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13. Luftgeld

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"Wie, Du weißt nicht, ob du Geld hast oder nicht?", meckerte Katharina und knallte die Kaffeetasse auf die hölzerne Tischplatte, so dass der ganze Tisch vibrierte und der Kaffee über den Tassenrand schwappte. So kannte Wulf Lindau sie nicht. Katharina war eher der ruhige Typ, dachte er, und in den letzten zehn Jahren war auch nicht viel passiert um ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Das heute war eine Premiere. Jetzt kamen ihre andalusischen Wurzeln zum Tragen. Das Blut ihres Großvaters väterlicherseits, der als Tuchhändler aus Barcelona das kaiserliche Heer mit Stoffen beliefert hatte, pulsierte in ihren Adern und machte aus ihr einen Vulkan, der kurz vor der Explosion stand. Jetzt hieß es Druck aus der Sache zu nehmen.

"Ja, genau so ist es. Ich erkläre es dir."

Skeptisch zog Katharina ihre Augen hoch.

"Du weißt doch von dem Teichmann-Problem?" Sie nickte. Er hatte jahrelang die Messeauftritte des Baukonzerns Teichmann gestaltet und war in Folge der Liquiditätsprobleme des Konzerns auf einigen größeren Rechnungen sitzen geblieben. Die hatte er mit Hilfe seines Anwalts gerichtlich durchgesetzt und mittels Zwangsvollstreckung eingetrieben. Vor einigen Wochen hatte er dann endlich eine hohe Zahlung erhalten. Als einer der letzten Gläubiger, denn kurz danach kam das riesige Konzernschiff Teichmann ins Schlingern. Damals hatte er sich gefreut. Er konnte wieder durchatmen, die offenen Forderungen begleichen, fällige Steuern an das Finanzamt überweisen und sich selber einen kleinen Batzen Geld auf das Rücklagenkonto packen. Aber jetzt war der Baukonzern endgültig untergegangen und der Insolvenzverwalter hatte sich bei ihm gemeldet. Dieser forderte nun die gesamte, hart erkämpfte Summe von ihm zurück. "Gläubigerbevorzugung" war das Stichwort. Anfangs, als er das Schreiben des Insolvenzverwalters las, hielt er das noch für einen Witz. Aber sein Anwalt hatte ihn schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Der Insolvenzverwalter hatte Recht, zumindest teilweise. Alle Gelder, die sich Gläubiger innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten vor Gericht erstritten und vollstreckt hatten, konnten von ihm zurück gefordert werden, denn sie hätten sich so einen erheblichen Vorteil gegenüber den anderen Gläubigern verschafft, die auf den Klageweg verzichtet hatten. Die volle Summe - inklusive aller Steuern - sollte er zurück zahlen. Nach Abschluss der Insolvenz in einigen Jahren würde er nur die Quote bekommen, die alle Gläubiger erhielten. "Vielleicht zehn oder zwanzig Prozent", erklärte sein Anwalt. "Und wenn ich dadurch selber Pleite gehe?", fragte Wulf Lindau. Der Anwalt zuckte nur mit den Schultern. "Das interessiert keinen. Dann kommt nur der nächste Insolvenzverwalter und wickelt dann Ihren Laden ab."

"Ach du Scheiße!", stöhnte Wulf Lindau. "Das heißt, ich kann mich nicht dagegen wehren? Ich muss das zurück zahlen?"

"Im Prinzip: ja. Wenn Sie nicht zahlen wird Sie der Insolvenzverwalter von Teichmann verklagen. Darüber freut der sich auch noch, denn dann verdient er noch einmal daran. Er ist ja schließlich Anwalt und Anwälte verdienen immer", sagte er, zuckte mit den Achseln und grinste entschuldigend.

Wulf Lindau stieß einen Laut hervor, der an ein Röcheln erinnerte. "Sie können allenfalls mit Ihm verhandeln und eine Stundung des geforderten Betrages vereinbaren - wenn er sich darauf einlässt." Der Anwalt machte eine kurze Pause und vergewisserte sich mit einem Blick, dass Wulf Lindau bereit war weitere schlechte Informationen zu verdauen.

"Ich glaube, Sie haben das Geld gar nicht mehr oder haben es bereits verplant, richtig?" Wulf Lindau nickte. "Das war also nur Luftgeld?" "Ja. Sie sollten ab jetzt ganz vorsichtig vorgehen, mit dem Insolvenzverwalter reden, Zahlungspläne vereinbaren etc." Lindau nickte bloß. "Und wenn Sie in größere Schwierigkeiten geraten sollten, dann kann es auch für Sie persönlich eng werden", führte der Anwalt aus. "Wieso?" "Sie wissen, für die Lohnsteuer und den Anteil der Umsatzsteuer an den offenen Forderungen haften Sie auch privat." Wulf Lindau blieb das sarkastische Lachen im Halse stecken. Eine volle Stunde lang hatte er auf einer Bank an der Außenalster gesessen und auf die stahlgraue Wasserfläche gestarrt, auf der sich ein paar Möwen langweilten. Dann hatte er sich wieder gefasst, hatte einen groben Kassensturz gemacht und sich nach Hause gewagt.

Und jetzt saß er mit seiner normalerweise recht friedfertigen Frau an einem Tisch und musste sich beschimpfen lassen. Er erklärte ihr die Sachverhalte noch einmal.

"Das bedeutet, du bekommst gar kein Geld, sondern musst alles wieder zurückzahlen, richtig?"

Er nickte.

"Und Steuern musst du darauf auch noch zahlen, obwohl du gar nichts eingenommen hast?"

"Richtig."

"Blödsinn!"

"Nein, das heißt ja. Das ist Blödsinn, aber dieser Blödsinn entspricht der Gesetzeslage. Leider."

Katharina wirkte benommen. "Was bedeutet das für uns?", hakte sie nach.

Er rechnete kurz nach. Er musste sich eingestehen, er überschaute die Sache selber noch nicht. "Vielleicht müssen wir hunderttausend nachschießen."

"Haben wir die?"

"Nein. Wir haben die nicht." Er betonte das "wir".

"Scheiße." Sie starrte auf die Tischplatte. Dann schrieb sie Zahlen auf das weiße Blatt Papier vor ihr. "Dann haben wir nur noch einhundertfünfzigtausend Euro. Das ist verdammt wenig."

Allein der Kauf des Hauses würde zweihunderttausend Euro kosten, sie müssten den Restbetrag und die Kosten für die Umbauarbeiten komplett finanzieren. Ob da die Bank mitspielte? Für die Bank zählten ein möglichst hoher Eigenanteil und ein gutbezahlter, langjähriger Job. Da sah es schon schlechter aus. Er war der Wackelkandidat, nicht sie, denn sie saß wie festgeschweißt auf ihrer Arbeitsstelle. Er dachte nach. Was würde passieren, wenn er selber Pleite ging? Wäre er dann nicht besser dran? Aber wie würde er gegenüber seinen Kunden dastehen, wie verhielten sich die Lieferanten? Er musste dringend seinen Steuerberater um Rat fragen. Und danach seinen Anwalt.

Wulf Lindau fühlte sich müde, ausgelaugt und am Ende seiner Belastbarkeit. "Schatz, ein paar Tage haben wir noch. Lass uns noch mal nachdenken, Informationen einholen. Vielleicht fällt uns ja noch was ein."

Sie nickte apathisch.

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