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Mensch und Tier

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Könnte man die Erde vom Mittelpunkt der Milchstraße aus betrachten, wäre sie, wenn überhaupt, lediglich als winziger Punkt unter Milliarden anderer erkennbar. In der Giganteske des Alls ist sie daher als bloße Existenz völlig belanglos. Würde sie plötzlich aus der Galaxie verschwinden, wäre im Ganzen durchaus nichts passiert. Nun ist dieser Punkt bekanntlich ein ganz besonderer Stern, dessen Eigenschaften Milliarden von - aus jener Sicht - mikrobenhaften Wesen das Leben ermöglicht, darunter eines, das an komplexer Qualität allen anderen Objekten des Universums um ein Vielfaches überlegen ist. Der Mensch! Denn obwohl z.B. der Stern Antares etwa die siebenhundertfache Größe der Sonne aufweist und daher in seiner Furchtbarkeit jenseits der menschlichen Vorstellungskraft bleibt, ist er im Vergleich mit der Beschaffenheit des menschlichen Gehirns beinahe ein Nichts. Und da in den Weiten des Alls nichts bekannt ist, was dem Wunderbaren auf dem Planeten Erde auch nur annähernd das Wasser reichen könnte, kann man ihn, jedenfalls bis auf weiteres, getrost als das qualitative Zentrum des Universums ansehen, und den reflektierenden Menschen mit einigem Recht gar als die Krönung der Schöpfung. Dass sich in der Unendlichkeit des Raums möglicherweise intelligente Arten aufhalten, die der menschlichen ähnlich sind oder ihr gar überlegen, ist a priori nicht auszuschließen, aber damit kann ich mich leider, mangels Indizien, nicht abgeben.

Aus der näheren Ferne, etwa vom Mond aus, ist die Erde im übrigen ein sehr schöner Stern, viel schöner als all die anderen Planeten, die in ihren Bahnen um die Sonne kreisen und aus der Sicht ihrer Bewohner denn auch riesengroß, so groß, dass sie gar nicht merken, dass sie sich auf einer Kugel befinden. Groß und klein haben im Universum allerdings nur eine relative Bedeutung. Aus der Sichtweise etwa einer Maus ist der Mensch ein wahrer Gulliver und sein Haupt für die Haarbalgmilbe gar ein weites Land. Der jesuitische Gelehrte Teilhard de Chardin setzt das physische Volumen des Menschen denn auch ungefähr in den universalen Mittelpunkt, von dem aus sich die Größenordnungen im Mikrokosmos ebenso geheimnisvoll in das unendlich Kleine verlieren, wie im Makrokosmos in das unendlich Große. Allein die Moleküle in einem Kubikzentimeter würden, sagt er, könnte man sie in Sandkörner verwandeln, die Fläche Frankreichs mit einer zehn Zentimeter dicken Schicht bedecken. Aus alledem kann in aller Bescheidenheit gefolgert werden, dass sowohl die Erde wie auch der Mensch nicht einfach zufällig existieren, sondern möglicherweise Produkte eines Zwecks sind, was dem Ganzen allerdings einen Sinn gäbe. Der angedeuteten Metaphysik werde ich an anderer Stelle noch ausführlich Raum geben.

Seine Dominanz über alle anderen Lebewesen dieser Erde verdankt der Mensch offenbar zwei körperlichen Eigenschaften, die in dieser Kombination allein ihm eigen sind. Zum einen ist es seine Fähigkeit, mittels des Kehlkopfs und des übrigen Mundwerks zahlreiche differenzierte Laute hervor zu bringen, und zum anderen, mittels seiner Hände äußerst feine und schwierige Operationen durchzuführen. In der restlichen Fauna ist die Lautbildung extrem beschränkt, wohl mit Ausnahme der Vogelwelt, wo einzelne Arten sogar in der Lage sind, sich gelegentlich in der menschlichen Sprache zu äußern. In einem Zoo soll vor einiger Zeit ein Papagei gelebt haben, der die Besucher, wenn ihm danach war, gar auf das Gröblichste zu beschimpfen pflegte. Wenn man aber bemerkt, wie mühsam, wenngleich oft sehr kunstvoll, diese Tiere ihre Nester bauen, wird klar, dass sie, aufgrund der Beschaffenheit ihrer Gliedmaßen, auch beim besten Willen nicht in der Lage sind, Komplizierteres herzustellen. Im Gegensatz zu den Menschen haben sie das allerdings auch gar nicht nötig. Soviel mir bekannt ist, verfügen lediglich die Affen über eine dem Menschen ähnliche Bewegungsfähigkeit ihrer äußeren Glieder, die sie aber, mangels kreativer Möglichkeiten nur ganz begrenzt einsetzen - etwa zum Festhalten eines Gegenstands oder um sich zu lausen. Die Kreativität aber hat ingeniöses Denken zur Voraussetzung und dieses wiederum ist ohne das Mittel der Sprache, also der Fähigkeit zu komplexer Lautbildung nicht möglich, die dieser Tierart eben völlig fehlt.

Der Mensch, sowohl der Sprache wie auch der verfeinerten Motorik seiner Gliedmaßen mächtig, ist also zweifellos das Auserwählte unter den Geschöpfen. Im Besitz dieser anatomischen Kombination sind seiner Kreativität, im Rahmen der irdischen Möglichkeiten, praktisch keine Grenzen gesetzt. Die Sprache erlaubt ihm das erkennende Denken, seine Hände die Umsetzung seiner Vorstellungen in die physische Tat. Ohne die eine oder die andere dieser Komponenten wäre auch der Mensch nur ein Tier, ganz und gar unfähig die Welt zu bereichern oder zu zerstören. Hier ist indessen zu bemerken, dass eine ungeheure Zahl menschlicher Wesen aller sozialen und intellektuellen Schichten seine Zeit auf Erden noch immer wie vernunftlose Affen zubringt und offenbar keinerlei Anreiz verspürt, sich darüber zu erheben. Wären sie noch im Urwald, könnte es angehen, aber die Dreistigkeit mit der eine Minderheit der etwas schlaueren unter ihnen die Welt verschandelt, ausplündert und dem ganzen Rest das Leben vergällt ist nicht mehr unkommentiert hinzunehmen.

Meine oben genannte Theorie von der physischen Beschaffenheit des Menschen, im Hinblick auf seine Welteroberung, erhebt keinen Anspruch auf absolute Wahrheit. Ich fand sie nichtsdestotrotz der Beachtung wert und überlasse alles Weitere den gelehrten Anthropologen.

Aufgrund seiner Fähigkeiten hält sich der Mensch selbstverständlich für etwas ganz Besonderes, weshalb er mitunter sogar das Interesse überirdischer Mächte beansprucht, die sich, wie er glaubt oder meint, unablässig, als sozusagen höhere Verwandte, mit ihm beschäftigen.

Tatsächlich ist er im irdischen Bereich eine Art Halbgott, dem es nach Belieben zu schalten und walten erlaubt ist. In seiner sichtbaren Hülle gefangen, ist er körperlich allerdings ein Tier geblieben und wie dieses zum Überleben in seinen täglichen Bedürfnissen (Nahrung, Schlaf, Notdurft) dem unbarmherzigen Naturgesetz unterworfen.

Dafür kann er nichts und daher ist er diesbezüglich auch jedes Vorwurfs enthoben. Indessen ist er leider, trotz seines erworbenen Verstandes mitsamt allem, was er damit bis anhin erschaffte und erdachte, auch im Charakter dem Tier ganz ähnlich, ihm gar in vielen Belangen unterlegen, indem er seine Affekte und Triebe nicht nur nicht zu beherrschen imstande ist, sondern sie, im Gegensatz zum Tier, weitgehend ins Negative kultivierte und in vielen Bereichen geradezu pervertierte.

Im Tierreich hat das Dominanzverhalten der in einem Verbund lebenden sog. Alphatieren den Sexualtrieb zum Grunde, als eine Vorgabe der Natur, mit dem Zweck, den Artbestand zu erhalten, gereicht aber der eigenen Art kaum je zum Schaden, während dieselbe Gemütsbewegung die Menschheit, wohl schon seit Anbeginn, und seither unabläßig, in Furcht, Elend, Schmerz und Tod gestürzt hat. Das Dominanzverhalten des Menschen ist leider geradezu unermesslich und da er, im Gegensatz zu den Tieren, das ganze Jahr über von der sexuellen Brunst gebeutelt wird, darf gefragt werden, ob Sigmund Freud mit seiner Theorie, wonach die einzig treibende Kraft im Leben der Sexualtrieb sei, am Ende vielleicht doch recht hat.

Raubtiere sind in der freien Wildbahn relativ selten, während die Beutetiere überwiegend zahlreich in Erscheinung treten, den Erstgenannten also fast unbeschränkt als Fraß zur Verfügung stehen, jedoch niemals über deren Sättigungbedürfnis hinaus vertilgt werden.

Im Raubtrieb sind ihnen die Menschen nicht unähnlich, mit dem gravierenden Unterschied, dass sie nicht nur andere Arten vertilgen und mitunter deren Ausrottung herbeiführen, sondern unter sich als Räuber und Beraubte, Peiniger und Gepeinigte, Mörder und Ermordete zusammenleben, wobei auch hier die Räuber, Peiniger und Mörder auf eine ungeheure Zahl an Opfern zurückgreifen können. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Einrichtung der Natur. Das hat die Art ganz allein zustande gebracht.

I. Das Applaussyndrom Das Bedürfnis nach Anerkennung beschäftigt den Menschen beinahe unablässig in zahllosen Variationen, mit dem es zum Ausdruck gebracht wird. Selbst im kleinsten Gespräch ist er bemüht, sein Ego bestätigt zu sehen, Anerkennung heischend oder wenigstens hoffend, bis hin zum offenen Applaus. Vermutlich ist fast alles, was Menschen jemals zustande gebracht haben, bewusst oder unbewusst von der Hoffnung auf Anerkennung vorangetrieben worden, und diese wiederum erheblich vom Geschlechtstrieb gesteuert. Wenn man sieht, welche Strapazen so mancher Sterbliche auf sich nimmt, um Beifall zu erlangen, kann sehr wohl von einer Art Krankheit gesprochen werden, ob angeboren oder im Laufe zehntausender Jahre fortentwickelt bleibe dahingestellt. Eigentlich wären all jene zu beglückwünschen, die sich damit begnügen, unauffällig und bescheiden durch ihr Leben zu wandern, denn die wahre Größe eines Menschen zeigt sich im Grad der Gelassenheit gegenüber der Anerkennung seiner Mitmenschen, indes jegliche Geltungssucht wohl auf eine tief sitzende Furcht vor Unbedeutendheit zurück zu führen ist und je offensichtlicher jene, desto tiefer diese, die demzufolge immerdar durch Applaus übertüncht werden muss.

Interessant sind in diesem Zusammenhang die vielen verschiedenen Wortbildungen, die ohne weiteres für ein und dasselbe menschliche Bedürfnis abgeleitet werden können. In alphabetischer Reihenfolge, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Anerkennung, Aufmerksamkeit, Beifall, Bewunderung, Ehre, Ehrgeiz, Erfolg, Gefallsucht, Geltungsdrang, Liebe, Lob, Respekt, Ruhm, Wertschätzung. Ich werde für dieses, im täglichen Zusammenleben überall, im Kleinen wie im Großen zu bemerkendes menschliche Phaenomen, der Einfachheit halber, weil es als äußere Geste auch bei den Affen zu beobachten ist und deshalb der ordinären Gier danach ganz angemessen scheint, in der Regel fortan den Überbegriff Applaus gebrauchen. Er wird diese Schrift denn auch überallhin begleiten.

Hierbei muss nun allerdings vorangehend, im Hinblick auf die Ingeniosität, schonungslos auf die charakterliche Verschiedenheit der beiden Geschlechter hingewiesen werden. (Nebenbei und abgesehen davon weigere ich mich, bei Personenbezeichnungen die beide Geschlechter betreffen, der neuerlichen, die Sprache verhunzenden deutschen Methode zu folgen, und jedem seit Urzeiten männlichen Sammelbegriff mit verblödender Galanterie die weibliche Form voran zu setzen).

Was hat der männliche Teil der Menschenbevölkerung zur Zivilisation beigetragen, und was der weibliche? Antwort: der männliche beinahe alles, der weibliche, vielleicht auch gesellschaftlich bedingt, fast nichts! Bis auf wenige Ausnahmen wurde alles, was bis heute an Kultur, Wissenschaft und Technik von Bedeutung ist, von Männern ersonnen und verwirklicht. Es gibt keinen weiblichen Mozart oder Beethoven, etc., etc., kaum einen weiblichen Maler, Bildhauer, Architekten, etc., etc. von einigem Rang - lediglich in der Literatur haben Frauen vereinzelt Großes geleistet, sind aber auch hier im Vergleich praktisch an den Fingern etwa beider Hände abzuzählen.

Nicht einmal in der Kochkunst, der ehrlichsten aller Künste, ihrem ureigensten Gebiet, sind sie wegweisend. Die renommierten Hotel-und Gasthausküchen werden ganz überwiegend von männlichen Chefs geleitet. Was die Wissenschaften betrifft, sehe man sich nur die Liste der Nobelpreisträger an (Marie Curie ist hier die löbliche Ausnahme), und wann denn hat eine Frau schon etwas Bahnbrechendes erfunden? In meinem beschränkten Blickfeld ist weit und breit nichts zu erkennen. Der weibliche Teil der menschlichen Bevölkerung hat also im Bereich der zivilisatorischen Errungenschaften kaum jemals etwas Hervorragendes zustande gebracht. Die Ausnahmen bestätigen lediglich die Regel, fallen indessen, in Anbetracht des Ganzen, wenig ins Gewicht.

Die relative Grausamkeit dieser Aussage ist mir bewusst, aber ich schreibe dieses Buch nicht, um meinen Mitmenschen Honig um den Mund zu schmieren, sondern um der Wahrheit willen, die in so vielen Bereichen verschüttet, verdreht oder aus falscher Rücksichtnahme einfach verdrängt wurde.

Die besagte spezifische Überlegenheit der männlichen Spezies, soll nun nicht etwa in den Irrtum führen, der Mann an sich sei etwa grundsätzlich mehr wert als die Frau an sich, denn gemessen an der Gesamtheit der Menschen, sind die zivilisatorischen Errungenschaften lediglich einer im Vergleich winzigen Zahl ingeniöser Geister zu verdanken.

Was aber hat der männliche Teil der Menschenbevölkerung zu den verhängnisvollen Untaten beigetragen, die seit Anbeginn und durch die Jahrtausende hindurch die Welt für zahllose ihrer Bewohner zu einer Hölle gemacht haben, und was der weibliche? Antwort: der weibliche beinahe nichts, der männliche fast alles! Alle Kriege der gesamten Weltgeschichte wurden, bis auf wenige Ausnahmen, von Männern angezettelt und in der Ausführung praktisch allein von ihnen geführt. Der Sklavenhandel, mafiöse Kriminalität, Folter, Mord und Totschlag, kurz, das Böse in seiner gewalttätigen Form, ist fast ausschließlich der männlichen Psyche anzulasten, beziehungsweise, im allumfassenden Licht betrachtet, ihrer geschlechtsbedingten Dummheit. Aber auch hier muss bemerkt werden, dass das ganze Unheil, für das die Buchstaben des Alphabets nicht ausreichen, um es empfindbar darzustellen, gemessen an der Gesamtheit der Menschen aller Zeiten, wiederum der Energie einer im Vergleich bloß geringen Anzahl verbrecherischer Elemente zuzuschreiben ist.

Der Anteil der weiblichen Menschen in der Gestaltung der Welt, wie sie sich heute darstellt, war in der Vergangenheit, was die Ergebnisse im Positiven und Negativen betrifft, also außerordentlich gering. Ob dies nun auf die angeblich männliche Unterdrückung zurückzuführen ist, oder eher auf eine gewisse Trägheit oder gar Gleichgültigkeit der Frauenwelt, sei dahingestellt. Jahrtausendealte Traditionen haben gewiss dazu beigetragen, aber mindestens seit der sog. Aufklärung in der Mitte des 18. Jahrhunderts, hätte in den maßgeblichen Kreisen kaum jemand eine entschlossene Frau ernsthaft daran gehindert z.B.

eine schöne Symphonie zu komponieren, ein großartiges Gemälde zu malen, eine philosophische Abhandlung zu schreiben oder gar eine nützliche Maschine zu erfinden, usw. usf. Die Frauenemanzipation, die, in weiten Teilen der Welt, die allerdings längst fällige bürgerliche Gleichstellung zustande brachte, hat den weiblichen Schöpfergeist nur sehr begrenzt beflügelt. Abgesehen von Mittelmäßigkeiten, nicht selten bloß in der Nachahmung männlicher Anstrengungen, ist auch seither eigentlich nichts Herausragendes zu entdecken. Selbst in der Politik der westlichen Hemisphäre, wo die Geschlechter der Handelnden zahlenmäßig schon ungefähr gleichmäßig verteilt sind, hat der weibliche Einfluss kaum etwas zum Wohle der Welt verändert, indem die Frauen im Wesentlichen die Gepflogenheiten ihrer männlichen Kollegen übernehmen, spezifisch Weibliches weitgehend vermissen lassen und einfach im trüben politischen Fahrwasser mitschwimmen.

Die zivilisatorischen Errungenschaften in den sittlichen, künstlerischen und human-geistigen Bereichen haben die Menschheit gewiss auf ein Niveau gebracht, in dem sich grundsätzlich in Frieden und Anstand leben ließe, im Verein mit jenen der Wissenschaft und der Technik, die mit ihren zahllosen Erkenntnissen und Produkten die Mühsale des Lebens einerseits beträchtlich zu lindern vermögen, andrerseits jedoch, der Gier nach Profit und Applaus unterworfen, ebenso oft den blanken Schwachsinn zur Folge haben.

Man muss sich endlich fragen, ob die Produkte der Wissenschaft und im besonderen die der Technik in vielen Bereichen nicht längst den Punkt überschritten haben, wo sie noch nützlich sind, ja, ob die ungeheure Masse des immer neuen technischen Krempels, dessen im Grunde kein Mensch wirklich bedarf, nicht bald zur allgemeinen Verblödung und geistigen Verrohung führt. Eine Zivilisation ist nämlich nicht daran zu messen, inwieweit ein menschliches Wesen technische Erzeugnisse in seinen Besitz zu bringen und anzuwenden weiß, sondern inwieweit es die Affekte seiner triebhaften Natur zu erkennen und letztlich zum Wohle des Ganzen zu beherrschen imstande ist. Mit anderen Worten: Die Zivilisation findet im Kopf statt. Es ist höchste Zeit, diese Welt, wenn nicht in ein Paradies, dann wenigstens in einen Ort zu verwandeln, in dem nicht nur eine privilegierte Minderheit die süßen Früchte genießen kann, sondern die immense restliche Mehrheit wenigstens von den faulen verschont bleibt - womit ich Hunger, Unterdrückung, Krieg und die betrügerische Verlogenheit meine, die in der Summe dem größten Teil der Menschheit, nebst einem beträchtlichen der Tierwelt, das Leben immer wieder unerträglich macht.

In der Säugetierwelt spielt das Bedürfnis nach Anerkennung, wenn überhaupt, nur eine unbewusste, ganz untergeordnete Rolle. In aller Regel umwirbt das Männchen das Weibchen, in der eindeutigen Absicht, mit ihm den Geschlechtsakt zu vollziehen, während das Weibchen, obwohl nicht weniger darauf erpicht, aber etwas geduldiger, sich umwerben lässt. Erhört wird am Ende das Männchen, das sich körperlich als das stärkste erweist, mitunter etwas genötigt, aber vermutlich nicht ungern, weil es die schwächeren Konkurrenten resolut verdrängt, womit gewährleistet wird, dass die zu erwartende Nachkommenschaft ebenfalls stark und durchsetzungsfähig zur Welt kommt. In der Vogelwelt gelten andere Kriterien. Da wird vom Weibchen offenbar eher Schönheit, Imponiergehabe und Geschicklichkeit belohnt.

Merkwürdigerweise dienen der ‚Krone der Schöpfung’, in ihrer Gier nach Anerkennung, eine ganze Anzahl Tiere als Vorbilder für Schönheit, Stärke und Tapferkeit. In vielen Staats- und Adelswappen nehmen bezeichnenderweise fast immer Raubtiere die vorderen Plätze ein, besonders der Adler, wohl der Schönheit seines Gefieders im Fluge und seines grimmigen Blickes wegen, dessen Lebensweise aber mit der des Menschen nicht im geringsten vergleichbar ist, gefolgt vom männlichen Löwen, der wenigstens ein Säugetier ist.

Obwohl als König der Tiere angesehen, ist er, bei näherer Betrachtung, mit Ausnahme seiner imposanten Erscheinung, allerdings nichts weniger als ein Vorbild. Für seine körperliche Stärke kann er nichts, er wird einfach nur so geboren und bezüglich seiner Tapferkeit hege ich die größten Zweifel, da er diese Eigenschaft, mangels Feinden, gar nicht benötigt. Daneben ist der Löwe ein Beispiel an Faulheit, der, wenn er nicht gerade mit einer seiner Haremslöwinnen den Geschlechtsverkehr pflegt - darin ist er allerdings extrem leistungsfähig - tatenlos herumliegt und in der Regel selbst die Nahrungsbeschaffung den Damen aufbürdet. Seinen unsympathischen Charakter zeigt er auch in der Gepflogenheit, die kaum geborenen Nachkommen anderer Löwen wenn möglich umzubringen, weil er von seiner Natur her dem egoistischen Stumpfsinn verfallen ist, was nicht von ihm sei, müsse vernichtet werden. Indessen sind seine Eigenschaften zumindest für den Adel recht repräsentativ, wie denn auch in vielen Herrschergeschlechtern Egoismus, Faulheit, Grausamkeit, Gefräßigkeit und zügelloser sexueller Appetit Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende lang, an der Tagesordnung waren.

Warum, frage ich, findet man in der Heraldik nie als Beispiel einen Esel vor, der doch ein geduldiges und arbeitsames Wesen ist und von der Intelligenz her vielen Menschen nur wenig nachsteht? Auch einen Kanarienvogel habe ich in diesem Zusammenhang noch nie gesehen, obwohl er ganz lieblich singen kann und auch sonst ein schönes Tier ist. Zuweilen schmücken Pferde die Wappen, aber niemals ein Ackergaul, der es, weiß Gott, verdient hätte, nein, es muss dann schon ein Rassehengst sein, damit der Mensch, wie auch immer, qualitative Ähnlichkeit ableiten kann, obschon dergleichen nicht erkennbar ist. Auf gar keinen Fall dürften Schweine die Wappen zieren, Geschöpfe, die den Menschen doch Tag für Tag millionenfach als Nahrung zur Verfügung stehen müssen. Anstatt mit Dankbarkeit überhäuft zu werden, wird ihr Name noch überall als Beispiel äusserer und charakterlicher Unsauberkeit missbraucht. Undank ist der Welt Lohn!

Die erwähnten Vorbildfunktionen gewisser angesehener Tiere sind natürlich ausschließlich Produkte männlicher Eitelkeit und dieser wiederum liegt zu einem beträchtlichen Teil der Sexualtrieb zugrunde.

Außerordentliche Leistungen fast jeder Art sind ganz gewiss, ob bewusst oder unbewusst, nebenbei vom Wunsch beflügelt, beim weiblichen Geschlecht Aufmerksamkeit und Anerkennung zu wecken.

Nebenbei! Denn obwohl der mittelalterliche Ritter seine Heldentaten vorrangig der Geliebten zum Gefallen vollbrachte, war er des Raufens an und für sich keineswegs abgeneigt, zum einen weil es ihm auch bei seinesgleichen Applaus eintrug und ihm zum andern außerdem die Langeweile vertrieb, jene, neben dem Sexualtrieb ungeheure Macht, die nur durch Tätigkeiten - im Falle des Ritters Tätlichkeiten -

zu überwältigen, sprich, tot zu schlagen ist. Der freudschen Ansicht, wonach der Sexualtrieb die einzige treibende Kraft im Leben sei, darf deshalb, im Bezug auf den Menschen, Grenzen gesetzt werden.

II. Die Motivationen

Die den Menschen zur Handlung treibenden Motivationen können wie folgt unterschieden werden:

1. Der Lebensunterhalt

2. Der Sexualtrieb

3. Die Langeweile

4. Der Schaffensdrang

5. Der Wissensdurst

6. Die Verantwortung

7. Der Gottesdienst

Je nach der Beschaffenheit des Individuums wirken sie mehr oder weniger interdependent. Den Anstrengungen zum Lebensunterhalt kann sich nur eine Minderheit aufgrund ihres privilegierten Besitzstands oder als Schutzbedürftige entziehen, während dem Sexualtrieb die Gesamtheit der Menschen unterworfen ist. Ob die übrigen der angeführten Motivationen ein Individuum zu einer Handlung veranlassen, bleibt dagegen allein diesem überlassen. Der Wunsch nach Applaus jedoch, ist sozusagen als Übermotiv bei allen feststellbar. Nachstehend wird dies an Beispielen dargelegt, von denen es indessen so viele gibt wie Sand am Meer.

1. Der Lebensunterhalt

Zur Sicherung von Nahrung und Unterkunft ist grundsätzlich eine Leistung erforderlich, sofern sie nicht, wie oben erwähnt, Schutzbefohlenen, z.B. den Mitgliedern einer Familie, umsonst gewährt wird. Wenn die Leistung nicht durch schon vorhandene finanzielle Mittel ersetzt werden kann, stellt sie sich als irgend eine Form von Arbeit dar, worunter, neben zumeist ehrlicher, auch unehrliche zu erwähnen ist. Auch der Einbrecher ‚arbeitet’, wenn er durch ein Fenster steigt, und die ungeheuren Einkünfte z.B. von Drogenbaronen oder Finanzbetrügern erfordern gewiss kein geringes Maß an Arbeitsleistung. Je besser sich nun ein Individuum in seinem Tätigkeitsbereich bewährt, desto höher steigt es normalerweise in der Hierarchie und desto mehr vergrößert sich in der Regel seine individuelle Macht und sein Besitz, was wiederum in der Folge von der Gesellschaft entsprechend mit Applaus belohnt wird. Nicht wenige Menschen wählen daher zum Unterhalt ihres Lebens einen Beruf, der zwar bewusst auf die Erlangung von Macht und Besitz gerichtet ist, eher unbewusst aber den damit verbundenen Applaus anstrebt.

Genau betrachtet ist nämlich der Wille zur Macht ebenso wie die unverhältnismäßige Anhäufung von Besitz letztlich dem Bedürfnis nach Applaus unterzuordnen. Als Beispiel sind, neben vielen anderen, besonders die Politiker zu erwähnen, die offensichtlich nie genug davon bekommen können. Über die Macht und deren Missbrauch werde ich in den folgenden Kapiteln noch umfassend eingehen.

2. Der Sexualtrieb

Von ihm hängt nicht weniger als der Erhalt des Lebens ab, denn durch ihn werden Männchen und Weibchen zum Geschlechtsakt getrieben, dessen Zweck grundsätzlich die Produktion der Nachkommenschaft ist. Die Tierwelt vollzieht ihn ziemlich stoisch, in der unergründlichen Weisheit der Natur, im Gegensatz zu den Menschen, die ihn auf mannigfaltige Weise, bis hin zur Perversion, kultiviert haben. Rätselhaft ist der sado-masochistische Reiz, der selbst den zärtlichsten Geschlechtsverkehr begleitet. Erstaunlich ist die Tatsache, dass sich praktisch die gesamte Gesellschaft im Umgang mit der Sexualität nicht ungern geflissentlich der Vulgärsprache bedient, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass der Vorgang der geschlechtlichen Vereinigung, nüchtern betrachtet, eigentlich eine ziemlich unästhetische und in gewisser Hinsicht auch unappetitliche Angelegenheit ist. Indessen bildete der Sexualtrieb in neuerer Zeit nachgerade die Grundlage für eine gewaltige Industrie, obwohl er doch nur ganz unschuldig für die Entstehung neuer Menschlein vorhanden ist. Die Aussicht auf ein relativ kurzes Lustempfinden während des Sexualakts veranlasst täglich Millionen menschlicher Wesen zu den absonderlichsten Unternehmungen und Praktiken, und nicht wenige lassen sich zu regelrechten Sklaven ihres Triebs erniedrigen, ohne sich der ganzen Jämmerlichkeit, die damit verbunden ist, bewusst zu werden.

Verklärt sind die Augen der frisch Verliebten, lieblich das Pochen ihrer Herzen, aber tief darunter verborgen wartet schon das Kindlein, das sie mittels des banalen Geschlechtsverkehrs dereinst zu zeugen berufen sind, denn hinter alledem lauert eben der blinde Trieb, schon beim ersten Lächeln, das sie aufeinander aufmerksam machte. Die Verliebtheit ist wohl der schönste Zustand zweier Menschen, der überschwängliche Applaus, mit dem sie einander überhäufen, das höchste Glück, vielleicht sogar der Grund der Verliebtheit, aber wenn im Rausch der Trieb die Geschlechter zueinander führt, ist der Zenith bereits erreicht, von da an geht’s in der Regel langsam bergab und der gegenseitige Applaus beginnt zu erlahmen. Glücklich jene, die ihre Zuneigung in einer treuen Kameradschaft zu erhalten wissen, sich, anstelle des überschwänglichen, oberflächlichen, am stillen Applaus gegenseitigen Vertrauens freuen, dem einzigen, der etwas taugt und auch in guten Freundschaften die Banden knüpft. Die Liebe schwindet, der Sexualtrieb bleibt, denn er ist der Meister, ihm ist das lustvolle Getändel bloß Mittel zum Zweck. Unbarmherzig stachelt er seine Opfer zum Handeln an, er braucht die Liebe nicht, der Geschlechtsakt genügt ihm vollkommen. Im Gegensatz zum Tier, das in der Regel nur zyklisch von ihm überwältigt wird, tyrannisiert er die armen Menschen jahraus, jahrein, kaum dass sie geschlechtsreif geworden sind bis ins hohe Alter, und wenn sie mangels eines Parts anderen Geschlechts nicht mehr aus noch ein wissen, gaukelt er ihnen wollüstige Bilder vor, bis sie, der Not gehorchend, kapitulieren und Hand an sich legen. Die in früheren Zeiten bis zum Schwachsinn als ungesund verteufelte Onanie ist heute kein Thema mehr, da sie offenbar, mit Maß betrieben, weder ungesund noch als verwerflich angesehen wird, wenngleich sie gewiss jeden Tag eine unabsehbare Zahl Menschen in nicht gelinde Konflikte stürzt. Solcher Wollust folgt dann fast unweigerlich Ernüchterung und Katzenjammer. Trotzdem ist hierbei jeder Vorwurf zumindest fragwürdig. Dergleichen Kapitulation vor dem Sexualtrieb ist zwar recht eigentlich ein Betrug an der Natur, es scheint mir hingegen, dass jeder Mensch das Recht hat, dem Trieb gelegentlich ein Schnippchen zu schlagen, wenn er so unverschämt seinen Zoll fordert, auch wenn die Niederlage dem Gemüt wenig zuträglich ist. Für eine Weile von ihm befreit, kann sich der Mensch nun wieder anderen Tätigkeiten widmen, mitunter ersprießlicheren, zum Beispiel der Arbeit, bis sich der Plagegeist wieder bemerkbar macht, was bei jungen Leuten innert weniger Stunden der Fall sein kann.

Leider hat sich in der westlichen Welt die sogenannte Pornographie (grch., von Pornos ‚Hurer’) fest etabliert; die ‚Unzucht’ in Schriften und Bildern ist nachgerade salonfähig geworden, selbst in nobelpreisträchtiger Literatur bietet sie keinen Anlass zu Missbilligung mehr, weil sie doch so überaus menschlich sein soll. Das unselige Pornographengesindel übertrifft sich gegenseitig in der Darstellung sexueller Praktiken und schreckt in seiner Geldgier vor nichts mehr zurück. Wenn man der Prostitution wenigstens zugestehen kann, dass sie in der Regel Menschen zusammenführt, dient die Pornographie wohl fast ausschließlich der Selbstbefriedigung, indem sie die einsame Not schamlos ausbeutet, denn wer, wie auch immer, seinen sexuellen Trieb in einer Partnerschaft zu befriedigen imstande ist, kann auf pornographische Produkte getrost verzichten.

Darstellungen sexueller Handlungen hat es schon immer gegeben, sie a priori zu verteufeln wäre töricht, aber dass sie zu einem derart gewichtigen Wirtschaftszweig werden konnten, zeigt einmal mehr in welche Abgründe, sobald entfesselt, die Macht des Sexualtriebs führen kann. Die nunmehr in der westlichen Welt beinahe schrankenlos liberalisierte Pornographie hat es tatsächlich fertig gebracht, dass das sexuelle Schamgefühl, das selbst bei Tieren mitunter festzustellen ist, in den sog. ’entwickelten’ Nationen keinen ethischen Stellenwert mehr einnimmt und eher noch als lächerliche Prüderie abgetan wird, derer sich selbstverständlich niemand bezichtigen lassen will. Man kann indessen diese Entwicklung, anstatt sie ohne Bedacht als zeitgemäß und deshalb angemessen zu akzeptieren, auch als Erziehung zum Amoralismus auffassen. Der heutzutage überaus lässige Umgang mit jeder Art Ethik hat schon zu einer beträchtlichen Verrohung im menschlichen Zusammenleben geführt und im sexuellen Bereich hat sich in weiten Kreisen mit der Ethik auch die Aesthetik verabschiedet, beziehungsweise sich von der Pornographie totschlagen lassen. Wenn in längst vergangenen Zeiten schon der Anblick eines wohlgeformten Beins unter gerafften Röcken die erotische Phantasie beflügelte, benötigt sie in unserer glorreichen Epoche mitunter nicht weniger als die bis ins Detail zur Schau gestellte Kopulation, was wohl bedeutet, dass sie bis auf einen kümmerlichen Rest gestorben ist. Die Überreizung mit Bildern trägt übrigens auch anderweitig ganz massiv zur überall zu beobachtenden Verblödung bei. Darauf wird an anderer Stelle noch zurückzukommen sein.

Während nun in allen anderen Bereichen der Applaus Lohn für eine Leistung oder für eine Eigenschaft darstellt, wird bei der Befriedigung des Sexualtriebs in einer Partnerschaft der Applaus - also die Anerkennung - selbst belohnt und ist daher, unter der Voraussetzung, dass sich daraus eine Nachkommenschaft ergibt, gewissermaßen das Endglied und Ziel aller Bestrebungen. Siegmund Freud lässt noch einmal grüßen!

Die Bereitschaft zur sexuellen Hingabe hat sich bis heute geschlechtsspezifisch kaum verändert. Frauen werden erotisch immer noch überwiegend von männlichen Applausattributen angezogen (Erfolg, Ruhm, Ehre, Macht, Reichtum usw.) indes bei den Männern nach wie vor die weiblichen Körpermerkmale den Applaus bewirken.

Aus diesem Grund ist es nicht erstaunlich, dass sich männliche Berühmtheiten oft bis ins hohe Alter mit jungen weiblichen Schönheiten schmücken können, was umgekehrt nur sehr selten der Fall ist. Damit soll selbstverständlich nicht behauptet werden, dass das weibliche Geschlecht für männliche Anmut unempfänglich ist. Es gilt aber sehr wohl die o.g. Regel. Ein Mann muss keineswegs äußerlich attraktiv sein, um die sexuelle Bereitschaft einer Frau zu erlangen, dazu eignen sich die obgenannten Applausattribute wesentlich mehr und je ausgeprägter sie sind, desto wirksamer, während dem weiblichen Geschlecht instinktiv bewusst ist, dass es seine erotische Anziehungskraft vorrangig seiner äußeren Erscheinung verdankt. Noch im Alter trachtet es sich, mittels teurer Kosmetik, Schlankheitskuren u.s.w. zu verschönern, selbst wenn der erhoffte Applaus längst keine sexuelle Wirkung nach sich ziehen kann.

Auf die zahllosen Verbrechen, die letztlich im Zusammenhang mit dem Sexualtrieb verübt werden, muss hier nicht eingegangen werden.

Sie beweisen nur die ungeheure Macht, die er auf alles Lebende ausübt.

3. Die Langeweile

Wenn der Mensch nichts zu tun hat, versucht er der ‚langen Weile’ mit allerlei, teils ersprießlichen, teils unersprießlichen und oft ganz blödsinnigen Tätigkeiten zu entgehen, weil er sonst in einen trostlosen Zustand gerät. Die ersprießlichste, neben der Sicherung des Lebensunterhalts, wäre wohl das Denken, das indessen mit etwelcher Anstrengung verbunden ist und deshalb nur selten zur Anwendung kommt. Aufgewecktere Menschen raffen sich gerne zu einer körperlichen Anstrengung auf oder widmen sich irgendeinem Steckenpferd, nicht selten mit bewundernswürdigen Ergebnissen.

Wieder andere suchen im kleinen oder großen Kreis Unterhaltung in der Gesellschaft, unter Verwandten und Bekannten, mit denen sie sich mitunter gemeinsam langweilen, weil, wie Schopenhauer etwas hämisch bemerkt, ein Übel, worunter eben die Langeweile zu rechnen ist, besser ertragen wird, wenn man es mit anderen Leuten teilt. Auch Spiel und Spaß ist sehr gefragt, oft selbst inszeniert, aber vorzugsweise im Zuschauen derselben. Überhaupt entrinnt die große Mehrheit der Langeweile eher passiv, indem sie sich ohne eigenes Zutun von den Produkten Anderer unterhalten lässt, worunter das Lesen von Büchern wenigstens noch mit mehr oder weniger intellektueller Tätigkeit verbunden ist, weil das Gehirn die dargestellten Schriftzeichen mittels des Verstandes in Bilder, Zustände und Begriffe umzuwandeln gezwungen ist. Die am weitesten verbreitete Möglichkeit der Langeweile zu entrinnen aber bietet in der heutigen Zeit, neben digitalem Spielzeug, die Fernsehindustrie, die jeden Tag stundenlang für ungeheure Menschenmassen die Zeit totschlägt, leider überwiegend auf einem ganz erbärmlichen Niveau. Davon wird in einem späteren Kapitel noch die Rede sein, ebenso wie über die Ursachen der Erbärmlichkeit, nämlich die furchtbare Anspruchslosigkeit - um nicht zu sagen: geistige Faulheit - der solcherart Unterhaltenen. Der inneren Leere ausgeliefert, lässt sich das geneigte Publikum buchstäblich alles zum Fraß vorwerfen.

So ist denn, neben dem Lebensunterhalt, dem Sexualtrieb, die Langeweile gewiss die dritte große Macht, die die Menschen zu handeln zwingt, indessen ausnahmsweise eine, bei der das Applausbedürfnis kaum eine Rolle spielt. Hier geht es zuvörderst um die Flucht vor der besagten Trostlosigkeit. Wenn eingangs erwähnt wurde, dass die Überwindung der Langeweile mitunter zu ersprießlichen Beschäftigungen anregt, führt sie andrerseits, ebenso wie der Sexualtrieb, allein oder interaktiv, zu einer Unzahl von Dummheiten und Verbrechen.

4. Der Schaffensdrang

Die meisten Menschen sind für irgendetwas begabt, viele talentiert, wenige genial veranlagt. Während das Genie gar nicht anders kann, fühlt sich das Talent in der Regel zu der ihm gemäßen Tätigkeit hingezogen, verbunden mit dem Bestreben, Applaus und Kapital daraus zu schlagen. Das Genie steht dem Applaus weitgehend gelassen gegenüber, da er ihm oft schon von Kindheit an zuteil wird und sozusagen zu seinem Selbstverständnis gehört. Wem es indessen gelingt, zur Freude oder zum Nutzen der Allgemeinheit ein Werk von bleibendem Wert zu schaffen, kann sich glücklich schätzen, denn, abgesehen vom zwar oft in erster Linie erhofften, aber, wie der geneigte Leser begriffen haben wird, eigentlich ganz irrelevanten Applaus, gibt ein solcher Mensch seinem Leben einen Sinn, nebst einem guten Grund überhaupt da zu sein. Hierbei ist zu bemerken, dass jedes schaffende Bestreben, allerdings grundsätzlich nach seiner Nützlichkeit beurteilt werden müsste. Etwas krass ausgedrückt, hat beispielsweise der Tagelöhner, der im Schweiße seines Angesichts dazu beiträgt etwa eine Straße auszubessern, eine wesentlich höher einzuschätzende Daseinsberechtigung, als beispielsweise ein hoch bezahlter Bankfachmann, der sein Berufsleben lang nichts anderes tut, als den Reichtum Reicher möglichst zu vergrößern. Die Arbeit des einen ist ohne weitere Erklärung eindeutig sinnvoll, die des anderen eindeutig sinnlos, da sie nur einer geringen privilegierten Minderheit einen gar nicht notwendigen Nutzen bringt. Selbstverständlich hat jedermann das Recht, seine Zeit auf Erden nutzlos zu verbringen, ja sogar sich zu ruinieren, denn schließlich wurde man, wie anzunehmen ist, nicht gefragt, ob man gegebenenfalls geboren werden möchte. Niemand kann indessen das Recht in Anspruch nehmen, mit seinem Tun hienieden, seinen Mitmenschen Schaden zuzufügen. Wohin man aber auch blickt, beherrscht ganz überwiegend Machtgier und Gewinnsucht das Treiben der Welt, immerdar überschattet vom Applausbedürfnis.

5. Der Wissensdurst

In der als zivilisiert geltenden Welt wird, vom Staat verordnet, den Bürgern von früher Jugend an Wissen im Hinblick auf die spätere Bestreitung des Lebensunterhalts vermittelt. In weniger zivilisierten Gegenden geschieht dies in eher rudimentärer Weise, vielerorts überhaupt nicht. Daneben hat fast jeder Mensch das Bedürfnis, abgesehen von seinem Fachgebiet, mehr zu wissen, sei es um der Langeweile zu entgehen, sei es um Antworten auf mehr oder weniger quälende Fragen zu erhalten, oft lediglich aus dem Bedürfnis nach Überlegenheit, mit der damit verbundenen Applauserwartung, geradezu überschwenglich aus Profitgier oder einfach um zu erfahren, ‚was die Welt im Innersten zusammenhält’.

Über die tägliche banale Neugierde sind hier keine langen Worte zu verlieren, obwohl eine Unzahl von Menschen, in einiger Verwandtschaft damit, nicht viel mehr zu wissen begehrt, als das was ihnen jahraus jahrein von den Medien, in ansprechenden Happen vorgekaut, serviert wird und in der Folge ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt, leider nur zu oft bestimmt. Neben Politik, Kultur- und Sportgeschehen, Mord und Totschlag u.s.w., wird das geneigte Publikum, offenbar ein menschlichen Bedürfnis befriedigend, zu all diesen Themen noch mit einer Unmenge von ganz gewöhnlichem Klatsch beliefert.

Die sog. Allgemeinbildung, d.h. ein oberflächliches Allerleiwissen, kann sich heutzutage jeder Mensch bedarfsweise selber aneignen, sofern er über den Zugang zu den dafür nötigen Quellen verfügt.

Diese sind allerdings unermesslich, füllen Bibliotheken, Enzyklopädien und neuerdings das Internet. Von der Antike bis zum ausgehenden Mittelalter lebten da und dort noch sog.

Universalgelehrte, die das einigermaßen übersichtliche Wissen ihrer Epochen besaßen. Ein solcher Doktor Allwissend ist längst ein Ding der Unmöglichkeit geworden, zahllose Fachgebiete sind derart komplex geworden, dass ein einzelner Mensch kein umfassendes Wissen über dessen Gesamtheit mehr haben kann. Das Wissen über eine Sache ist zweifellos dem Eigenapplaus förderlich, wogegen grundsätzlich nichts zu sagen ist, kann aber die gedankliche Auseinandersetzung darüber nicht ersetzen.

Die Binsenwahrheit ‚Wissen ist Macht’ scheint sich besonders in den, die Welt umspannenden, bis zur Perversion perfektionierten Schnüffeleien der Geheimdienste zu bestätigen, die, unter dem Vorwand die eigene Nation zu schützen, alles über alle anderen wissen wollen. Solange die Politikergilde darauf beharrt, den Nationalismus zu schüren und Blöcke zu schmieden, wird dieses hässliche Geschwür aus Lüge und Misstrauen leider nicht verschwinden.

Zu erfahren, was ‚die Welt im Innersten zusammenhält’ ist gewiss ein edles Unterfangen, und erlangtes Wissen in den Dienst der Menschheit und der Natur zu stellen, anstatt ihr damit zu schaden, angesichts des Zustands unseres Gestirns, nachgerade Pflicht. Aber eben... Über die sog. Wissenschaft werde ich mich an anderer Stelle ereifern.

6. Die Verantwortung

Eine relativ geringe Zahl Menschen fühlt sich bemüßigt, berufen oder sogar verpflichtet, irgendeine höhere Verantwortung auf sich zu nehmen, sei es für die Erde selbst oder zum Wohl ihrer Bewohner.

Hierbei muss allerdings zwischen Selbstlosigkeit und Egoismus unterschieden werden. Wenn sich Menschen, unter Hintanstellung der eigenen Person, tätig zur Linderung des Elends dieser Welt einsetzen, geschieht dies in der Hauptsache aus Mitleid und Sorge und einer ehrlich gefühlten Pflicht zur Verantwortung. Das Applausbedürfnis nimmt dabei meistens eine untergeordnete, eher als Genugtuung einzustufende Rolle ein.

Ganz anders stellt sich die Sache dar, wenn Menschen sich entschließen, höhere Verantwortung in den drei weltbewegenden Bereichen, der Politik, der Wirtschaft oder der Religion, übernehmen zu wollen, denn da ist es in aller Regel mit der Selbstlosigkeit schon beim Entschluss vorbei. Macht, Gewinn und Einfluss dominieren die Motivation und ganz oben selbstverständlich der zu erwartende Applaus, in Form immerwährender Aufmerksamkeit. Leider wurden die Geschicke dieser Welt seit Anbeginn von Figuren geprägt, die fast ausschließlich von den eben genannten Motivationen getrieben wurden, und die Tatsache, dass sie mit ihrem Treiben im Verlauf der Weltgeschichte schon zahllose Millionen ihrer Mitgeschöpfe der Vernichtung zuführten, nährt die Befürchtung, dass sie mit Hilfe der modernen Technik, nunmehr allmählich den ganzen Planeten zugrunde zu richten. Selbstlosigkeit und Egoismus können in diesem Zusammenhang ohne weiteres durch die Termini Gut und Schlecht ersetzt werden. Während aber die wahrhaft selbstlos Tätigen nicht selten als einfältige Weltverbesserer belächelt werden, sitzen die für die Geschicke der Welt ‚Verantwortlichen’ selbstgerecht in ihren Palästen. Der verantwortungslose Egoismus mit dem sie ihre Macht benutzen ist insofern beispiellos, als er seit Menschengedenken die immerwährende traurige Wirklichkeit ausmacht. Davon wird in der Kapiteln über die Politik, die Wirtschaft und die Religion noch erschöpfend die Rede sein.

7. Der Gottesdienst

In allen Hemisphären sehen nicht wenige Menschen den Sinn aller ihrer Handlungen im Dienst an überirdischen Mächten. Dabei richten sie sich, die einen mehr, die anderen weniger, nach den Vorgaben von Dogmen, die ihnen als Lohn zumindest Schmerzfreiheit, wenn nicht gar ein angenehmes, ewiges Leben nach dem Tode versprechen. Mehr als auf den irdischen, setzen sie daher auf den himmlischen Applaus, der ihnen, wie sie glauben, gewiss ist, wenn sie ihrer Gottheit nur immer Ehre erweisen und sich tunlichst der Sünde enthalten.

Im Glauben an eine göttliche Gerechtigkeit im Jenseits leben unzählige Menschen ihr diesseitges Dasein allerdings in der Tat in Anständigkeit und Mitmenschlichkeit. Es ist dies ohne Zweifel das überragende Verdienst der Religionen, nicht hoch genug einzuschätzen - wenn nur die vielen Schattenseiten nicht wären.

Denn obwohl sich die Menschheit ohne Gottesglauben noch viel heilloser benehmen würde, ist in einem guten Teil seiner Anhänger berechnende Schlauheit im Hinblick auf den Lohn im Jenseits zu vermuten, wenngleich die Gottheiten, die in jede Seele blicken, wie die Seelsorger zu wissen vorgeben, nicht mit sich spaßen lassen.

Bis zum Brechreiz bedenklich ist indessen der Einfluss jener, von allen guten Geistern verlassenen, fanatisch religiösen Exponenten, denen es immer wieder gelingt, von ihnen bis ins Mark verblödete Gläubige für ihre verbrecherischen Ziele zu missbrauchen. Macht, Einfluss, Gewinn und Applaus sind, wie könnte es anders sein, auch im Gottesdienst alles andere als Fremdwörter.

Die hier angeführten sieben Motive füllen als einzelne halbe Bibliotheken, vielleicht mit Ausnahme der Langeweile, die zwar als Motivation übermächtig ist, aber ansonsten, im Bemühen sie zu beschreiben, überwiegend nur leere Seiten hinterlassen würde. In meinen Ausführungen zu den anderen Punkten musste ich mich also auf die mir am wesentlichsten scheinenden Aspekte beschränken, um so mehr als in den nachfolgenden Kapiteln die Motive zugunsten der durch sie generierten Handlungen in den, allerdings immer gegenwärtigen, Hintergrund treten müssen.

Beiläufig, um Missverständnissen vorzubeugen, sei bemerkt, dass es sich bei den genannten sieben um allgemeine zur Aktion treibende Motive handelt, also um solche, denen jedes einzelne Individuum mehr oder weniger unterworfen ist. In den Punkten 1 bis 3 wohl unbestritten jedes, in den Punkten 4 bis 7, die einen mehr, die anderen weniger, bzw. möglicherweise gar nicht oder nur vorgegeben, was insbesondere die Punkte 6 und 7 betrifft. Die kaum zählbaren, den Umständen folgenden, alltäglichen Motive, wie Neid, Hass, Leidenschaft, Liebe usw., sowie jene, die letztlich im Wesentlichen vom Applausbedürfnis gesteuert werden, also Macht-und Geldgier, Ruhm, Ehrsucht usw. sind den allgemeinen untergeordnet und von diesen weitestgehend abhängig.

Wie eingangs erwähnt, ist jedes Lebewesen grundsätzlich egoistisch veranlagt - um nicht zu sagen programmiert. Es muss es sein, denn eigentlich hat es nur sich selbst und alle anderen sind Zugaben, so nahe sie ihm auch stehen mögen. In der Natur lässt jeder Grashalm, jeder Baum, nur übrig, was er selbst nicht benötigt, und in der Fauna hat das einzelne Tier lediglich in seinem Familienverbund einigermaßen Ruhe, weil es außerhalb von diesem von allerlei

’Feinden’ umgeben ist, einerseits von solchen, die es zu seinem Überleben töten und fressen muss oder aber von anderen, von denen es befürchtet selbst getötet und gefressen zu werden. Dabei handelt es sich ausschließlich um die unerlässliche Befriedigung des Hungers; von echter Feindschaft im menschlichen Sinne kann dabei natürlich keine Rede sein. Der Egoismus in der weitgehend bewusstlosen Natur dient allein dem Überleben der einzelnen Arten, das in der wunderbaren Symbiose der Natur in aller Regel nur durch den menschlichen Eingriff gefährdet ist.

Wenn sich der menschliche Egoismus, dem Beispiel der Natur folgend, nur auf die wenigen Bedürfnisse zu seinem Lebensunterhalt beschränken würde, wäre zweifellos genug für alle da und es ließe sich auf der Welt in Ruhe und Frieden leben, denn, abgesehen von gelegentlichen Naturgewalten, kennt der Mensch keine konkreten Feinde.

Einfach in Ruhe und Frieden zusammen zu leben, wie etwa die Kühe auf der Weide, ist für ein mit Intelligenz und Geschicklichkeit ausgestattetes Wesen begreiflicherweise zu langweilig, es will mehr, und wenn ihm der Lebensunterhalt sicher ist, möchte es vor allem irgendwie glänzen. Die Langeweile ist ja mitunter nichts anderes als die traurige Abwesenheit von Applaus. Wo aber ist mehr Applaus zu erhoffen, als im Konkurrenzkampf, und da der Mensch außer seinesgleichen keine Konkurrenten hat, wird die Schlacht eben untereinander ausgefochten, mit anderen Worten, jeder außerhalb des eigenen Interessenskreises ist grundsätzlich ein Konkurrent, wenn nicht gar des anderen Feind, homo homini lupus, im einzelnen, bis hin zu Rassen, Volksgruppen und Nationen. Ich weiß nicht, wieviele Tiere derselben Gattung dauernd miteinander im Zwist leben

- unter verschiedenen Ameisenvölkern kommt das jedenfalls gelegentlich vor - aber die Art und Weise, in der die Menschen im Kleinen wie im Großen immer wieder aufeinander losgehen, kann nur als sträfliche Missachtung jeder Vernunft bezeichnet werden, um nicht zu sagen: Verrat an der Natur.

Umständehalber wird jeder Mensch im Verlaufe seines Erdendaseins intellektuell in den herrschenden Zeitgeist gezwungen und, je nachdem in welcher Weltgegend er es fristet, politisch, oekonomisch und religiös von diesem mehr oder weniger abhängig gemacht. Der Einfluss des Zeitgeists auf die Massen ist indessen nicht nur höchst bedenklich, sondern ebenso gefährlich. Nachgerade erschreckend aber ist die Tatsache, dass es totalitären Regimen immer wieder gelingt, ganze Völker derart zu vernebeln, dass sie mehr Termitenstaaten als menschlichen Gesellschaften ähneln. Solches kann über Generationen führen, wie beispielsweise, zur Zeit dieser Niederschrift, im Lande Nordkorea, wo die gesamte Bevölkerung intellektuell uniformiert wurde und einem längst verwesten, finsteren Despoten mitsamt seinen skurilen Nachkommen quasi als leibhaftige Götter huldigt, wobei die armen Menschen insofern zu entschuldigen sind, als sie von Geburt an und zeitlebens gar nichts anderes kennen.

Ähnliches, wenngleich nicht in einer derart hanebüchenen Form, kann allerdings auch innert weniger Jahre wo auch immer geschehen, wenn nur die Umstände es erlauben. Ließ sich doch auch ein jahrhundertealtes Kulturvolk mitten in Europa praktisch von einem Jahr auf das andere, von einem fanatischen Schwärmer aufgepeitscht, aus einem deprimiert am Boden liegenden Haufen in eine gehorsame, dankbar jubelnde Herde verwandeln. Vielmehr als der nackte Terror, wie er etwa unter Stalin in der Sowjetunion zum Ziel führte, war im letztgenannten Fall das schlau geweckte, von den ehedem siegreichen Nachbarn sträflich dumm mit Füßen getretene Applausbedürfnis jenes Kulturvolks zur Vernebelung maßgeblich.

Falsch wär es allerdings, die Massenverdummung nur in totalitären Systemen feststellen zu wollen. Der weitaus größte Teil der Menschheit ist in der Tat für jeden Stumpfsinn empfänglich, wenn er ihr nur einerseits glaubhaft und andrerseits applausträchtig eingetrichtert wird, selbstverständlich nicht nur in ideologischer und religiöser Hinsicht, sondern ebenso überall im Alltag, für alles was irgendwie mit der gängigen Mode einhergeht. Hierbei kommt der Herdentrieb zum Ausdruck, man ist dabei, man gehört dazu und erntet blöden Auges stillen oder offenen Applaus. Wenn aber im Totalitarismus die Lebensgestaltung des Einzelwesens dermaßen eingeschränkt wird, dass mitunter die Möglichkeit der Differenzierung im Gehirn verkümmert, genießt hingegen in der demokratisch ausgerichteten sog. Freien Welt der allumfassende Lumpenkapitalismus (als Gegenteil des Lumpenproletariats) nun völlige Narrenfreiheit, mit Auswüchsen, die dem Individuum in der Masse nicht nur intellektuell und materiell immer mehr das Wasser abgräbt, sondern längst einen Zeitgeist heraufbeschworen hat, der sich nur noch nach Gewinn und Applaus orientiert. Mit Ausnahme der Behörden, die die die eingenommenen Steuergelder ausgeben und oft ganz fahrlässig damit umgehen, hat praktisch jedes Privatunternehmen nichts anderes als die Maximierung des Gewinns zum Ziel und jeder für eine solches Unternehmen arbeitende Mensch ist nur insofern und so lange für dieses interessant, als der pekuniäre Gewinn aus seiner Arbeit die Lohnkosten dafür übertrifft.

Die Solidarität des Einzelnen für das Gemeinwohl, wie sie den Menschen in den totalitären Staaten kommunistischer Couleur eingetrichtert wird, ist in der sog. Freien Welt der Solidarität des Einzelnen mit dem Unternehmen, in dem er seinen Lebensunterhalt bestreitet, gewichen, und da die Unternehmen unablässig miteinander in einem gnadenlosen Konkurrenzkampf stehen, ist stetes Konkurrenzdenken längst auch in den Köpfen der Einzelnen Norm geworden. Grundsätzlich ist der Kampf zwischen zwei Zuhälterbanden um ein Bordell kaum von dem zu unterscheiden, den beispielsweise zwei Waffenkonzerne um Marktanteile gegeneinander führen. Berücksichtigt man zudem die Tatsache, dass der größte Teil der weltweit erwirtschafteten Gewinne in die Taschen einer verschwindenden Minderheit fließt, kann von gesunden Volksgemeinschaften in der sog. Freien Welt ebensowenig die Rede sein, wie von jenen in den totalitär geführten Staaten.

Nun ist dies natürlich keine neue Erkenntnis. Die Abhängigkeit zwischen Herr und Knecht in mannigfaltigen Formen ist so alt wie die Menschheitsgeschichte und in diesem Zusammenhang interessiert lediglich die geistige Abhängigkeit des Menschen vom Zeitgeist, also vom Zustand, in dem er sich zeit seines Lebens befindet und hieraus folgend die Tatsache, dass er unter Umständen in jeder beliebigen Weise, bis an die Grenze zum Schwachsinn formbar ist. Kaum dass er das Licht der Welt erblickt wird er schon geformt und nicht selten hat man bei der Begegnung mit Erwachsenen den Eindruck, sie seien wohl von lauter Dummköpfen erzogen worden, um schließlich im Besitz der ganzen Dummheit gelangt zu sein.

Panodrama

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