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4 Schuppen

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Wäre Daniél Archäologe gewesen, hätte er nicht mit der Schaufel, sondern mit einer Zahnbürste versucht das Ding freizulegen. Und hätte ein Archäologe Tage damit verbracht den Dreck zu entfernen, hätte er sich später wahnsinnig geärgert. Das Ding war hart wie Diamant und die Schaufel hatte keinerlei Spuren an der Oberfläche hinterlassen. Daniél hatte eine beachtliche Fläche freigelegt. Um besser sehen zu können, hatte er die 100 Watt Baulampe aus der Garage geholt und sie in den Schacht gehängt. Man konnte leicht erkennen, dass es mindestens 2,5 Meter lang war. Das obere Ende steckte noch in der Wand und das untere Ende konnte er auch noch nicht freilegen. Das Material sah leicht porös aus und glich eher Stein als Metall. Aber es war kein Stein. Man konnte nichts hineinritzen. Daniél hatte es probiert. Mit Härteprüfungen kannte er sich aus. Hätte man ein Eindringverfahren nach Vickers durchgeführt, so wäre man – Daniéls Vermutung nach – leicht über einen HV-Wert von 2000 gekommen. Das entsprach in etwa der Härte von Saphiren. Kein Wunder, dass es stärker war als Luc. Die Oberfläche hatte eine leicht gelbliche Färbung. Sie erinnerte Daniél an Dünen in der Sahara. In regelmäßigen Abständen konnte man umlaufende Nahtstellen sehen. Aber sie fügten sich so perfekt ineinander, dass nicht mal Dreck dazwischen gelangen konnte.

Was hatte er da gefunden?

Für Daniél stand fest, dass er das ganze Ding freilegen musste, um Klarheit zu gewinnen. Aber die Schutzvorrichtungen waren unzureichend. Der ganze Schacht würde zusammenstürzen, wenn er nicht weitere Stützwände anbringen würde. Er war neugierig, aber nicht wahnsinnig. Gut, aber zunächst musste er den Bagger wieder zu seinem Onkel zurückbringen. Er stieg über die Leiter aus dem Schacht und besah sich den Garten. Ein wenig Aufräumen wäre auch nicht schlecht.

Dann dachte er an Claire. Sie liebte ihren Garten. Und diese Baustelle hatte den Namen Garten eigentlich nicht mehr verdient.

Daniél musste nachdenken.

Dafür ging er ins Schlafzimmer und machte etwas völlig anderes. Mit seinen 29 Jahren wusste er, dass das in der Regel funktionierte.

Er putzte das Fenster über dem Bett.

Ausgiebig.

Er wartete bis alles getrocknet war und besah sich sein Werk. Normalerweise schaffte er es nicht ohne Schmierstreifen, aber dieses Fenster war sauber. Ein Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass er etwas mehr als eine Viertelstunde geputzt hatte. Nun, es sollte sauber sein.

Er blickte auf das trockene Handtuch in seiner Hand und hatte ganz plötzlich einen schrecklichen Einfall. Was war, wenn es sich um eine Bombe aus dem zweiten Weltkrieg handeln würde? Und er hatte mit einer Schaufel darauf eingeschlagen! Was war er doch für ein Narr! Vielleicht hatte jetzt in dem Sprengkörper ein Zeitzünder angefangen zu ticken und er war schon so gut wie tot! Bei der Größe würde das halbe Dorf dabei draufgehen.

Dann hätte ich mir das mit dem Fensterputzen auch sparen können.

Nein, das war keine Bombe. Sicher nicht. Bomben waren aus Metall. Das war mehr ein Artefakt, wenngleich ein ziemlich hartes. Er nahm sich vor, nicht mehr so stark dagegen zu schlagen. Artefakte konnten ja schließlich auch Schaden anrichten.

Er griff nach dem Telefon und rief seinen Onkel an: »Ich bin hier erst mal fertig. Wir können den Bagger wieder verladen. Aber, ich habe was Interessantes gefunden, das musst du dir mal ansehen.«

Zusammen stiegen sie Leiter hinab. Onkel Pierre fragte: »Was ist denn das für ein Ding?«

»Weißt du, ich habe keine Ahnung. Echt!« Daniél hob zur Bekräftigung seine Aussage die Schultern hoch.

»Ja, das muss weg, sonst wird das nichts mit deinem Brunnen.«

So war Onkel Pierre. Immer dachte er an die nützlichen und praktischen Dinge. Den Brunnen hatte Daniél schon völlig aus den Augen verloren. Er wollte nur wissen, was er da in seinem Garten gefunden hatte.

»Ich muss das erst mal ausbuddeln. Hast du eine Idee, wie ich die Seiten abstützen kann?«

Pierre prüfte kurz die beiden Seitenwände und sagte dann: »Mit Balken und Stützen, so wie die das früher in den Kohlegruben gemacht haben. Ich habe noch jede Menge zehn mal zehn Kanthölzer auf dem Hänger. Die werden zu lang sein. Hast du eine Kreissäge?«

»Natürlich! Ich habe ein eigenes Haus!«

»Na, noch hat es die Bank!«

Claire wollte dieses Haus. Sie hatte immer so einen traurigen Gesichtsausdruck, wenn sie gewisse Dinge nicht bekam. Daniél verzog das Gesicht. Ja, für ein paar Jahre würde es noch der Bank gehören. Solange, bis er alt war.

»Gut, jetzt müssen wir erst mal den Bagger verladen. Morgen brauche ich den wieder. Du fährst!«

Nachdem Onkel Pierre weggefahren war, begann Daniél sofort mit dem Zurechtsägen der Kanthölzer. Ein paar Schalbretter hatte er noch in der Garage. Er grub zunächst an der höheren Seite und stellte fest, dass der Fund unmittelbar in der Wand endete. Hätte Luc zehn Zentimeter weiter links begonnen, hätte er dieses komische Ding nie gefunden. Damit er herumgehen konnte, musste er noch etwas weiter graben.

Die Vorderseite war flach und rund. Ein Zylinder. Daniél erkannte nach ein paar Stunden graben so etwas wie eine Irisblende. Aber nur unter zu Hilfenahme der Lampe, denn es dämmerte bereits. Und im Schacht war es dunkel.

Genug für heute, dachte Daniél. Den Rest konnte er später freilegen.

Daniél hatte den ganzen Tag wie blöd gearbeitet. Und was er jetzt brauchte, war ein Bad und ein paar saubere Klamotten. Oder er ging gleich ins Bett. In dem Moment, in dem er sich entschieden hatte aufzuhören, überkam ihn eine nicht mehr zu ignorierende Müdigkeit. Er zog seine dreckverschmierten Schuhe aus. Die Socken boten einen ähnlich traurigen Anblick. Er stopfte sie direkt in die Mülltonne, waschen war zwecklos.

In der Wanne ließ er die letzten Tage an sich vorüberziehen. Er hatte sich entschieden, das Wasser diesmal nicht ganz so heiß einzulassen. Es waren schon weniger müde Menschen in der Badewanne eingeschlafen und dabei ertrunken. Aber frieren wollte er auch nicht.

Seine restlichen Sachen hatte er direkt vor der Wanne ausgezogen. Dort lagen sie nun. Und stanken. Das trübte den Badespaß etwas. Er kippte das Fenster, welches zum Garten wies.

Plötzlich hörte er eine Katze.

»Mistviecher«, brummte Daniél. Er mochte keine Katzen. Katzen waren in seine Augen hinterhältig. Zunächst spielten sie mit einem Wollknäuel und waren süß und knuddelig und im nächsten Augenblick töteten sie nagende Säugetiere. Aber warum miaute die Katze in seinem Garten? War sie auf einen Baum geklettert und kam nicht mehr herunter? Katzen machten solche Dummheiten. Aber nein, das konnte nicht sein; Daniél hatte noch gar keine hohen Bäume in seinem Garten.

Nein, das blöde Mistvieh war in den Schacht gefallen und wusste nicht, wie man die Leiter benutzte. Also, raus aus der Wanne.

Er zog sich ein paar saubere Sachen an und ging in die Garage, um den Stecker der Lampe einzustöpseln. Dann eilte er zum Schacht und sah auch schon dieses heimtückische Geschöpf. Es war der dicke Kater von Herrn Trautwein. Vielleicht sollte er sie eine Nacht dort unten lassen, nur so als Warnung. Das konnte nicht schaden.

Schließlich stieg er die Leiter herunter.

Er griff nach dem Tier und stieg die Leiter wieder empor. Zum Dank zerkratzte der Kater ihm den rechten Unterarm und lief davon.

Katzen!

Das kann so nicht bleiben, beschloss Daniél.

War er nicht müde gewesen? Doch, das war er. Aber es half nichts. Diese offene Grube war gefährlich. Trotz Vollmond. Also legte er ein paar der Kanthölzer darüber und bedeckte alles mit Schalbrettern. Jetzt konnte nichts mehr passieren.

Dann fiel er ins Bett und in einen unruhigen Schlaf.

Er träumte von allen möglichen Leuten, die die Leiter in den Schacht hinabstiegen und den Zylinder begutachteten. Unter anderem war da auch Herr Trautwein, der alle möglichen Tipps gab, wie man solche Funde sachgemäß freilegte und erfasste. Und er wollte eine Meldung bei einer öffentlichen Behörde machen. Im Traum hielt ihn Daniél davon ab, indem er ihn – aus unerfindlichen Gründen – gemeinsam mit seiner Katze, in seinen Keller sperrte. Das fehlte noch, dass dutzendweise Leuten durch seinen Garten stiefelten.

Auch Sophie tauchte auf. Sie meinte, das Ding wäre ein gigantischer Kaffeevollautomat. Ein ganz neues Modell.

Luc wollte es mit Ananas belegen und essen. Daniél konnte ihn davon abbringen.

Daniél erwachte und konnte sich an seinen Traum erinnern. Das war natürlich alles Quatsch, aber wenn Herr Trautwein tatsächlich eine Meldung bei der Stadt machen würde, dann wäre es vorbei mit der Ruhe in seinem Garten. Jetzt war alles zugedeckt und niemand konnte etwas sehen. Er hatte es seinem Onkel gezeigt und bereute diese Entscheidung nun. Aber der wusste nicht, was er da vor sich hatte.

Heute Abend würde Claire zurückkommen. Bis dahin musste er den Garten wieder auf Vordermann bringen. Was sollte er nur mit dem Schacht machen?

Plötzlich kam ihm die rettende Idee. Wollte Claire nicht immer einen Schuppen haben, für ihre Gartengeräte und die nicht winterfesten Möbel auf der Terrasse? Aber solche Buden wurden geliefert und man musste teilweise wochenlang darauf warten. Vielleicht ein Ausstellungsstück für Selbstabholer? Einen Lieferwagen konnte er besorgen, das war kein Problem. Und es würde auch seinem Geldbeutel entgegenkommen.

Tatsächlich gab es etwas in adäquater Größe in einem der umliegenden Baumärkte. Ein Schuppen aus Aluminium oder einem ähnlich leichten Metall. Er war einfach auseinander zu nehmen und schwer zusammen zu bauen. Und teurer als Daniél gedacht hatte. Trotz Preisnachlass.

Daniél verbrachte den ganzen Tag mit der Monatage und Reinigungsarbeiten im Garten. Es sollte wenigstens halbwegs ordentlich aussehen.

Er hatte den Boden noch weiter durch Kanthölzer verstärkt, schließlich hatte die Bude ein erhebliches Gewicht. An den Rändern schüttete er noch etwas Erde auf. Problematisch war nur, dass der Schuppen den Zugang zum Schacht verhinderte. Er sägte und zimmerte und letztendlich hatte er eine abschließbare Tür im Boden des Schuppens. Direkt darunter war die Leiter. An Strom hatte er ebenfalls gedacht. Nun konnte er mit ausreichender Beleuchtung weiterarbeiten, ohne dass ihm jemand über die Schulter schaute. Aber nicht mehr heute.

Genau genommen hatte er sich sein freies Wochenende ohne Claire komplett versaut. Von Erholung konnte keine Rede sein. Aber Daniél bereute keine Sekunde. Auch die Rückenschmerzen und der Muskelkater störten ihn nicht wirklich.

Sicherlich würde Claire sich über die neue Errungenschaft freuen. Vielleicht war sie sogar dankbar. Der Garten sah auch wieder ordentlich aus, bis auf den Bereich um den Schuppen und ein paar kahle Stellen auf dem Rasen. Er setzte sich in das Wohnzimmer und wartete auf sie.

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