Читать книгу Donnerwetter - Ulrich Wickert - Страница 4

Оглавление

Vorwort

Donnerwetter sagt manchmal, wer gar nicht vom Wetter, sondern wie vom Blitz getroffen ist, wen also nicht die klimatische Zuspitzung erschreckt, sondern etwas Verblüffendes bewegt. Und diese Doppeldeutigkeit zwischen erstaunlichem Geschehen und alltäglichem Wetter findet ihren Ausdruck in der allerletzten Meldung des Tages. Einerseits geht es wohl den meisten Menschen so, wie Peter Hacks in seinem Stück »Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe« schreibt: Unter Goethes »Schimpfworten ist das Wort Wetter das wütendste. Er ist fähig, vom Henker mit Verständnis zu reden, nicht vom Wetter. Er spricht vom entsetzlichen oder vom unerträglichen Wetter, aber es bedarf dieser Schmucknamen nicht. Das Wort Wetter allein sagt schon alles. Vom Wetter nämlich hat er beschlossen, daß es an allem schuld sein muß«.

Andererseits: Wer schon vor dem Wetterbericht vom Donner gerührt ist, der mag die Vorhersage mit größerer Gelassenheit ertragen. Drum ist ein kurzes Auflachen nach der allerletzten Meldung bei den Worten »Das Wetter« erwünscht, aber es soll nicht nur fröhlich klingen, sondern auch einen Unterton enthalten – verzweifelt, kritisch, aufgeklärt. Deshalb entwickeln sich die Wettergeschichten manchmal nur aus einem Wort, das Anlaß zum Nachdenken gibt. In der Formelsprache fast aller öffentlichen Bereiche werden mannigfaltige Begriffe erfunden und angewandt, die Unangenehmes verschönern, die verhindern sollen, daß Betroffene vom Donner gerührt sind. Etwa, wenn Politiker oder Wirtschaftsführer von negativem Wachstum reden. Wer unaufmerksam zuhört, in dessen Ohr kommt nur Wachstum an. Aber das Gegenteil ist gemeint.

In einer Presseerklärung von Hoechst zu einem Giftunfall fiel mir das Wörtchen mindergiftig auf. Donnerwetter! So lautete denn meine allerletzte Meldung: »Mindergiftig ist Beamtendeutsch und heißt wahrscheinlich weniger giftig. Aber heute stellt sich heraus, daß die Firma Hoechst sich auch

in der Wahl des Wortes getäuscht hat. Mindergiftig ist nämlich auch giftig, und wie sich nun plötzlich ergibt, sind die ausgetretenen Chemikalien so giftig, daß sie als krebserregend gelten, aber vielleicht nur minderkrebserregend?«

Da mit Worten in vielen Gebieten Humbug getrieben wird, ist es notwendig, darauf aufmerksam zu machen. Das kann aufklärend wirken, falls die Person vor dem Fernseher den »deuxième degré«, die versteckte Zweideutigkeit versteht.

Mit Worten läßt sich trefflich spielen. Da trudelt eine Agenturmeldung ein, ein Beamter im bayerischen Wirtschaftsministerium erlaube einem Kamelreitverein in Nürnberg nicht, ein Kamel aus Ägypten einzuführen, denn das widerspreche der europäischen Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung.

Nun schimpft man ja dumme Menschen häufig ein Kamel. Doch was ist ein Kamel? Es ist – wie im Lexikon festgehalten – ein Schwielensohler. Wer hätte das gedacht. Dagegen – und auch das erklärt das Lexikon, unter einem anderen Stichwort – ist der Mensch ein Sohlengänger. Nicht der Kopf, nicht der Geist, nicht die Vernunft unterscheidet Mensch und Kamel, sondern es sind die Füße. Schwielensohler – Sohlengänger. Donnerwetter! Drum kommt dabei heraus: »Der Mensch unterscheidet sich vom Kamel durch die Füße. Das Buckeltier ist ein Schwielensohler, der Homo ludens ein Sohlengänger. Nun haben in Lauf bei Nürnberg einige Sohlengänger einen Reitverein mit Schwielensohlern gegründet und wollen aus Ägypten ein eingerittenes Höckertier einführen. Das verbietet aber der im bayerischen Wirtschaftsministerium sitzende Sohlengänger, der sich auf die europäische Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung über die Einfuhr von Schwielensohlern beruft. Danach kann ein Kamel aus Ungarn, aber nicht aus Ägypten eingeführt werden. Von dort soll das Tier aber kommen, weil es besonders gut eingeritten ist. Und außerdem: In Ungarn gibt es keine Schwielensohler.« Und dann, wie gesagt: »Das Wetter!«

Donnerwetter

Подняться наверх