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ROBERT

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In der Kunstschule hatten wir einen Mitstudenten, der hieß Robert. Robert war lang und mager, den großen Kopf hielt er leicht zur Seite geneigt, als wäre er nachdenklich oder erschöpft. Er war sehr schweigsam und hatte offensichtlich keine Freunde in der Klasse.

Robert malte unerhört langsam, seine Leinwände wurden nie fertig, die meisten übermalte er immer wieder mit Weiß und fing von vorne an, um sie dann erneut zu übermalen.

Aber manchmal signierte er. Wir nahmen es sehr aufmerksam zur Kenntnis, wenn Robert signierte, zwar schauten wir nicht hin, aber wir wussten, was gerade geschah. Die Signatur erfolgte mit der gleichen langsamen Sorgfalt, die Farbe für die Buchstaben wurde immer wieder neu gemischt und übermalt; nichts, das kein organischer Teil des Werkes, des Absoluten, war, durfte sein Bild stören. Nachdem Robert alles endlich zu seiner Zufriedenheit vollbracht hatte, konnten wir mit unserer eigenen Arbeit fortfahren. Zu jener Zeit signierten wir unsere Bilder noch nicht. Eines Tages bekam ich einen Brief von Robert, er hatte ihn auf meine Staffelei gestellt. Er schrieb »Sie«.

»Sie sind so fröhlich, Sie besitzen die leichte Freude. Soweit ich verstehe, gibt es niemanden, den Sie nicht gernhaben, weil es nämlich einfacher ist, jeden gernzuhaben. Ich habe Sie beobachtet; Sie fliegen lieber über alles hinweg, Sie wollen weder klettern noch sich durchbohren – oder warten.

Ich wünsche Ihnen nichts Böses, im Gegenteil, bitte glauben Sie an meine Aufrichtigkeit – aber es muss mir gestattet sein mitzuteilen, dass ich, aus verschiedenen Gründen, die ausschließlich meine eigenen sind, mich gezwungen sehe, unsere Bekanntschaft zu beenden.

Mit größtem Respekt Robert«

Ich verstand das nicht, der Brief beunruhigte mich, nicht um Roberts willen, nein, ich fühlte mich eher unangenehm berührt. Hatte ich jemals auch nur ein Wort mit ihm gewechselt? Kaum. Als wir dann eines Tages alle auf dem Weg zur Kunstgeschichtsvorlesung den Hof überquerten, holte Robert mich ein und fragte: »Haben Sie verstanden?« Und ich sagte: »Vielleicht nicht unbedingt viel …« Ich war verlegen. Robert ging an mir vorbei, setzte seinen Weg über den Hof fort.

Was hätte ich sagen sollen? Hätte er etwas erklären können, wollte er das überhaupt – also, ich meine, so benimmt man sich doch nicht! Aber trotzdem, ich hätte fragen können.

Mit der Zeit kam heraus, dass Robert an jeden Einzelnen aus der Malklasse geschrieben hatte, und jeder Brief schloss mit einer sehr höflichen Kündigung der Bekanntschaft. Wir zeigten einander seine Briefe nicht und besprachen die Angelegenheit auch nicht. Vielleicht fanden wir es irgendwie komisch, auf etwas, das nie existiert hat, zu verzichten, aber wir sprachen es nicht aus. Alles ging so weiter wie immer, ganz so wie immer.

Dann kam die Zeit, als wir unsere Leinwände signierten. Und sehr bald kam der Krieg.

Nach dem Krieg stieß ich einmal zufällig auf einen Kollegen aus der Malschule, wir gingen in ein Café. Irgendwann kam ich auf Robert zu sprechen. »Weißt du, wo er sich heutzutage aufhält?«

»Niemand weiß das. Er verirrte sich. Er ging über die Grenze.«

»Wie meinst du das?«

»Das war so typisch für ihn«, fuhr mein Studienfreund fort. »Also, er lief einfach in die falsche Richtung. Das war in jener Zwischenzeit, als nichts passierte, man wartete nur und machte Holzschnitzereien oder was immer man damals trieb. Robert war mit seinem Skizzenblock unterwegs, machte den Wald unsicher und kehrte dann mit seinen Skizzen zur Kantine zurück. Ich glaube, er wollte damals zur Kantine, dort gab es einen anständigen Mittagstisch. Aber er ging in die falsche Richtung. Er hatte keinen Orientierungssinn.«

Ich habe ziemlich viel an Robert gedacht, vielleicht vor allem an seine Abschiedsbriefe. Inzwischen glaube ich zu verstehen, dass diese Briefe aus unwiderstehlichem Zwang geschrieben wurden und ein enormes Gefühl der Erleichterung und Befreiung hinterließen. Waren da noch andere, außerhalb der Schule, denen er auf dieselbe Art geschrieben hatte? Hatte er an seine Eltern geschrieben? Ja, mit Sicherheit an seine Eltern.

Unglaublich, so etwas zu wagen – die eigene Umgebung von sich zu distanzieren, alle diese Personen, entweder sie sind unerreichbar oder man hat sie zu nahe an sich herankommen lassen!

… aus verschiedenen Gründen, die ausschließlich meine eigenen sind, sehe ich mich gezwungen …

Aber so etwas macht man ja nicht.

Briefe von Klara

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