Читать книгу Die Mumins (5). Sturm im Mumintal - Туве Янссон - Страница 9

Оглавление

Zweites Kapitel


Wie man nach dem Frühstück taucht

Endlich kam der Morgen.

Anfangs leuchtete er nur als schmaler Streifen auf, der sich zögernd am Horizont entlangtastete, bevor er sich höher hinaufwagte.

Das Wetter war ruhig und schön.

Nur die Wellen schlugen in wirrer Erregung an neue Ufer und Strände, die bisher noch nie mit dem Meer zusammengetroffen waren. Der Feuer speiende Berg, der das alles angerichtet hatte, war inzwischen wieder ruhiger geworden. Er stieß nur ab und zu einen müden Seufzer aus und pustete dabei etwas Asche in den Himmel.

Um sieben läutete der Wecker.

Die Muminfamilie wachte sofort auf und stürzte ans Fenster, um hinauszuschauen. Sie hoben die Kleine Mü aufs Fensterbrett und die Tochter der Mümmla hielt sie am Kleid fest, damit sie nicht herunterfiel. Die ganze Welt war verändert.

Verschwunden waren Jasmin und Flieder, verschwunden die Brücke und der ganze Fluss.

Aus dem brodelnden Wasser schaute nur ein Stück vom Dach des Holzschuppens heraus.

Dort kauerte eine kleine, fröstelnde Schar und klammerte sich am Dachfirst fest, wahrscheinlich lauter Waldbewohner.

Alle Bäume ragten direkt aus dem Wasser und die Bergketten rings um das Mumintal waren in unzählige Inseln aufgesplittert.

»So wie es früher war, hat es mir besser gefallen«, sagte die Muminmutter und blinzelte in die Sonne, die rot und riesig wie der Mond im Spätsommer aus der Wasserwüste heraufgerollt kam.

»Und kein Kaffee zum Frühstück«, sagte der Muminvater. Die Muminmutter sah zur Salontreppe hinüber, die in den unruhigen Wellen verschwand. Sie dachte an ihre Küche, sah in Gedanken den Sims über dem Herd mit der Kaffeedose darauf und überlegte, ob sie wohl den Deckel festgeschraubt hatte. Sie seufzte.

»Soll ich tauchen und sie holen?«, fragte Mumin, der dasselbe gedacht hatte wie sie.

»Du kannst unmöglich so lange die Luft anhalten, mein Kind«, sagte die Muminmutter besorgt. Der Muminvater sah sie an. »Ich habe mir oft gedacht«, sagte er, »dass man sein Zimmer irgendwann von der Decke aus betrachten müsste anstatt vom Boden aus.«

»Willst du damit sagen, dass …«, sagte Mumin begeistert.

Der Vater nickte. Er verschwand in sein Zimmer und kam mit einem Kreisbohrer und einer schmalen Säge zurück. Alle standen um ihn herum und sahen interessiert zu, während er arbeitete.

Ein bisschen schrecklich fand der Muminvater es schon, dass er seinen eigenen Fußboden zersägte, gleichzeitig hatte er aber auch ein zutiefst befriedigendes Gefühl dabei.

Bald darauf konnte die Muminmutter ihre Küche zum ersten Mal von oben betrachten. Wie verzaubert starrte sie in ein schwach beleuchtetes hellgrünes Aquarium hinunter. Unten auf dem Grund waren der Herd, das Spülbecken und der Abfalleimer schwach zu erkennen, sämtliche Stühle und der Tisch schwammen jedoch oben unterhalb der Decke im Wasser.

»Das ist ja zu komisch«, sagte die Muminmutter und begann zu lachen.

Sie lachte so sehr, dass sie sich in den Schaukelstuhl setzen musste. Es kam ihr einfach erfrischend vor, ihre Küche auf diese Weise zu sehen.

»Wie gut, dass ich den Abfalleimer geleert habe!«, sagte sie und trocknete sich die Augen. »Und dass ich vergessen habe, Holz hereinzuholen!«

»Mutter, jetzt tauche ich«, sagte Mumin.

»Verbiete es ihm! Bitte, bitte!«, bat das Snorkfräulein ängstlich.

»Nein, warum denn?«, sagte die Muminmutter.

»Wenn er es nun mal spannend findet.«

Mumin blieb kurz still stehen und atmete dabei so ruhig wie möglich. Dann tauchte er in die Küche hinunter.

Er schwamm bis zur Speisekammer, dort gelang es ihm, die Tür zu öffnen. Das Wasser in der Speisekammer war weiß von Milch mit vereinzelten roten Tupfen aus Preiselbeerkompott. Ein paar Brotlaibe segelten an ihm vorbei, gefolgt von einem Makkaronischwarm. Mumin schnappte sich die Butterdose, fing im Vorbeischwimmen einen Laib Weißbrot ein und kurvte noch am Herd vorbei, wo er die Kaffeedose der Muminmutter vom Sims nahm. Dann stieg er zur Decke hinauf und holte tief Luft. »Sieh mal einer an, ich hatte tatsächlich den Deckel zugeschraubt!«, sagte die Muminmutter erfreut. »Was für ein nettes Picknick! Schaffst du es auch noch, die Kaffeekanne und die Tassen raufzuholen?«

So ein spannendes Frühstück hatten sie noch nie erlebt. Sie suchten einen Stuhl aus, der ihnen sowieso nicht gefiel, und machten daraus Kleinholz fürs Feuer. Der Zucker hatte sich leider aufgelöst, aber Mumin fand stattdessen eine Dose Sirup. Der Muminvater aß die Marmelade direkt aus dem Glas und die Kleine Mü grub sich mit dem Kreisbohrer durch einen ganzen Laib Brot, ohne dass jemand es zur Kenntnis nahm.


Ab und zu tauchte Mumin, um etwas Neues aus der Küche zu retten, und jedes Mal spritzte das Wasser durch das ganze raucherfüllte Zimmer.

»Heute mache ich keinen Abwasch«, sagte die Muminmutter zufrieden. »Wer weiß, vielleicht wasche ich nie mehr ab? Aber was haltet ihr davon, wenn wir versuchen die Salonmöbel heraufzuholen, bevor sie Schaden nehmen?«

Draußen schien die Sonne immer wärmer und die Wellen hatten sich gelegt.

Die Gruppe auf dem Dach des Holzschuppens erholte sich allmählich und begann, sich darüber aufzuregen, dass alles in der Natur so durcheinander war.

»Zu Lebzeiten meiner Mutter wäre so etwas nie passiert«, sagte eine Mäusefrau und kämmte sich heftig den Schwanz. »Das wäre nie gestattet worden! Aber jetzt haben wir ja andere Zeiten. Die Jugend macht eben, was ihr passt.«

Ein kleines, ernsthaftes Tier rückte eifrig näher und bemerkte:

»Ich glaube nicht, dass die Jugend an der großen Flut Schuld hat. Wir hier in diesem Tal sind bestimmt viel zu klein, um so große Wellen zu machen. Wir könnten höchstens in einem Eimer, einem Topf oder einem Waschbecken Wellen erzeugen. Oder warum nicht in einem Wasserglas.«

»Erlaubst du dir etwa einen Scherz mit mir?«, fragte die Mäusefrau mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Nein, nein, auf keinen Fall«, versicherte das ernsthafte kleine Tier. »Aber ich habe mir die ganze Nacht den Kopf zerbrochen. Wie kann eine so große Welle entstehen, ganz ohne Wind? Wissen Sie, das interessiert mich sehr, und ich glaube, entweder …«

»Und wie heißt du, wenn man fragen darf?«, unterbrach ihn die Mäusefrau.

»Homsa«, antwortete das kleine Tier, ohne böse zu werden. »Wenn wir nur verstehen könnten, wie es dazu gekommen ist, dann käme uns die große Flutwelle ganz natürlich vor.«

»Was heißt schon natürlich!«, piepste eine dicke kleine Misa. »Dieser Homsa hat ja keine Ahnung! Bei mir ist alles schiefgelaufen, einfach alles! Vorgestern hat mir jemand einen Kieferzapfen in den Stiefel gesteckt, bloß um mich zu verspotten, weil ich so große Füße habe! Und gestern ist ein Hemul an meinem Fenster vorbeigegangen und hat äußerst vielsagend gelacht. Und heute das hier!«

»Ist diese ganze große Welle bloß gekommen, um die Misa zu ärgern?«, fragte ein Kleinhopsler beeindruckt.

»Das habe ich nie behauptet«, sagte die Misa mit tränenerstickter Stimme. »An mich denkt doch keiner, geschweige denn, dass jemand etwas extra für mich tun würde. So eine große Welle schon gar nicht!«

»Vielleicht ist der Kieferzapfen ja einfach aus einer Kiefer heruntergefallen?«, schlug der Homsa hilfsbereit vor. »Oder aus einer Tanne, falls du dich getäuscht hast und es ein Tannenzapfen war. Das heißt, wenn dein Stiefel groß genug ist für einen Tannenzapfen?«

»Ich weiß, dass ich große Füße habe«, murmelte die Misa verbittert.

»Ich wollte es ja nur erklären«, sagte der Homsa.

»Das ist eine Gefühlssache«, sagte die Misa.

»Und so was lässt sich nicht erklären!«

»Nein, natürlich nicht«, sagte der Homsa niedergeschlagen.

Die Mäusefrau hatte inzwischen ihren Schwanz fertig frisiert und verlagerte ihr Interesse jetzt auf das Muminhaus.

»Die da drüben retten gerade ihre Möbel«, sagte sie und reckte den Hals. »Wie ich sehe, hat der Sofabezug Löcher. Und gefrühstückt haben sie auch! Man sollte es nicht für möglich halten, wie manche sich wichtig machen! Das Snorkfräulein sitzt doch tatsächlich da und kämmt sich, während wir ertrinken. Ja, ich sag’s ja. Jetzt tun sie das Sofa zum Trocknen aufs Dach! Jetzt hissen sie auch noch die Fahne! Bei meinem ewigen Schwanz, manche halten sich wirklich für was Besseres!«

Die Muminmutter beugte sich übers Balkongeländer und rief: »Guten Morgen.«

»Guten Morgen!«, rief der Homsa eifrig zurück.

»Dürfen wir einen Höflichkeitsbesuch machen? Oder ist es noch zu früh? Sollen wir lieber am Nachmittag kommen?« »Kommt jetzt gleich«, sagte die Muminmutter.


»Ein Besuch am frühen Morgen, das ist doch nett.« Der Homsa wartete eine Weile, bis ein geeigneter Baum, der die Wurzeln in die Luft reckte, vorbeigetrieben kam. Er fing den Baum mit dem Schwanz ein und fragte: »Kommt ihr mit, einen Besuch abstatten?«

»Nein danke«, sagte die Mäusefrau. »So ein Lotterladen ist nichts für uns!«

»Bin nicht eingeladen«, brummte die Misa.

Sie sah, wie der Homsa ablegte und der Baum davonglitt. Da überfiel sie ein plötzliches Gefühl der Verlassenheit, sie machte einen verzweifelten Satz und klammerte sich an die Zweige. Der Homsa half ihr, auf den Baum heraufzuklettern, sagte aber nichts.

Langsam segelten sie zum Dach der Veranda hin und betraten das Haus durch ein Fenster.

»Willkommen«, sagte der Muminvater. »Darf ich vorstellen – meine Frau, mein Sohn, das Snorkfräulein, die Tochter der Mümmla, die Kleine Mü.«


»Ich bin die Misa«, sagte die Misa.

»Und ich der Homsa«, sagte der Homsa.

»Ihr seid doof!«, sagte die Kleine Mü.

»Wir stellen uns vor, das gehört sich so«, erklärte die Tochter der Mümmla. »Jetzt musst du ganz still sein, das hier sind nämlich richtige Gäste!«

»Heute sieht es ein bisschen unaufgeräumt aus bei uns«, entschuldigte sich die Muminmutter.

»Und unser Salon liegt leider unter Wasser.«

»Aber ich bitte Sie«, sagte die Misa. »Sie haben so eine schöne Aussicht. Und das Wetter war in letzter Zeit ja so wundervoll und so schön ruhig.«

»Findest du wirklich?«, fragte der Homsa erstaunt.

Die Misa wurde puterrot. »Eigentlich wollte ich ja nicht die Unwahrheit sagen«, erklärte sie.

»Aber ich fand, dass das irgendwie vornehmer klang.« Dann entstand eine Pause.

»Hier ist es ein wenig eng«, sagte die Muminmutter schüchtern. »Jedenfalls tut so eine Abwechslung immer gut. Es ist, als würde ich unsere Möbel mit ganz neuen Augen sehen … vor allem, wenn sie auf dem Kopf stehen! Und das Wasser ist schön warm geworden. Unsere Familie schwimmt ausgesprochen gern.«

»Ach, tatsächlich?«, sagte die Misa höflich. Eine neue Pause entstand.

Plötzlich ließ sich ein schwaches rieselndes Geräusch vernehmen.

»Mü!«, sagte die Tochter der Mümmla streng.

»Das war ich aber nicht«, protestierte die Kleine Mü. »Das ist bloß das Meer, das durchs Fenster hereinkommt!«

Sie hatte recht. Das Wasser war wieder gestiegen. Eine kleine Welle schwappte übers Fensterbrett. Und noch eine.

Dann ergoss sich ein ganzer Wasserfall über den Teppich. Die Tochter der Mümmla steckte hastig ihre kleine Schwester in die Tasche und bemerkte:

»Welch ein Riesenglück, dass diese Familie so gern schwimmt!«


Die Mumins (5). Sturm im Mumintal

Подняться наверх