Читать книгу Aufbrechen - Tsitsi Dangarembga - Страница 5

Zwei

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Mit sieben Jahren kam Nhamo in die Schule. Die Regierung hatte beschlossen, dass afrikanische Kinder dieses Alters geistig genügend entwickelt waren, um die Abstraktion von Zahlen und Buchstaben zu verstehen: 1 + 1 = 2; k-i-t-s-i = kitsi. Nhamo war einer der Jüngsten in seiner Klasse. Vielleicht glaubten andere Eltern wirklich, wir seien ein zurückgebliebener Haufen, und zogen es vor, die Fähigkeiten ihrer Kinder noch etwas reifen zu lassen, ehe sie der Strenge der Schulbildung ausgesetzt wurden. Und natürlich war es eine Frage der Schulgebühren. Was auch immer der Grund war, viele von uns kamen erst mit acht oder neun in die Schule, doch durch Babamukuru gab es in unserer Familie einen Präzedenzfall für frühe Einschulung; er hatte es zu einem Bachelortitel in Südafrika gebracht und wusste folglich sehr viel über Erziehung. „Sie sollten früh anfangen“, sagte Babamukuru meinem Vater, „solange ihr Verstand noch formbar ist.“ Unweigerlich kam Nhamo also mit sieben in die Schule, und ich, die ein Jahr jünger war, folgte im Jahr darauf.

Nun fiel die Ernte aus irgendeinem Grund in dem Jahr meiner Einschulung trotz ausreichender Regenfälle sehr mager aus. Obwohl wir genug Mais geerntet hatten, um nicht zu verhungern, blieb nichts zum Verkauf übrig. Das bedeutete, dass es zu Hause kein Geld gab. Kein Geld bedeutete keine Schulgebühren. Keine Schulgebühren bedeutete keine Schule. Auch gab es keine Hoffnung, Geld zu beschaffen, denn Babamukuru hatte die Mission verlassen, um in England mehr über Erziehung zu lernen.

Ich war erst fünf, als Babamukuru nach England ging. Folglich weiß ich nur noch, dass alle sehr aufgeregt und sehr beeindruckt von diesem Ereignis waren. Um herauszufinden, was damals wirklich passierte, und um die folgenden Ereignisse zu verstehen, habe ich viele Leute gebeten – Maiguru und Babamukuru, meinen Vater, meine Mutter, Nyasha und Chido –, mir zu erzählen, was ihnen im Gedächtnis geblieben war. Ich fand heraus, dass es, kaum verwunderlich, Diskussionen und Konflikte und Spannungen gegeben hatte, die ich als kleines Mädchen nicht wahrnehmen konnte.

Babamukuru wollte die Mission nicht verlassen. Er wollte nicht noch einmal so weit von zu Hause fort, denn er hatte seine Mutter schon einmal verlassen, um nach Südafrika zu gehen, und er war noch nicht lange genug wieder daheim, um sicher zu sein, dass sie im Alter gut versorgt wäre. Auch hatte er jetzt selbst eine Familie. Obwohl die Missionare, die ihm ein Stipendium für das Studium in England besorgt hatten, auch Maiguru ein Stipendium anboten (so bestrebt waren sie, dieses intelligente, disziplinierte junge Paar in England ausbilden zu lassen, damit sie ihrem Volk nützlich sein konnten), blieb die Sorge um die Kinder. Die Diskussionen und Spannungen bei seiner Abreise hatten weniger mit seinem Weggehen zu tun als mit der Frage, was mit den Kindern geschehen sollte. Babamukuru schätzte die ihm gebotene Möglichkeit sehr; auch wäre eine Ablehnung einer Art Selbstmord gleichgekommen. Seine Undankbarkeit hätte die Missionare verärgert. Er wäre in Ungnade gefallen, und sie hätten an seiner Stelle einen anderen vielversprechenden Afrikaner unter ihre Fittiche genommen. Da er die notwendige Qualifikation nicht im eigenen Land erhalten konnte, blieb ihm keine andere Wahl, als sich für fünf Jahre zu entwurzeln, um danach eine Position einzunehmen, die es ihm im Laufe der Zeit ermöglichen würde, sich selbst und seine beiden Familien aus der Abhängigkeit von Umwelt und spendablen Missionaren zu befreien. Mein Großvater war der Ansicht, die Kinder wären zu Hause besser aufgehoben, wo sie unsere Gewohnheiten kannten und sich im Kreis der Familie wohlfühlten. Aber Babamukuru, der vor Augen hatte, wie schwierig das Leben zu Hause war, wollte nicht, dass seine Kinder die Not und das Elend seiner Kindheit erlebten. Auch wollte er seine Kinder bei sich haben, um so entscheidende Dinge wie ihre Erziehung und ihre Entwicklung selbst zu überwachen. Also wurden Chido und Nyasha nach England mitgenommen. Und mein Vater, dem fünf Jahre ohne einen Bruder, der für ihn sorgte, wie eine Ewigkeit vorkamen, tröstete sich mit der Aussicht, nach Babamukurus Rückkehr von dem dann höher Qualifizierten noch reichhaltiger versorgt zu werden als bisher. Meine Mutter war hoffnungsvoll. Sie dachte, mein Vater würde endlich Verantwortung übernehmen.

Ich kann mich an ein Gespräch mit Nhamo über das Phänomen von Babamukurus Bildung erinnern. Nhamo war allein schon von der Bildungsmenge, die möglich war, beeindruckt. Er sagte mir, dass die Ausbildung, wegen der Babamukuru weggegangen sei, sehr wichtig gewesen sein müsse, sonst wäre er wegen ihr nicht so weit fortgezogen. „England“, sagte er gewichtig zu mir, „ist sehr weit weg. Viel weiter weg als Südafrika.“ Nhamo wusste damals vieles. Er wusste mehr als zum Zeitpunkt seines Todes. So wusste er zum Beispiel, dass er als Erwachsener wie Babamukuru viele akademische Grade anstreben und Schuldirektor wie Babamukuru werden würde. Er wusste, dass er seinen jüngeren Schwestern Bildung sichern oder zumindest sich um uns sorgen musste, wie Babamukuru es für seine eigenen Brüdern und Schwestern tat. Er wusste, dass er auf den Feldern und beim Vieh helfen und freundlich zu den Leuten sein musste. Aber vor allem wusste er, dass er hart arbeiten musste, um stets der Klassenbeste zu sein. Das tat er in den unteren Klassen eifrig. Einmal war er mit seiner Leistung besonders zufrieden, denn er hatte einen Mitschüler ganz knapp übertroffen. Nach all diesen Erfolgen wurde ihm mitgeteilt, er könne nicht weiter zur Schule gehen, weil das Geld für die Schulgebühren fehlte. Er weinte.

Glücklicherweise war meine Mutter in jenem Jahr willensstark. Sie fing an, Eier zu kochen, die sie dann zum Busbahnhof trug und an durchreisende Passagiere verkaufte. (Das bedeutete, dass wir sie nicht essen konnten.) Sie bot auch Gemüse an – Rüben, Zwiebeln und Tomaten –, wozu sie ihren Garten erweiterte, um mehr anbauen und verkaufen zu können. Das Geschäft ging leidlich, gut an öffentlichen Feiertagen, wenn Reisende von weit entfernten Orten wie Salisbury, Fort Victoria, Mount Darwin und Wankie in Versuchung kamen, eine Kleinigkeit nach Hause mitzunehmen. So kratzte sie genug Geld zusammen, um meinen Bruder in der Schule zu halten. Ich sah ein, dass Gemüseverkaufen kein einträgliches Geschäft war. Ich sah ein, dass es nicht genug Geld für meine Schulgebühren gab. Ja, ich sah ein, dass ich nicht weiter zur Schule gehen könnte, obwohl ich sehr gern zur Schule ging und auch gut war. So wirkten sich die Umstände ungünstig auf mich aus.

Mein Vater meinte, dies sollte mich nicht bekümmern. „Über so was macht man sich doch keine Sorgen! Ha-a-a, das ist nichts“, beruhigte er mich mit seiner ewigen Bereitschaft, die einfachste Lösung zu wählen. „Kannst du Bücher kochen und sie deinem Ehemann vorsetzen? Bleib zu Hause bei deiner Mutter. Lerne kochen und putzen. Pflanz Gemüse.“

Es war seine Absicht, mich mit beruhigenden, vernünftigen Worten zu trösten, aber ich sah den Sinn darin nicht. So war es oft, wenn mein Vater etwas sagte, aber bislang hatte es keinen so konkreten Anlass gegeben, an seinen Theorien zu zweifeln. Diesmal hatte ich aber Beweise. Maiguru war gebildet; servierte sie denn Babamukuru Bücher zum Abendessen? Ich fand zu meiner unglücklichen Erleichterung heraus, dass mein Vater nicht vernünftig war.

Ich beschwerte mich bei meiner Mutter. „Baba sagt, ich brauch keine Ausbildung“, sagte ich voller Verachtung zu ihr. „Er sagt, ich muss lernen, eine gute Ehefrau zu werden. Schau dir Maiguru an“, fuhr ich fort, meiner Grausamkeit nicht bewusst. „Sie ist eine bessere Ehefrau als du!“

Meine Mutter war zu alt, um sich von meinem kindischen Unsinn beeindrucken zu lassen. Sie versuchte, einige meiner Vorwürfe zu entkräften, indem sie mir lang und breit erklärte, dass mein Vater recht habe, weil auch Maiguru kochen und putzen und Gemüse anbauen könne. „Eine erwachsene Frau zu sein, das ist eine große Last“, sagte sie. „Wie sollte es anders sein? Sind nicht wir es, die die Kinder gebären? Da kannst du nicht einfach entscheiden, heute möchte ich dies tun und morgen jenes und am übernächsten Tag möchte ich eine Ausbildung haben! Wenn Opfer gebracht werden müssen, bist du diejenige, die sie bringen muss. Und diese Sachen sind nicht einfach; du musst von jung auf, von sehr jung auf, anfangen, sie zu lernen. Je früher, desto besser, dann ist es später einfacher. Einfacher! Als ob es jemals einfach wäre. Und in unserer Zeit ist es am schlimmsten; einerseits das Elend, eine Schwarze zu sein, andererseits die Bürde, eine Frau zu sein. Aiwa! Was dir helfen wird, mein Kind, ist zu lernen, deine Bürde mit Ausdauer zu tragen.“

Ich dachte mehrere Tage lang darüber nach, in deren Verlauf ich trotz meiner guten Noten an meiner Intelligenz zu zweifeln begann, denn wie in den Worten meines Vaters konnte ich auch in denen meiner Mutter keinen Sinn sehen. Meine Mutter behauptete, schwarz zu sein sei eine Bürde, weil man arm bleibe, aber Babamukuru war nicht arm. Meine Mutter behauptete, Frau zu sein sei eine Bürde, weil man Kinder gebären und sich um sie und den Ehemann kümmern müsse. Aber ich glaubte nicht daran. Maiguru wurde von Babamukuru gut versorgt, wohnte in einem großen Haus auf dem Missionsgelände, das ich nicht gesehen, von dem ich aber gerüchteweise gehört hatte, wie riesig und elegant es sei. Maiguru wurde in einem Auto herumchauffiert, sah gepflegt und frisch aus und war stets sauber. Sie war insgesamt eine andere Frau als meine Mutter. Es kam mir besser vor, wie Maiguru zu sein; nicht arm und nicht von der Bürde, eine Frau zu sein, erdrückt.

„Ich werde wieder zur Schule gehen“, eröffnete ich meinen Eltern.

Mein Vater nahm an, ich erwartete von ihm, dass er das Geld irgendwie, womöglich durch Arbeit, besorgte, und reagierte heftig. „Fängst du wieder mit dem Blödsinn an! Ich sehe es schon. Du weißt doch, dass dein Babamukuru noch einige Zeit weg sein wird!“

„Ich werde mir die Gebühren selbst verdienen“, versicherte ich ihm und unterbreitete ihm meinen Plan, so wie ich ihn entworfen hatte. „Wenn du mir etwas Aussaat gibst, werde ich mein eigenes Feld beackern und selbst Mais anbauen. Nicht viel. Gerade genug, um die Gebühren zu bezahlen.“

Mein Vater war sehr belustigt. Er ärgerte mich sehr mit seinem ständigen Lachen, mit seiner unangenehm erwachsenen Art. „Gerade genug, um die Gebühren zu bezahlen! Kannst du sie dir dabei vorstellen?“ gluckste er zu meiner Mutter hin. „So ein Sträuchlein, aber schon mit reifen Plänen! Kannst du deiner Tochter sagen, Ma’Shingayi, dass wir kein Geld haben. Wir haben kein Geld. Das ist alles.“

Meine Mutter kannte mich natürlich besser. „Hat sie denn um Geld gebeten?“ gab sie zurück. „Hör deinem Kind richtig zu. Sie möchte nur etwas Aussaat. Die können wir ihr geben. Lass es sie versuchen. Lass sie selbst sehen, dass manche Sachen einfach nicht zu machen sind.“

Mein Vater war einverstanden. Etwas Aussaat war kein großer Preis, mich ruhigzustellen. Ich begann mein Projekt am nächsten Tag, einem Dezembertag 1962. Im Januar darauf kam mein Bruder eine Klasse weiter. Ich arbeitete in der Hütte, auf den Feldern unserer Familie und auf meinem eigenen Stück Land. In diesen ersten Tagen meiner Gärtnerei murmelte ich Gebete voller Liebe und Ehrfurcht, die ich an meine Großmutter richtete. Meine Großmutter hatte unerbittlich das Land bebaut, ausgesät und reiche Ernten eingebracht, bis zu ihrem letzten, wortwörtlich letzten Augenblick. Als ich noch zu klein war, um irgendetwas anderes als ein Hindernis bei der Feldarbeit zu sein, verbrachte ich ergebnisreiche Stunden mit meiner Großmutter, arbeitete mit ihr zusammen auf dem Stückchen Land, das sie ihren Garten nannte. Wir zogen Seite an Seite mit der Hacke Furchen für die Maispflanzen, die jede von uns trug. Ich bestand dickköpfig darauf, mit ihr Schritt zu halten, so dass sie drei Stufen gleichzeitig bearbeitete, damit ich auf meinem einen mitkam. Indem sie meinen Arbeitseifer lobte, machte sie ihn für mich zu einem Wert.

Sie gab mir auch Unterricht in Geschichte. In Geschichte, wie sie sich nicht in den Schulbüchern findet; Feldarbeit und dann eine Rast, der Anfang einer Geschichte, eine Pause. „Was passierte dann, Mbuya, was passierte?“ – „Noch etwas Arbeit, mein Kind, ehe du die Geschichte weiter hörst.“ Langsam, mit Methode, wurde das Feld den ganzen Tag hindurch beackert, und die Episoden der Geschichte, wie meine Großmutter sie verstand, reihten sich aneinander.

„Deine Familie hat nicht immer hier gelebt. Sie ist erst hierhergezogen, nachdem ich deinen Großvater geheiratet habe. Wir lebten in Chipinge, wo der Boden fruchtbar und dein Urgroßvater ein reicher Mann in der Währung jener Tage war. Er hatte viele fette Viehherden, große Felder und vier Frauen, die hart arbeiteten, um reiche Ernten einzubringen. Er konnte bei den Händlern Stoff und Perlen und Äxte und ein Gewehr, ja, sogar ein Gewehr, eintauschen. Die Händler blieben in jenen Tagen nicht da, sie kamen vorbei und gingen wieder. Dein Urgroßvater hatte genug Söhne für einen ganzen Kral, lauter große, starke, arbeitsame Männer. Und ich, ich war damals schön“, und ihre Augen funkelten mich an, so dass ich mich schämte, sie so genau zu betrachten, um die Schönheit von einst zu entdecken. Wieso erzählte sie mir das? Sie war nicht mehr schön, aber ich liebte sie und schämte mich, in ihrem Gesicht nach der vergangenen Schönheit gesucht zu haben. „Ich war nicht immer so alt, so voller Falten, mit weißem Haar und ohne Zähne. Damals war ich so klein und hübsch und rundlich wie du, und als ich zu einer Frau heranwuchs, war ich eine schöne Frau mit Haaren, so lang, dass man sie zu einem einzigen Zopf flechten konnte. Ich hatte schwere, starke Hüften.“ Hier beendete sie meistens die erste Episode. Ich saß auf glühenden Kohlen. Die Prinzessin und der Prinz. Was passierte dann? Was passierte dann?

Die Zauberer, wohlbeschlagen in Hinterlist und schwarzer Magie, kamen aus dem Süden und vertrieben die Menschen von dem Land. Auf Eseln, zu Fuß, auf Pferden, auf Ochsenkarren suchten die Menschen einen Ort zum Leben. Aber die Zauberer waren gierig und habsüchtig; es gab immer weniger Land für die Menschen. Zuletzt erreichten die Menschen den grauen, sandigen Boden und die Heimstätte, so steinig und dürr, dass er für die Zauberer zu nichts tauglich war. Dort bauten sie ihr Heim. Aber der drittgeborene Sohn, mein Großvater, von dem Flüstern der Zauberer, von Reichtümern und Luxus verlockt und von dem harten Leben der Heimstätte abgestoßen, folgte den Zauberern auf eine ihrer Farmen. Yurvi! Nur um herauszufinden, dass sie ihn in die Sklaverei gelockt hatten. Aber eines Tages gelang es meinem Großvater, zu den glitzernden Goldminen des Südens zu fliehen, von denen man sagte, dass gute Männer dort schnell reich wurden. Der weiße Zauberer hatte keine Verwendung für Frauen und Kinder. Er vertrieb meine Großmutter und ihre Kinder von der Farm. Völlig mittellos kehrten sie zur Heimstätte zurück, wo mein Urgroßvater die Familie zusammenhielt, ohne seinen früheren Lebensstandard zu erreichen. Aber dann starb mein Urgroßvater und die Familie brach auseinander, und es stellte sich heraus, dass mein Großvater kein guter Mann war, denn er wurde in den Minen getötet, und meiner Großmutter fiel es zu, allein sechs Kinder zu versorgen. Und dann hörte sie, dass Wesen, im Aussehen den Zauberern ähnlich, aber nicht wie sie, sondern Heilige, eine Mission nicht weit von der Heimstätte aufgebaut hätten. Sie ging mit meinem Onkel, mit Babamukuru, der neun Jahre alt war und nur einen Lendenschurz trug, zur Mission, wo ihn die heiligen Zauberer aufnahmen. Sie ließen ihn tagsüber auf ihrer Farm arbeiten. Nachts unterrichteten sie ihn in ihrer Zauberei. Denn meine scharfsinnige, vorausblickende Großmutter hatte sie gebeten, ihn auf das Leben in ihrer Welt vorzubereiten.

Es schien mir wahrlich eine romantische Geschichte zu sein, ein Märchen von Belohnung und Bestrafung, von Ursache und Wirkung. Sie hatte auch eine Moral, eine unwiderstehliche Moral, die das eigene Streben belohnte, aber nur in den Grenzen des Möglichen.

Mein Onkel scheute harte Arbeit nicht; er war sie von klein auf gewohnt. Er überraschte die Missionare mit seinen außerordentlichen Leistungen in der Schule, obwohl er den ganzen Tag über auf der Farm arbeitete. Er war gewissenhaft, er war arbeitsam, er war respektvoll. Sie hielten ihn für einen guten Jungen, den man kultivieren konnte wie einen Boden, der Ernten hervorbringt, die den Bauern ernähren. Als er die Schule auf der Mission abgeschlossen hatte, richteten sie es ein, dass er eine höhere Schule besuchen durfte, was aber erst nach einigen Jahren möglich war, als eine höhere Schule für Menschen wie meinen Onkel gebaut wurde. Während er wartete und dann im Laufe seiner weiteren Schulzeit gaben sie ihm verschiedene Arbeiten auf der Mission, damit er seine Gebühren bezahlen und seine Familie unterstützen konnte.

Dann stiftete ihm die Regierung ein Stipendium für Südafrika. Mein Onkel wurde ein wohlhabender, geachteter Mann, mit einem Gehalt, das ausreichte, die mageren Einkünfte seiner Familie etwas aufzubessern. Er war der Beweis, dass das Leben auch unter widrigsten Umständen mit etwas Würde gelebt werden konnte, wenn man hart genug arbeitete und die Regeln einhielt. Ja, es war eine romantische Geschichte, so wie meine Großmutter sie erzählte. Das Leiden wurde nicht verheimlicht, aber die Botschaft war klar: Erdulde und gehorche, denn es gibt keinen anderen Weg. Sie war stolz auf ihren ältesten Sohn, der genau das getan hatte.

Als sie eines Tages, ich war nicht bei ihr, friedlich während einer Arbeitspause starb, übernahm meine Mutter das Stück Land und machte daraus einen Gemüsegarten. Es war ein großes Stück Land. Meine Mutter bestellte nicht das ganze, so dass ungefähr ein halber Morgen brach lag. Dieses Stück Land sollte zu meinem Feld werden.

In diesem Jahr wurde ich reifer, stärker und robuster, als es Achtjährige normalerweise sind. Meist wachte ich vor Tagesanbruch auf; in der ersten Dämmerung fegte ich schon den Hof. Noch ehe es ganz hell wurde, ging ich zum Fluss. Auf dem Rückweg, entlang des Pfades durch die Bäume und an den anderen Heimstätten vorbei, wo die Frauen gerade aufwachten, balancierte ich den Wassertopf auf meinem Kopfpolster aus Blättern und kleinen grünen Zweigen. Der Topf war nicht bis oben voll, denn sonst hätte ich ihn mir nicht allein auf den Kopf heben können. Während die Hähne krähten und die Hennen den Schlaf aus ihren Federn schüttelten, schürte ich das Feuer, fegte die Küche und setzte Wasser zum Waschen und für den Tee auf. Bei Sonnenaufgang war ich auf meinem Feld, in den ersten Tagen mit Roden und Jäten beschäftigt; dann grub ich Löcher in jeweils dreißig Zoll Entfernung voneinander, mit einem einzigen Hackenschwung, so wie wir es in der Schule während der Gärtnereistunden gelernt hatten; dann ließ ich die Samen hineinfallen, je zwei oder drei auf einmal, und bedeckte sie, indem ich kurz mit dem Fuß darüber scharrte; dann wartete ich auf das Keimen der Samen und arbeitete und wartete, dass die Pflanzen sprossen, und arbeitete weiter. Ungefähr um zehn Uhr, ich richtete mich nach dem Stand und der Hitze der Sonne, ging ich zu den Familienfeldern, um mit meiner Mutter zu arbeiten, manchmal mit meinem Vater und am Nachmittag nach der Schule mit meinem Bruder.

Ich glaube, meine Mutter bewunderte meine Zähigkeit und bemitleidete mich gleichzeitig. Sie fing an, mich auf Enttäuschungen vorzubereiten, lange bevor ich gezwungen sein sollte, mit ihnen fertig zu werden. Sie begann mich zu entmutigen. „Und glaubst du, du bist soviel anders, soviel besser als wir alle? Akzeptiere dein Los und genieße, so gut du kannst. Es gibt keine andere Möglichkeit.“ Ich wollte Unterstützung, ich wollte Ermutigung; Warnungen nur, wenn nötig, und dann konstruktive. An dem Tag, an dem sie mich einmal zu oft entmutigt hatte, entschied ich, sie habe zu andächtig meinem Vater zugehört. Ohne weiter auf sie zu achten, suchte ich stattdessen Unterstützung bei Nhamo, der mir aber nicht helfen konnte, da er zur Schule ging.

„Wieso machst du dir soviel Mühe?“ fragte er, und seine Augen funkelten bösartig. „Weißt du nicht, dass ich derjenige bin, der die Schule besuchen muss?“

„Du hast gesagt, du würdest dich um mich kümmern. Mir auf dem Feld helfen.“

„Wie kannst du mich bitten? Du siehst doch, wie beschäftigt ich bin.“

Das stimmte. Die Viehherde blieb im Kral, bis er am Nachmittag von der Schule zurückkam und sie zum Weiden und Trinken hinausführte, um sich danach uns auf den Feldern anzuschließen; die Kühe, die er vor und nach der Schule melken musste; seine Bücher; mein Vater, der darauf bestand, dass er ganztägig mithalf, wenn zu viel Arbeit anfiel, so dass er manchmal eine ganze Woche die Schule verpasste; er war mit all diesen Pflichten und Aufgaben hier und dort sehr beschäftigt. Ich war nahe daran ihm anzubieten, das Melken und Weiden zu übernehmen, aber der Selbsterhaltungstrieb war stärker als mein Mitgefühl. Ich hielt den Mund. Trotzdem musste ich etwas gegen die Bedrängnis meines Bruders unternehmen.

„Wird er sich konzentrieren können, wenn er so viel zu tun hat?“ fragte ich meinen Vater.

„Wieso nicht, wenn er will?“

Meine Mutter hatte recht. Manche Sachen waren einfach nicht möglich.

Nhamo lachte, als ich ihm die Geschichte erzählte. „Na und! Was kümmert es mich, was er sagt“, tat er es ab und schockierte mich mit diesem respektlosen Ton, den ich nie zuvor gehört hatte. „Ich gehe zur Schule, oder? Es kümmert mich nicht, was er über mich sagt. Also, wo ist das Problem? Es betrifft dich nicht einmal.“

„Aber du kannst nicht lernen.“

„Wer sagt das? Ich sollte es am besten wissen. Ich gehe zur Schule. Du gehst nirgendwohin.“

„Aber ich will zur Schule gehen.“

„Wollen wird dir nichts helfen.“

„Wieso nicht?“

Er zögerte, zuckte dann mit den Schultern. „Es ist überall so. Weil du ein Mädchen bist.“ Jetzt war es heraus. „Das hat Baba gesagt, erinnerst du dich?“ Ich hörte nicht mehr zu. Meine Sorge um meinen Bruder starb einen unauffälligen Tod.

Im Februar war der Mais dunkelgrün, größer als ich und weiter am Wachsen. Ich stolzierte herum, als sei ich die Eigentümerin einer Hundert-Hektar-Farm. In diesen Tagen war ich nicht überarbeitet, denn die Felder erforderten keine Aufmerksamkeit mehr. Es war ein schönes Gefühl. Schöne Pflanzen. Es blieb nur übrig, auf die Ernte zu warten – noch ein- oder zweimal zu jäten, aber eigentlich auf die Ernte zu warten, meinen schönen kleinen Ertrag zu ernten. Meinen schönen kleinen Ertrag. Ich musste vorsichtig sein, wenn ich an die Ernte dachte, um nicht entmutigt zu werden. Ich musste das Wissen verdrängen, dass ich mit meinem Ertrag nicht viel verdienen würde.

Einige Wochen später, als die Kolben reif zum Essen waren, begannen sie zu verschwinden.

„Was hast du erwartet?“ sagte Nhamo. „Hast du wirklich geglaubt, du könntest dich selbst in die Schule schicken?“

An dem Sonntag, nachdem mein Mais zu verschwinden begonnen hatte, beschloss ich, zur Kirche zu gehen. Sonntag war für uns fast nie ein Ruhetag und noch seltener ein Tag des Gebets. Oft arbeitete meine Mutter, die üble Sünde der Feldarbeit scheuend, am Sonntag trotzdem in ihrem Garten. Und selbst wenn es nicht viel Arbeit gab und sie zu Hause blieb, war sie zu müde, sich herzurichten und die zweieinhalb Meilen zur Kirche zu gehen. Während meines ersten Schuljahres fand ich mich immer häufiger in der Kirche wieder, denn Kinder, die die Sonntagsschule nicht besuchten, erhielten am Montag Prügel oder sie mussten in den Gärten der Lehrer arbeiten. Ohne die Androhung von Prügelstrafe ging ich, seit ich die Schule verlassen hatte, kaum zur Kirche. Aber an diesem besagten Sonntag, dem Sonntag, nachdem mein Mais zu verschwinden begonnen hatte, sehnte ich mich nach den Spielen in der Sonntagsschule. Dringend brauchte ich das Lachen, den Leichtsinn und die Kameradschaft. Ich ging zum Fluss, wusch mich sorgfältig und zog mein gutes Kleid an, das nur unter den Achseln Löcher hatte, und dort auch nur, weil ich ihm entwachsen war. Ich schmierte mir eine Menge Vaseline auf Beine, Arme, Gesicht und Haar. Dann tat es mir um die Verschwendung leid, denn ich würde nur desto schneller schmutzig werden. Als ich meine alte Schule, Rutivi School, wo die Gottesdienste stattfanden, erreichte, hatten die Spiele schon begonnen. Die Mädchen spielten schon auf der Straße, wo man mit einem Stock Kästen in den Sand kratzen konnte, während die Jungen energisch einem Fußball aus Plastik und Zeitungen auf dem kaum begrasten Fußballfeld hinterherrannten. Die Mädchen freuten sich, mich zu sehen, mich wieder bei sich zu haben. Es war wie in alten Zeiten. Ich kam sofort an die Reihe.

„Wir denken an dich“, sagte Nyari, die meine beste Freundin gewesen war, während ich meinen Stein warf. „Besonders wenn Nhamo uns Mais gibt“, sagte sie mit einem Seufzer. „Es macht Spaß, ihn nach der Schule zu rösten. Wenn du nur hier wärst.“

Das Blut kribbelte unter meiner Haut. Verwirrt hüpfte ich in das Feld Nummer acht.

„Du bist raus“, sagte Chitsva. „Du hast nicht getroffen.“

„Nhamo hat dir Mais gegeben?“ fragte ich, mit einem Bein im Feld Nummer acht.

„Sehr oft“, bestätigte Nyari.

Später sagten sie mir, ich sei von dem pada-Spiel weggezischt wie ein Hund, der einem Bock hinterher ist. Ich erinnere mich noch, dass ich in einem Augenblick pada spielte, im nächsten mich schon mit Nhamo durch den Staub des Fußballfeldes wälzte, von einer Gruppe Gleichaltriger angefeuert. Sie sagten, ich sei direkt auf meinen Bruder losgegangen und hätte ihn zu Boden geworfen. Das Überraschungselement war auf meiner Seite. Ich saß auf ihm, schlug seinen Kopf auf den Boden, schrie und spuckte und fluchte. Nhamo richtete sich auf. Ich fiel von ihm ab. Er drückte mich zu Boden, ohne zu schlagen, hielt mich nur so, wieder ein boshaftes Funkeln im Auge. „Was ist mit dir los?“ sagte er lässig. „Bist du verrückt geworden?“ Die Menge lachte.

„Wieso quatschen?“ rief ein Fußballer. „Einfach hauen. Das begreifen sie.“

Ich zischte und spuckte und schrie und fluchte weiter, befreite mich tretend und wich in die Menge zurück, die sich spaltete, um mich durchzulassen. Ich ging wieder auf ihn los, diesmal mit der Absicht zu töten, und zappelte plötzlich am Ende des Armes eines Erwachsenen in der Luft.

Mr. Matimba war über alle sehr verärgert. „Ich schäme mich für euch“, rief er über meine Schreie hinweg, „für euch alle. Nhamo, wenn du mit deiner Schwester raufst, wer wird sich um sie kümmern? Und du, Tambudzai, du musst dich besser benehmen. Ihr anderen, ihr steht herum und klatscht, als sei das ein Fußballspiel. Was ist mit euch los?“

„Sie hat angefangen“, sagte Nhamo träge und vorsichtig.

„Ja“, riefen die anderen im Einklang. „Sie hat angegriffen. Wir haben’s gesehen. Sie griff einfach so an.“

Ich schrie meine Gründe heraus, aus voller Lunge.

„Was sagt sie?“ fragte Nyari, die sehr ernsthaft blickte. „Möchte sie Mais haben?“

„Wenn ich noch einmal so etwas sehe“, fuhr Mr. Matimba fort, „werde ich euch schlagen, jeden einzelnen von euch. Der Stock wird euch allen die Beine brechen. Geht jetzt, alle. Die Sonntagsschule ist aus.“ Sie verzogen sich; Mr. Matimba war bekannt dafür, keine leeren Drohungen auszusprechen. „Und du, Kind“, sagte er streng, „was hat dich bewogen, so eine Szene zu verursachen?“

Eine warme Flüssigkeit rann mir das Bein hinab. Es wäre möglich gewesen, dass ich in die Hose gemacht hatte, aber es war rot und klebrig an der Außenseite des Beins und nicht farblos und wässrig an der Innenseite. Ich fühlte die Schnittwunde nicht. Tränen ohnmächtiger Wut drohten hervorzubrechen. Ich blinzelte sie weg und erklärte Mr. Matimba, dass Nhamo meinen Mais gestohlen hatte.

„Was für einen Mais denn?“ fragte Mr. Matimba geduldig, wenn auch etwas verwirrt. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte; dass ich im folgenden Jahr zur Schule zurückkehren wollte, dass ich das Geld mit dem Verkauf meiner Ernte verdienen wollte. Mr. Matimba hörte aufmerksam zu. An einem Punkt während meiner Rede, die lang und unzusammenhängend war und Mr. Matimba ständig zu Fragen zwang, fingen wir an, um das Fußballfeld herumzugehen. Mr. Matimba hörte angestrengt zu, neigte sich mir mit seinem ganzen Wesen zu; und ich sprach zu ihm wie zu einem anderen Menschen und nicht wie zu einem Erwachsenen oder einem Lehrer. Ich spürte meine Kräfte wiederkehren.

„Du würdest besser fahren, wenn du sie grün verkaufst“, schlug Mr. Matimba vor, als ich fertig war. „Es würde dir mehr einbringen.“

„Aber es hat doch jeder grünen Mais zu essen“, widersprach ich. „Was! Sie meinen, ich sollte zur Bushaltestelle gehen?“

„Das ist eine Möglichkeit“, antwortete Mr. Matimba, „aber ich dachte, du solltest sie an die Weißen verkaufen. Wenn die Kolben dick sind, zahlen sie bis zu Sixpence das Stück.“

Ich glaubte ihm nicht. Niemand hatte soviel Geld, nicht einmal Babamukuru.

„Wenn du deine grünen Maiskolben in die Stadt bringst“, fuhr Mr. Matimba fort, „könntest du vielleicht genug Geld für die Gebühren mehrerer Trimester zusammenkriegen. Danach müssen wir weitersehen.“

„Aber wie soll ich in die Stadt kommen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich werde meinen Mais zur magrosa tragen.“

„Vielleicht musst du das nicht“, sagte Mr. Matimba mit einem verschwörerischen Lächeln. „Dienstags fahre ich mit dem Schulbus in die Stadt, um Schulangelegenheiten zu erledigen. Wenn du am Dienstag um elf Uhr zu meinem Haus kommen könntest, bringe ich dich hin, und wir werden sehen, was sich machen lässt. Aber vergiss nicht, deinen Vater um Erlaubnis zu fragen.“

Mein Vater sagte, Mr. Matimba mische sich in Angelegenheiten ein, die ihn nichts angingen. „Glaubt er denn, er ist dein Vater?“ brauste er auf. „Nur weil er mehr Buchstaben als ich gefressen hat, glaubt er, er kann über meine Kinder bestimmen. Und du, du glaubst, er ist besser als ich. Er braucht jemanden, der in seinem Garten arbeitet – das will er. Ich verbiete dir hinzugehen.“

„Aber ich muss den Mais verkaufen“, beharrte ich.

„Hattest du etwa die ganze Zeit vor, ihn in der Stadt zu verkaufen, he? Ist es so?“ fragte mein Vater verletzend sarkastisch. „Ma’Shingayi“, befahl er meiner Mutter, „sag diesem deinem Kind, es kann nicht in die Stadt mit diesem Mann.“

„Und wieso sollte ich so was sagen?“ fragte meine Mutter. „Das Mädchen muss eine Chance haben, etwas für sich zu tun, allein zu scheitern. Meinst du, ich hätte ihr nicht gesagt, dass ihre Bemühungen nichts fruchten werden? Du kennst deine Tochter. Sie ist eigensinnig und dickköpfig. Sie will nicht auf mich hören. Ich bin es satt, ihr Sachen zu sagen, auf die sie nicht hört“, jammerte sie. „Sie muss diese Dinge selbst einsehen. Wenn du es ihr verbietest, wird sie immer glauben, du hast sie davon abgehalten, sich selbst zu helfen“, fuhr sie fort, mit wiedergewonnener Orientierung. „Sie wird es nie vergessen, dir nie vergeben.“

Wörter wie „immer“ und „nie“ bedeuteten meinem Vater viel, der in Superlativen dachte und dessen Denken folglich große Sprünge in entgegengesetzte Richtungen machte, wenn es überhaupt sprang. „Dann lass sie gehen“, sagte er.

So konnte ich an jenem Dienstag meine Verabredung mit Mr. Matimba einhalten. Ich kletterte in den Schullaster neben ihn. Mein Korb mit Mais lag auf meinem Schoß, ordentlich mit braunem Papier abgedeckt. Die anderen Kinder, die ihren Unterricht beendet hatten, betrachteten mich mit Neid, so dass ich einen bedeutenden Sieg errungen zu haben glaubte, selbst wenn ich keinen Mais verkaufen sollte.

„Bye-bye“, winkte ich, als wir abfuhren. „Nächstes Jahr werde ich nicht in die Stadt können, denn ich werde mit euch auf der Schulbank sitzen!“ Mr. Matimba lachte mich an, netter, als es die meisten Erwachsenen können. Ich lachte auch, denn sein Lachen war ansteckend, und ich war aufgeregt über die Reise und zufrieden mit mir selbst.

Ich war noch nie in einem motorisierten Wagen mitgefahren. Die neuen Eindrücke überwältigten mich: der weiche Plastiksitz, der mich schwitzen ließ, so dass mein Kleid an meinem Hinterteil klebenblieb; die Unebenheiten der Straße, die schlimmer zu spüren waren als im Ochsenkarren von Nyaris Vater. Ich fragte Mr. Matimba danach:

„Wieso sind die Straßen für Autos so holprig? Die Straßen für Karren sind nicht so schlimm.“

„Die Straßen sind genauso holprig“, erklärte er. „Aber ein Auto bewegt sich schneller als ein Ochsenkarren, so dass wir die Unebenheiten in einem Auto mehr spüren.“

Also waren die Unebenheiten gleich! Waren sie das wirklich?

Ich war beunruhigt, als wir zum Fluss kamen. „Wie wird der Wagen schwimmen?“

„Die Räder werden sich auf dem Flussgrund entlang bewegen“, erklärte Mr. Matimba freundlich. „Es ist genauso, wie wenn du bei flachem Wasser hinübergehst.“ All diese neuen Erkenntnisse faszinierten mich.

Die Asphaltstraße mit den weißen Streifen in der Mitte war ein weiteres Wunder, das mir erklärt werden musste.

„Wieso bleiben Sie auf der einen Straßenseite, obwohl die ganze Straße frei ist?“ fragte ich Mr. Matimba. Ein Milchwagen brauste uns entgegen und flog an uns vorbei in die andere Richtung. „Ich weiß, ich weiß“, rief ich, ohne auf seine Antwort zu warten. „Autos, die in die Stadt fahren, benutzen diese Seite. Autos, die aus der Stadt kommen, benutzen die andere Seite. Damit sie nicht zusammenstoßen!“ Mr. Matimba lobte mich. Er sagte, ich sei scharfsinnig. Ich war derselben Meinung, sagte es aber nicht.

„Umtali liegt auf der anderen Seite dieser Berge“, sagte Mr. Matimba, als wir die Kreuzung von Inyanga Highway und Umtali Road erreichten. „Die Berge in dieser Gegend sind einige der höchsten in Rhodesien. Alle hohen Berge befinden sich hier im östlichen Teil des Landes. Das sind Sachen, die du lernen wirst, wenn du wieder in die Schule kommst.“

Die Straße begann ihre Steigung am Bergrücken entlang. Der Wagen bewegte sich langsamer voran.

„Die weißen Leute müssen sehr stark sein, um eine so breite Straße so hoch zu bauen“, bemerkte ich.

Mr. Matimba war nicht dieser Ansicht. „Wir haben sie gebaut“, sagte er mir. „Es war eine schreckliche Arbeit. Wir haben viele schreckliche Arbeiten gemacht. Jetzt erreichen wir gleich den Gipfel des Christmas-Passes“, sagte er, das Thema wechselnd. „Schau hinab, wenn wir auf die andere Seite kommen. Du wirst etwas sehen, das sich lohnt.“

Ich schaute und sah, ordentlich unter uns ausgebreitet, eine sehr kleine Stadt mit Reihen kleiner Häuser, die in Richtung Nordwesten immer kleiner wurden.

„Das ist Umtali“, sagte Mr. Matimba, „Rhodesiens drittgrößte Stadt. Nur Salisbury, die Hauptstadt, und Bulawayo sind noch größer als Umtali. Diese Dinge wirst du auch lernen. Ich werde einmal mit dir nachts herkommen. Dann ist es sehr schön, denn die Lichter der Stadt leuchten wie Hunderte von Sternen unter dir und nicht über dir.“

Sterne unten, statt oben! Ich wollte sie sofort sehen. Ich betete um ein Wunder, dass die Sonne unterginge.

Wir ratterten den Pass hinunter. Jetzt gab es viele Autos in verschiedenen Formen und Größen und Farben, einige vor uns, einige hinter uns und einige neben uns. Manche waren so wie wir in die Stadt unterwegs, andere fuhren den Pass wieder hinauf. Dann teilte sich die Straße, verzweigte sich in alle Richtungen, und auch die Autos kamen und gingen in alle Richtungen. Ich bekam Angst, dass eins davon sich in die falsche Richtung bewegen und mit uns zusammenstoßen würde, aber Mr. Matimba war ganz entspannt. Wie geschickt er das Auto dahin führte, wohin er wollte, bei all diesen verwirrenden Richtungen, die es einschlagen konnte!

„Wir werden zu einem Ort fahren, wo es viele große Läden gibt und wo die Weißen ihre Autos abstellen“, sagte er mir, während wir langsam in die Stadt hineinfuhren. „Ich bleibe kurz bei dir, um dir zu zeigen, was du machen musst, dann lasse ich dich eine Zeitlang allein und erledige meine Geschäfte.“ Ich hätte Angst gehabt, allein zu bleiben, wenn ich darüber nachgedacht hätte.

Wir fuhren die breite Straße hinauf, die seltsamerweise von Lichtern auf einem Pfosten bewacht wurde. Wenn das oberste Licht brannte, hielten alle Autos. Wenn das unterste Licht anging, bewegten wir uns alle wieder! Ich fragte mich, wie die Lichter sich an- und auszuschalten wussten.

„Sie werden von Maschinen geführt“, antwortete Mr. Matimba, ungenauer als auf meine bisherigen Fragen. „Du wirst das später lernen, wenn du über Ben und Betty in der Stadt und auf dem Land liest.“

Es wurde mir klar, dass ich keine andere Alternative hatte, als den Mais zu verkaufen und in die Schule zurückzukehren. Mr. Matimba hielt den Wagen an der Straßenecke hinter den Lichtern an. Wir stiegen aus und gingen zu einem riesigen Geschäft, das hauptsächlich aus Glas bestand.

„Halte dich ganz nahe an der Häuserwand, damit du niemandem den Weg versperrst“, wies Mr. Matimba mich an. „Jetzt“, fuhr er fort, „versuche, deine Maiskolben appetitlich darzubieten. Nimm das braune Papier weg.“

Ich tat, was man mir sagte, und hatte den Einfall, ein halbes Dutzend Kolben herauszunehmen und um meinen Korb herum zu ordnen, indem ich sie an den Rand stellte.

„Entschuldigen Sie, gnädige Frau“, sagte Mr. Matimba auf Englisch mit der sanftesten, geschmeidigsten Stimme, die ich je bei ihm gehört hatte, zu einer alten weißen Frau, die Arm in Arm mit ihrem Mann vorbeiging. „Entschuldigen Sie, gnädige Frau, wir verkaufen grüne Maiskolben, sehr weich, sehr frisch, sehr süß.“

Mit einem strahlenden Lächeln hielt ich ihr zwei Kolben hin, während sich mein Magen nervös verkrampfte. Mir gefiel das Aussehen dieser Leute nicht. Die Haut hing ihnen wie knittriges Papier um die Knochen, bösartig aussehende braune Flecken bedeckten ihre Hände, und ein modriger, staubiger, süßlicher Geruch umgab die Frau wie ein Dunstschleier. Ich bemühte mich, nicht die Nase zu rümpfen, denn diese Leute hatten das Geld, das ich für die Schule brauchte. Ich lächelte noch breiter, zeigte alle meine Zähne und sagte: „Guter Mais, guter Mais. Gut, fein“, wiederholte ich, denn das waren die einzigen englischen Adjektive, die mir zur Beschreibung meiner Ware zur Verfügung standen.

Die alte Frau sah mich kopfschüttelnd an. „Ts-ts-ts-ts!“ schnalzte sie.

„Komm, Doris“, sagte der Mann und griff besorgt nach ihrem Ellbogen. „Wir brauchen keinen Mais.“

„Schockierend, einfach schockierend“, empörte sich Doris. „Ich fände es schockierend von mir, wenn ich vorbeiginge, ohne etwas zu sagen, George! He, junger Mann, ja, Sie!“ sagte sie mit erhobener Stimme zu Mr. Matimba. „Ist das Ihr kleines Mädchen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sie ihn gründlich ihre Meinung wissen. „Kinderarbeit. Sklaverei! Jawohl, das ist es. Und ich bin sicher, Sie müssen das arme kleine Ding nicht arbeiten lassen, Sie sind ja geschniegelt genug angezogen, aber das kleine Ding, nichts als Lumpen und Pisse.“

Der Mann von Doris verzog entschuldigend den Mund. Er zeigte Mr. Matimba, wie verlegen und ärgerlich er war.

„Komm jetzt, Doris, das geht uns nichts an.“

Das schien auch die Meinung der anderen Weißen auf der Straße zu sein. Sie wechselten die Straßenseite, ehe sie uns erreichten. Manche gingen an uns vorbei, aber ich glaube, sie sprachen kein Englisch. Eigentlich sprach niemand, außer einem bulligen jungen Typ.

„Was ist los, Lady? Werden die Schwarzen frech?“

Eine Menge von Schwarzen versammelte sich. „Was ist mit den Alten da los?“ fragte ein junger Mann mit Sonnenbrille und einer Tweedmütze, die forsch ein Auge verdeckte. Er funkelte den bulligen Jungen wachsam an. Ich war genötigt, ihm zu sagen, ich wüsste es nicht, weil ich nicht Englisch könne. Aber ich würde Englisch lernen, wenn ich wieder zur Schule ginge, versicherte ich ihm.

Doris wollte keine Ruhe geben. „Das Kind sollte in der Schule sein, Formeln lernen und keinen Ärger machen“, schimpfte sie. „Erzählen Sie mir jetzt ja nicht, es gäbe keine Schulen, junger Mann. Ich weiß nämlich, dass der Gouverneur sehr viel für die Ausbildung der Einheimischen tut.“

„Das sind Dummköpfe“, warf der Jugendliche ein. „Sie wollen nichts lernen. Das erinnert sie zu sehr an harte Arbeit.“

„Und was haben Sie zu sagen?“ herrschte Doris Mr. Matimba an.

Mr. Matimba hatte einiges zu sagen. Er sprach bekümmert und beschwörend. Doris verfärbte sich dunkel wie ein Chamäleon. Geld wechselte die Hände, ein Schein wanderte von Doris zu Mr. Matimba. Der bullige Jugendliche war angewidert. „Das ist mehr als zwei Kisten Bier wert. An einen Dummkopf verschwendet!“ Doris erlaubte ihrem Mann, sie wegzuführen. Ich hielt ihr meinen Korb hin, damit sie die größten Kolben auswählen konnte, und wiederholte meinen Spruch. Sie fuhr mir über den Kopf und nannte mich ein tapferes Mädchen.

Einige aus der Menge sagten beifällig, sie sei menschlicher als die meisten ihrer Sorte. Andere murmelten, die Weißen könnten es sich erlauben, großzügig zu sein, müssten es sogar sein.

„Was gut ist, wird nicht geschenkt“, warnte der Mann mit der Mütze. „Was wird sie tun, wenn ihr das Geld ausgeht? Nach anderen alten Weißen Ausschau halten?“ Er spuckte auf den Gehweg. Ich wusste nicht, wieso er so wütend war, aber Mr. Matimba lächelte verschwörerisch, also war alles in Ordnung.

„Es gibt keinen Grund mehr hierzubleiben“, sagte er. „Pack den Mais ein, wir gehen.“ Ich tat, wie mir befohlen, obwohl es mir Sorgen machte, dass wir noch keinen Mais verkauft hätten. Im Lastwagen erklärte mir Mr. Matimba, was passiert war, dass Doris ihm vorgeworfen habe, mich arbeiten zu lassen, statt mich in die Schule zu schicken, und wie er ihr erwidert habe, dass ich ein Waisenkind sei, vom Bruder meines Vaters aufgenommen, aber als dreizehntes Kind im Haushalt nicht zur Schule geschickt wurde, weil es an Geld fehle. Er habe gesagt, ich sei sehr klug, sehr fleißig und gerade mit seiner Hilfe dabei, mit dem Verkauf von Mais die Schulgebühren zusammenzukratzen. Doris habe ihn wegen seiner Hilfe gelobt und zehn Pfund für meine Schulgebühren gespendet. Er zeigte mir das Geld, die frische, saubere Banknote. Zehn Pfund. Über soviel Geld wurde bei uns zu Hause nicht einmal geredet. Jetzt hielt ich es in den Händen! Das Geld, das Geld! Über die Methode, es zu verdienen, dachte ich nicht nach.

„Es ist viel Geld“, bestätigte mir Mr. Matimba. „Was wirst du damit machen?“

„Ich werde es zu Hause aufbewahren und es verwenden, um meine Schulgebühren zu bezahlen, nächstes Jahr und übernächstes Jahr und das Jahr danach.“

Mr. Matimba war skeptisch. „Geld lässt sich schwer aufbewahren, besonders wenn es daran mangelt. Wir müssen uns etwas überlegen. Ich glaube, du solltest das Geld dem Schuldirektor geben. Er wird dir eine Quittung ausstellen, die ich für dich aufbewahre, und dann zieht er vom ersten Trimester nächsten Jahres an deine Schulgebühren von dem Geld ab, bis es erschöpft ist.“

So geschah es dann auch. Meine Eltern glaubten mir nicht, als ich ihnen sagte, wie viel Geld ich beim Direktor hinterlegt hatte. Mein Bruder auch nicht. Er glaubte, ich erfände alles. „Lügen werden dich nicht in die Schule bringen“, spottete er.

Mein Vater war in seiner Missbilligung heftiger, obwohl ich natürlich nicht wusste, wieso. Er ging zum Schuldirektor, der meine Geschichte bestätigte.

„Dann haben Sie mein Geld genommen“, sagte mein Vater zu ihm. „Dieses Geld gehört mir. Tambudzai ist meine Tochter, nicht wahr? Also ist es mein Geld, oder?“ Das war ein großes Problem für den Schuldirektor, der ein ehrlicher Mann war. Im weiteren Verlauf zeigte er meinem Vater die Quittung.

„Ich habe ihr Geld nicht gestohlen“, sagte er. „Sehen Sie, der Name Ihrer Tochter steht auf der Quittung. Es ist ihr Geld, nicht meines. Die Schule bewahrt es nur für sie auf.“

Der Streit wurde so heftig, dass Mr. Matimba hereingerufen wurde, um auszusagen und sich verurteilen zu lassen.

„Er ist der wirkliche Dieb“, sagte mein Vater. „Er hat meine Tochter dazu gebracht, das Geld an Sie zu zahlen.“

„Sie vergessen“, erinnerte ihn Mr. Matimba, „dass die weiße Frau mir das Geld gab, um damit die Schulgebühren Ihrer Tochter zu bezahlen. Wenn Sie das nicht einsehen, muss die Sache vom Häuptling geregelt werden.“

Mein Vater war eingeschüchtert, aber nicht beschwichtigt. „Es sind nur zehn Pfund, über die wir streiten“, fuhr Mr. Matimba fort. „Was können Sie damit schon anfangen, außer sich ein paar Becher masese in den Hals zu schütten? Aber wenn Tambudzai erfolgreich die Schule beendet, verdient sie eines Tages mehr als zehn Pfund im Monat.“

„Haben Sie je von einer Frau gehört, die im Haus ihres Vaters bleibt?“ brummte mein Vater. „Sie wird einen jungen Mann kennenlernen, und ich habe alles verloren.“

Doch die Quittung blieb im Büro des Direktors. In jenem Jahr gab es reichlich grüne Maiskolben, die wir rösten und essen konnten, wie es uns gefiel.

Im Jahr darauf ging ich wieder zur Schule, wurde aber zurückgestuft. Ich war am Jahresende die Beste, und die Leute sagten, das sei so, weil ich die Klasse wiederholte, was vielleicht stimmte. Im nächsten Jahr war ich erneut Klassenbeste. Nun sagten die Leute, es liege daran, dass ich älter sei. Mein Bruder wies mich besonders darauf hin, denn in jenem Jahr wurde er nur Viertbester. Trotz seiner Lässigkeit wusste ich, dass es ihm naheging, und ich erinnerte ihn daran, dass der vierte Platz auch ein gutes Ergebnis sei.

Babamukuru und seine Familie kehrten in diesem Jahr aus England zurück. Mein Vater hatte sich in Babamukurus Gegenwart immer schon von seiner besten Seite gezeigt. Dennoch war sein Aufwand zu Ehren von Babamukurus Heimkehr großartig. Geld wurde aufgetrieben, durch Betteln, vermute ich, denn darin hatte mein Vater durch Übung Fertigkeit erworben. Diesmal übertraf er sich selbst. „Vakomana, vakomana“, muss er gesagt haben, den in den Händen geborgenen Kopf schüttelnd oder sich mit der flachen Hand auf die Stirn schlagend. „Hast du so was Ähnliches zu Hause schon mal erlebt? Ich hätte es nie für möglich gehalten. Dass Mukoma tatsächlich seine Sachen packt und die Mission verlässt, um nach England zu gehen, fünf Jahre dortbleibt und mit einem akademischen Grad zurückkommt, mit einem akademischen Grad, um bei seiner Rückkehr nichts vorzufinden, nicht einmal eine Ziege! Tscha! Das hätte ich nicht für möglich gehalten! Es beschämt mich wirklich, es beschämt mich.

Schau um dich, schau dir dein Heim an. Wir beeindrucken die Leute aus der Umgebung. Wer hat das erste Ziegelhaus in dieser Gegend gebaut? Wer sonst hat ein so helles Blechdach, das man bis zur Hauptstraße funkeln sieht? Mukoma! Ich sag’s dir, Mukoma hat es für uns getan. Wir verdanken es Mukoma. Und wir können nicht einmal eine Ziege für ihn schlachten! Schau, wie die Armut uns erniedrigt. Sie hindert uns daran, unser eigenes Fleisch und Blut zu empfangen. Ts-hm-m!“ hat er sicherlich durch die Nase geseufzt. „Wir bringen kein Fest zustande, und Mukoma wird an einem leeren Flughafen ankommen – ich habe nicht mal das Geld für die Busfahrt nach Salisbury.“ Da hat er bestimmt eine Pause gemacht. „Hama dzangu, kannst du mir nicht helfen? Das mit der Ziege habe ich vergessen, aber fünf Shilling, nur fünf Shilling für den Bus? Mukoma gibt dir das Geld zurück, wenn er kommt.“ Mein Vater ist ein Mensch, dem die Leute erst dann kein Geld mehr leihen wollen, wenn sie es schon getan haben. Ich kann mir das Herumstöbern in alten Matratzen, das verstohlene Öffnen kleiner Löcher in den Lehmmauern bei Mondlicht, das Ausgraben verscharrter Kaffeedosen bei Sonnenaufgang vorstellen. Doch schließlich trieb er das Geld auf. Babamukuru sollte am Flughafen empfangen werden.

Mein Bruder sollte meinen Vater auf der Reise begleiten. Er übertrieb seine Vorfreude auf das Ereignis, um mich neidisch zu machen, indem er in meiner Gegenwart sehr dümmliche rhetorische Fragen stellte. War das Dröhnen eines Flugzeugs so laut, dass es einen taub machte? Klang es mehr wie ein Löwe oder wie ein riesiges Insekt? Wie schwang ein Flugzeug seine Flügel, wenn es sich ganz nahe am Boden befand? Natürlich reagierte ich nicht.

Sie sollten den Nachtzug von Umtali nach Salisbury nehmen, untergebracht in der unbequemen fünften Klasse. Aber so war es am praktischsten, denn sie konnten nirgendwo in Salisbury übernachten; wenn auch die Reise dadurch um einen Tag verlängert wurde. Das Problem war, rechtzeitig zur Abfahrt des Zuges zwischen acht und neun Uhr abends zum Bahnhof zu gelangen. Das klingt einfach, doch die Busse zur Stadt fuhren nur unregelmäßig durch das Dorf, nach einem Fahrplan, auf den kein Verlass war. Folglich musste man Reisen nach Tagen und nicht nach Stunden planen. Deshalb beschlossen mein Vater und Nhamo, frühmorgens mit dem Bus nach Umtali zu fahren, der laut Plan, aber selten genug pünktlich, um halb sieben jeden Morgen an unserem Busbahnhof hielt. Wenn er überhaupt ankam, eine Stunde später oder früher als vorgesehen, war er meist schon voll: Man erkannte das schon aus einer Entfernung von etwa zwanzig Metern daran, dass der Bus innen schwarz wirkte. Deshalb musste die Logistik der Reise sorgfältig geplant werden. Es gab eine lange, weitschweifige Diskussion über die Frage, ob sie die Nacht zu Hause verbringen sollten, was einen frühen Aufbruch am Morgen bedingte, oder bei meiner Tante, die näher bei der Haltestelle wohnte. Baba und Nhamo waren natürlich für die letztere Variante, doch meine Mutter wies unvernünftigerweise darauf hin, dass meine Tante sie zwar gut ernähren würde, solange sie sich bei ihr befanden, dass man aber von ihr nicht erwarten könne, so großzügig für Reiseproviant zu sorgen wie meine Mutter. Man solle nicht ihr die Schuld geben, sagte meine Mutter, wenn sie im Zug dann verhungerten. Dies sahen die beiden ein. Vater und Nhamo beschlossen, die Nacht vor ihrer Abfahrt bei meiner Tante zu biwakieren, und trugen mir auf, ihnen die Verpflegung zu bringen, die meine Mutter morgens vorbereiten würde. Sie waren sich einig, dass ich ihnen die Verpflegung zur Bushaltestelle bringen sollte und nicht zum Haus meiner Tante, für den Fall, dass ich mich verspätete und erst bei meiner Tante eintraf, nachdem sie schon fort waren.

Meine Mutter hatte sich verschätzt. Indem sie ihnen auszureden versuchte, eine weitere Nacht auswärts zu verbringen, hatte sie gehofft, dass die beiden gerade das tun würden und sie noch eine Weile länger ihre Ruhe hätte. Das hatte sie zwar erreicht, sich aber zugleich die schwierige und anstrengende Aufgabe aufgehalst, Proviant aufzutreiben. Sie wollten Maisbrot – weil das weiße Brot aus den Läden den Magen zu kurz füllte, während das sadza von gestern zu schwer im Bauch lag – sowie süße Kartoffeln und Hühnerfleisch. Meine Mutter war beleidigt. „Diese Männer denken überhaupt nicht nach“, beschwerte sie sich. „Sie wissen ganz genau, dass noch nicht ausgesät worden ist. Woher soll ich also Maisbrot bekommen? Und süße Kartoffeln! Ich habe sie erst gestern gepflanzt, weil ich es ganz allein tun musste! Und wenn sie wirklich ein Huhn wollen, was soll ich dann für Babamukuru kochen, wenn er kommt?“

Das Problem wurde wie üblich gelöst. Ich holte Maismehl von meiner Tante, nachdem ich es zuerst erfolglos bei den Nachbarn probiert hatte, die mir jedoch Erdnüsse gaben, als sie hörten, wozu das Maismehl gebraucht wurde. Die süßen Kartoffeln reiften nicht rechtzeitig, aber am Tag vor der Abreise erreichte uns per Telefon aus dem Gemeindehaus die Nachricht, dass Babamukuru Geld für eine Ziege geschickt hatte. So kamen Baba und Nhamo doch noch zu ihrem Huhn.

Meinem Vater und Nhamo stand eine sehr komplizierte Reise bevor. Kompliziert und aufregend. Ich wollte dabei sein. Auch ich wollte mit Fahrplänen jonglieren. Auch ich wollte um Mitternacht im Zug frisches Maisbrot, in Asche geröstete Erdnüsse und gesalzenes, gekochtes Hühnerfleisch essen. Vor allem wollte ich so sehr das ohrenbetäubende Dröhnen und Brummen (war es ein Dröhnen oder ein Brummen?) der Flugzeuge hören. Die Sehnsucht, mitfahren zu dürfen, zeigte sich wohl auf meinem Gesicht, während ich ihnen beim Schmieden und Ändern ihrer Pläne zuhörte, denn mein Vater nahm mich zur Seite und beschwor mich, meine unnatürlichen Neigungen zu zügeln: Es war selbstverständlich, dass ich zu Hause blieb und den Empfang vorbereitete. Die Vorstellung meines Vaters von dem, was natürlich war, hatte mich schon geärgert, seit ich die Schule verlassen musste. Ich suchte seinen Belehrungen zu entgehen, indem ich in mürrisches Schweigen versank, das laut meinem Vater ebenfalls unnatürlich war: „Nun, da der Mund zu ist, ist das Herz stolz.“ Er drohte mir Prügel an, da er aber lieber faulenzte, machte er sich nie die Mühe, mir nachzusetzen, wenn ich wegrannte.

Ich hatte das Glück, dass die Position meines Vaters so offensichtlich unhaltbar war, denn sonst hätte mich das alles verwirrt. Unter den gegebenen Umständen war die Situation klar: Es gab keinen Weg, meinen Vater zufriedenzustellen, und auch keinen Grund dazu. Mit Erleichterung ging ich meiner eigenen Wege, was ihn noch mehr aufbrachte. Es gefiel ihm nicht, wenn ich intellektuell zu sehr in Anspruch genommen war. Er regte sich zu sehr auf, als er mich mehrmals dabei erwischte, wie ich das Zeitungsblatt las, in dem das Brot von magrosa eingepackt war, während ich darauf wartete, dass das sadza fester wurde. Er glaubte, ich würde meinem Bruder nacheifern, meinen Kopf mit gelesenen, unpraktischen Dingen füllen und somit für die wahren weiblichen Aufgaben untauglich werden. Es war eine schwere Zeit für ihn, denn Mr. Matimba hatte ihm dargelegt, dass meine Ausbildung finanziell gesehen eine Investition war, aber das war, in Rinderzahlen umgerechnet, auch eine traditionell erzogene Tochter. In seiner Frustration flüchtete er in extreme Einfälle. Ungeachtet der baldigen Rückkehr von Babamukuru drohte er, mich wieder von der Schule zu nehmen. Es war eine unbedachte Drohung: Wie hätte er das fertigbringen können? Da er machtlos war, ließ er mich in Ruhe. Wir lebten in friedlicher Distanz nebeneinanderher.

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