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Samstag: Freizeit im Männerwohnheim Meldemannstraße in Wien Brigittenau

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Ich konnte ein ziemlich böser, aber manchmal auch sehr netter Mensch sein, dachte ich. Es war Samstagmorgen gegen halb fünf. Ich lag in einem Wiener Männerwohnheim, dem Heim für Obdach- und Arbeitslose in der Meldemannstraße im Wiener Gemeindebezirk Brigittenau. Du wirst dich jetzt sicher fragen, was ein Männerwohnheim ist. So eine billige Absteige? – Billig schon, und schäbig. Der Himmel auf Erden sah anders aus.

Geboren wurde ich als Juri Sonnenburg in Deutschland, und nach dem Studium der Geologie landete ich in Wien. Georg, ein Kärntner Urvieh, ebenfalls diplomierter Geologe, lag im Bett über mir und schnarchte vor sich hin. Wir teilten uns ein Schlafabteil ohne Komfort. Er war mein einziger Freund, und Freunde waren in diesem Milieu von unschätzbarem Wert. So wertvoll wie Isabel.

Na ja, eigentlich zählte sie nicht zu meinen Freunden. Wir hatten vor einiger Zeit eine kurze, heftige Affäre gehabt und wussten nicht so recht, wie wir zueinander standen. Isabel war eine von zehn Frauen im Männerwohnheim, seit das Frauenwohnheim in der Frauenheimgasse in Meidling vor einem halben Jahr wegen einiger Unzuchtfälle geschlossen worden war. Ihr Zimmer lag am anderen Ende des Gangs auf der gleichen Etage. Eine Tirolerin und von Beruf Hundefrisörin. Wir sprachen kaum miteinander. Wir brauchten Zeit. Obwohl wir davon in der Meldemannstraße ohnehin genug hatten.

Ich öffnete die Augen und beobachtete, wie sich Georgs Matratze wölbte. Das Bettgestell war aus Holz – es krachte bei jeder Bewegung.

Wir gehörten beide zu Piefke 5, dem Arbeits- und Integrationsprogramm für deutsche Migranten. Wirtschaftsflüchtlinge, die beim Nachbarn auf ein besseres Leben hofften. Warum Georg zu uns gehörte, war mir vollkommen unklar. Wahrscheinlich konnten die Wiener die Kärntner noch weniger leiden als uns Deutsche und brummten ihnen deshalb die höchstmögliche Strafe auf: mit einem Piefke ein Zimmer zu teilen.

Unser Piefke-5-Arbeitsplan wurde jede Woche neu zusammengestellt. In den folgenden sechs Tagen mussten Georg und ich jeden Tag in einer anderen Institution arbeiten. Unser Schlafplatz und unser Zuhause war das Männerwohnheim. Der Plan für die kommende Woche sah wie folgt aus:

Samstag:Freizeit im Männerwohnheim Meldemannstraße in Wien Brigittenau
Sonntag:Dornbacher Kirtag in Wien Hernals
Montag:Sicherheitswache Polizei in Wien Favoriten
Dienstag:Friedhofsverwaltung Zentralfriedhof in Wien Simmering
Mittwoch:Mistabfuhr Magistratsabteilung 84 in Wien Neubau
Donnerstag:Arbeitslosenstrandbad in Wien Floridsdorf
Freitag:Arbeitsmarktservice in Wien Ottakring

Verantwortlich für das Programmmanagement war die Stabsstelle Piefke 5 im Wiener Arbeitsmarktservice. Sie hatte ihren Sitz in der Huttengasse im Wiener Gemeindebezirk Ottakring. Schlaue Köpfe versuchten uns zu beschäftigen, damit wir keine Dummheiten machten. Neben Piefke 5 gab es für die Geflüchteten aus dem ehemaligen Jugoslawien das Programm Tschuschen 6, und für die türkische Minderheit lief schon die x-te Fortsetzung von Atatürk hab 8. Ziel dieser Programme sollte sein, aus uns gute Österreicher zu machen, vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Das wichtigste Zertifikat in der Alpenrepublik.

Georgs geruchsintensive Gasausstöße zerstörten die Ruhe. Das machte er jeden Morgen. Er sagte immer, dass er damit die unreinen Gedanken seiner Träume vertrieb. Ich schaute zum Tisch. Ein blutiges Küchenmesser lag auf dem Aschenbecher. Ein Sechserpack Pils stand leer herum. Dann waren da noch die Reste unserer Riesenpizza und eine halbe Käsekrainer mit süßem Senf, deren abgestandener säuerlicher Duft sich mit der übel riechenden Ausdünstung mischte.

Georg hatte letztes Jahr einen unglaublichen Schicksalsschlag erlitten. Er verlor unweit von Innsbruck seine Frau bei einem Drachenflieger-Schnupperkurs. Sie stürzte aufgrund eines technischen Defekts aus einer Höhe von 60 Metern zu Boden und verstarb noch an der Unglücksstelle – vermutlich hatte ihn das aus der Bahn geworfen. Ich musste ihm das alles aus der Nase ziehen.

Einer regelmäßigen Arbeit konnte er seitdem auch nicht mehr nachgehen. Es erinnerte ihn alles an seine Frau, sagte er mir neulich, an seine Wohnung, seine Eltern, seinen Sohn und seine Freunde. Er verließ die Heimat. Der gemeinsame Sohn war damals fünf Jahre alt und wuchs nach dem Todesfall bei Verwandten in einer Kärntner Pension auf. Ohne Arbeit konnte Georg nicht für ihn sorgen. Er wollte ihm eines Tages etwas Besseres bieten, und das versuchte er ausgerechnet über Piefke 5.

Wir wohnten im vierten Stock, über uns gab es weitere zwei Stockwerke. Im Erdgeschoss befanden sich die Verwaltung des Heims, der Speisesaal, ein Lesezimmer und eine Bibliothek. Das Lesezimmer war in eine Raucher- und eine Nichtraucherabteilung unterteilt worden. Im Keller fand man einen Schuhputz- und Kleiderraum, einen Fahrradkeller, einen Gepäckraum sowie eine Flickschusterei und eine Ideenwerkstatt, wo die zweite Obdachlosenzeitung Wiens, »Der Penner«, ihr Zuhause hatte. Es gab ein Krankenzimmer mit einer Hausärztin und eine Desinfektionskammer zur Entlausung der neuen Heimbewohner. Zusätzlich zu Rasierzimmer und Waschraum wurde den Heimbewohnern eine Badeanlage mit 20 Brausen und zehn Wannen geboten. In jeder Etage konnte man sich für Selbstgespräche in ein Zimmer zurückziehen: einen nackten Raum mit Spiegeln an allen vier Wänden. Wir nannten es das »Holodeck für Arme«.

Draußen auf dem Flur wurde es lauter. Samstag hatten wir unseren freien Tag, an dem wir Pause machten und das Ziel, ein guter Österreicher zu werden, aus den Augen verloren. Stimmengewirr. Schreie mischten sich mit wilden Diskussionen.

Dann öffnete Reinhold Hubsi, unser Zimmernachbar, die Tür und schrie wild gestikulierend. »Mord! Kommt raus, der Greißler ist tot!«

Georg und ich folgten unserem Nachbarn, ungewaschen und unrasiert. Vor uns eine Gruppe halb nackter Gestalten. Reinholds Unterhose hing auf Halbmast. Franz, der Heimleiter, stand in der Mitte des Raumes und schwieg. Ich erkannte mit müden Augen Josef, den Maler und Anstreicher, in seinem typischen Blaumann und Herbert, der Tag und Nacht mit seinem altmodischen Motorradhelm ohne Visier auf dem Kopf herumrannte.

Herbert war eine ehrliche Haut. Ich lernte ihn im Waldviertel kennen, wo ich mit Georg geologische Untersuchungen durchgeführt hatte. Genau genommen sind wir damals auf der Flucht gewesen, denn wir von Piefke 5 durften die Stadtgrenzen nicht überschreiten. Wir übernachteten in einem heruntergekommenen Gasthof. Herbert war dort Stammgast und trank von früh bis spät, am liebsten roten Zweigelt. Eines Tages lud er sich nach Wien ein, und weil Franz eine Aufsicht für die Desinfektionskammer brauchte, ist Herbert einfach geblieben.

Isabel und ihre Freundin Judith kamen ebenfalls aus ihrem Zimmer gerannt, beide elegant wie immer, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Isabel hatte schwarz gelocktes halblanges Haar und dunkelbraune Augen. Ihre ganze Erscheinung rief bei allen Männern des Wohnheims, und natürlich auch bei mir, sonderbare Reaktionen hervor. Ich sehnte mich nach ihr und sie sich nach mir, hoffte ich. Unsere Blicke trafen sich.

»Ruhe!«, schrie Franz. »Ruhe, verdammt noch mal!« Die Gruppe schwieg. »Wer hat die Schweinerei entdeckt?«

Herbert hob zögerlich den Arm. Mit dem blauen Helm sah er ziemlich bescheuert aus. »Gegen drei musste ich aufs Klo und machte einen Abstecher zur Desinfektion, weil ich meinen Zweigelt vergessen hatte. Da lag er vor mir, die Kehle durchgeschnitten. Überall Blut. Und diesen Stempel auf dem Rücken.« Er schüttelte den Helm mit dem lustigen »Ich liebe Österreich«-Aufkleber. »›Piefke 5‹, stand auf dem Stempel. Dann hab ich das Licht wieder ausgemacht und die Tür geschlossen.« Herbert hob die Flasche Zweigelt und nahm einen kräftigen Schluck.

Die anderen Bewohner kicherten. Alkohol war eigentlich verboten. »Piefke 5? – Aha! Und warum bist du erst um vier zu mir gekommen?«, fragte Franz ein wenig unwirsch.

»Er war doch tot. Warum der Stress?« Herbert grinste und die anderen nickten.

Franz drückte Herbert einen Kugelschreiber und einen karierten Block in die Hand. »Ihr werdet jetzt alle ins Lesezimmer gehen und euren Namen auf den Block schreiben. Außerdem haltet ihr fest, was ihr nach dem Einchecken ab acht gestern Abend gemacht habt. Die Polizei wird gleich auftauchen. Keiner verlässt das Haus.« Dann ging er ins Erdgeschoss in sein Arbeitszimmer, um die anderen Heimbewohner über Lautsprecher zu wecken.

*

Es ertönten die ersten Takte von Beethovens Schicksalssymphonie, ein Räuspern und schließlich die Ansage: »Burschen, hört mal alle her! Heute Nacht kam ein Frischling zu Tode. Chefinspektor Paradeiser und Inspektor Stippschitz sind auf dem Weg. Wir treffen uns in genau fünf Minuten im Lesezimmer.« Dann ertönten wieder ein Räuspern und noch einmal Beethovens Fünfte.

Georg gähnte. »Juri, lass uns wieder ins Bett gehen. Um neun müssen wir eh raus.«

»Hast du nicht gehört, was Franz gesagt hat? Wir sollen ins Lesezimmer gehen und auf die Polizei warten.« Ich wollte auf keinen Fall negativ auffallen. Deutsche, die am Piefke-5-Programm teilnahmen, wurden ganz genau beobachtet, und beim kleinsten Delikt drohte die Ausweisung in die Heimat. So stand es vor einiger Zeit auf einem Wahlplakat: »Asylbetrug heißt Heimatflug«.

Isabel und ich verabschiedeten uns mit einem langen Blick. Wir hatten nach unserer kurzen Affäre beschlossen, getrennte Wege zu gehen.

Die Piefke-5-Leitung sah es nicht gern, wenn wir mit österreichischen Frauen Beziehungen eingingen. Wir beließen es dabei und trafen uns nur mehr zufällig hier und da, manchmal halfen wir dem Zufall ein wenig nach. Sie war sehr begehrt und genoss ihre Rolle als Henne unter Hähnen. Vielleicht wollte sie mich auch nur eifersüchtig machen. Ich war aber kein eifersüchtiger Mensch.

Zurück im Zimmer hielt mir Georg das blutige Küchenmesser entgegen. »Mensch Juri, woher hast du den Stempel?« Er schloss die Tür, ging zur Kommode, öffnete eine Schublade und wühlte in meinen Unterhosen herum.

»Was redest du für einen Blödsinn? Ich hab mit dieser Geschichte in der Desinfektionskammer nicht das Geringste zu tun! Das Blut stammt von mir. Ich habe das Messer in der Nacht aus der Küche im ersten Stock geholt. Du hast doch gesehen, wie ich zurückkam?«

Georg schüttelte den Kopf. Kein Wunder, er war genauso besoffen wie ich.

»Ich wollte Pizzareste zerkleinern und bin abgerutscht. Schau, meine Hand.« Zwischen Daumen und Zeigefinger klebte ein fettes Pflaster.

»So viel Blut aus so einer kleinen Wunde?« Georg warf mir einen skeptischen Blick zu.

»Ich war komplett besoffen und hab die Kontrolle über das Messer verloren. Aber warum sollte ich ›Piefke 5‹ auf den Rücken vom Karl stempeln? Hörst du mir überhaupt zu? Georg?«

Er schnappte sich eine meiner Unterhosen, wischte damit das Blut ab und steckte meinen Liebestöter in seine Hosentasche. »Wenn du’s nicht warst, wer dann? Warum gerade Karl? Der war doch erst einen Tag im Heim. Ich versteh das nicht. Die Polizei wird das ganze Heim auseinandernehmen.« Während er redete, fuchtelte er mit dem Messer herum. Genau in diesem Moment kam Herbert zur Tür herein, sah Georgs Messerattacken und meine elegante Abwehrbewegung. Du musst wissen, dass es verboten war, Waffen im Zimmer zu haben – egal ob Pistolen oder große Küchenmesser. Franz duldete solche Spielchen nicht.

»Habt ihr die Mordwaffe gefunden? Warum seid ihr nicht im Lesezimmer?«, fragte der Mann mit dem Helm.

Georg warf das Messer zu meinen Unterhosen und schloss die Schublade. »Verschwinde! Das geht dich nichts an.«

Wir gingen über die Stiegen hinunter ins Erdgeschoss. Das Haus wirkte wie ausgestorben.

Zwei Männer in Uniform betraten das Gebäude. Es konnte sich nur um Chefinspektor Paradeiser und Inspektor Stippschitz handeln, die Franz angekündigt hatte. Franz schilderte ihnen, was Herbert zuvor der versammelten Mannschaft im vierten Stock erzählt hatte, schließlich inspizierten sie gemeinsam den Tatort in der Desinfektionskammer.

Paradeiser war, wie man hörte, mit seinem ungepflegten Äußeren ein typischer Wiener Polizist, der gern mal zuschlug. Seine Spitzel kamen aus allen Schichten der Wiener Gesellschaft. Sein Name tauchte des Öfteren im Heim im Zusammenhang mit diversen Ermittlungen von Todesfällen auf. Stippschitz hingegen war der große Unbekannte. Gepflegtes Äußeres, mit seinen etwa 30 Jahren fast zwei Jahrzehnte jünger als Paradeiser. Sein sympathisches Auftreten stand im Kontrast zum Chefinspektor.

Der Leseraum war bis auf den letzten Platz besetzt. Sogar auf dem Gang standen einige Kollegen und lauschten, was der Chefinspektor zu sagen hatte. Wir hielten uns im Hintergrund. Herbert schaute als erster Augenzeuge Paradeiser über die Schulter. Reinhold hatte immer noch keine Hose an, und Franz, der Heimleiter, wedelte mit seinem Block herum.

Paradeiser räusperte sich und klopfte auf den Tisch. »Männer.« Dann sah er die Frauen. »Frauen. Wie ihr alle wisst, wurde ein Insasse dieser Anstalt heute Nacht auf grausame Weise ermordet. Damit wir zügig Fortschritte erzielen, werden Inspektor Stippschitz und ich euch alle einzeln verhören. Wir müssen wissen, was ihr in den letzten zehn Stunden gemacht habt. Alle, die sich noch nicht auf dem Block des Heimleiters verewigt haben, werden das sofort nachholen. Noch ein Wort zum Opfer. Es handelt sich dabei um den Skilehrer Karl Greißler, 48 Jahre, geboren in Innsbruck. Es war seine erste Nacht in der Meldemannstraße. Er hat sich der Entlausung unterzogen und schlief im Zimmer von Reinhold Hubsi. Ihm ist die Kehle durchgeschnitten worden. Der Mörder hat mit einem Stempel eine Botschaft hinterlassen: Er stempelte ›Piefke 5‹ auf den Rücken des Opfers. Meine erste Frage, die ich mir stellte, war: Könnte der Stempel eine Warnung an die Heimbewohner sein? Aber von wem?« Paradeiser schaute in die Runde.

Reinhold kratzte sich am Arsch, Herbert an seinem Helm. Georg und mich kratzte das ganz und gar nicht.

Judith, die blonde Oberösterreicherin und fesche Zimmergenossin von Isabel, zeichnete mit dem Finger Kreise in die Luft. »Ich, als Sprecherin der Frauen im Heim, möchte Sie darauf hinweisen, dass wir mit dem Opfer in keinerlei Beziehung standen und deshalb für diese Gewalttat nicht infrage kommen. Außerdem wohnen wir hier nur, weil unser Frauenwohnheim ohne triftigen Grund geschlossen wurde.«

Paradeiser schüttelte energisch den Kopf. »Das Frauenwohnheim wurde geschlossen, weil dort Männer ein und aus gingen und dafür bezahlten.« Dann richtete er sich wieder an alle Bewohner: »Alle werden sich eintragen. Und wenn ich alle sage, dann meine ich auch alle. Keine Ausnahmen.«

Judith rollte mit den Augen.

Isabel stand neben mir, unsere Hände berührten sich kurz und verloren sich wieder.

Paradeiser übergab das Wort an Franz.

»Liebe Heimbewohner«, begann der Heimleiter. »Die Polizei und die Heimleitung werden alles tun, um diese Gewalttat aufzudecken. Ich bitte euch noch einmal eindringlich, uns in allen Untersuchungen zu unterstützen. Das sind wir Karl schuldig. Und jetzt tragt euch auf dem Block ein.« Dann ging er auf mich zu. Nein, er stand plötzlich vor Georg. »Gestern beim Aufnahmegespräch hat mir Karl erzählt, dass er dich kennt.« Georg zuckte zusammen. »Mir tut das außerordentlich leid, was damals geschehen ist. Deine Frau starb doch bei diesem Drachenflieger-Schnupperkurs, den Karl geleitet hat. Oder?«

Alle Augenpaare richteten sich auf Georg. Reinhold erstarrte. Paradeiser notierte etwas in seinem Notizbuch. Dann winkte Inspektor Stippschitz Franz zu sich.

*

Piefke 5 war unbarmherzig, auch an unserem freien Tag. Franz hatte im letzten Jahr eine Ideenwerkstatt eingerichtet. Wir brachten dort eine eigene Wochenzeitung heraus, die die Bewohner des Männerwohnheims am Samstag in Wien verkauften. Das Vorbild dieser Initiative war die erste Wiener Obdachlosenzeitung »Augustin«. 30 Prozent der Einnahmen flossen direkt in unsere Geldbörsen.

Leiter der Ideenwerkstatt war Anton Pospischil. Als eingefleischter Drucker und Buchbinder hatte er von guten Geschichten keine Ahnung. Anton erwartete Georg und mich schon, jeden Samstag frühstückten wir gemeinsam in seiner kleinen Kochnische. Heute gab es, wie jede Woche, ein leckeres Frühstücksgulasch mit einer knusprigen Semmel, dazu ein kleines Glas Bier, auch Pfiff genannt. Wieder so was typisch Wienerisches.

»Habt ihr euch schon eingetragen?«

»Wir haben heute unseren freien Tag. Warum sollten wir uns den ganzen Morgen mit der Polizei beschäftigen?«

Anton war ein sogenannter Piefkefreund. Er half mir schon seit meiner Ankunft im Männerwohnheim. An meinem freien Tag unterstützte ich ihn oft beim Lektorieren oder erfand auch mal schnell eine kleine Geschichte.

Eigentlich war Georg der Gschichtldrucker. Stundenlang konnte er erzählen, zum Beispiel über die österreichischen Berge. Er kannte auch jede Hütte des deutschen und österreichischen Alpenvereins. Seinen Traum, eine eigene Hütte in den Bergen zu bewirtschaften, hatte er sich noch nicht aus dem Kopf geschlagen.

»Was sind die Schlagzeilen in deiner heutigen Ausgabe?«, fragte ich Anton.

»Na, was wohl? Der Stempelmörder natürlich! Ich bin mit Herbert noch mal alle Einzelheiten durchgegangen und hab den Fall rekonstruiert. Der Druck ist schon fertig. Ihr könnt die ersten Exemplare gleich mitnehmen und verkaufen.«

Ich las mir den Leitartikel des »Penners« durch:

Stempelmörder im Wiener Männerwohnheim!

Im schönen Wiener Männerwohnheim in der Meldemannstraße im Wiener Gemeindebezirk Brigittenau wurde heute Nacht gegen halb drei der Innsbrucker Skilehrer Karl Greißler tot aufgefunden. Die Ermittler gehen von Mord aus. Die Todesursache ist ein Schnitt durch die Kehle, vermutlich mit einem scharfen Küchenmesser. Auf dem Rücken des Opfers befand sich ein Stempelabdruck mit der Aufschrift »Piefke 5«. Handelt es sich um eine Warnung des Mörders? Der Frage, ob sich der Täter unter den Piefke 5 befindet, wird aktuell nachgegangen.

Die Polizei erzielte bei ihren Ermittlungen bereits erste Ergebnisse. Dabei war für Chefinspektor Paradeiser der Waldviertler Herbert K. (Mann mit Helm) ein wichtiger Zeuge. Herbert K. fand das Mordopfer gegen drei Uhr bei einem seiner nächtlichen Rundgänge. Gegen vier Uhr informierte er den Heimleiter Franz L., der wiederum gegen fünf Uhr die Polizei verständigte.

Sachdienliche Hinweise können jederzeit vertraulich an die Mordkommission Brigittenau beziehungsweise an Chefinspektor Paradeiser oder Inspektor Stippschitz gerichtet werden.

Im Männerwohnheim hat der Leiter Franz L. unter der Führung von Herbert K. eine Soko eingerichtet. Die Beerdigung Karl Greißlers findet am Dienstagnachmittag auf dem Wiener Zentralfriedhof statt. Spenden für ein würdiges Grab werden gern entgegengenommen, denn Karl hat keine Verwandten mehr. Das Karl-Greißler-Komitee unter dem Vorsitz von Herbert K. wünscht sich als letzte Ehrerbietung beim Begräbnis eine rege Beteiligung der Wiener Bevölkerung.

Bitte sehen Sie von Blumenspenden ab, da Karl zeit seines Lebens an Heuschnupfen erkrankt war. Im Anschluss an die Beerdigung sind alle zu einem leckeren Leichenschmaus auf dem Grillplatz direkt vor der Karl-Borromäus-Kirche eingeladen.

Auf einem Farbfoto gleich unter dem Text sah man Herberts blauen Helm, Reinholds Unterhose und Paradeisers unrasiertes Gesicht. Der Chefinspektor zeigte auf Franz, der den Block hochhielt.

»So, Jungs, jetzt schnappt euch mal die Zeitungen und marschiert ins Zentrum.«

Ich nahm noch einen kräftigen Schluck von Antons Selbstgebranntem, einem Zwetschkenschnaps, dann gingen wir zurück in unser Zimmer im vierten Stock. Die Zeitungen konnten warten.

*

Morgens mussten wir spätestens um neun das Heim verlassen. Heute blieb uns also noch eine halbe Stunde. Nur Herbert durfte bleiben und die Desinfektionskammer für den Abend vorbereiten. Während unserer Abwesenheit hatte die Polizei begonnen, alle Räume zu durchsuchen. Auch die Soko unter Herberts Leitung hatte die Nachforschungen aufgenommen.

Herbert klebte sich drei Sterne auf die Vorderseite des Helms, um auf seine wichtige Stellung hinzuweisen. Ich schloss die Tür.

»Georg, was machen wir heute? Wir sollten feiern gehen. Morgen früh müssen wir laut Wochenplan zum Pater nach Dornbach.«

Georg schüttelte den Kopf. »Du bringst das arme Schwein um und willst dann die Sau rauslassen? Piefke 5! Dass ich nicht lache. Welcher Piefke 5 ist so blöd und stempelt mit diesem Stempel auf Karl herum? Hör bloß auf mit der Scheiße. Und glaube ja nicht, dass ich das mit der Tirolerin nicht weiß. Die werden dich an deinem Schniedelwutz aufhängen, wenn sie das rauskriegen. Beziehungen im Heim sind unerwünscht. Erst recht zwischen Piefkes und Österreicherinnen. Die werden dich nach Hause schicken!«

Wenig später saß ich auf meinem Bett und blätterte im »Penner«. »Das mit Isabel lass mal meine Sorge sein. Halt dich da raus. Hier steht übrigens, dass morgen Karli Molk und die Donauzwillinge auf dem Kirtag in Dornbach auftreten.«

»Lass ja die Finger von denen, sonst haben wir die Volksmusikfreunde am Hals.«

»Keine Panik. Ich steh nicht auf die Zwillinge. Und hör endlich auf, mir das mit Karl zu unterstellen. Wenn das jemand mitbekommt! Ich bin doch kein Mörder. – Und du? Wusste gar nicht, dass du Karl kanntest, schließlich hat er den Drachenflieger-Kurs geleitet, bei dem deine Frau umgekommen ist … Stimmt das wirklich?«

Georg schaute aus dem Fenster. »Er hatte keine Schuld. Ganz im Gegenteil. Die Technik hat versagt. Karl hat die Untersuchung der Polizei nach dem Absturz unterstützt und mir geholfen, wo er nur konnte.« Dann drehte er sich wieder zu mir. »Ich kann ihm nichts vorwerfen.« Georg steckte den Müll in einen schwarzen Sack und warf ihn vor die Tür.

»Wo verteilen wir heute den ›Penner‹?«

Es war nämlich nicht ganz einfach, die Zeitungen unter die Leute zu bringen. Die Konkurrenz schlief nicht. Da gab es die Obdachlosenzeitung »Augustin« und schließlich noch die Kolporteure, die an jeder Kreuzung billige österreichische Schmuddelblätter verkauften. Wir hatten da unsere eigene Masche.

»Wir gehen zuerst zum Schwedenplatz, dann schau’n wir weiter.« Georg hatte dank seiner Kärntner Nase einen besonderen Riecher für diesen Job. Ziel war immer eine flüssige oder feste Mahlzeit am Ende des Tages.

Reinhold kam ins Zimmer. »Ihr müsst gleich raus. Sie sind schon bei mir und stellen alles auf den Kopf.«

»Haben sie schon was gefunden?«, wollte Georg wissen. »Nein, alles sauber. Wenn ihr mich fragt, dann werden sie auch nichts finden. Wer ist schon so blöd und versteckt die Mordwaffe in seinem Zimmer? Die Polizei hat doch gar kein Interesse, den Fall aufzuklären. Der Greißler war nur ein kleines Licht. Derzeit wohnen hier 225 Männer. Das sind eine Menge Zeugenvernehmungen.«

Ich musste ständig auf die Schublade schauen. Georg trat mir sachte auf die Zehen.

»Sag, musst du immer in der Unterhose herumrennen?«, wollte Georg von Reinhold wissen.

»Besser in einer Wiener Unterhose stecken, als eine Kärntner Mutter haben.« Das war zu viel. Georg sprang Reinhold an die Gurgel.

Die Prügelei sprach sich schnell herum. Um die beiden Streithähne bildete sich ein Kreis. Dann kam Herbert. Er setzte seinen Helm als Rammbock ein, Reinholds Schädel musste zuerst dran glauben. Georg sprang elegant zur Seite und wich dem Helm aus, stieß Herbert zurück und rannte in Richtung Stiegenhaus. Ich konnte ihm nur mit Mühe folgen. Wir hörten Inspektor Stippschitz kreischen: »Ich nehme euch alle fest! Stehen bleiben – sofort!« Wir rannten mit dem »Penner« im Rucksack die Stiegen hinunter. Das Haupttor stand offen.

Ich war völlig außer Puste. »Wahnsinn. Das war knapp. Der Hubsi-Reinhold ist verrückt. Sucht ständig Streit und schnüffelt in fremden Sachen rum. Neulich hab ich ihn erwischt, wie er deinen Schrank inspizierte. Wir sollten mit ihm ein Sechsaugengespräch führen.«

»Nee, nee, nee. Du lässt die Hände von ihm.« Georg blieb stehen, fasste sich an den Kopf und drehte sich zu mir. Erregt streckte er mir seine Faust entgegen. »Du fasst ihn nicht an. Versprochen?«

Ich hatte damit kein Problem. »Klar. Warum regst du dich so auf?«

Wir mussten nun endlich die ersten Blätter unter die Leute bringen. Um Reinhold konnten wir uns später kümmern. Es schlug bereits neun und wir standen mit einer Handvoll Zeitungen am Donaukanal gegenüber dem Schwedenplatz. Georg putzte sich mit meiner blutigen Unterhose die Nase und warf sie anschließend in den Kanal.

Es war ein lauwarmer Augustmorgen. Hier unten am Kanal hatten Isabel und ich das erste Mal Körperkontakt gehabt, heimlich in der Nacht zwischen den stinkenden Mistkübeln der Gastronomie. Es war Lust auf den ersten Blick gewesen. Spannung pur. Wir hatten uns umarmt und geküsst, uns gestreichelt und im Stehen befriedigt. Gleichzeitig die Angst vor dem Entdecktwerden. Auf Sex im Freien stand die Höchststrafe. Aber der Kick war es wert.

Fragst du dich, wie wir unsere Zeitungen loswurden? Wir entwickelten da unsere eigene Masche. Wer hier keine kreativen Ideen hatte, wurde schnell vom Markt gedrängt.

Unser Ansatz war verdammt genial. Seit einiger Zeit gab es in Wien die Initiative »Sackerl fürs Gackerl«. Sie forderte Hundebesitzer auf, die Hundescheiße in speziell dafür vorgesehene Tüten und die in speziell dafür vorgesehene Behälter zu werfen. Wer das ignorierte, musste saftige Strafen zahlen oder seinen Hund in den Hundeknast bringen.

Um diesem Unglück zu entgehen, waren Frauchen und Herrchen bereit, viel zu zahlen, und füllten unsere ständig leere Geldbörse.

Die Idee war uns eines Tages am Schwedenplatz gekommen. Ich hatte ein Hündchen beim Geschäft beobachtet. Das Frauchen ignorierte den Haufen und ich schoss ein Beweisfoto: Frauchen, Hündchen und Gackerl.

Dann musste Georg den Sack zumachen. Er hatte mit dem Frauchen gesprochen und ihr einen Handel angeboten. Entweder sie kaufte zwei »Penner« und wir löschten das Foto, oder wir schickten das Bild direkt an die Polizei.

Der Donaukanal am Schwedenplatz war ein idealer Ort für unser Vorhaben. Es gab hier sehr wenige Grünflächen, aber dennoch viele Hundebesitzer, die entlang des Donaukanals ihre Köter ausführten. So auch heute.

Georg ging mir schon den ganzen Morgen mit dem Mord im Männerwohnheim auf die Nerven. »Mensch, wenn der Paradeiser dich befragt, dann werden sie dich aus Piefke 5 werfen. Vielleicht noch schlimmer: Ausweisen werden sie dich. Zurück nach Piefkonien. Weißt eh, dass der Reinhold ein Spitzel der Polizei ist. Er hat letztes Jahr den Tschuschen verpfiffen, weil der eine Österreicherin aufs Zimmer geschleppt hat. Er flog erst aus Tschuschen 6 und dann wieder zurück auf den Balkan. Und lass die Finger von der Hundefrisörin. Andererseits hätt’ ich dann endlich ein Zimmer für mich allein.« Er lachte.

Ich sah das ein wenig anders. »Piefke 5 hat doch nur ein Ziel: uns unter Kontrolle zu halten, uns zu bespitzeln und uns tagtäglich zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Dass du auch ein Piefke 5 bist, ist doch komisch, oder etwa nicht?« Ich schaute Georg an und schüttelte den Kopf. »Du bist doch sicher auch so ein Informant, der sofort alle Neuigkeiten über mich weitergibt. Ihr Kärntner seid doch bekannt dafür. Immer käuflich und korrupt.«

Georg grinste. »Klar. Wenn die wüssten, was du alles auf dem Kerbholz hast, dann würden sie dich am Stephansdom aufhängen.«

»Erzähl doch keinen Schwachsinn. Lass uns lieber den ›Penner‹ loswerden. Ich hasse die Druckerschwärze an meinen Händen. Da kommt Luise. Die schnappen wir uns.«

Luise war Herberts Freundin und sie lief immer mit einer gehäkelten Klorolle auf dem Kopf herum. Es war ein Bild für die Götter, wenn die beiden Hand in Hand ihren Pudel ausführten. Herbert mit Helm, Luise mit Klorolle und der Köter mit einem pinkfarbenen Kleidchen. Luise arbeitete als Isabels Sprechstundenhilfe im Innsbrucker Hundesalon. Kennengelernt hatte sie Herbert an der Würstelbude am Schwedenplatz bei einer fettigen Käsekrainer mit süßem Senf.

Herbert gestand uns einmal, dass sein Helm sie tierisch anmachte. Ich glaubte eher, dass sie ein Auge auf Georg geworfen hatte. Da der Kärntner aber keine Tiroler mochte, machte sie sich gewiss an Herbert ran, um in Georgs Nähe bleiben zu können. Luise wohnte in einer dunklen Kellerwohnung auf der anderen Seite des Donaukanals in der Leopoldstadt.

Ich ging direkt auf sie zu und quatschte sie an, während Georg ein Foto von ihr und dem mitten in seinem Geschäft befindlichen Pudel machte. »Hey, Luise! Hast du schon gehört? Der Herbert ist jetzt Chef einer Soko im Männerwohnheim. Ein Irrer hat einen Frischling erstochen.«

»Juri, nicht schon wieder. Lasst mich doch in Ruhe. Herbert hat sich beschwert, weil er ständig für das Gackerl meines Hundes zahlen muss.«

»Dann pack das Gackerl doch ins Sackerl«, sagte Georg in seinem breitesten Kärntner Dialekt.

Luises Augen strahlten. Vermutlich wäre sie am liebsten mit ihm durchgebrannt. Währenddessen streichelte ich den Pudel.

Da zückte die Klorolle die Kohle und ich gab ihr zwei Ausgaben.

»Heute vier!«, sagte Georg.

»Warum vier? Kannst du mir sagen, was ich mit denen machen soll?«

Georg platzte der Kragen. »Lesen! Und richte Herbert aus, dass er sich nicht so anstellen soll, sonst darf er den kleinen Kerl im Knast besuchen. Du kannst ihm auch noch ausrichten, dass unser Zimmer für die Soko tabu ist. Sollte auch nur eine Schnüffelnase es betreten, dann werden wir das dem Hasil stecken. Und was der mit Pudeln macht, kannst du dir denken.«

Luises Augen strahlten nicht mehr.

Der Hasil war neben Wiens einzigem Pferdeschlachter, dem Dokupil, der am meisten gefürchtete Mann. Seine Spezialität waren Pudelmützen in allen möglichen Farben, Hauptpudelquelle die Hunde im Köterknast. Und da kam Isabel wieder ins Spiel. Sie scherte die Vierbeiner für Hasil, bis sie nackt waren.

Meine hübsche Tirolerin hatte früher als Hundefrisörin sogar internationale Preise gewonnen. Eines Tages hatte sie, angeblich ohne Absicht, dem Rauhaardackel des Innsbrucker Bürgermeisters die Kehle aufgeschlitzt und die Lizenz für ihren Hundepflegesalon »Fino« verloren. Dann der Absturz, die Flucht nach Wien, das Frauenwohnheim und schließlich das Männerwohnheim. Jetzt schnitt und pflegte sie die Köter im Hundeknast und belieferte den Strizzi-Hasil illegal mit Hundehaaren. Am absoluten Tiefpunkt angelangt, hatte sie mich kennengelernt.

Luise zahlte und steckte die vier Blättchen ein. »Ich muss jetzt weiter.« Sie warf Georg noch einen sehnsuchtsvollen Blick zu.

»Denk an den Hasil«, rief Georg ihr hinterher.

Der Morgen raste dahin. Wir konnten noch zwei weitere Hundebesitzerinnen erpressen. Eine im Bermudadreieck, dem Saufviertel von Wien, und dann noch eine, deren Hund ein Riesen-Gackerl vor die älteste Kirche Wiens legte, die Ruprechtskirche. Aber das Geld reichte hinten und vorne nicht. Wir brauchten dringend einen Job. Das Arbeitsmarktservice zahlte uns Piefke 5 viel zu wenig, um über die Runden zu kommen. Gegen Mittag fuhren wir mit der U 4 zur Kettenbrückengasse.

Die Station Kettenbrückengasse hat einen ganz besonderen Charme. Wenn du mal in Wien bist, dann musst du diesem schönen Fleckchen unbedingt einen Besuch abstatten. Es ist die Station der Drogensüchtigen und Obdachlosen, die hier ihre sozialen Kontakte pflegen und sich um den Verstand spritzen.

Die Süchtler waren gerade beim zweiten Frühstück. Ein Doppler Rotwein machte die Runde, Georg und ich nahmen einen kräftigen Schluck.

Unser Kollege Kovac lebte schon seit einem Jahr in diesem Umfeld. Als Teilnehmer an Tschuschen 6 stand er noch tiefer als wir in der Ausländer-Hierarchie. Er war Software-Entwickler und wurde täglich von Behörde zu Behörde geschickt, um alle Netzwerke in Ordnung zu bringen. Kovac wohnte im Favoritener Männerwohnheim ganz in der Nähe vom Reumannplatz. Er war ein lustiger und sympathischer Kerl, die Haare grau gelockt, ein großer Schnauzer über der Oberlippe und immer für einen Scherz zu haben. Leider hatte ihm ein Dealer vor ein paar Monaten Heroin schmackhaft gemacht. In letzter Zeit schluckte er Methadon.

Eine lästige Angewohnheit waren seine Schläge auf meine Schultern, so, als müsste er mit dieser Geste das Gesagte kräftig unterstreichen. »Juri, mein alter Freund. Was lese ich im ›Penner‹? Du hast wieder einen umgebracht? Wenn du so weitermachst, dann werden sie dich noch aufhängen. Alter Stempelmörder!« Im nächsten Moment schlug er zu und meine Schulter vibrierte.

Georg grinste. »Der Piefke hat den Skilehrer mit einem Küchenmesser kaltgemacht. Wie ein echter Profi.«

Wir mussten lachen. Der Doppler war schon halb leer.

Kovac sah mich an. »Juri, hast du ein paar Euro für einen alten Freund? Ich werd sie dir am Montag zurückgeben.« Am Montag war unser Tag bei der Favoritener Polizei.

»Kovac, alter Freund. Du weißt ganz genau, dass wir keine Kohle haben. Wenn ich die hätte, dann wärst du der Erste, dem ich was leihen würde.« Ich klopfte ihm auf die Schulter und lachte.

»Juri, mein einziger Piefkefreund, ich muss dich vor dem Paradeiser warnen. Bei dem ist was faul. Der stinkt. Ich habe im ›Penner‹ gelesen, dass er die Ermittlungen leitet. Letztes Jahr hatten wir einen ähnlichen Mordfall in unserem Männerwohnheim. Du weißt doch noch, als ihr für eine Nacht bei uns geschlafen habt. Der Typ hat jeden Einzelnen durch den Fleischwolf gedreht. Am Ende waren wir fix und fertig. Er hat eine ganz besondere Technik, Geständnisse zu erpressen, ihr werdet das noch merken. Also lass dich nicht von ihm erwischen.« Schon schlug er wieder zu und lachte.

Der Doppler war leer.

»Kovac, wir müssen weiter. Du weißt, das Käseblatt verkauft sich nicht von selbst. Georg ist heute hoch motiviert.« Wir wollten schon weiter, da zupfte unser Tschuschen-6-Kollege an meinem Hemd. »Kovac, ich habe keine Kohle. Wirklich!«

»Ist schon gut. Aber ich habe hier noch was für euch.« Er gab mir eine DVD.

»Was soll ich damit? Sind da Pornos drauf?«

Kovac nickte. »Ganz besondere, Juri.«

Georg schaute sich die runde Scheibe misstrauisch an. »Was ist das?«

Da endlich rückte Kovac mit der Sprache raus. »Ich hab was ganz Schreckliches …« Mitten im Satz entwich ihm ein lauter Rülpser. »… entdeckt. Das sind Mitschnitte eines Überwachungsvideos …« Er senkte den Kopf.

»Rede endlich, Kovac!«, fuhr ihn Georg an. Der Kärntner hatte keine Geduld.

»Das hab ich gestern in der Sicherheitswache in Frohsinn mitgehen lassen. Darauf sieht man …« Kovac fing an zu zittern.

»Was ist los im Kleingartenverein Frohsinn?«, wollte ich von ihm wissen.

Unser Freund schaute uns ganz verstört an. »Oberinspektor Kleindienst in Frohsinn …« Wieder ein Rülpser.

Als ich diesen Namen hörte, klingelten bei mir die Alarmglocken, denn ich kannte den Oberinspektor nur zu gut.

»Da ist ein Kleingarten …«

Georg und ich wechselten skeptische Blicke. Meine Geduld hatte ebenfalls seine Grenzen. »Kovac, du stehst unter Drogen und redest wirres Zeug. Lass die Finger davon. Wenn Kleindienst erfährt, dass du in seinen Sachen herumwühlst, dann wird er nicht sehr glücklich sein.«

Georg nickte. »Das hört sich nach unnötigen Problemen an. Hör endlich mit dem Saufen und Kiffen auf.«

»Juri, wir müssen da was machen. Das geht so nicht.« Er stolperte. Wir konnten ihn gerade noch auffangen und setzten ihn auf eine Bank.

»Kovac wir müssen gehen. Pass auf dich auf. Wir sehen uns am Montag in Frohsinn.«

Er lachte bitter.

*

Gleich hinter der Station Kettenbrückengasse begann der Naschmarkt. Jeder Wienbesucher quetschte sich dort mindestens einmal quer durch. Lauter Marktstände mit Obst und Gemüse. Manchmal schienen mir die Früchte ein wenig zu groß, irgendwie mutiert. Die Touristen liebten die Standverkäufer, die ihnen alles Mögliche andrehten. Sie kreischten alle durcheinander. »Kebab, Kebab!« oder »Probieren Sie Äpfel, Paradeiser, Feigen …« oder was auch immer. Der Naschmarkt bestand aus zwei Reihen. Eine war für die Stände und die andere für Restaurants, ganz multikulti natürlich.

Georg hatte die nervige Angewohnheit, mit jedem Verkäufer quatschen zu müssen. Dadurch kannte er die meisten und wir brauchten immer ewig, um den Markt zu durchqueren. Allerdings wurden wir auf diese Weise auch unsere Zeitungen los. Man mag es nicht glauben, aber es gab sogar Kunden, die den »Penner« freiwillig kauften.

Kaum hatten wir uns von Kovac verabschiedet, rannten wir fast Paradeiser und Stippschitz in die Arme. Die beiden quetschten sich durch den schmalen Gang an den Touristen vorbei. Schnurstracks gingen sie auf die Methadon-Gruppe zu. Paradeiser streifte mit dem Ellenbogen meinen Arm. In der Meldemannstraße waren wir den Verhören entgangen, und auch jetzt verschwanden wir gekonnt zwischen Obst und Gemüse.

Auf halber Strecke lag der Gemüsestand unseres Lieblings Seldschuk. Er war vor 30 Jahren aus Ostanatolien nach Köln ausgewandert, wo er für Ford Autos zusammengeschraubt hatte. Als der Autoboom nachließ, versuchte er sein Glück in Wien und kaufte einen maroden Stand, der sich in einen Außenbereich für Obst und Gemüse und in ein dahinterliegendes Büro gliederte. Seine Melanzani und Paradeiser gehörten zu den größten, die man weit und breit finden konnte.

Seldschuk wurde auch »das Orakel vom Naschmarkt« genannt. Er galt als eine nie versiegende Nachrichtenquelle. Bis vor einem Jahr war er Teilnehmer des Atatürk-hab-8-Programms. Letztes Jahr bescheinigte man ihm und seiner gesamten Familie, nach fast zehn Jahren, gute Österreicher zu sein. Es hatte so lang gedauert, weil er neben dem türkischen auch den deutschen Pass besaß.

Sein mit Obst- und Gemüsekisten vollgestopftes Büro war samstags regelmäßig unser Treffpunkt. Seldschuk machte den besten türkischen Kaffee und trug immer frisch gebügelte blütenweiße Hemden.

»Ich dachte schon, ihr kommt nicht mehr. Der Mord im Männerwohnheim ist Thema Nummer eins auf dem Markt. Weiß die Polizei schon, wer dahintersteckt?«

Georg krallte sich einen Apfel der Sorte Cox Orange und biss hinein. »Wir haben Paradeiser gerade bei Kovac gesehen. In seinem Rausch hat er dummes Zeug gefaselt. Ich mach mir Sorgen.«

»Seit wann verkauft Kovac Gemüse?«, wollte Seldschuk wissen.

Ich schüttelte den Kopf. »Chefinspektor Paradeiser. Er leitet die Untersuchungen. Anscheinend ein harter Hund.«

»Juri, komm endlich zum Punkt«, warf Georg in die Runde.

»Okay. Seldschuk. Wir brauchen einen Job, der uns Geld bringt.«

Georg und ich warteten gespannt auf seinen Rat. Die Stirn des Orakels schlug Falten. Er saß da und strengte sich an wie ein Huhn beim Eierlegen. Seine Tipps waren meistens Gold wert.

»Ihr braucht Kohle? Warum sagt ihr das nicht gleich?«

Georg nickte. »Na ja, wir sind gerade ein wenig knapp bei Kasse und Piefke 5 macht auch nicht reich. Wir brauchen einen schnellen Job.«

Seldschuk kratzte sich am Kopf. »Ich hätte da was. Aber es könnte sein, dass ihr euch die Hände dreckig macht.«

»Kein Problem«, kam es aus zwei hungrigen Mündern.

»Ich hätte da ein kleines Päckchen. Ihr seid doch morgen bei Pater Ambrosius in Dornbach?«

Georg schaute mich fragend an. »Klar. Was ist in dem Päckchen?«

Nicht zu fassen. »Hey, Georg, bist du schwer von Begriff? Das ist geheim. Sonst könnte er es ja auch per Einschreiben schicken.«

Ich wollte mehr wissen. »Wem sollen wir es übergeben?«

Seldschuk schob zwei Obstkisten zur Seite. Dahinter befand sich ein Tresor. Flink stellte er die Kombination ein und öffnete die schwere Tür. Es kam ein Päckchen zum Vorschein. Er reichte es Georg. »Um Punkt zwölf Uhr mittags geht einer von euch beiden in den Beichtstuhl der Dornbacher Pfarrkirche. Dort erwartet euch eine Frau mit dem Decknamen ›Jungfrau Maria‹. Ihr nehmt einen Koffer entgegen und wartet, bis sie die Kirche verlassen hat. Den Koffer bringt ihr am Abend um sieben zum Steg 33 am Donaukanal direkt gegenüber vom Schwedenplatz. Dort werdet ihr mir den Koffer übergeben. Und stellt keine Fragen.«

»Ist ja einfach.« Georg klang euphorisch. »Kein Problem für uns. Was springt dabei raus?«

»Wenn alles klappt, könnt ihr mit einigen Scheinchen rechnen. Je nachdem, wie ihr euch anstellt, gibt’s noch weitere Übergaben.«

Seldschuks Cousin Akgün kam dazu. »Hier ist ein Paradeiser und noch ein Kerl. Die wollen dich sprechen.«

Wir schauten uns fragend an. Georg steckte das Päckchen in seinen Rucksack. Seldschuk gab uns ein Zeichen. »Geht hinter die Tür. Ich werde sie abwimmeln.«

Durch den Türschlitz konnten wir beobachten, wie Paradeiser versuchte, Seldschuk durch die Mangel zu nehmen. »Ich habe gehört, man nennt dich jetzt das ›Orakel vom Naschmarkt‹? Es gibt da ein kleines Problem im Männerwohnheim in der Meldemannstraße. Wir beide hatten schon einmal das Vergnügen. Erinnerst du dich? Damals bei deiner Einbürgerung? Ich war bei der Fremdenpolizei. Na, klingelt’s, Türke?«

»Klar, Herr Inspektor.«

»Chefinspektor, wenn ich bitten darf.«

»Ihr habt mir das Leben ganz schön schwer gemacht. Das vergess ich nicht. Herr Chefinspektor.«

Stippschitz legte nach. »Wir brauchen ein paar Informationen. Wer könnte hinter dem Mord stecken? Hast du Namen? Irgendetwas Brauchbares?«

»Schauen Sie, Herr Chefinspektor –«

»Herr Inspektor Stippschitz für dich.«

»Herr Inspektor Stippschitz. Ich verkaufe hier Paradeiser, Melanzani und frisches Obst. Glauben Sie wirklich, ich kann Ihnen da weiterhelfen?«

»Hör mal zu, du kleiner Scheißer«, schrie Paradeiser und zog Seldschuk am Ohr. »Wenn du mich verarschen willst, dann werden wir das Gespräch auf dem Kommissariat weiterführen. Außerdem hängt deine Lizenz am seidenen Faden. Hilf mir oder ich sorg dafür, dass du in einem Flieger nach Anatolien landest. Also, lass hören.«

Seldschuk war die Ruhe selbst. Er ließ sich nicht so leicht einschüchtern. »Herr Chefinspektor Paradeiser, ich habe heute frische Melanzani im Angebot. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«

Plötzlich musste ich niesen. Blut schoss mir ins Hirn.

»Wer ist denn in deiner Hütte?« Paradeiser fragte nicht um Erlaubnis. Er bahnte sich den Weg vorbei an Seldschuk und wollte hinter den Stand treten, da hielt ihn Stippschitz zurück. »Wir haben einen Termin in der Meldemannstraße. Der Heimleiter wartet.«

Mein Herz pochte. Georg und Akgün waren kreideweiß.

Paradeiser dachte kurz nach und drehte sich um. »Seldschuk, denk an deine Lizenz. Melde dich, sobald du was hörst. Wenn dein Name bei den Verhören im Wohnheim fällt, dann bist du dran.« Er gab ihm seine Visitenkarte und verschwand mit Stippschitz im Gewühl der Touristen.

Seldschuk ließ uns aus unserem Versteck. »Ihr habt gehört, was der gesagt hat. Er war schuld, dass meine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nicht genehmigt wurde. Ein unangenehmer Mensch, echt pervers. Sein Hilfssheriff Stippschitz soll auch nicht besser sein. Beiden kann man nicht trauen. So, jetzt muss ich meine Paradeiser verkaufen. Und grüßt mir die Jungfrau Maria.« Dabei grinste er komisch.

Wir verschwanden durch den Hinterausgang.

*

Unsere heutige »Penner«-Ausbeute war gering und damit auch eine Mahlzeit nicht einmal ansatzweise in Sicht. Zum lukrativsten Jagdgebiet gehörte der erste Bezirk, die Innere Stadt, vor allem die Gegend rund um die teuren Fünfsternehotels. Meist schickten die Bonzen eigene Angestellte oder Hotelbedienstete hinaus, um mit ihren Hunden auf einem schmalen Grünstreifen zwischen Hotel und der Wiener Ringstraße Gassi zu gehen. Unser Weg führte also vom Naschmarkt über den Karlsplatz zum Kärntner Ring. Gleich an der Ecke Kärntner Straße, Kärntner Ring standen das Hotel Bristol und das Grand Hotel. Wir setzten uns in eine Straßenbahnhaltestelle direkt vorm Bristol und warteten auf Kundschaft.

Wien ist im August wie ausgestorben. Sommerferien. Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal im Urlaub gewesen war. Gleich nach dem Studium hatte ich in diversen Studentenjobs gearbeitet, die nichts brachten. Die Wirtschaftskrise traf mich ganz besonders, tiefer konnte ich nicht fallen. Das dachte ich zumindest damals.

Dann entdeckte ich das Land, in dem angeblich alles besser war: Österreich. Der kleine Staat in den Alpen profitierte von den Touristenströmen. In meiner Naivität setzte ich »Alpen« mit »Geologie« gleich und machte mich auf den Weg nach Wien, um mein Berufsleben endlich in die richtigen Bahnen zu lenken.

Aber auch im Paradies waren nicht alle gleich. Die Regierung schirmte die einheimische Bevölkerung von den Neuankömmlingen ab, und so steckte mich das Arbeitsmarktservice sofort ins Piefke-5-Programm. Damit standen wir unter ständiger Kontrolle.

Diesen voyeuristischen Ansatz kannte ich bisher nur als eine Form der Sexualität. Da ich aber keine exhibitionistischen Neigungen hatte, empfand ich diese speziellen Rahmenbedingungen als höchst unsympathisch.

Georg hatte es nach dem Tod seiner Frau ebenfalls nicht leicht gehabt, er war allerdings aus einem anderen Holz geschnitzt. Sein Motto: Durchwurschteln!

Du wirst dich jetzt sicher fragen, welche Ziele der Kärntner verfolgte. Klar, er wollte endlich ein guter Österreicher werden, regelmäßig Geld verdienen, eine Zweizimmerwohnung beziehen und seinen kleinen Sohn zurückholen. Der wurde in der Zwischenzeit zwar bei seinen Eltern in Kärnten gut betreut, dennoch erwähnte er regelmäßig seine Sehnsucht nach einem ganz normalen Familienleben.

Aber ich sagte immer: Georg und ich waren auf eine gewisse Art und Weise auch eine Familie, wenn auch nur auf Zeit. Und das war gut so.

»Juri, mein Magen knurrt. Ich kann weit und breit keinen Köter sehen. Wie ausgestorben.«

»Du bist immer so ungeduldig. Wir brauchen Kundschaft. Ich sehe schon den leckeren Schweinsbraten und die selbst gemachten Knödel vor mir. Wir sind nur ein paar Gackerl entfernt von unserer Mahlzeit.«

Meine Gedanken kreisten gerade um das kleine Päckchen, das Seldschuk uns gegeben hatte. »Was, glaubst du, ist in dem Päckchen? Meinst du, Seldschuk handelt mit Drogen?«

»Kann ich mir gut vorstellen. Er hat manchmal so eine Art, die mir unheimlich ist. Ich weiß nicht, warum.«

»Aber was, wenn es Kokain wäre? Dann ist doch sicher viel Geld im Koffer, oder? Schon mal was von der Jungfrau Maria gehört?«

Georg nickte. »Klar. Meine Eltern haben mich katholisch erzogen. Und wenn Geld im Koffer ist, dann gehört es Seldschuk und nicht uns.«

»Das heißt doch nichts anderes, als dass wir morgen Mittag eine kapitalträchtige Erscheinung haben werden. Wenn der Papst wüsste, dass die Jungfrau Maria drogensüchtig und Seldschuk ihr türkischer Dealer ist – das wäre eine echte Schlagzeile für den ›Penner‹.«

»Juri, du alter gottloser Evangele.«

Wir grinsten uns an und mussten lachen.

Ich wollte aber die heiße Ware auf gar keinen Fall übergeben. Wenn da was schiefging, hätten wir ein großes Problem. »Wir müssen jemanden finden, der das für uns übernimmt. Mal schauen, wer dafür infrage kommt.«

Dann kam doch noch ein Gackerlproduzent. »Juri, schau mal. Die Pelztante mit dem kleinen Vierbeiner an der Leine. Die kommt gerade aus dem Grand.«

Tatsächlich. Mit einem winzigen Chihuahua. Der Pelz der Frau musste schweineteuer sein.

Wir teilten uns wie immer auf, ich stand Schmiere. Georg öffnete die Digitalkamera, die wir uns von Anton geliehen hatten. Dann kackte der kleine Köter direkt auf den Grünstreifen. Georg drückte ab, ich bot der Dame einen Handel an. Sie war völlig durcheinander und zahlte. Schließlich erwachte sie aus ihrer Starre und schrie so lange, bis der Portier aus dem Hotel gerannt kam, wobei er seinen Zylinder verlor. Er wollt uns verscheuchen. Ich verhedderte mich in der Hundeleine, die Pelzfrau und der Köter kugelten plötzlich am Boden. Ich zerrte an der Leine, woraufhin der Chihuahua in hohem Bogen durch die Luft flog und auf dem Portier landete. Die Pelztante saß mitten auf dem Gackerl und ich bahnte mir meinen Weg durch die hupenden Autos auf der Ringstraße.

Wir rannten den Kärntner Ring und den Schubertring entlang in Richtung Stadtpark.

Normalerweise saßen wir am Samstagnachmittag am Naschmarkt in einem der gemütlichen Lokale. Es gab dort fast alles, was das Herz begehrte: Egal ob Sushi, Döner, Käsekrainer, Palatschinken oder Schnitzel – es schmeckte alles hervorragend, ein richtiger Kontrast zum stinkenden Gackerl. Am liebsten mochte ich die süß und sauer gefüllten Palatschinken oder einen Schweinsbraten mit Kruste. Dazu ein gutes tschechisches Bier und der Tag war gerettet.

Heute allerdings führte uns der Weg vom Stadtpark ein paar Meter weiter zum Schwarzenbergplatz in einen Bierkeller. Das Lokal lag direkt neben dem Sowjetdenkmal am Kopfende des Platzes, das an die Befreiung Wiens durch die Sowjetarmee erinnern sollte. Am Abend leuchtete es wunderschön und der Springbrunnen verlieh dem Denkmal eine besondere Atmosphäre.

Wir gingen die Treppe hinunter und suchten uns einen Tisch in einer der vielen gemütlichen Nischen. Es gab hier Brünner Bier vom Fass und meinen geliebten Schweinsbraten. Der Kellner war ein alter Bekannter aus der Meldemannstraße: Erwin aus Berlin, mit seiner ganz besonderen Berliner Art. Wir mochten ihn alle irrsinnig gern. Er hatte morgen seinen freien Tag. Noch so ein Piefke 5.

»Na, wat für ’ne Überraschung. Juri, Georg! Euch beede hab ick heut nich mehr erwartet. Wie war det Jespräch mit Paradeiser und Stippschitz? Ham se euch fertigjemacht?« Er legte uns die Speisekarte auf den Tisch und zückte Block und Stift.

»Erwin, einmal wie immer.«

Georg schaute auf. »Für mich das Gleiche, aber mit viel Saft, damit der Braten ordentlich rutscht.«

Ich schüttelte den Kopf. »Uns hat noch niemand durch die Mangel gedreht. Wir sind Paradeiser allerdings schon zweimal am Naschmarkt fast in die Arme gerannt. Einmal bei Kovac, und dann bei Seldschuk. Wir werden in den nächsten Tagen sicher noch das Vergnügen haben. Was hat er dich gefragt?«

Erwin setzte sich kurz an unseren Tisch. »Er wollte allet Mögliche wissen. Meine Personalien wurden offjenommen. Wie meene Wochenplanung aussieht, ob ick heute Nacht meen Zimmer verlassen hätte, ob mir wat uffjefallen sei. Ob ick irgendjemanden in Verdacht hätte, der zu so ’ner Tat fähig wär’, ob ick mit Karl Greißler in irgendeener Verbindung stand und so weiter und so weiter. Nachdem ick ihm so jut wie keene Informationen jegeben habe, hat er seine Taktik jeändert und mich jefragt, warum ick damals in Berlin die Tageszeitung an ’nem Kiosk jeklaut hätte und warum ick dreimal beim Schwarzfahren erwischt worden bin. Na ja, und noch so ’n paar Sachen.« Erwin grinste, dabei fielen seine nicht mehr vorhandenen Vorderzähne auf.

»Was noch?«, fragte ich ihn.

»Dann rechnete der mir vor, wie lang es wohl noch dauern würde, bis ick den Status des juten Österreichers erhalten würde. Und ob ick mit meenem Leben im Piefke-5-Programm zufrieden bin, wollte der wissen. Ick hab jesagt, datt ick schon jern ein normales Leben führen und nicht jeden Tag weiterjereicht werden möchte. Ach so, und denne fragte der noch, ob ich schon Jeschlechtsverkehr mit ’ner österreichischen Frau jehabt hätte. Es jäbe da Jerüchte. Ick bin ja nich bescheuert, wa? Dann hatter mir seine Karte jegeben und uff seine Telefonnummer jezeigt. Jeder Hinweis würd mich meinem Ziel näher bringen, hatter jesagt. Wenn er in den nächsten 24 Stunden nüscht von mir hören würde, dann bliebe ick een Jahr länger Piefke 5. Jeden Tag een Jahr länger.«

Georg verzog das Gesicht. »So ein Schwein. So ein verdammtes Schwein, dieser Paradeiser! Ist ja nicht zu fassen. Wahrscheinlich hat er allen aus dem Männerwohnheim damit gedroht. Der baut sich sein eigenes Spitzelnetz auf und irgendwann wird sich jemand darin verheddern.« Dabei schaute er zu mir.

»Was schaust mich an?« Mein Magen knurrte und ich verspürte einen schrecklichen Durst. »Erwin, hol uns ein Bier.«

Er war schon fast außer Sichtweite, als er noch einmal zurückkam. »Bevor ick’s vergesse. Zwei Nischen weiter sitzt der Hasil. Ick gloobe, dem jeht’s nich jut. Der raunzt schon den janzen Tag rum und trinkt eene Halbe nach der anderen. Vielleicht könnt ihr den ja ein bissel offmuntern?«

Wir und den Hasil aufmuntern! Hatten wir sonst keine Probleme? Seit wir von einem Großteil seiner Kundschaft Geld kassierten, liefen seine Geschäfte miserabel. Kein Köter im Knast. Keine Pudelhaare für Hasil. Er hatte keine Ahnung, dass wir der Grund dafür waren. Auf der anderen Seite verstärkte sich mein schlechtes Gewissen gegenüber Isabel, denn ohne Hunde im Knast hatte auch sie keine Einnahmen. Wie man es drehte, irgendwer schaute immer in die Röhre, aber ich musste auf mich und Georg achten. Er stand mir näher. Gehörte quasi zur Verwandtschaft.

Erwin kam mit dem Brünner Bier. Zwei Halbe mit einer weißen Krone. Wir nahmen die Gläser und setzten uns zu Hasil.

Ich klopfte ihm auf die Schulter. Das hatte ich von Kovac gelernt. »Na, alter Raunzer. Was macht das Leben? Wie geht es deinen Pudelmützen? Ich habe gehört, du arbeitest mit Dokupil, dem Pferdeschlachter, zusammen und verarbeitest die Pferdehaare zu Pudelmützen?« Ein Bekannter vom Naschmarkt erzählte uns letztens von diesem Synergieeffekt. Pferdehaare in Pudelmützen – das war so was wie Muckefuck, also Ersatzkaffee aus Getreide.

Hasil schaute deprimiert drein. »Ihr habt gut reden. Werdet vom Staat durchgefüttert und bekommt alles in den Arsch gesteckt. Ihr Piefkes lebt doch in Saus und Braus. Lasst mich in Ruhe.«

Georg stieß mit seinem Glas an das von Hasil. »Prost, alter Pudelkönig. Du kannst nicht alle über einen Kamm scheren. Wir Kärntner haben es auch nicht so leicht mit euch Wienern. Und schon gar nicht mit diesem Piefke. Aber Ersatzhaare zu Pudelmützen verarbeiten, das ist ein Skandal – oder etwa nicht?«

Hasil sah aus wie ein geschlagener Köter. »Was wollt ihr von mir? Mich erpressen?«

Ich schlug ihm noch einmal auf die Schulter. »Das würden wir nie tun. Wir sind bald gute Österreicher. Und gute Österreicher helfen sich gegenseitig, wenn sie in der Klemme stecken. Eine Hand wäscht die andere.«

Georg mischte sich ein. »Wir hätten da einen Job für dich. Morgen Mittag sollst du für uns im Beichtstuhl der Dornbacher Pfarrkirche ein kleines Päckchen an die Jungfrau Maria übergeben. Den Koffer, den du von ihr bekommst, gibst du an uns weiter. Das ist alles. Klingt doch ganz einfach, oder?«

Hasils Zeigefinger bewegte sich in Richtung Stirn. »Ihr seid’s doch vollkommen durchgedreht. Die Jungfrau Maria! Geht’s euch gut?«

Ich erinnerte ihn noch einmal an die Ersatzhaare in seinen Pudelmützen. »Wenn deine Kunden, vor allem die neureichen Russen, von dem Betrug Wind kriegen, bist du erledigt. Wir kennen da so ein paar Moskauer in Wien, die das sicher interessiert. Lass es nicht drauf ankommen. Morgen Mittag wird dir die Jungfrau Maria im Beichtstuhl erscheinen.«

In dem Moment kam Erwin mit unserem Schweinsbraten. »Soll ick’s hier servieren?«

Georg zeigte zum anderen Tisch und flüsterte Hasil noch ein paar Worte ins Ohr. Der zuckte merklich zusammen und nickte. Wir zogen uns zurück und widmeten uns dem Braten.

»Was hast du zu ihm gesagt?«, wollte ich von Georg wissen.

»Ich hab ihm damit gedroht, jeden Tag einen toten Pudel in sein Geschäft zu werfen und die Tierschützer auf ihn zu hetzen.«

»Du widerst mich an. Lass die armen Viecher in Ruhe. Erwin, noch zwei Bier!«

Hasil war ein armes Schwein. Seine Lebensgrundlage waren Pudelmützen. Unsere war Piefke 5. Nach dem Essen tranken wir mit Erwin noch ein Bier. Ich fand sein Ziel, ein guter Österreicher zu werden, nicht unbedingt erstrebenswert, ich verschwendete keinen weiteren Gedanken daran. Wir freuten uns schon auf ein Wiedersehen am Donnerstag im Arbeitslosenstrandbad, Erwin arbeitete dort als Barkeeper. Wir würden an diesem Tag als Bademeister für die Aufsicht zuständig sein.

Gegen sieben rafften wir uns endlich auf. Das Männerwohnheim wartete, um acht wurden die Türen geschlossen. Wer sich bis dahin nicht für die Nacht angemeldet hatte, der musste draußen schlafen. Um zehn wurde das Licht abgedreht, dann war Nachtruhe.

Wir öffneten kurz vor acht die Tür. Es herrschte Totenstille, die kalten Flure wirkten um diese Zeit irgendwie unheimlich. Im Erdgeschoss lag die Verwaltung des Heims. Direkt neben dem Stiegenaufgang befand sich die Anmeldung. Ich klopfte und wir traten ein.

Franz saß hinter einem massiven Schreibtisch aus Eichenholz. Er tippte gerade etwas in seinen Computer.

»Sollen wir später noch mal wiederkommen?«, fragte ich.

»Nein, nein, setzt euch. Ihr seid hoffentlich die Letzten, die sich für heute Nacht anmelden. Noch einen kleinen Moment, dann könnt ihr einchecken.«

In den Regalen standen Hunderte von Aktenordnern alphabetisch geordnet. Für Franz war dieser Tag als Leiter sicherlich der Höhepunkt seiner noch kurzen Männerwohnheim-Karriere, allerdings stand er überhaupt nicht auf Öffentlichkeit. Er wollte Paradeiser offenbar helfen, den Mord möglichst schnell aufzuklären. Die Einrichtung der Soko war seine Idee gewesen, mit Herbert hatte er einen willigen Ermittler gefunden. Franz war ein guter Sozialarbeiter. Früher hatte er sich um ausgerissene Kinder und Jugendliche gekümmert, viel Straßenarbeit geleistet und diverse Jugendeinrichtungen betreut. Jetzt kümmerte er sich um die großen Kinder, wie er uns einmal bei einem gemeinsamen Bier nannte. So stellte ich mir die gute Seele eines Heims vor.

»So, meine beiden Freunde. Dann blast mal rein.«

Das war auch so eine Neuerung, die er eingeführt hatte. Wenn das Gerät mehr als 1,0 Promille zeigte, musste der Bläser das Heim wieder verlassen.

Wir hatten für diesen Fall eine spezielle Atemtechnik entwickelt: Beim Hyperventilieren, also schnellem Ein- und Ausatmen, zeigte das Gerät einen viel geringeren Wert an. Wir bliesen.

Ich erreichte 0,4 Promille und Georg 0,9, wir lagen also gerade noch darunter.

Dann mussten wir jeweils drei Fragen beantworten. Dieser Scherz hing mit Piefke 5 zusammen, quasi eine Vorbereitung auf den Einbürgerungstest.

»So, Juri, deine Fragen: Wie viele Liter sind ein Doppler?«

Das war einfach. »2.«

»Richtig. Das war ja nicht schwer. Jetzt die zweite Frage: Wo wurde der Mörder unserer Sisi geboren?«

Das war nicht ganz so leicht, aber ich wusste die Antwort. »In Paris.«

Die dritte Frage war meist die schwerste. »Was liegt bei einem guten Österreicher im Nachtkastl?«

Ich hatte keine Ahnung. Georg erwähnte vor ein paar Tagen, dass er in seiner alten Wohnung immer eine Gaspistole und Kondome in der obersten Schublade aufbewahrte. »Eine Pistole und Kondome.«

Georg grinste.

Franz verzog die Augenbrauen. »Na ja, da müssen wir noch ein wenig üben. Im Nachtkastl eines guten Österreichers liegt die Bibel. Aber ihr seid ja hier zum Lernen.«

Georg hatte nicht so viel Glück und lag dreimal knapp daneben. »Damit habt ihr den heutigen Test nicht bestanden und müsst morgen nachsitzen. Noch vor eurem Dienst kommt ihr in den ersten Stock zur Guten-Österreicher-Schulung. So, jetzt noch eine Unterschrift, und dann ab ins Zimmer gegenüber. Dort sitzt Herr Inspektor Stippschitz. Er hat ein paar Fragen zum Mord letzte Nacht.«

Auf dem Gang sahen wir uns an und gingen lautlos die Stiegen hinauf in den vierten Stock.

Herbert stand vor seinem Zimmer. Sein Helm glänzte im schummrigen Licht der 25-Watt-Birne. »Wart ihr schon bei Stippschitz?«

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ihm die Macht ein wenig zu Kopf gestiegen war. Anders konnte ich sein Gehabe nicht deuten.

»Herbert, was ist los?«, fragte Georg. »Gibt es Neuigkeiten? Habt ihr den Mörder schon gefasst?«

»Lass das Gequatsche. Was habt ihr mit Luise gemacht? Sie hat mich heute Nachmittag völlig aufgelöst angerufen. Das muss ein Ende haben.«

Georg schob Herbert in sein Zimmer und ich schloss hinter uns die Tür. »Hör mal gut zu, mein Freundchen. Du hast jetzt eine sehr wichtige Aufgabe. Wir werden dich voll und ganz unterstützen. Aber denk auch immer daran, dass Luise einen Pudel hat, den unser Freund Hasil gern verwerten möchte.« Georg drückte Herbert mitsamt seinem Helm gegen die Wand. »Du bist dafür verantwortlich, dass niemand unser Zimmer durchsucht. Weder Paradeiser noch Stippschitz oder Franz. Ist das klar? Ist das klar?« Den letzten Satz flüsterte Georg.

Ich spielte den guten Cop. »Herbert, denk an unsere gemeinsame Zeit im Waldviertel. Haben wir dich jemals im Stich gelassen? Glaubst du wirklich, wir könnten deiner Luise oder ihrem Pudel etwas antun? Wir brauchen nur etwas Privatsphäre. Georg hat eine regelrechte Allergie gegen die Obrigkeit und wir können uns die Medikamente nicht leisten.«

Herbert schaute Georg an. »Stimmt das mit der Allergie, Georg?«

»Klar stimmt das. Ich bekomme riesige Pusteln, die dann platzen und eitern.« Georg streichelte Herberts Helm.

Der Soko-Leiter atmete tief durch. »Na, warum habt ihr beide das nicht gleich gesagt. Wir sind doch Freunde, die sich gegenseitig helfen. Paradeiser und Stippschitz haben viel damit zu tun, jeden im Haus zu verhören. Ihr habt sicher keine Lust, mit ihnen zu reden. Aber eine schlechte Nachricht hab ich leider noch. Sie werden auch euer Zimmer durchsuchen. Die Mordwaffe haben sie bis jetzt noch nicht gefunden. Vielleicht kann ich da was machen.«

»Gut so. Das ist unser Herbert, wie wir ihn kennen«, freute sich Georg.

Der Arme schaute wieder freundlicher drein. Wir klopften ihm zum Abschied auf die Schulter und verließen sein Zimmer.

Der Gang wirkte endlos. Wie in einem Gefängnis. Rechts und links die Zellen. An der Decke eine nackte Birne. Das vorletzte Zimmer links gehörte uns. Wir durften es nicht verschließen. Das war strengstens verboten – Regel Nummer sieben der Hausordnung.

Der Sack, den wir am Morgen auf den Gang geworfen hatten, war verschwunden.

Georg öffnete das Fenster, ich setzte mich an den Tisch. »Ich freu mich schon auf morgen. Der Pater hat seinen großen Tag. Dann wird die Jungfrau Maria erscheinen und wir werden endlich ein paar Scheine mehr in der Tasche haben. Es geht aufwärts.«

Georg raunzte. »Juri, langsam verliere ich den Überblick, wer hier wen erpresst. Du hast einen ganz schön schlechten Einfluss auf mich. Wir sollten vielleicht wirklich den Koffer mit Geld nehmen und abhauen.«

Dann holte ich die DVD aus dem Rucksack, die hatte ich bis dahin verdrängt. »Was machen wir damit? Hier im Heim haben wir keine Möglichkeit, sie anzuschauen. Irgendwie bin ich schon neugierig.«

Georg starrte auf die Scheibe. »Wir können sie doch vernichten und einfach vergessen. Was kümmert uns dieses Überwachungsvideo?«

»Willst du denn nicht wissen, was da so Geheimnisvolles drauf ist? Wir sollten uns das Video zumindest ansehen.«

Er wirkte unsicher. »Nein. Vielleicht ist das gar keine gute Idee. Du und Kovac zieht mich in keine weitere Geschichte. Ich werde ein guter Österreicher.« Er fummelte an Seldschuks Päckchen herum.

Ich riss es ihm aus der Hand. Ob das wirklich Drogen waren? Ein ungutes Gefühl durchdrang mich. »Wir könnten doch beim Pater in Dornbach die DVD abspielen? Dann sehen wir, was drauf ist.« Ich schaute auf die Kommode. Irgendetwas stimmte hier nicht. Ich sprang auf und öffnete die halb verschlossene Schublade und schaute den Kärntner entgeistert an. »Ich glaube, da will uns jemand was anhängen.«

Das Küchenmesser war weg.

Der Stempelmörder

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