Читать книгу Work-Life-Balance - Uta Kirschten - Страница 53

2.3.3 Steigende Dynamik und Komplexität der Wirtschaft

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Wesentlich vorangetrieben durch die steigende Digitalisierung sind die DynamikDynamik der Wirtschaft aber auch die Komplexität der WirtschaftKomplexität der Wirtschaft in den letzten zwei Jahrzehnten stark gestiegen. Die InnovationszyklenInnovationszyklen werden immer kürzer, weil die Märkte in immer kürzerer Zeit neue Produkte und Technologien fordern, aber auch anbieten können. Unternehmen müssen heute in der Lage sein, sich schnell veränderten Kundenwünschen anzupassen, auf Produktentwicklungen von Wettbewerbern umgehend reagieren zu können und mit den neuen, oft digitalen Technologien Schritt halten zu können. Hierbei gilt es, auch die veränderten Wirkungszusammenhänge der Märkte sowie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und flexiblerer Organisationsstrukturen zu berücksichtigen, um frühzeitig und kompetent mit den vielfältigen Veränderungen umgehen zu können. Die Globalisierung der Wirtschaft verschärft diese Dynamik und Komplexität noch zusätzlich.

Für die Beschreibung der durch die Digitalisierung getriebenen steigenden Dynamik und Komplexität der Wirtschaft mit ihren vielfältigen Veränderungen hat sich in den letzten Jahren der Begriff der VUKA-WeltVUKA-Welt (englisch VUCA) etabliert.

Er ist ein Akronym und steht für

 Volatilität bzw. Unbeständigkeit (volatility),

 Unsicherheit (uncertainty),

 Komplexität (complexity) und

 Ambiguität bzw. Mehrdeutigkeit (ambiguity).

Ursprünglich wurde der Begriff der VUCA-Welt in den 1990er Jahren am United States Army War College (USAWC) entwickelt zur Beschreibung der multilateralen Welt nach dem Ende des Kalten Krieges (vgl. Johansen 2012). In den folgenden Jahren veränderte sich die Begriffsverwendung hin zur Beschreibung wesentlich durch die zunehmende Digitalisierung getriebener steigender Dynamik und Komplexität der Märkte und Wirtschaft, die von den Unternehmen neue Geschäftsmodelle und flexiblere Unternehmensstrategien fordern, um mit der stark gestiegenen Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit der Wirtschaftswelt umgehen zu können. (vgl. Johansen 2012; Mack/Khare 2016). Gleichzeitig verändert die VUKA-Welt auch stark die Arbeitswelt mit ihren Arbeitsbedingungen, Aufgabenbereichen und Arbeitsmodellen (vgl. Brandes-Visbeck/Thielecke 2018, S. 17).

Um eine genauere Vorstellung der VUKA-Welt zu ermöglichen, werden die einzelnen Begrifflichkeiten im Folgenden etwas ausführlicher vorgestellt.

 VolatilitätVolatilität bedeutet Unbeständigkeit oder auch eine hohe Schwankungsbreite. Bezogen auf Veränderungen ist damit gemeint, dass sich Veränderungen in zeitlich deutlich kürzeren Abständen entwickeln und in ihrer inhaltlichen Ausprägung sehr stark und umbruchhaft sein können. Beispielsweise werden schnell fallende oder steigende Aktienkurse als volatil bezeichnet. Im Hinblick auf die Digitalisierung und die Märkte bedeutet Volatilität, dass beispielsweise neue Wettbewerber aus ganz unterschiedlichen Branchen sich sehr schnell am Markt mit neuen Angeboten etablieren können und so das bisherige Marktgefüge verändern können. Ein treffendes Beispiel hierfür ist das Unternehmen Airbnb, das sich seit einigen Jahren als neuer branchenfremder Wettbewerber in der Hotelbranche etabliert hat. Die Unternehmensidee hatte ein arbeitsloser junger Produktdesigner, der für die Dauer einer Designermesse in San Francisco eine Unterkunft suchte. Der Unternehmenswert von Airbnb liegt heute bei mehr als 30 Milliarden US-Dollar. (vgl. Brandes-Visbeck/Thielecke 2018, S. 18). Dieses Beispiel zeigt, wie schnell und unerwartet neue Wettbewerber bestehende Märkte verändern können und wie stark der Innovationsdruck auf die Märkte und Unternehmen zunimmt. Die digitalen Technologien beschleunigen und verstärken potenzielle Veränderungen noch.

 UnsicherheitUnsicherheit entsteht aufgrund der hohen Veränderungsdynamik und der unzureichenden Vorhersehbarkeit möglicher neuer Marktentwicklungen. Unternehmen müssen diese Unsicherheiten stärker in ihren Strategieentwicklungen berücksichtigen und insgesamt flexibler und schneller auf Veränderungen des Marktes reagieren. Hierfür bedarf es auch der Entwicklung flexiblerer Organisationsstrukturen und -abäufe, wie die Entwicklungen von Netzwerkunternehmen und hierarchiearmen Unternehmen zeigen. (vgl. Brandes-Visbeck/Thielecke 2018, S. 18f.).

 KomplexitätKomplexität bedeutet, dass eine Vielzahl an Faktoren Prozesse und Handlungen beeinflussen und Veränderungen bewirken können. Auch eine einzelne Handlung eines Akteurs kann Auswirkungen auf ganz unterschiedliche Parameter und andere Akteure haben. Die Digitalisierung und Vernetzung erhöhen die Komplexität von Handlungen und deren Auswirkungen noch. Um diese hohe Komplexität beherrschen zu können, bedarf es flexibler Organisationsstrukturen, schnellerer Entscheidungsprozesse aber auch geeigneterer Controllinginstrumente in Unternehmen, als dies bislang vor allem in großen Unternehmen der Fall ist. (vgl. Brandes-Visbeck/Thielecke 2018, S. 19).

 AmbiguitätAmbiguität bedeutet Mehrdeutigkeit und ergibt sich aus der Vielfalt der (heute meist digitalen) Informationen und Daten, die jeweils je nach Fragestellung, Zielen und nutzenden Akteuren ganz unterschiedliche Aussagen beinhalten können. Es kommt also auf die Interpretation der Daten in Abhängigkeit der eigenen Frage- und Zielstellung an, aber auch auf die kritische Bewertung der existierenden Informationen und Daten. Auch eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehungen lassen sich nur noch selten nachverfolgen. Unternehmen benötigen daher eine höhere Fehlertoleranz und kurzfristiger Instrumente zur Überprüfung bestehender Geschäftsmodelle sowie zur Weiterentwicklung der eigenen Unternehmenstätigkeit. Hierbei müssen auch die Arbeitsprozesse flexibler, fehlertoleranter und innovativer gestaltet werden, um mit der Ambiguität gut umgehen zu können. (vgl. Brandes-Visbeck/Thielecke 2018, S. 20).

Insgesamt erfordert das unternehmerische Handeln in der VUKA-Welt viel mehr Selbststeuerung, flexiblere Organisationsstrukturen und -prozesse, fehlertolerante Arbeitsprozesse, eine stärkere Vernetzung ggf. auch mit Konkurrenten sowie ein hohes Maß an Agilität im Sinne schneller und flexibler (Re)aktion auf unternehmensinterne und –externe Veränderungen.

Bewältigung der VUKA-WeltBewältigung der VUKA-WeltVUKA-WeltBewältigung: Der Begriff VUKA bietet auch eine Strategie zur Bewältigung der unbeständigen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Umwelt an: So kann VUKA auch interpretiert werden als

 Vision (vison),

 Verstehen (understanding),

 Klarheit (clarity) und

 Agilität (agility)

(vgl. Mack/Khare 2016).

Unterstützt wird diese Dynamik und die VUCA-Welt durch die vielfältigen Entwicklungen der digitalen Technologien und insbesondere der digitalen Informations- und KommunikationstechnologienInformations- und Kommunikationstechnologien (z.B. Internet, Mobilfunk), die Informationen in kürzester Zeit weiterleiten, über das Internet einen weltweiten Informationsaustausch ermöglichen und durch die mobilen KommunikationstechnologienKommunikationstechnologienmobile eine zeit- und ortsunabhängige Erreichbarkeit und Aufgabenbearbeitung ermöglichen. Diese schnelle, zeit- und ortsunabhängige Kommunikation erlaubt den Unternehmen eine zeitnahe Informationsbeschaffung und -weitergabe sowie schnelle Abstimmungen und Entscheidungen. Damit gelingt es ihnen, mit der gestiegenen Markt- und Wettbewerbsdynamik Schritt zu halten. Allerdings haben sich durch den Einzug der Informations- und Kommunikationstechnologien in die Arbeitswelt die ArbeitsbedingungenArbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden drastisch verändert. Ständige Erreichbarkeit, Einsatz- und Arbeitsbereitschaft über das Arbeits-Smartphone, das Tablet oder den Laptop ist heute für viele Arbeitnehmer selbstverständlich und wird häufig auch vom Arbeitgeber und den Kollegen erwartet. Der schnelle und weltweite Informationsaustausch sowie die umfangreichen Informationsverarbeitungstechnologien haben zu einer immensen Daten- und Informationsmenge geführt, die von den Beschäftigten täglich bewältigt werden muss. So bestimmen die Informations- und Kommunikationstechnologien zunehmend den Arbeitsalltag eines steigenden Anteils an Beschäftigten. Gleichzeitig ist auch in vielen Arbeitsbereichen die Komplexität der ArbeitsinhalteKomplexität der Arbeitsinhalte gestiegen, die höhere Anforderungen und Qualifikationen an die Mitarbeiter stellt. Beides führt zu einer steigenden psychischen Arbeitsbelastung für viele Mitarbeiter. Hoher Termin- und Entscheidungsdruck sowie die Bewältigung permanenter Informationsströme können Stress erzeugen und zu Überforderung führen, beides macht auf Dauer krank.

Die durch die Informations- und Kommunikations-Technologien mögliche ständige Erreichbarkeitständige Erreichbarkeit und potenzielle Arbeitsfähigkeit führt auch zu einer steigenden Entgrenzung zwischen der Arbeitswelt und der privaten Lebenswelt. Das bedeutet, dass das Arbeitsleben für viele Erwerbstätige immer stärker in die anderen privaten Lebensbereiche eindringt und eine Abgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben schwieriger wird. Dabei verwischt auch zunehmend die tatsächliche und vermeintliche Möglichkeit der Mitarbeitenden, ihre Erreichbarkeit außerhalb der „offiziellen“ Arbeitszeiten selbst beeinflussen und begrenzen zu können. So wird eine kurze Projektabstimmung per Smartphone am Abend oder die Erarbeitung eines termingebundenen Angebots am Wochenende zunehmend selbstverständlicher. Befürwortet wird diese Entgrenzung der Lebenswelten von dem Konzept des Work-Life-BlendingWork-Life-Blending (vgl. Kapitel 1.3.1).

Dieses verstärkte Eindringen der Arbeitswelt in die privaten Lebensbereiche ist ein wichtiger Ansatzpunkt für Work-Life-Balance Maßnahmen, um den Mitarbeitenden Möglichkeiten zur eigenen Abgrenzung und auch zum Ausgleich der individuellen Lebensbereiche anzubieten, und so mögliche psychische und physische Überlastungen zu vermeiden und die Motivation der Mitarbeiter aufrecht zu erhalten.

Work-Life-Balance

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