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Kapitel 5
Zwischenepisode

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Krieg

Ein Krieg ist laut Definition ein Konflikt zwischen Staaten, Völkern sowie anderen politischen Gruppen, der durch orga­nisierten Einsatz von Waffen ausgetragen wird. Dabei kommt es meist zu Mord und Totschlag. Daher unser Tipp: Lösen Sie nie einen Krieg aus. Sollte es doch geschehen, sorgen Sie für begeisterte Pressemitteilungen und machen Sie sich so schnell wie möglich aus dem Staub. Die Krieg führenden Parteien werden so glauben, ihr gegenseitiges Gemetzel hätte einen tieferen Sinn. Später können Sie, um Ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, gegebenenfalls als Friedensbringer auftreten.

Gemächlich schob sich die Raumschiffflotte unter dem Kommando Leonid Lodkas durch die Materiewolke. Mit einer beiläufigen Geste schob sich der hochgewachsene Mann die blonden Locken hinter die wohlgeformten Ohren. Er lächelte bei dem Gedanken, dass seine glänzende Haarpracht nicht nur bei Männern, sondern auch bei vielen Frauen Neid erweckte. Als er zur Steuerkonsole des Kreuzers schlenderte, verharrte er kurz wie gewohnt an der verspiegelten Wand neben der zentralen Raketensteuerung, um sich flüchtig, aber dennoch gezielt von Kopf bis Fuß zu mustern. Sein Blick glitt über die gerade Nase (der letzte Schönheitschirurg hatte wirklich saubere Arbeit geleistet), die fein geschwungenen Lippen (sie hatten nur anfänglich zu aufgeblasen gewirkt) und das männlich-markante Kinn (der Verlust eines winzigen Stückes Rippe hatte ihn nicht sonderlich geschmerzt) hinab zu seinem muskulösen Körper. Der Wachstumshormoncocktail war überaus fein dosiert, denn er wollte keinen Anblick bieten, der einem Fleischfresser die Verdauungssäfte schier überlaufen ließ. Einen athletischen Körper wollte er besitzen, aber keine Muskelmaschine!

Er zupfte einen Fussel vom gestickten Monogramm »LL« seines nachtblauen, maßgeschneiderten Raumfahreroveralls. Die übliche, plump geschnittene aschgraue Kleidung der Mo'harkrieger lehnte er ab. Als ihr Kommandant konnte er sich diesen Sonderwunsch erlauben. Ein winziger Fleck auf dem Spiegel fiel ihm ins Auge und er hauchte darauf, um den Makel weg zu polieren. Als er seinen kondensierten Atem sah, fiel ihm ein, dass er seinen morgendlichen Kaugummi vergessen hatte. Niemand wusste um seine panische Angst vor Mundgeruch, die ihn regelmäßig würgte, sobald er die letzte Packung seines Vorrates angebrochen hatte und auf Lichtjahre weit und breit kein ALDIU-Dis­counter in der Nähe war. Die rotblau gestreiften Dragees mit dem Geschmack nach Nanaminze mussten es sein, keine anderen kamen in Frage.

Rasch steckte er sich einen »Frische-Atem-Spender« zwischen die reinweißen Zähne und wischte den Fleck auf dem Spiegel mit seinem Talisman, einem mit goldenen Teddybären bedruckten hellblauen Kindertaschentuch, fort. Dieses Taschentuch war für den letzten Anführer der Mo'har, seinen Vorgänger, Das Zeichen gewesen. Seit jeher war es Sitte gewesen, dass der oberste Mo'har einen Adoptivsohn erwählte und aufzog, der in seine Fußstapfen treten würde. Bei der Invasion dieser kriegerischen Spezies auf der Erde war er als Dreijähriger verschont geblieben, weil er gerade an seinem Taschentuch gelutscht hatte, von dem er fest geglaubt hatte, dass es ihn vor allem Unheil, insbesondere vor bösen Monstern, beschützen konnte. Und das hatte sich bewahrheitet!

Eigentlich war ihm, Leonid Lodka, die Rettung des gesamten Planeten zu verdanken, denn nachdem er entdeckt worden war, hatten die Mo'har auf ihren Plan verzichtet, die Erde komplett zu verwüsten, und waren stattdessen mit ihm an Bord weitergeflogen. Und nun würde er in der Tradition seiner Vorgänger Stück für Stück, ohne Eile, das Universum erobern, Planet für Planet, genau wie er es mit Frauen zu tun pflegte. Was ihn interessierte und er verwenden konnte, nahm er mit – Bodenschätze, Waffen oder einen hübschen Körper, je nachdem – und hinterließ Verwüstung, Chaos und Verzweiflung.

Erst vor sechs Tagen hatte er einen von einem Meteoritenring umgebenen kleinen, von irgendwelchen küchen­schabenartigen widerwärtigen Dingern bewohnten Planeten kurzerhand sprengen lassen. Gefeiert hatte er diesen gelun­genen Coup, bei dem keines seiner Raumschiffe auch nur einen Kratzer abbekommen hatte, mit einer entzückenden Kleinen, die ihn allerdings seitdem mit Nachrichten auf seiner privaten Empfangsfrequenz belästigte. Dass sie von ihm als leidenschaftlichem Liebhaber tief beeindruckt war, überraschte ihn nicht im Geringsten. Aber sie schrieb ihm schauerliche Liebesgedichte, in denen es von Augen wie funkelnden Sternen und gebrochenen Herzen – seit wann konnte ein Blut pumpendes Organ brechen, welch ein Quatsch! – nur so wimmelte.

Ein zwitscherndes Geräusch riss ihn aus seinen Gedan­ken. Direkt vor seinen Füßen lief ein Riesensilberfisch auf­reizend langsam zum nächsten verborgenen Spalt in der Wandung des noch immer zuverlässigen, aber schon Jahr­zehnte nicht mehr hergestellten Raumschiffmodells. Dieses Ungeziefer war auf seinen Reisen durch den Weltraum zu zwanzigfacher Größe mutiert, konnte sich aber flacher als ein Blatt Papier zu Boden drücken und sich so in die winzigsten Ritzen quetschen. Leonid beobachtete das glänzende Tier, wie es nichts ahnend seines Weges ging. Er musste nur den rechten Fuß heben, ihn kurz auf das Urinsekt niedersau­sen lassen und schon würde nur noch ein silberner Fleck daran erinnern, dass hier ein Leben vernichtet worden war. Schweiß brach ihm aus. Er verlagerte das Gewicht auf den linken Fuß, aber sein rechtes Bein war zentnerschwer. Warum versuchte er es immer wieder?

Langsam sollte er sich kennen und wissen, dass er es vermutlich niemals schaffen würde, selbst ein Lebewesen zu töten. Es war, als würde in einem solchen Moment ein läh­mendes Gift durch seine Adern strömen, das verhinderte, dass er ein fremdes Leben auslöschte. Der Silberfisch hielt noch einmal kurz inne, wie um sich von Leonid zu verabschieden, bevor er im Spalt verschwand. Niemals, um nichts im ganzen Universum durfte jemals eine Person erfahren, dass er, der Oberkommandierende des kriegerischsten Stammes aller Galaxien, der Cxefestro des IKEA höchstpersön­lich, es nicht fertigbrachte, einen Silberfisch zu töten. »Kraft durch Terror« war das Motto des Intergalaksia Klubo de Eterna Anarhxio und keiner würde einen Waschlappen als Kommandanten dulden; Schwächlinge wurden sofort elimi­niert.

Ein Piepsignal schreckte ihn auf. Auf dem großen Monitor gegenüber erschien die gedrungene, an einen Kaiman erinnernde Gestalt des Ersten Mo'har-Offiziers, der auf den Befehl zum Angriff auf den sechsundsiebzigsten Planeten ihres Plünderungszuges wartete. Leonid Lodka zögerte nur kurz, dann hatte er sich wieder in der Gewalt. Mit einem energischen Ruck warf er seine goldene Mähne nach hinten und kreuzte die Arme vor der Brust.

»Ek!«

Es konnte losgehen.

Shakespeares Sternenritt

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