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Grubenholz für England

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In bläulich verschwommenen Linien zieht sich recht voraus der schimmernde Strich der norwegischen Küste. Nach Stunden erst kommt „U 195“ soweit an sie heran, dass das Land deutlicher auszumachen ist. Steil stürzen schwarze Granitfelsen zum Meer hinab, tiefeingeschnittene Fjorde öffnen sich, zahlreiche kleine Inseln und Schären heben sich aus der blaugrün gefärbten See. Weiter binnenlands springen ragende Bergzüge in den klaren Himmel, blendendweiß leuchtet es von ihren Kuppen: Neuschnee. hier hat der Winter schon seinen Einzug gehalten.

Kein Haus, keine menschliche Ansiedlung meilenweit. Öde und verlassen scheint das Land, erstarrt. Und einsam, tot liegen auch die Inseln und Schären. Einzelne Seezeichen nur verraten, dass hier Menschen leben. Der Wind frischt auf. An den Granitfelsen brandet donnernd die See, hell leuchtet der Gischt zerstiebender Brecher herüber. Das Fahrwasser hier ist überaus gefährlich. . . Zahllose Klippen und Riffe lauern unter der Oberfläche. In jahrtausendelanger Zerstörungsarbeit hat die stürmische See weggewaschen, was von ihnen aus dem Wasser hinausragte.

Ein Zeichen von Leben: An geschützten Abhängen drüben ziehen dunkle Tannenwälder, dicht an der Küste liegt ein einsames Gehöft. Schäumend stürzt ein kleiner Gebirgsbach in die See.

Zahlreicher werden die Inseln und Schären voraus. Ein weißer Leuchtturm hebt sich ab. „U 195“ hält weiter in See hinaus, sie zu umgehen. Die dürftigen Spuren von Leben bleiben wieder zurück, schweigend gleitet stundenlang das Land vorbei. Das gleiche düstere, trostlose Bild: die schwarzen, starrenden Wände, die ragenden Berge. Kein Laut, keine Bewegung. Nur Möwen, die zu Tausenden in den Klippen ihre Brutplätze haben, kommen leichtbeschwingt heran, spähen gierig nach Beute und verschwinden, da sie nichts Fressbares zu ergattern vermögen, unter misstönigem Kreischen unter Land.

Mit der Dämmerung staut der Wind allmählich ab, um später, als die Nacht hereinbricht, ganz einzuschlafen. Stunde um Stunde verrinnt in gleichmäßiger, ruhiger Fahrt. Weit in der Ferne donnert die Brandung, am westlichen Horizont tauchen einzelne Lichter aus und verschwinden wieder. Die Zeit ist zu knapp zu einem Abstecher; es heißt vorwärts auf dem kürzesten Wege. Haben die Dampfer, die dort fahren, Bannware an Bord, werden sie hoffentlich einem Kameraden in die Arme laufen.

Ohne weitere Zwischenfälle vergeht die Nacht, der neue Tag kommt herauf. Gegen Abend will der Kommandant auf der Höhe von Stavanger stehen. Mehr und mehr nähert sich „U 195“ dem Jagdgebiete, unendlich vorsichtig heißt es sein. Der Schiffsverkehr ist hier sehr lebhaft. Holz und Fische gehen in großen Mengen nach England und Schottland. So wichtig sind die Transporte, dass die Admiralität sie sicherlich vor den deutschen Unterseebooten zu schützen sucht und Kreuzer einzeln oder in Verbänden auf der Strecke patrouillieren lässt.

An Steuerbord gleitet die Küste vorbei. Dunkel, kahl, das gleiche Bild wie tags zuvor. Im Hinterlande werden die Gebirge höher, schroffer und zerklüfteter ragen einzelne Bergspitzen hervor. Das Wetter ist noch milde. Wärme und Richtung des Golfstromes machen sich angenehm fühlbar. Die Stimmung an Bord ist vorzüglich. Alle Luken sind geöffnet, frei und ungehindert streicht die Luft in das Innere des Bootes. Was dienstfrei ist, hält sich oben auf Vorder- und Achterdeck auf und beteiligt sich am Ausguck. Klar und sichtig ist die Luft, weithin suchen die Gläser den Horizont ab. Nichts. Ein kleiner Segelfischer nur kriecht längs der Küste entlang.

„Schiff ein Strich steuerbord! Ein Segler!“

Weiß hebt sich die Leinwand vom dunklen Hinter-grunde ab. Alle Segel stehen. Leicht nach Steuerbord überliegend, strebt das Schiff anscheinend Schottland zu. Schärfer und deutlicher werden die Umrisse, bald ist das Fahrzeug genau auszumachen.

Eine große Bark. Die hochaufgestapelte Decksladung verrät schon von weitem, dass Bannware an Bord ist: Grubenholz. Einer der wichtigsten Einfuhrartikel für England. In den feuchten Schächten und Stollen der vielen Bergwerke Englands und Schottlands fault das Grubenholz schnell dahin. Das Land selbst kann Nennenswertes nicht liefern, die nordischen Länder sind die Hauptversorger. Immer wertvoller werden die Pfähle, höher steigen die Frachten, phantastisch hoch sind die Dividenden, die norwegische Reeder aus ihnen einstreichen. Was immer nur an schwimmenden Untersätzen auszutreiben war, wird in dieser Frachtfahrt beschäftigt. Die ältesten Kähne, die höchstens noch Wert für eine Abwrackungswerft hatten, wurden aus ihrem Dornröschenschlafe mit rauer Hand erweckt, flüchtig instand gesetzt und wieder aufs Wasser geworfen.

Einer dieser Gattung nun scheint da heranzukommen. Weit und breit ist sonst nichts Verdächtiges zu sehen, die Verzögerung, die die Fahrt erleidet, ist gering. Schnell beschließt der Kommandant, ihn „mitzunehmen“.

„Steuerbord 20!“

Der Rudergast wiederholt den Befehl und wirbelt das Steuer herum.

„Signal: Stoppen Sie sofort!“

Gerade, als die Flaggen hochgehen und im Winde auswehen, werden Signal und Boot vom Norweger drüben ausgemacht. Unverzüglich fast dreht die Bark in den Wind. Langsamer und langsamer wird ihre Fahrt, nach wenigen Minuten liegt sie still da. Neugierig spähen die Augen hinüber. Schön ist der Anblick nicht, den das Schiff bietet. Unwillkürlich entfährt es dem Wachtoffizier:

„Donnerwetter, ist das ein alter Kasten! Der schwimmt ja nur noch auf seiner Ladung. Wie lange mag der schon auf dem Wasser liegen!“

„U 195“ nähert sich und geht um das Heck herum, um Namen und Heimathafen festzustellen. Schnell wird das Lloydregister gewälzt, alles Suchen und Blättern aber ist umsonst. Der Name ist nicht enthalten. Ein Beweis, dass die Bart, die hochbeladen drüben liegt, längst keine Klasse mehr hat, bis vor kurzem vielleicht nur noch den Wert einer halt besaß. Von Seetüchtigkeit kann keine Rede sein, der Mannschaft wird ein direkter Liebesdienst erwiesen, wenn man ihr Fahrzeug aus der Welt verschwinden macht.

„Verlassen Sie in einer Viertelstunde das Schiff!“

Bei Kapitän und Mannschaft hat seit dem Auftauchen des U-Bootes anscheinend kein Zweifel darüber bestanden, was die nächste Stunde bringen würde. In kaum 10 Minuten ist alles mit den Habseligkeiten in den Booten und rudert auf „U 195“ zu, voran im ersten Boot der Kapitän, der die Ladepapiere bringt. So schnell und flott geht es, dass die Mannschaft des U-Bootes ein wohlgefälliges Schmunzeln nicht unterdrücken kann.

„De makt uck nich to’n ersten Mal Landungsmaneuver, de schient den Swinnel all to kennen.“

Kaum bedürfen die Papiere einer gründlicheren Durchsicht. Die Sachlage ist völlig klar. Während die Norweger entlassen werden und eiligst der Küste zustreben, gehen drei Mann an Bord und übergießen Schiff und Ladung mit Petroleum. Ein leichter Rauch steigt auf, Feuerschein zeigt sich, dann, nach wenigen Minuten prasseln die Flammen, von der frischen Brise angefacht, bis zur höchsten Ruhe empor. Wie Zunder glimmen die morschen Segel. Krachend stürzen die Rahen aus Deck. Schwarzer Rauch wälzt sich nach Land zu, lichterloh brennt das Schiff, weist „U 195“ in der Dämmerung noch lange den Schauplatz.

Udsirefeuer bleibt zurück. Die Höhe von Bergen ist passiert. Der Wind frischt aus, mehr und mehr macht sich die nördliche Breite bemerkbar. Graue Regenwolken jagen heran und behindern die Sichtigkeit. Alle Luken, bis auf den Turmdeckel, sind geschlossen. Lang rollen die Wellen heran, brechen unaufhörlich über das Boot hinweg, so dass nur das einigermaßen geschützte Oberdeck des Turmes die einzige halbwegs trockene Stelle bleibt. Ein Vorgeschmack auf die kommenden Tage. Die Küste, die noch gestern klar auszumachen war, scheint verschwunden.

Stampfend und leicht schlingernd setzt „U 195“ seinen Weg fort. Nichts kommt in Sicht, bis gegen 4 Uhr nachmittags voraus eine starke Rauchwolke gemeldet wird. hell schrillen die Alarmglocken durch das Boot, alles stürzt auf Station. Das Boot macht klar zum Tauchen. Keine Vorsichtsmaßregel darf außer Acht gelassen werden. Alles Mögliche kann sich hinter dem Rauch verbergen: feindliche Kreuzer nahen vielleicht dort, Hilfskreuzer, bewaffnete Handelsdampfer.

Näher kommen die Rauchwolken, allmählich taucht das Schiff über der Kimm auf. Zwei Masten, ein Schornstein: ein Handelsdampfer oder ein Hilfskreuzer. Die Schornsteinbemalung kennzeichnet ihn als englischen Dampfer der Wilson-Linie. 2 ½ Seemeilen noch ist er von „U 195“ ab, als von der Brücke aus der Feind bemerkt wird. Im selben Augenblick, als ein Warnungsschuss über das Wasser hallt. Er stoppt nicht. Ein zweiter Schuss. Mit Hartruder dreht er auf Land zu, aus dem Schornstein quillt dicker Rauch, das hohe Schraubenwasser zeigt, dass er mit höchster Fahrt zu fliehen versucht. Hinter ihm her „U 195“. Kaum 5 Minuten dauert die Jagd, als es plötzlich vor dem Dampfer aufblitzt. Während aller Augen nur auf den Verfolger im Rücken gerichtet sind, hat niemand Zeit gefunden, zu beobachten, dass an Backbord ein zweites deutsches U-Boot aus dem Wasser auftaucht und in sofortiger Erkenntnis der Lage in den Kampf eingreift. Von zwei Seiten blitzen jetzt die Geschütze auf, heulend sausen die Granaten heran. In die Deckaufbauten schlagen sie, in den Schiffskörper, zerreißen und zersplittern die achteten Ladeluks. Jetzt haben sie drüben genug, sehen wohl das Zwecklose ihres Beginnens ein. Während noch die Geschosse heranheulen und die Mannschaft in wahnsinniger Todesangst über Deck hetzt, verlangsamt der Dampfer seine Fahrt. Ein Boot, das losgeworfen wird, bevor das Schiff noch stoppt, schneidet sofort unter und versinkt.

Unaufgefordert geht die Besatzung in die Boote. Der Kapitän wird mit den Papieren an Bord befohlen. Gleichzeitig klettert er herauf. Stückgüter verschiedenster Art, alles Bannware.

„Warum haben Sie nicht nach dem ersten Schuss gestoppt? Wissen Sie nicht, dass Sie mit Ihrem Verhalten das Leben Ihrer Leute aufs Spiel gesetzt haben?“

Der Engländer zuckt die Achseln.

„Wäre Ihnen die Flucht trotz der Beschädigung Ihres Schiffes geglückt, hätten Sie zu Hause natürlich wieder erzählt, Sie seien ungewarnt beschossen worden, um dann den bekannten Entrüstungsrummel durch Reuter in Szene zu setzen!“

Verlegen gibt der Kapitän zu, dass er gehofft habe, sich in neutrale Gewässer retten zu können.

„Ihr Schiff wird versenkt. Die Mannschaft kann an Land rudern. Sie selbst bleiben als Kriegsgefangener an Bord.“

Eine Viertelstunde vergeht. Drüben ist das Sprengkommando an der Arbeit. Einige dumpfe Detonationen tönen auf, rauschend strömt das Wasser in das Innere, tiefer und tiefer sinkt der Dampfer mit der Nase weg, richtet sich kerzengerade auf und versackt wie ein Stein in die Tiefe.

U-Boote im Eismeer

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