Читать книгу Stahlbau-Kalender 2022 - Ulrike Kuhlmann - Страница 10

Vorwort

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Türme und Maste sind filigrane Ingenieurtragwerke, die sehr sensibel auf klimatische Einwirkungen wie Wind reagieren. Gleichzeitig haben sich bestimmte typische Konstruktionsformen wie Fachwerke aus Winkelprofilen für diese Tragwerke bewährt. In dem ersten Schwerpunkt des Stahlbau-Kalenders 2022 werden in den zugehörigen Beiträgen nicht nur die Grundlagen, sondern auch die neuen Entwicklungen im Hinblick auf die neue Eurocode-Generation dargestellt. Die neuen Eurocode-Regelungen sind auch Hauptgegenstand der zum zweiten Themenschwerpunkt Brandschutz gehörenden Beiträge. Gleichzeitig geht es darum, wie heute in der Praxis für Stahl- und Verbundtragwerke konkrete Lösungen zum Brandschutz gefunden werden.

Mit dem Abdruck der Grundnorm DIN EN 1993-1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau mit Nationalem Anhang sowie ergänzenden, an den jeweiligen Stellen aktualisierten Kommentaren von Ulrike Kuhlmann und Fabian Jörg, Universität Stuttgart wird den Anwender:innen eine verlässliche Basis für ihre tägliche Arbeit gegeben. Diese regelmäßige Überarbeitung ermöglicht es, auf aktuell entstandene Fragen oder Klärungsbedarf bzw. neue Erkenntnisse durch die zurzeit laufende Überarbeitung der Norm für die zweite Generation der Eurocodes einzugehen.

Karsten Kathage und Christoph Ortmann, Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt), Berlin erläutern in ihrem Beitrag Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB), Normen und Bescheide im Stahlbau die zur Zeit der Beitragsbearbeitung noch aktuelle Version MVV TB 2020∕22 im Hinblick auf den Stahlbau. Die überarbeitete Version MVV TB 2021∕1 der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen wurde im Januar 2022 veröffentlicht. Zusätzlich werden die aktuellen Normen und Richtlinien für den Stahlbau aufgelistet und eine Zusammenstellung der für den Stahl- und Verbundbau relevanten Bescheide des Deutschen Instituts für Bautechnik DIBt (Stand: September 2021) gegeben.

Über Neue Entwicklungen in prEN 1993-1-2:2020 berichten Markus Knobloch, Sara Uszball, Lukas Schaper, Ruhr-Universität Bochum und Martin Mensinger, Technische Universität München. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der zweiten Generation der Eurocodes wurde eine Entwurfsfassung von prEN1993-1-2 „Allgemeine Regeln – Tragwerksbemessung für den Brandfall“ ausgearbeitet, die aktuell zur finalen Abstimmung in Europa vorbereitet wird. In diesem Beitrag werden die Weiterentwicklungen von prEN1993-1-2 gegenüber der derzeitigen Norm erläutert und die Anwender:innen frühzeitig mit den wesentlichen strukturellen und technischen Änderungen vertraut gemacht. Die Autor:innen waren unmittelbar an der Ausarbeitung des neuen Normentextes beteiligt, was eine kompetente Vermittlung der Intentionen und Hintergründe der Änderungen im neuen Normentext ermöglicht. Der englische Originaltext wurde auszugsweise von den Verfasser:innen des Beitrags ins Deutsche übersetzt und ist den Erläuterungen vorangestellt.

Im Beitrag Brandschutztechnische Bemessung von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton geben Peter Schaumann, Maximilian Mund, Leibniz Universität Hannover und Inka Pehrs, Hagen Ingenieurgesellschaft für Brandschutz mbH, Hannover einen aktuellen Überblick über die heute geltenden normativen Regelungen zur brandschutztechnischen Bemessung von Stahlverbundtragwerken. Gravierende Neuerungen in den zurzeit in der Bearbeitung befindlichen neuen Eurocodes werden aufgezeigt. Zunächst wird der aktuelle bauaufsichtliche Rahmen für Regelbauten beschrieben. Es folgt die Erläuterung der thermischen und mechanischen Einwirkungen sowie der temperaturabhängigen Materialkennwerte von Beton, Bau- und Bewehrungsstahl. Des Weiteren werden die tabellarischen und vereinfachten Bemessungsverfahren nach DIN EN 1994-1-2 vorgestellt. Der Ermittlung der Bauteilwiderstände und den entsprechend den erhöhten Bauteiltemperaturen veränderten Materialeigenschaften kommt dabei besondere Bedeutung zu. Aufgrund der zunehmenden praktischen Bedeutung wird ein gesonderter Abschnitt den computergestützten Bemessungsverfahren gewidmet. Zuletzt werden einige Beispiele detailliert ausgearbeitet.

Im Beitrag Einwirkungen im Brandfall nach Eurocode 1 von Jochen Zehfuß, Technische Universität Braunschweig werden die Einwirkungen im Brandfall nach Eurocode 1 vorgestellt. Der Brandfall als außergewöhnliche Bemessungssituation ist durch thermische Einwirkungen im Hochtemperaturbereich gekennzeichnet, die eine Auswirkung hinsichtlich thermischer Dehnungen und Zwangskräfte sowie eine temperaturbedingte Reduzierung der Festigkeiten und Steifigkeiten der Baustoffe zur Folge hat. Die thermischen Einwirkungen hängen wesentlich vom Bemessungsbrand ab. Eurocode 1 ermöglicht neben der klassischen Vorgehensweise des Ansatzes mit nominellen Temperaturzeitkurven wie der Einheits-Temperaturzeitkurve auch eine leistungsorientierte Festlegung der Brandeinwirkungen mittels Naturbrandszenarien. Die Anwendung von vereinfachten und erweiterten Naturbrandmodellen, deren Anwendungsbereich und Randbedingungen werden beschrieben und die Anwendung exemplarisch für das Brandszenario eines vollentwickelten Raumbrandes sowie eines lokalen Brandes in Beispielen gezeigt. Im Beitrag werden die absehbaren Neuerungen des in Überarbeitung befindlichen Eurocodes 1 angesprochen und im Beispiel dargestellt.

In ihrem Beitrag zu Reaktiven Brandschutzsystemen erläutern Sascha Hothan und Dustin Häßler, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin neueste Erkenntnisse zu reaktiven Brandschutzsystemen (RBS). Ihre Wirkungsweise basiert auf der Bildung einer thermischen Schutzschicht infolge Reaktion der Bestandteile mittels thermischer Aktivierung durch den Brand selbst. Die so entstehende, schaumartige Schutzschicht verlangsamt die Erwärmung der beschichteten Konstruktion. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Verwendung von RBS auf Stahlkonstruktionen. Neben einer umfassenden Darstellung der aktuellen nationalen und europäischen Regelungen zu RBS werden technologische Besonderheiten und deren Einfluss auf den Regelungsinhalt im Beitrag thematisiert. Dabei werden neben sich abzeichnenden Neuerungen auch die entsprechenden wissenschaftlich-technologischen Grundlagen dargelegt. Eine allgemeine Darstellung von Exposition und Schädigungsmechanismen sowie die Behandlung der Nachweise für die Dauerhaftigkeit soll sachlich informieren und Problemlösungen aufzeigen. Dabei wird insbesondere die Frage nach Nutzungsdauern weit jenseits von 10 Jahren aufgegriffen.

Mit dem Thema Praxisbeispiele zu erfolgreichen Brandschutzlösungen beschäftigten sich Jochen Zehfuß, Technische Universität Braunschweig, Jörg Sothmann, Michael Winkler, hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH, Hamburg, Georg Spennes, BFT Cognos GmbH, Aachen, Jens Upmeyer, Hagen Ingenieurgesellschaft für Brandschutz mbH, Kleve und Olga Molochnikova, Ingenieure für Brandschutz GmbH, Hamburg. Anhand von 3 Praxisbeispielen werden erfolgreiche Brandschutzlösungen vorgestellt. In einem ersten Beispiel wird der Nachweis für die Konstruktion einer 100-jährigen Stahlkonstruktion eines ehemaligen Gewerbegebäudes gezeigt, das nun als Theater genutzt wird. In einem zweiten Beispiel wird dargestellt, dass das stählerne Tragwerk einer offenen Parkgarage ohne Brandschutzmaßnahmen ausgeführt werden kann, sofern der Nachweis unter Berücksichtigung der thermischen Einwirkung auf der Grundlage von Naturbrandszenarien erfolgt. Im dritten Beispiel wird ein Brandschutznachweis für ein Raumzellengebäude aus Containern ohne Brandschutzbekleidung von außen gezeigt.

Im Beitrag Bewertung und Instandsetzung von Altstahlkonstruktionen behandeln Richard Stroetmann, Technische Universität Dresden, Lars Sieber, Thomas Riedel, Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW) und Andreas Taras, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) unter Mitarbeit von Dipl.-Ing. Jürgen Anders, Institut für Schweißtechnik und Ingenieurbüro Dr. Möll GmbH, Darmstadt und Prof. Dr.-Ing. Gerd Kuscher, Gesellschaft für Schweißtechnik International mbH, Hannover die Grundlagen zu Altstahlkonstruktionen, die für deren Bewertung, Modernisierung und Instandsetzung von Interesse sind. Nach einer Beschreibung der zeitlichen Entwicklung der Herstellungsverfahren und der frühen Normung für Baustähle wird auf die metallurgischen Besonderheiten aus der Herstellung, die chemische Zusammensetzung und die mechanischen Eigenschaften alter Baustähle eingegangen. Eine häufig bei Altstahlkonstruktionen anzutreffende Verbindungstechnik stellen Nietverbindungen dar, die hier vorgestellt werden. Ein wichtiger Aspekt ist die Bewertung der Sprödbruchneigung genieteter Stahlkonstruktionen aus Flussstahl. Bei der Beurteilung der Sicherheit bestehender Konstruktionen und der Entscheidung über notwendige Instandsetzungs- und Verstärkungsmaßnahmen ist der Nachweis ausreichender Werkstoffzähigkeit von wesentlicher Bedeutung. Schließlich rundet ein Abschnitt zur Ermüdungsfestigkeit und Restlebensdauer genieteter Altstahlkonstruktionen den Beitrag ab. Neu ist dabei ein Abschnitt, in dem die Ermittlung von Inspektionsintervallen auf Basis von Risswachstumsberechnungen behandelt wird.

Winkelprofile gehören zu den beliebtesten Profiltypen im Bausektor, besonders im Mast- und Turmbau. Über den Nachweis von Einzel- und mehrteiligen Stäben aus gewalzten gleichschenkligen Winkelprofilen berichten André Beyer, CTICM, Frankreich, Marios-Zois Bezas, und Jean-Pierre Jaspart, Université de Liège, Belgien sowie Ioannis Vayas, National Technical University of Athens, Griechenland. Im Beitrag werden auf der Grundlage der Ergebnisse des europäischen Forschungsprojekts ANGELHY Bemessungskonzepte erläutert, die den Nachweis von Einzel- und mehrteiligen Stäben aus gewalzten gleichschenkligen Winkelprofilen der Querschnittsklassen 1 bis 4 für einzelne und kombinierte Schnittgrößen erlauben. Bei mehrteiligen Querschnitten erlauben sie eine einfache Erfassung der Abstände zwischen Verbindungen und geben die Möglichkeit Konfigurationen zu behandeln, die aktuell nicht im Eurocode erfasst sind. Diese Regeln sind sowohl für den allgemeinen Gebrauch als auch speziell für Türme und Maste anwendbar und wurden somit für einen Anhang F in der neuen prEN 1993-3 vorgeschlagen. In diesem Beitrag werden die Regeln vorgestellt und ihre Herleitung und Validierung erläutert. Hervorzuheben ist, dass die Nachweise auch sehr konkret an typischen Anwendungsbeispielen gezeigt werden.

Mit dem Thema Aktuelle Modelle und Methoden zur Windlastermittlung haben sich Rüdiger Höffer, Ruhr-Universität Bochum, Klaus Thiele, Technische Universität Braunschweig, Francesca Lupi, Ulf Winkelmann, Ruhr-Universität Bochum, Wolfgang Hubert, Niemann Ingenieure GbR, Bochum, Cornelia Kalender, Ruhr-Universität Bochum, Roland Wüchner und Cong Chen, Technische Universität Braunschweig beschäftigt. Zur quantitativen Beschreibung der Windwirkung sind Modelle der Bauwerksaerodynamik erforderlich, deren Qualität direkt das Ergebnis beeinflusst. In jedem Fall ist es von großer Bedeutung, die Voraussetzungen und Geltungsgrenzen der verwendeten Modelle zu kennen. Turbulenzinduzierte Schwingungen und aeroelastische Instabilitäten von Bauwerken sind ebenso ein Schwerpunktthema des Beitrags wie wirbelerregte Schwingungen bei Türmen und Masten. Hinweise werden auch zur Minderung der Schwingungen von Brückenüberbauten im Bauzustand gegeben, einem in jüngster Zeit intensiv diskutierten Problem. Für diese und andere Themen des Windingenieurwesens werden Modelle dargestellt und erläutert. Dabei wird auch die aktuelle Weiterführung der europäischen Normung berücksichtigt.

Türme und Maste sind funktionale, schlanke Ingenieurtragwerke und wichtiger Teil unserer modernen Infrastruktur. Frank Kemper, Markus Feldmann, Mirko Friehe, alle Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), Klaus Thiele, Technische Universität Braunschweig und Dieter Ungermann, Alena Patschin und Bettina Brune, alle Technische Universität Dortmund beleuchten in diesem Beitrag einige Besonderheiten, die für die Planung von Turm- und Mastbauwerken relevant sind, wie Lastansätze (Lasteinwirkungen aus Wind und Eis, Betriebslasten und windbedingte Schwingungseffekte), Bemessungsmodelle und Nachweiskriterien. Hierbei werden gezielt auch strittige Regelungen aufgegriffen und, soweit möglich, hierzu Stellung genommen, indem aktuelle Forschungsarbeiten des Institutes für Stahlbau sowie des Centers for Wind and Earthquake Engineering (CWE) der RWTH Aachen herangezogen werden. Auf die europäischen Regeln für Türme, Maste und Schornsteine (Eurocode 3-3-1 bzw. 3-3-2) wird an den passenden Stellen Bezug genommen. Für die verschiedenen Einsatzgebiete von Masten, wie zum Beispiel für Windkraftanlagen oder für Freileitungen, gibt es zum Teil parallele Normungsregelungen und spezielle technische Anforderungen aus der Nutzung. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf die kommende Normengeneration prEN 1993-3 und deren Änderungen gegenüber den gültigen Regelungen.

Ich darf mich im Namen des Verlags Ernst & Sohn bei allen Autoren ganz herzlich für ihre qualitativ hochwertige Arbeit bedanken. Den Mitarbeitern des Verlags und im Institut danke ich besonders für ihren großen Einsatz, der trotz aller Schwierigkeiten ein pünktliches Erscheinen des Kalenders möglich macht. Damit bietet der Kalender wieder einen hervorragenden Überblick zu den Schwerpunktthemen Türme und Maste und Brandschutz.

Am Freitag, 24. Juni 2022 wird der diesjährige Stahlbau-Kalender-Tag in Stuttgart stattfinden, zu dem wir alle Interessierten herzlich einladen. Auch wenn sich gezeigt hat, dass eine Online-Veranstaltung möglich und gut ist, hoffen wir doch sehr, in diesem Jahr wieder in Präsenz tagen zu können. In jedem Fall werden die Autoren dieser Ausgabe zu ihren Themen live vortragen und für Diskussionen zur Verfügung stehen.

Stuttgart, Februar 2022

Prof. Dr.-Ing. Ulrike Kuhlmann

Stahlbau-Kalender 2022

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