sie brachte mir bei, wie man zusammenzählt und abzieht. Ich kannte niemanden, der Lesen und Schreiben beherrschte ... Eines Nachts kam der Bäcker hinunter in den Keller. Ich versteckte mich. Er war betrunken und entdeckte mich nicht. Er suchte Regine. Ich wollte schreien, als er seinen schweren Körper auf sie wälzte. Doch Regine blieb ruhig liegen und bedeutete mir, den Mund zu halten. Er schlief ein, bevor er ihr etwas tun konnte. Danach wollte Regine nicht mehr, daß ich sie besuche. Und sie hörte auf, mit mir zu reden. Ich schaute Yelü Chucai an. Verzerrte den rot geschminkten Mund zu einem Grinsen. »Soll ich noch mehr erzählen? Ich hatte noch fünf Geschwister ...« Und ich nannte sie beim Namen: Carl, Oswald, Heinrich, Christine, Maria. Ich erzählte, daß ich zu schwach gewesen sei, um Bretter zu tragen, um beim Be- und Entladen der Schleppkähne zu helfen wie meine anderen Brüder. Daß ich nie so gut betteln konnte wie Christine und Maria, weil ich stotterte, und wenn überhaupt jemand die Tür öffnete, erschrak ich so, daß ich alles auf einmal hervorsprudelte und keiner verstand, was ich sagte. Ich fand es normal, daß mich die andern herumschubsten und mir meine Sachen klauten. Es schien so sein zu müssen, daß mich meine Brüder schlugen und traten. Denn ich hatte das Gefühl, zu nichts nütze zu sein. Nur ein hungriger Mund mehr zu sein. Und meine Brüder mußten sich oft mit den anderen Jungs wegen meiner Mutter prügeln. Sie wurden geneckt und mußten sich häßliche Wörter anhören. Und weil die andern immer mehr waren, mußten sie früh lernen, Prügel einzustecken. Wenn ich an sie denke, habe ich nicht ihre Gesichter vor mir, ich sehe nur Nasenbluten. Schürfwunden und geschwollene Lippen. Und da war es naheliegend, daß sie mich packten, wenn sie nach Hause kamen ... Mich, den Tagedieb, mich, den Einzelgänger ... mich, den Schlappschwanz. All das schilderte ich Yelü Chucai. Und ich erzählte auch, wie mich die Mutter einmal bat, dabei zu sein ... wie ich draußen warten mußte, im Schatten der Treppe ... bis sie mich rief ... und ich kam ins Zimmer zu ihnen, und Mutter sagte, ich solle mich ausziehen und mich zwischen sie legen ... weil der, bei dem sie war, es so wünschte. Und ich erinnere mich, daß sie weinte, und ich erinnere mich an meine eigenen, verwirrten Gefühle ... wie sich die Demütigung mischte mit der Freude, daß sie mich endlich brauchen konnte. Ich erinnere mich, daß ich versuchte, sie zu trösten. Daß ich alle beide trösten wollte. »Muß ich mehr erzählen?« Yelü Chucai schüttelte den Kopf. Strich mit der Hand über die große steinerne Schildkröte und starrte in die Dunkelheit. Einen Augenblick bereute ich es. Hatte ich zuviel gesagt? Und außerdem: Wie klein und unbedeutend mußte sich das für ihn anhören, verglichen mit dem Grauen, das er in einem langen Leben gesehen hatte ... oder besser: mit dem Grauen, das ich selbst gesehen – und erlebt hatte, später, als Erwachsener! Aber nach einer Weile schüttelte er wieder den Kopf – und ich kann immer noch den Schrecken in seiner Stimme hören, als er sagte: »Du hast keinen gekannt, der lesen und schreiben konnte?« Zuerst meinte ich, falsch gehört zu haben, aber er legte eine Hand auf meine Schulter und fuhr fort: »Du kommst weder aus der Wüste noch aus dem Gebirge. Du kommst aus einem Teil der Welt, wo man große Tempel und Paläste baut. Wo man wie die Esel schreit und sich wegen des Erreichten brüstet. Wo man überzeugt ist, vom einzig wahren Gott auserwählt zu sein. Und du behauptest, daß du keinen – überhaupt keinen – kanntest, der Lesen oder Schreiben beherrschte?« Für ihn war das das Schrecklichste von allem ...

Wir standen lange in dieser Nacht, die Hände auf die Schildkröte gelegt, und redeten über die hoffnungslose Torheit des Menschen.

Ich hatte eine weiße Maske aufgelegt, mit rotem Mund und schwarzen Labyrinthen auf beiden Wangen. Die Augen hatten blaue Schatten, und die Brauen zeigten schräg nach oben.

Du sollst wissen, Yelü Chucai, alter Fuchs und schlaue Eule – der du am Fuße des Wan Shen ruhst, jenes Berges, nach dem du dich immer sehntest –, du sollst wissen, daß du recht hattest. Ich sage das jetzt, zu dir und zum Wüstenwind und mit einer Tuschfeder, die jedes Wort einfängt und es für die Zukunft festhält: Du hattest recht. Ich war der kleine Hund, von dem du sprachst. Ich unterwarf mich, wedelte mit dem Schwanz ... leckte Hände, die mich schlugen ... machte Männchen, um ein bißchen Liebe zu erhaschen, gab Pfötchen für einige kalte Brocken Zuneigung. Und die anderen: Auch sie müssen etwas gefühlt haben. Ich weiß, daß du recht hast ... wenn ich alle versperrten Gemächer in meinem Kopf öffne, wenn ich ein Licht entzünde und damit in all die alten, verstaubten Winkel leuchte ... dann erkenne ich, daß du recht hast. Denn die Liebe hat viele verkrüppelte Gestalten. Und etwas muß dagewesen sein ... etwas war da. Sonst wären all diese Räume heute leer, nachdem ich mich endlich wieder hineinwage. Aber Schatten, Namen, Teile von Bildern, halb verwischte Gesichter, die Erinnerung an einen Geruch, ein entferntes Echo von Stimmen (nicht so sehr die Wörter, mehr der Klang) ... das ist da – alles. Und ich kann es betrachten, drehen und wenden, sogar das meiste verzeihen ... was meine Geschwister betrifft. Kann sie verstehen. Wenigstens den Versuch machen. Aber die Mutter will ich möglichst vergessen. Die Tür zu ihrem Gemach in meinem Kopf wird verschlossen bleiben. Und den Schlüssel habe ich weggeworfen. Denn es war nicht nur das eine Mal ... und ich mußte immer tun, was sie sagten, immer tun, was sie wollten. Ich glaube zwar, daß auch sie keine Wahl hatte. Daß alles notwendig war und der einzige Ausweg. Ursprünglich könnte sie es so gesehen haben. Daß es so für uns alle das Beste war. Trotzdem möge sie in der Hölle braten. In alle Ewigkeit.

Ich denke an die Schildkröte.

Sie ist ebenso im Meer zu Hause wie an Land. Sie hat ein langes Leben. Mit ihren langsamen, unergründlichen Bewegungen verbinden wir Anfang und Ende aller Dinge, denken an die Schöpfung und an die Urkräfte, die nach wie vor wirksam sind. In großen Teilen Asiens gilt die Schildkröte als Symbol für das Unveränderliche, das, was sich nicht zerstören läßt. Oft können wir sie mit einem Elefanten auf dem Rücken abgebildet sehen, einem Elefanten, der seinerseits die ganze Welt trägt. Wir kennen sie auch gezeichnet als Kreis in einem Viereck. Der Kreis ist der Panzer – der Himmel –, das Viereck der Körper – die Erde. Doch selbst wenn sie auf diese Weise einen wandernden Hinweis auf den Kosmos darstellt, ist die Vorstellung Erde/Viereck stärker. Weil alles, was währt, alles, was verläßlich ist, mit dieser geometrischen Figur zu tun hat. Es gibt vier Jahreszeiten, vier Elemente und vier Himmelsrichtungen. Das ist konstant. Daran können wir uns halten.

Yelü Chucai – ich denke an deine Schildkröte.

Denn: Das aufzuschreiben ist genauso, als wollte man Sand mit beiden Armen auffangen. Du faltest die Hände und bildest einen Ring ... hebst ihn hoch ... doch nichts wird festgehalten – alles rinnt hindurch.

Und ich habe keine Schildkröte, um mich anzulehnen.

Als ich acht war.

Als ich acht Jahre ... alt war.

Ich lüge. Kein Wort ist wahr. Ich wurde in einem Schloß geboren. Mit drei Türmen und vierzehn bizarr geformten Spitzen. Meine Mutter war eine Prinzessin. Mein Vater war ein Ritter in glänzender Rüstung. Ich schlief in einem Seidenbett, und mein Kopfkissen war mit Daunen gefüllt. Ich hatte die besten Lehrer Europas. Die Musik, die ich schrieb, wird noch in tausend Jahren gespielt werden. Und meine Lieder werden niemals sterben.

Das rief ich dem Taubstummen zu. Ich begleitete ihn in die Sanddünen. Half ihm, Zweige und Wurzeln auszugraben. Trug ihm den Korb. Und rief und schrie dabei ununterbrochen. Und sein Lächeln wurde größer und größer. Während seine Augen immer erschreckter blickten.

Ich weiß: Die Leber macht mir wieder zu schaffen.

Fremder ... der du in die Höhle gekrochen bist, die ich noch nicht gefunden habe ... der du den Krug geöffnet hast, den ich noch nicht ausgewählt habe ... der du die Rolle liest, die ich noch nicht fertig geschrieben habe ... Welche Jahreszeit haben wir? Blühen die Jujube-Bäume? Ist der Mond noch genauso weit entfernt? Gibt es noch Schildkröten?

Ich weiß: Die Jahreszeiten werden aufhören. Eines Tages kann die Erde zu einer Eisscholle gefrieren oder wie ein Scheiterhaufen brennen. Die Jujube-Bäume können verwelken und sterben. Ihre Samen können unfruchtbar werden wie Steine. Der Mond kann ins Meer stürzen und ertrinken.

Aber zwei Dinge werden unverrückbar bestehen: die hoffnungslose Torheit des Menschen – und die Weltherrschaft der Mongolen.

Dies sind die einzig wirklichen Schildkröten, die ich gefunden habe.

Du sollst wissen – ich sage das ohne Genugtuung.

Ich sage nur: Von allen Tatsachen sind diese beiden die einzigen, nach denen wir uns richten müssen.

Mond der Kindheit

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