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II.

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Habe wieder damit begonnen, alles auch rückwärts zu lesen, zu denken, aber jetzt mache ich es auf Deutsch. esaV, relatnemmE, kramnekcüR. Mit den italienischen Wörtern von hinten kenne ich mich lange schon aus, unser Spiel auf den Schotterinseln des Tagliamento, reihum sagten wir Wörter rückwärts. Wer dabei stolperte, warf einen Stein ins Wasser, wer zehnmal geworfen hatte, schied aus. Am siebten Mai wurden es Sätze, einen Tag nach dem Beben, im Gemeinschaftszelt fand ich nicht in den Schlaf, und für das Schäfchenzählen, das Rezept meiner Nonna, war ich zu alt. Zuerst ganz kurze Sätze, dann längere, später Sätze mit Beistrich, durchs viele Üben ging es bald schneller, vor und zurück, hin und her, jeder Satz eine Wiege.

Hier in Villach sammle ich Lob wie früher Anhänger für mein Bettelarmband, Muschel, Hufeisen, Eule und Käfer, Herz, Fliegenpilz, Stiefel, Lindwurm und Vierklee. Wie gut du schon Deutsch sprichst, und fast ohne Akzent, das höre ich immer wieder von Leuten, die meine Familie nicht kennen, und dann sage ich kein Wort von meinen Kanaltaler Großeltern, nichts von den vielen Kinderbüchern auf Deutsch, nichts vom gemeinsamen Zeitunglesen mit Oma, wenn ich bei ihr in Pontebba war. Ich hänge mir das Lob einfach um, falsche Perlen, aber sie glänzen.

Metallringe kratzen die Schiene entlang, ich ziehe den Vorhang zur Seite. Im Kasten dahinter riecht es nach Großvater, er ist wach, aber er sagt nichts, selten sagt er noch etwas. An seine Stimme von früher erinnere ich mich nicht mehr, nur mehr an Heiserkeit und Husten, ich habe mich ans Flüstern gewöhnt, das geht lange schon so. Großvaters Flüstern kommt zum Teil aus dem Mund, zum Teil aus dem Röhrchen an seinem Hals. Das Röhrchen muss oft ausgeputzt werden, es ist Schleim drin, Opas Flüsterschleim.

Er hat zu viel geredet in seinem Leben, sagt Oma, die Stimme ist ihm ausgegangen, wie einer Füllfeder die Tinte. Wenn ich den goldfarbenen Vorhang zuziehe, sehen wir den Großvater nicht mehr, aber wir hören ihn, er atmet durchs Röhrchen, oft macht es ein Geräusch wie eine dicke Suppe im Topf auf dem Herd. Mein Opa im Kastenbett. Stoff anstatt Türen. Auf der Holzplatte über ihm, die für Opa der Himmel ist, an der Zeichnungen von mir kleben mit Wolken und Engeln, steht oben drauf eine Vase mit getrockneten Blumen, Tablettenschachteln sind dort und Omas Brillen, die ich erreichen kann, wenn ich einen Stuhl ans Kastenbett ziehe.

Für Oma ist die Wahrheit ein Kleidungsstück. Warum sie mir damals dieses Märchen erzählt hat von Großvaters verlorener Stimme, das habe ich sie vor kurzem gefragt. Es wäre eine Zumutung gewesen für dich, hat sie gesagt, du warst so klein, ich wollte dir nicht Angst machen mit seiner Krankheit. In die Wahrheit muss man hineinwachsen, wie in einen Mantel, der noch zu groß ist.

Kann man aus der Wahrheit auch wieder herauswachsen?

Onkel Hans sagt, mein Großvater aus Pontafel, der italienische Name Pontebba kommt ihm nie über die Zunge, mein Großvater sei krank geworden, weil ihm die Italiener seine Muttersprache verboten hatten, in der Schule, auf der Straße, im Gasthaus, nirgends mehr war es erlaubt, Deutsch zu reden, Onkel, sage ich, das ist schon so lange vorbei.

Ja, aber der Schleim auf die Italiener ist ihm immer geblieben.

Ich weiß, dass der Onkel mich nicht mag, weil mein Vater ein Wallischer ist, weil das deutsche Familienblut in mir vermischt ist mit dem seiner Feinde, aber seitdem ich sächlich bin und aus drei Wörtern zusammengebaut, ein Erdbebenopfer, hat er doch etwas von mir, viele loben ihn jetzt und nennen ihn einen großzügigen Helfer. Er und die Tante haben mich aufgenommen, seit Ende September wohne ich bei ihnen im Norden von Villach.

Aber es gibt auch Leute mit dem richtigen Blut, die der Onkel nicht mag, Hannes kommt schlecht weg bei ihm, Hannes, der ein Sohn ist von Optanten aus Malborghetto, ein echter Kanaltaler, nur eben in Villach geboren, Onkel Hans nennt ihn einen Zottigen, der mit einer Affenschaukel herumfährt (wer sich in einen Citroën 2CV hineinsetzt, ist also ein Schimpanse oder ein Gorilla?), dieses Auto schaffen sich nur Leute an, die Haschisch rauchen und immer dabei sind, wenn es wo einen Radau gibt mit Transparenten. Ich aber sehe eine Meerkatze am Steuer, Herrn Nielsson, sage ich, ja, von mir aus eben der Affe von Pippi Langstrumpf, meint der Onkel, die ist ja auch so ein Hippie-Mädchen, ein schlampiges, und ich denke mir, lieber zehn schlampige Pippis als ein Onkel mit Ordnungsfimmel, bei dem das Besteck immer ganz gerade und parallel auf dem Tisch liegen muss, der Dessertlöffel genau neunzig Grad herum, er hat einen Winkelmesser eingebaut in seinen Augen und eine Wasserwaage, wenn ein Bild nur um einen Millimeter schief hängt, wird er nervös. Gern würde ich dem Onkel sagen, dass ich seine Frisur schrecklich finde, die hinaufgeschorenen Haare, den wie mit einem Lineal gezogenen Scheitel, und dass mir Hannes gefällt mit seinen langen Zotten, manchmal bindet er sie sogar mit einem Gummi zusammen. Gern würde ich jetzt sagen, dass die Tante immer das Wort Affenliebe gebraucht, wenn sie von Omas Verhältnis zu Onkel Hans spricht, ihrem Zwillingsbruder. Aber ich bin vorsichtig, will ihn nicht reizen, er hat mir das Geld für eine Jeans versprochen, spuck nicht in den Teller, aus dem du isst. Nur in Gedanken setze ich mich auf den Tisch, auf das gehäkelte Zierdeckchen, weg da. Es hebt mich hoch, ich rudere mit den Armen, steuere am Luster vorbei, Onkel, rufe ich von oben, zwei mal drei ist vier, wiedewiedewitt und drei ist neune, und dann bin ich weg, beim Fenster hinaus, die mit Maisstärke in Form gebrachten Spitzen krümmen sich im Flugwind, gestern noch waren sie mit Stecknadeln zum Trocknen auf einem Brett fixiert.

Wie die Tante ihn aushält. Hin und wieder höre ich abends, dass sich der Schlüssel im Schloss der Schlafzimmertür dreht, und dann ist es still, kein Wort mehr von der Tante, deren Stimme ich sonst oft lange noch höre, kein Räuspern, kein Gähnen. Nach einiger Zeit wieder ein Klacken im Schloss, bevor sich die Tür öffnet und die Tante ins Bad geht. Dieser Stille zwischen dem Zu- und Aufsperren traue ich nicht, vor allem, wenn der Onkel in der Früh dann Melodien pfeift, was er sonst nur macht, wenn er getrunken hat.

Der Mund der Tante wurde lange vor ihrem Bauch ausgeräumt, zumindest die obere Zahnreihe, schon vor der Hochzeit, damit dem Onkel danach nicht hohe Kosten entstünden, damit er nicht Ärger bekäme mit Kronen und Brücken. Einen Plastikgaumen möchte ich nicht haben und auch nicht Zähne aus Kunststoff, obwohl die Tante ihre Prothese praktisch nennt, nie mehr Zahnweh, nie mehr bohren. Aber wenn beim Essen etwas hineinrutscht unter ihre Prothese, Mohn, Nüsse oder Himbeerkerne, wenn Saugen und Zungenschnalzen nichts nützen, muss die Tante immer ins Bad.

Die Nonna trägt Decken zum Friedhof, sagt mein Vater am Telefon, fünf liegen schon übereinander auf Zio Antonios Grab, damit dem Buben nicht kalt wird, nein, keine Evakuierung nach Lignano, das ist unmöglich, die Nonna wehrt sich noch immer trotz der Kälte im Zelt, und die Spitäler sind voll und zum Teil sogar selbst evakuiert, sagt Vater, und ich verstehe nicht, warum er überhaupt vom Krankenhaus spricht; als die Nonna einmal dorthin musste nach einem Kreislaufzusammenbruch, da nannte sie das Rettungsauto einen Leichenwagen, sie wehrte sich mit Händen und Füßen, und Vater selbst hatte Zweifel, ob die Nonna zurückkommen würde, aber zwei Tage später war sie wieder zu Hause, beim Besuch von Zio Antonio hatte sie ihren Kopf gegen die Wand geschlagen, nimm mich mit oder ich springe hier aus dem Fenster.

Immer wieder versuche ich mich in die Trauer der Nonna einzuschleichen, damit ich endlich über den Tod von Zio Antonio weinen kann, aber da ist eine rußige Glaswand, die lässt mich nicht durch.

Weil Zio Antonio nicht mehr am Leben ist, haben Omas Lungen noch eine Chance. Mama hat immer von einem Teerfilm gesprochen, der Schuld habe an Omas Husten, Oma, die nie eine Zigarette geraucht hat, aber ständig den Qualm einatmen musste, in der Küche und im Salon, seit seine Vögel weg waren, hatte ihr Sohn nichts anderes mehr zu tun.

Früher nannte ich ihn Zio Uccello, Vogelonkel, er nahm mich mit ins Nebengebäude, wo die Voglieren standen, und wenn er nicht da war, durfte ich den Kassettenrekorder einschalten, nach einer Stunde zurückspulen und wieder den Startknopf drücken; man muss schon den Jungen einen schönen Gesang vorspielen, sagte Zio Antonio, der selbst die Laute der Vögel nachahmen konnte, Buchfinken, Wachteln, Drosseln und den Gesang der Amseln, auf einer Bühne bei der Vogelmesse in Sacile hat er sein Können gezeigt und ist damit sogar ins Fernsehen gekommen.

Im Sommer darauf durfte ich ihn auf die Messe begleiten, an einem heißen Sonntag im August, aber die Hitze störte mich nicht, ich stand neben einem Onkel, der schon einmal im Fernsehen war, ich konnte den Gesprächen folgen, die er mit anderen Züchtern führte und mit Leuten, die stehen blieben bei seinen Vögeln, und beim Singwettbewerb gewann eine von Zio Antonios Drosseln den Preis. Ein Reporter fotografierte den Onkel, auch ich war daneben im Bild, Gewinner Antonio Pascoli mit seinem Goldkehlchen, rechts Assistentin Vera, stand unter dem Foto, den Zeitungsausschnitt klebte die Nonna an die Vitrine mit dem Sonntagsgeschirr.

Zwei Wochen später öffnete er die Voglieren. Alle suchten nach einer Erklärung, doch wenn man ihn fragte, zuckte Zio Antonio nur mit den Schultern und sah hinauf in den Himmel. Die Vögel waren weg und kamen nicht wieder, obwohl ich sie rief, obwohl ich die Kassetten abspielte und dabei mit dem Rekorder herumging, manchmal bis hinunter zur Brücke über den Tagliamento.

Wir haben hier einen Englischlehrer aus Schottland, der komisch riecht und immer dasselbe Sakko trägt. Aus den Sakkotaschen holt er kleine Magnete mit Bienen und Schlangen aus Plastik, die sollen uns helfen beim Aussprachetraining, er schreibt die Tafel voll und danach werden die Magnete richtig platziert. Mein Bienen-S sei wonderful, sagt er, das Schlangen-S sowieso kein Problem, aber das englische R vor Selbstlauten schaffe ich nicht, da vibriert es entweder auf meinem Gaumen oder es knattert im Kehlkopf, auch die zwei THs habe ich in Italien nicht richtig gelernt.

Im Naturkunde-Kammerl steht ein Skelett auf Rädern. Eine ehemalige Schülerin war das, sagt die Lehrerin, sie hatte Krebs und hat ihre Knochen der Schule vermacht. Seither rollt das Skelett durch die Gänge, nur über die Stiegen wird es getragen. Ich soll die Wirbel hinunterzählen, fünf Halswirbel, zwölf Brustwirbel, fünf Lendenwirbel, mein Finger bleibt in der Luft hinter dem Rückgrat, und hier sind Kreuzbein und Steißbein, die Lehrerin greift der toten Schülerin von vorn durch den Luftbauch und umschließt die Knochen mit ihrer Hand.

Ob die Organe begraben wurden, ob es einen Sarg gab für Herz, Nieren, Magen, für Augen und Muskeln, ob auch das große Geschwür mit dabei war. Der Religionslehrer spricht immer vom Körper als Wohnung des Heiligen Geistes, da gebe es Haupt- und Nebenräume, sagt er. Bei Frauen sei der wichtigste Raum das Gebärmutterzimmer. Pfarrer Blatnik kommt zwei Mal pro Woche in die Klasse, um uns den Himmel näherzubringen, aber wir interessieren uns für andere Dinge, für Schmuck und Schminke, für Popstars und die Artikel in den Bravo-Heftchen unter der Bank.

Rechts fehlt dem Pfarrer der Zeigefinger, ein Unfall in jungen Jahren, diese Geschichte erzählt er immer wieder von Neuem, der helle Klang des Sägeblatts, das kurze Knacken, dann Blut, eine mit dem Taschentuch abgebundene Hand, und niemand dachte an den Finger, erst am nächsten Tag ging sein Vater ihn suchen, irgendwo zwischen den Holzstücken fand er ihn dann, in einem Mantel aus Sägespänen, verklebt mit Blut. Wie eine Schupfnudel mit Mohn war das hinfällige Fleisch verdeckt, sagt Pfarrer Blatnik, vielleicht gefällt es ihm, dass wir unsere Gesichter verziehen, dass wir aufmerksam sind, wenn er davon erzählt, und zum Ausgleich wiederholt er auch die Geschichte der Schülerin mit den sechs Fingern an einer Hand, ihre Eltern gaben als Zeugen Jehovas nicht die Erlaubnis zu einer Operation.

Ob ich ihm Fotos zeigen soll vom Gotteshaus in Venzone, von den Trümmern unseres Doms Sant’Andrea Apostolo, beim großen Beben Mitte September ist nun auch der Turm eingestürzt. Im Mai schon sind Engel und Heilige heruntergefallen, Flügel und Glorienscheine zerbrochen.

Von meinem Platz auf dem Sofa schaue ich durchs Fenster hinaus. Etwas in den leeren Himmel zu schreiben, das ist mir nicht möglich, erst bei heruntergelassener Jalousie und quergestellten Lamellen kann ich beginnen, jetzt ist der Himmel liniert.

Die Nonna auf einem Campingstuhl vor dem Zelt, in den Händen Strickzeug, die Nadeln klappern.

Mein Vater, der zum Maurer geworden ist. Die Mischmaschine vor den Trümmern unseres Hauses.

Der schwarze Hund, der auf drei Pfoten durchs Zeltlager hinkt, um den Hals ein Goldkettchen, an dem ein Schutzengel baumelt.

Leute aus Kärnten, die Säcke mit Altkleidern bringen, nur wenige haben den Spendensack mit dem Mistkübel verwechselt oder mit dem Schmutzwäschekorb, wir finden auch viele sehr schöne Sachen, Ballkleider zum Beispiel, im Juli machen wir zu fünft eine Modenschau, abends unten am Fluss, auf einer Lichtung des Auwalds, wo niemand uns sieht.

Mein Lieblingsstück aus den Säcken: ein Schottenrock, wegen der riesigen Sicherheitsnadel.

Tausende Trümmer unseres Domes liegen auf Wiesen verstreut, jedes davon bekommt eine Nummer.

Ich schreibe mir ein neues Haus in den Himmel, ein Haus aus Wörtern und Sätzen.

Heuer entfällt das Keksdosentreffen, das gab es immer bei Oma, am zweiten Adventsonntag, viele Verwandte kamen zu ihr nach Pontebba, aus Venzone und Villach. Das letzte war ein Rekordjahr, insgesamt 23 Sorten wurden verkostet. Zuerst nur Gespräche über Ausstecher, Kipferlgrößen und Backpulvermengen, alles langweilig für mich, aber die alte Geschichte schwebte zugleich schon im Raum, und ich wusste, irgendwann ginge es wieder los; interessanter war für mich, wenn die Verwandten zu diskutieren begannen. Onkel Hans sagte, die Wallischen haben mich aus der Heimat vertrieben, und staatenlos war ich dann in Österreich mit Ende des Krieges, und obwohl ich ein Altösterreicher bin, musste ich zahlen für die Staatsbürgerschaft, das können wir dem Mussolini verdanken, diesem Arsch mit Ohren. Bei deiner Geburt war die k. & k. Monarchie aber schon Geschichte und das Kanaltal kam dann zu Italien, du bist also viel eher ein Italiener, sagte Mama, was den Onkel ärgerte, hört auf, bat Oma, aber Mama wollte nicht aufhören, warum bist du dann nicht zurückgekommen nach Pontebba, fragte sie, schau an, die Südtiroler, im Kanaltal hätte es auch Strommasten zum Sprengen gegeben. Schluss damit!, Oma stand auf und ging in die Küche, und dann sagte die Nonna, jetzt hört doch auf mit der alten Geschichte, die ist keine Minestra, die durchs Aufwärmen besser wird.

Dass der Onkel 1939 fürs Deutsche Reich optiert hat, spricht bei den Keksdosen nie jemand aus, aber ich weiß es von Mama.

Manches darf man nicht laut sagen, sondern nur leise hinter dem Rücken, sonst gibt es eine Explosion, anderes muss man ganz für sich behalten. Dass Bekannte Zio Antonio in Grado gesehen haben, eine Woche vor dem Beben im Mai, am Boden sei er gesessen mit einem Hut in der Hand und einer Weinflasche an seiner Seite, gezwitschert habe er und gepfiffen, das soll die Nonna niemals erfahren.

Nächste Woche ziehen wir in das Fertigteilhaus, schreiben die Eltern. Ein Schwarz-Weiß-Foto ist auch im Kuvert. Das also wird mein neues Zuhause, eine Sardinenbüchse mit Fenstern, das Wellblechdach spiegelt sich in der riesigen Lacke davor. Ich will nicht dort wohnen, möchte ich in meinen Antwortbrief schreiben, stattdessen frage ich nur, bis wann ist unser altes Haus repariert?

Ich warte, dass die Seen zufrieren, davor werde ich in der Eishalle üben. Der Onkel hat mir Schlittschuhe organisiert, in der Tauschzentrale, weiße Damenschlittschuhe aus Leder, wie die Kunsteisläuferinnen sie tragen im Fernsehen, sie sehen fast aus wie neu.

Hannes treffe ich jeden Tag in der Pause. Er geht in die letzte Klasse und macht sich viele Gedanken über die Politik und die Gesellschaft in seinem Land. Hannes will Geschichte studieren. Ich höre ihm zu, weil ich ihn mag und obwohl ich die Leute nicht kenne, von denen er mir erzählt. Doch lieber würde ich mit ihm ins Kino gehen zu einem Film mit Bruce Lee.

Unserem Zeichenlehrer zuzuhören ist viel interessanter, aber der ist schon alt. Ein Bein habe er im Krieg liegen lassen, sonst wäre er sicher Turnlehrer geworden oder Marathonläufer, aber vielleicht turne das Bein jetzt in Russland alleine herum, solche Witze macht er am laufenden Band. Er nennt mich immer VerawieVase, daran bin ich selbst schuld, denn beim ersten Mal habe ich ihm gesagt, ich heiße nicht Vera wie Villach und Veilchen. Ich glaube, er ist ein Künstler, auf jeden Fall malt er Bilder in unsere Alben und pinselt in Schönschrift Sprüche dazu.

In mein Stammbuch hat er geschrieben: Wenn du lachst, lachen alle mit dir, wenn du weinst, weinst du allein. niella ud tsniew, tsniew ud nnew, rid tim ella nehcal, tshcal ud nneW.

Arigato

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