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Venedig, 19.-22. Oktober 2009

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Wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass es sich um eine Schnäppchenreise in den Herbstferien in der zweiten Oktoberhälfte handelte, dann war es alles in allem ein Erfolg. Zu meiner Überraschung hatte ich in der Nacht zuvor gut geschlafen, obwohl ich mich sehr über das miserable Spiel gegen Rot-Weiß Ahlen und den bisher unerwartet schlechten Saisonverlauf geärgert hatte. Als ich am Montag gegen 4:45 Uhr an der üblichen Abfahrtstelle hinter dem Koblenzer Hauptbahnhof eintraf, war dort schon eine größere Menge Leute an und um zwei Bussen zugange, von denen einer in die Toskana fahren sollte, während in dem anderen kein Schild hing (dieser fuhr nach Istrien, wie sich dann herausstellte). Dazwischen die Busfahrer mit Namenslisten, die sie mangels Taschenlampen kaum lesen konnte. Da meine Abfahrtszeit mit 5 Uhr angegeben war, nahm ich an, der Venedig-Bus würde noch kommen, doch stellte sich schließlich heraus, dass die Venedig-Reisenden erst einmal in dem Toskana-Bus mitfahren sollten.

An der Autobahnraststätte Pfälzer Weinstraße trafen sich dann sage und schreibe sechs Reise- bzw. Zubringerbusse mit unterschiedlichen Anfahrtswegen, um dort Fahrgäste und Gepäck auszutauschen, bis endlich jeder in dem Bus mit dem richtigen Ziel saß. Etwas gespenstisch war, dass nach dem Umsteigen alle Busse noch ein paar Minuten lang unbeweglich dastanden und dann wie auf Kommando alle Motoren gleichzeitig starteten. Die Lenk- und Pausenzeiten der Fahrer werden heutzutage nämlich minutengenau computergesteuert.

Mein Bus war bis auf zwei Plätze voll besetzt, darunter neben den üblichen Rentnern auch Familien mit Kindern oder Enkeln. Es waren halt Ferien, und die Reise war recht preisgünstig. Dabei war auch ein ehemaliger deutscher Meister im Bodybuilding, neben dem seine Frau kaum Platz in der Sitzreihe hatte. Er ist ein netter ruhiger Kerl, aber halt breit wie ein Schrank und vielleicht zu breit für so manche Duschkabine. Im Hotel hatten die Kellnerinnen später richtig Spaß, ihm Unmengen Nachschlag an Pasta zu bringen... Aber dort sind wir ja noch lange nicht angekommen.

Die Fahrstrecke war bis Mailand dieselbe wie zehn Tage zuvor, außer dass auf der französischen Rheinseite durch das Elsaß gefahren wurde. Dort kam hinter Straßburg der (erst am Vortag aus London zurückgekommene und nach unserer Rückkehr gleich nach Paris weiterfahrende) Busfahrer an Bord, der uns nach Venedig und zurück brachte. Die Strecke ist halt zu lang, als dass sie ein Fahrer an einem Tag fahren dürfte. Die Fahrt verlief weitgehend störungsfrei bei mäßigem Wetter, aber wegen der vielen vorschriftsmäßigen Pausen (und weil der Fahrer sich kurz vor dem ihm bis dato nicht bekannten Zielort zweimal trotz Navi leicht verfuhr) dauerte es schließlich fast 16 Stunden, bis wir endlich im Hotel waren. Nach einem hastigen Abendessen war schon Schlafenszeit, denn morgen früh stand ja schon der Höhepunkt der Reise auf dem Programm: die Stadtführung in Venedig!

Untergebracht waren wir in dem Badeort Lido di Jesolo ein ganzes Stück nördlich von Venedig. Dort ist im Sommer bestimmt der Bär los, denn ich fand eine endlos scheinende Promenade mit Sandstrand vor, an der sich ein Hotel an das andere reihte. Bis auf unseres (Hotel Sofia) waren jedoch fast alle schon längst leer und geschlossen. Auch bei unserem Hotel handelte es sich um ein Sommerhotel, denn es gab zwar eine Klimaanlage, jedoch keine Heizung! Es war vor allem in der mitgereisten Damenwelt ein Hauptgesprächsthema in den nächsten Tagen, was man gegen die Kälte in den Zimmern machen kann. Da ich dort jedoch fast nur zum Duschen und Schlafen war (und nach den Erfahrungen mit meinem Zimmer auf der letzten Reise), hat mich das weniger gestört. Viel wichtiger war das Wetter tagsüber, und da hatten wir schon wieder richtig Glück gehabt. Aber ich möchte nicht vorgreifen...

In Hotel habe ich allein mit sage und schreibe sieben Frauen an einem Tisch gesessen! Dies relativiert sich aber gleich wieder dadurch, dass drei davon viel zu alt und die anderen vier viel zu jung für mich waren, mindestens eine davon sogar minderjährig. Zwei der jüngeren Damen führten ihre eigene Unterhaltung teilweise auf Russisch, weil sie sich dabei sicher glaubten. Ich, der wenn nicht übersehen so doch wenigstens unterschätzt wird, habe einiges davon verstanden, was sicher nicht für die anderen am Tisch Sitzenden wie mich gedacht war...

Nun aber auf nach Venedig. Dorthin zu gelangen ist bekanntlich nicht ganz einfach, denn Venedig ist ja in vielfacher Hinsicht anders als normale Städte; deswegen reisen wir ja schließlich dorthin. Mit dem Bus ging es zunächst nach Punta Sabbaione (oder so ähnlich) und von dort aus per Schiff halb um Venedig herum direkt in die Nähe des Markusplatzes. Mit dem Wetter hatten wir wieder einen Glücksgriff getan, denn es war ruhig, wolkenlos und wurde bis etwa 20 Grad warm.

In der Nähe des Dogenpalastes wartete schon unsere Stadtführerin, die wie die meisten Venezianer aus Kostengründen inzwischen auf dem Festland wohnt. Die meisten von ihr erzählten Daten und Fakten waren mir schon bekannt, denn ich kenne ja vieles von der Welt aus meinen Büchern - außerdem habe ich natürlich auf der Hinreise den ganzen Baedeker gelesen. Einen großen Teil der Besichtigung verbringt man natürlich auf und um den Markusplatz, wo es trotz beginnendem Hochwasser und Nachsaison sehr voll war (Venedig stemmt mit nur noch 60.000 Einwohnern jährlich eine Flut von 13 Millionen Touristen, von denen fast keiner in der Stadt übernachtet, für die aber fast alles vom Festland herbeigeschafft werden muss). Was mich auf dem Markusplatz ziemlich schockiert hat: dort wimmelt es bekanntlich von Tauben, aber während überall von der Vogelgrippe geredet wird, füttern die Touristen nicht nur verbotenerweise die Tauben, sondern lassen sich mittendrin und sogar mit Tauben auf den Armen fotografieren!

Glück hatten wir auch mit der Markusbasilika, die wir nicht nur betreten konnten, sondern die sogar erleuchtet war, was (angeblich ohne festen Zeitplan) nur an einigen Stunden der Fall sein soll. So konnte man die herrlichen, protzigen Deckenmosaiken schön sehen, wobei ich leider wegen meines Bandscheibenproblems meinen Hals nicht weit genug zurückbeugen kann. Jede Kuppel und jedes Stück Decke und Wand ist mit Mosaiken versehen, wie üblich Heiligenfiguren und biblische Szenen. Dabei ist jeder Quadratzentimeter um die Figuren herum mit Mosaiksteinchen beklebt, die mit Blattgold überzogen sind; das sind angeblich mehrere Millionen solcher Steinchen! Zum Heulen ist jedoch, dass die ebenso herrlichen kunstvollen Marmorböden aus dem 11. und 12. Jahrhundert langsam vom Wasser vernichtet werden, in dem die Stadt bekanntlich unaufhaltsam versinkt.


Vom Markusplatz aus ging es über einige markante Punkte und Brücken, von denen aus man besonders viel Gondelverkehr beobachten konnte, bis in die Nähe der Rialto-Brücke, wo die Führung offiziell endete. Danach und am nächsten Tag hatten wir einige Stunden zur freien Verfügung.

Am Dienstag und Mittwoch hatten wir wie gesagt jeweils ein paar Stunden Zeit, um uns selbst in Venedig umzusehen. Ich habe mich während dessen auf die Spuren von Commissario Brunetti begeben und einige Örtlichkeiten aus den Romanen sowie den deutschen TV-Verfilmungen (die mir oft besser gefallen haben als die Bücher) zu finden versucht. Auf die Hilfe der Ortsansässigen kann man dabei aus einem ebenso einfachen wie überraschenden Grund nicht bauen: sie kennen Commissario Brunetti schlichtweg nicht, weil Donna Leons Romane bislang nicht ins Italienische übersetzt worden sind, obwohl sie in und um Venedig spielen und die Autorin seit Jahren dort lebt!

Wie dem auch sei, gleich auf dem Markusplatz fühlte ich mich zum ersten Mal an die Brunetti-Krimis erinnert. Dort war nämlich beginnendes Hochwasser zu erkennen, das die Italiener "acqua alta" nennen - und so heißt ja der fünfte Brunetti-Roman.


Im Rahmen der Stadtführung wurde uns natürlich auch das Theater La Fenice gezeigt, das nicht nur nach der Mailänder Scala das bedeutendste Opernhaus Italiens ist, sondern auch der Schauplatz des allerersten Brunetti-Krimis "Venezianisches Finale", der meiner Meinung nach immer noch der beste ist.


Mein Hauptanliegen war es, die angebliche Wohnung von Commissario Brunetti und seiner Familie zu finden, was nicht so einfach war, wie man glauben sollte, denn Venedig ist bekanntlich anders als normale Städte! Hier werden in jedem Stadtteil die Häuser einfach von 1 bis n durchnummeriert; im Stadtteil San Marco hat beispielsweise der Dogenpalast die Hausnummer 1, dann geht es aufwärts bis über 6800. Die zusätzliche Angabe des Straßennamens ist nur bedingt hilfreich und durch die zahlreichen kleinen Gassen und Sackgassen wird die Suche sehr erschwert, selbst die Postboten kommen ohne ein zusätzliches Verzeichnis kaum zurecht. Die Hausnummer 881 im Stadtteil San Polo war mir bekannt, ein Reiseführer (siehe unten) lieferte mir zusätzlich den Straßennamen Calle de l'Anzolo. San Polo beginnt direkt hinter der Rialto-Brücke, die Brunetti ja täglich auf dem Weg zur Arbeit und zurück überquert. Da nach den 700er-Nummer gleich die 900er kamen und links von mir fast schon der Canal Grande lag, begab ich mich in die engen Gassen zu meiner Rechten, wo ich schließlich 800er-Hausnummern fand. Als ich mehr oder weniger zufällig plötzlich vor 884 stand, glaubte ich mich fast am Ziel, doch musste ich um mehrere Ecken herum suchen, bis ich endlich vor einer schlichten braunen Haustür stand.


Hier wohnt die Familie angeblich im vierten Stock, und ich frage mich, ob die richtigen Bewohner das wissen oder gar von deutschen Touristen genervt werden. Auf einem der Klingelschilder steht übrigens der Name Vianello - Brunetti-Fans werden wissen, was daran lustig ist. Jedenfalls kann man von der Dachterrasse aus keinesfalls direkt auf den Canal Grande schauen. Für die Dreharbeiten musste also ein anderes Haus verwendet worden sein, über das mir jedoch keine näheren Angaben vorliegen.

Den Ort, wo laut den Romanen die Questura liegen soll, habe ich leichter gefunden; aber dort liegt natürlich keine Polizeibehörde. Nicht finden konnte ich leider das rote Gebäude, das in den TV-Verfilmungen für Brunettis Dienststelle herhalten musste.

Am Kai entdeckte ich auch die illegalen (in doppeltem Sinne) Schwarzhändler, die dort in großem Stil hauptsächlich gefälschte Markentaschen anbieten. Mit der Ermordung eines solchen Händlers beginnt ja der vierzehnte Brunetti-Krimi "Blutige Steine". Ich war erstaunt, wie viele dieser Händler sich dort ausgebreitet haben und wie viele Geschäfte sie tatsächlich abwickeln, obwohl jeder weiß oder sich denken kann, dass die billigen Waren Fälschungen sind, deren Erwerb einen teuer zu stehen kommt, wenn man auf frischer Tat erwischt wird oder später keine Quittungen vorweisen kann! Lustig war es jedenfalls zu sehen, wie schnell sie alle mitsamt den Waren in den vielen Gassen verschwanden, sobald am Horizont Carabinieri auftauchten...

Weitere Örtlichkeiten aus den Brunetti-Romanen konnte ich in der Kürze der Zeit nicht aufsuchen, da sie in weiter entfernten und/oder nur per Schiff erreichbaren Stadtteilen oder auf dem umliegenden Festland liegen. Und Murano, wo der fünfzehnte Krimi "Wie durch dunkles Glas" spielt, werde ich ja ohnehin noch besuchen. Ein seltsamer Zufall wollte es, dass die TV-Premiere der deutschen Verfilmung in der ARD gesendet wurde, als wir uns mit dem Bus auf der Heimreise befanden.

Für alle Commissario Brunetti Fans empfehle ich diese Reiseführer, die ich auch schon im Buchtipp vorgestellt hatte:

- Katharina Holtmann: "Auf den Spuren von Donna Leons Romanen - Krimi-Schauplätze in Venedig", books&friends, 2006, ISBN 3-9810996-1-3

- Toni Sepeda: "Mit Brunetti durch Venedig", Diogenes, ISBN 978-3-257-06670-8

Am Mittwoch ergab sich insofern eine Lageänderung, als dass der Busfahrer einen erzwungenen Ruhetag hatte und wir demzufolge nicht mit unserem Reisebus fahren konnten. Da im Prospekt jedoch versprochen wurde, dass wir wieder zum Anleger nach Punta Sabbione gebracht werden, gab es auf Kosten des Reiseveranstalters Tickets für den öffentlichen Linienbus, in den wir zum Schrecken der anderen Fahrgäste mit 46 Leuten auf einmal einstiegen. Wir haben uns dann für 22 Euro pro Person (dafür habe ich dann halt auf Ansichtskarten und Souvenirs verzichtet) ein Bötchen gemietet, das uns zunächst noch einmal für ein paar Stunden nach Venedig brachte.

Von dort aus ging es dann zur Insel Murano, auf die vor langer Zeit Venedigs berühmte Glasbläserindustrie verlagert wurde, einerseits wegen der Brandgefahr für die Stadt und andererseits, um die Glasbläser dort leichter festhalten und an der Flucht in andere Städte und Länder hindern zu können. In einer Vorführung bekamen wir gezeigt, wie eine Prosecco-Flasche und ein Ferrari-Pferdchen modelliert werden. Anschließend konnte man jede Menge Souvenirs aus Murano-Glas kaufen, ganze Kronleuchter konnte man erwerben und sich nach Hause schicken lassen. Wunderschöne Gläsersets hätte es dort zu kleinen Preisen (6 Stück mit Gold- oder Silberrand für nur 25 Euro) gegeben.

Von Murano fuhren wir weiter nach Burano (seltsame Namensgebung haben die hier). Während Murano sich optisch kaum von Venedig unterscheidet, ist Burano ganz anders. In diesem Fischerdörfchen hat jedes Haus eine andere Farbe wie im Legoland! Dort gibt es überall lohnende Motive für Fotografen und Maler. Die Insel ist außerdem berühmt für die dort hergestellte Spitze.


Auf der Rückfahrt zum Festland begann das Wetter langsam schlechter zu werden, so dass man sagen kann, dass wir wirklich Glück gehabt haben. Am Anleger erwartete uns eine Überraschung, denn auf uns wartete ein extra für unsere Gruppe zusätzlich bereit gestellter Linienbus, ohne dass wir einen solchen angefragt hatten! Ich weiß nicht, ob so etwas in Deutschland denkbar wäre. Im Hotel trafen wir auf eine gerade angereiste Reisegruppe aus dem Raum Tübingen, die an den nächsten zwei Tagen ebenfalls nach Venedig wollte und wettermäßig voll ins Klo gegriffen haben dürfte. Das ist schade, denn Venedig im Regen dürfte ebenso ungeil sein wie Husum...

Am Donnerstag begann die Heimreise bei wie gesagt schlechtem Wetter, das sich aber in den Alpen besserte. Dank besserer Pausenregelung ging die Fahrt schneller vonstatten als auf dem Hinweg, doch ging ein Teil der eingesparten Zeit dadurch wieder verloren, dass wir zu früh am Treffpunkt bei Straßburg eintrafen und über eine halbe Stunde auf den von Trier dorthin geschickten Bus warten mussten, der einen Teil der Fahrgäste aufnahm, während unser Bus direkt in den Raum Koblenz weiterfuhr. Gegen 23 Uhr war ich dann wieder zuhause.

Dieses Foto wurde von den Lesern zum besten Foto meines Reiseberichts gewählt:


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