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Willkommen, kleiner Sammy!

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Der Einzige, der in dieser Nacht durchschläft, ist Dani. Er sagt, er hätte schon mal eine Fohlengeburt im Fernsehen gesehen. Mir ist schleierhaft, wie er es aushält seelenruhig im Bett zu liegen und nicht mitzuerleben, wie Sammeli endlich ihr Fohlen kriegt.

Erst sitzen wir noch alle in der Küche. Unsere Mutter kocht Kaffee für Großvater und Mick und dann auch für Frau Pflaumer, die mit dem Auto angefahren kommt. Jonas sitzt noch immer im Stall und passt auf. Zwischendurch wandert Großvater dreimal durch den Regen um nachzusehen, was Sammeli macht. Dann bleibt er ganz weg. Da wissen wir, dass es jetzt passiert.

Emma und ich tragen zwei Gartenstühle hinters Haus. Wir stellen sie unter eins der Stallfenster und steigen auf die Stühle.

Der Einfall stammt von mir. Schließlich können wir nicht alle im Stall herumlungern. Es reicht schon, wenn Großvater, Mick und Frau Pflaumer bei Sammeli sind. Jonas hat gesagt, er will in der Sattelkammer warten, bis das Fohlen da ist.

Das Fenster ist ein guter Zuschauerplatz. Durch das überhängende Dach unseres Hauses sind wir vor dem Regen geschützt. Im Stall brennt eine Lampe. Besonders hell ist sie nicht, aber wir können doch gut erkennen, was drinnen vorgeht.

Großvater ist bei Sammeli in der Box. Mick und seine Mutter haben sich in der Nachbarbox auf einen Heuballen gesetzt. Von unserem erhöhten Platz aus sehen wir durch die staubige Scheibe, dass Sammeli in der Streu liegt.

„Ist das Fohlen schon da?“, flüstert mir Emma alle fünf Minuten ins Ohr.

„Nein.“ Auch ich wispere, als könnte Sammeli uns durchs geschlossene Fenster hören. „Noch nicht. He, drängle nicht so, ich falle gleich vom Stuhl!“

Emma hätte eigentlich genug Platz auf ihrem eigenen Stuhl, aber sie beugt sich ständig zu mir herüber und bläst mich vor Aufregung an. Sie riecht nach den Zwiebeln, die in der Tomatensoße waren.

„Mach den Mund zu!“, zische ich.

Jetzt steht Sammeli auf. Ich kann nicht gleich erkennen, was los ist, weil Großvater bei ihr ist und ihr Hinterteil verdeckt. Aber dann tritt er einen Schritt zur Seite. Und da bemerke ich es: Sammeli hat den Schweif hoch erhoben, und ein Stück tiefer, unter ihrem After, klafft ihre Scheide auseinander. Dazwischen schimmert ein bläulich weißes Etwas. Es sieht wie eine sehr große Kaugummiblase aus und hat die gleiche Farbe wie das Innere einer Muschel.

„Was ist denn das?“, wispert Emma.

„Die Fruchtblase, glaub ich“, sage ich andächtig.

Sammeli geht in der Box auf und ab. Noch einmal legt sie sich hin, steht aber sofort wieder auf. Meine Hände sind ganz feucht, so nervös bin ich. Das mit der Fruchtblase weiß ich von Großvater.

„Vor der Geburt wird die Fruchtblase in den Geburtskanal gedrückt“, hat er mir erklärt. „Die Flüssigkeit in dieser Blase liegt wie ein weiches Kissen vor dem Fohlen und bahnt ihm den Weg ins Freie. Kurz vor der Geburt platzt die Fruchtblase und das Fruchtwasser läuft heraus.“

Über der Boxwand tauchen die Köpfe von Mick und Frau Pflaumer auf. Wieder legt sich Sammeli hin. Großvater kniet sich neben sie. Zwischen Sammelis Hinterbeinen kommt ein Schwall von Flüssigkeit heraus, das ist bestimmt das Fruchtwasser.

Ich sehe, dass Sammeli etwas vom Boden aufleckt. Großvater streicht mit der Hand über ihren Bauch und die Stelle unter ihrem Schweif, wo vor kurzem noch die Fruchtblase war. Als er den Arm sinken lässt, traue ich meinen Augen kaum: Schon tauchen da zwei Hufe auf, die noch von einer weiß schimmernden Haut bedeckt sind. Das ist die Eihaut, die das Fohlen im Mutterleib umgibt.

Ich bin sicher, es müssen die Vorderbeine des Fohlens sein, obwohl man sie noch nicht richtig erkennen kann. Bei einer normalen Geburt kommen die Vorderbeine immer zuerst, das hat Großvater mir gesagt. Als Nächstes muss der Kopf austreten …

Unwillkürlich halte ich den Atem an. Emma rammt mir ihren spitzen Ellbogen in die Seite, aber ich merke es kaum. „Du, was ist die weiße Haut da?“, fragt sie.

„Das sind die Vorderbeine“, antworte ich und beobachte dabei gespannt, wie Großvater den Kopf hebt. Ich merke, dass er etwas sagt. Jetzt kommt auch Mick in die Box. Er und Großvater ziehen an den Vorderbeinen des Fohlens. Ich weiß, dass man das Geburtshilfe nennt. So wird es für Sammeli leichter, die Schulter ihres Fohlens durch das Becken zu drücken.

Aber natürlich darf man nicht einfach so draufloszerren, hat Großvater mir erklärt. Die Geburtshilfe muss auf die Wehen der Stute abgestimmt sein. Und die Wehen sind dazu da, ein junges Lebewesen bei der Geburt aus dem Mutterleib zu pressen.

Emma zappelt hin und her. Gleich wird sie vom Stuhl fallen. „He, was ist jetzt los? Was passiert denn jetzt?“, fragt sie dauernd. Sie geht mir total auf den Keks.

„Halt den Schnabel!“, brumme ich. „Das siehst du doch selbst! Sie ziehen an den Vorderbeinen … Jetzt kommt der Kopf, und da … Jetzt ist es ganz heraus!“

Ich atme tief ein. Sammeli hat es geschafft! Das kleine Pferd ist in die Streu geplumpst. Es ist teilweise noch in die Eihaut eingewickelt.

Für ein paar Minuten liegt Sammeli erschöpft auf der Seite. Dann beschnuppert sie ihr Fohlen. Sie leckt es ab und zieht die Eihaut von seinem Kopf. Das Kerlchen ist noch unter dem Schweif seiner Mutter, nass wie ein Biber und immer noch durch die Nabelschnur mit Sammeli verbunden.

Jetzt sehe ich, dass es ziemlich dunkel ist, dunkler als Sammeli. Eine schmale weiße Blesse zieht sich über seinen Nasenrücken von der Stirn hinunter. Es hat unheimlich lange Beine, die noch unter den Körper geknickt sind. Mühsam und schwankend hebt es den Kopf.

Mich überläuft ein Schauder. Das ist ein Augenblick, den ich bestimmt nie vergessen werde, mein ganzes Leben lang nicht! Ich drücke Emma an mich. Ich möchte lachen und singen und einen Regentanz aufführen, in den Stall rennen, Großvater und Mick um den Hals fallen und Sammeli den Huf schütteln.

„Nelly“, sagt Emma neben mir, „ich glaube, mir ist ein bisschen schlecht.“

Nelly - Unser Fohlen Sammy Langbein

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