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1.

POTOOLEM

17. Oktober 1551 NGZ

Da saß er, Narashim, der Gondu, Begünstigter und Gefangener seines Throns. Genau wie ich ein Begünstigter meines Zellaktivators war. Vielleicht auch sein Gefangener? Zumindest in metaphorischer Hinsicht? Darüber hatte ich mir in letzter Zeit öfter den Kopf zerbrochen, als für mein Seelenheil gut war.

Die RAS TSCHUBAI hatte die Galaxis Sevcooris erreicht, die vom Goldenen Reich beherrscht wurde, und Narashim war der Herrscher über eben dieses Reich, das der Thoogondu. Er hatte uns voller herzlicher Freude begrüßt, hieß mich willkommen, weil ich angeblich eine ausschlaggebende Rolle dabei gespielt hätte, den Wanderer aus der Milchstraße zu vertreiben. Der Wanderer: So nannten die Thoogondu die Superintelligenz, die wir Terraner als ES kannten.

Es traf zwar zu, dass ES seine Mächtigkeitsballung hatte verlassen müssen, doch ich hatte dabei keine aktive Rolle gespielt, obwohl das der Gondu offenbar völlig anders sah. Es war auch nie meine Absicht gewesen, ES aus der Milchstraße zu vertreiben, ja, ich bedauerte sein Verschwinden sogar, weil ich es als gefährliche Entwicklung für uns Terraner betrachtete.

Doch der Gondu ignorierte meine Hinweise, ging einfach über sie hinweg. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht hörte, was er nicht hören wollte.

Woher die Thoogondu ES überhaupt kannten? Das war auch eine der Überraschungen gewesen, die uns in Sevcooris erwartet hatten. Sie stammten aus der Milchstraße, hatten sie vor langer Zeit verlassen, weil sie bei dem Wanderer in Ungnade gefallen waren. Genauer gesagt war Canis Major ihre Heimat gewesen, 47.530 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt, 25.000 Lichtjahre vom Solsystem: eine Zwerggalaxis mit etwa einer Milliarde Sterne. Von dort hatten sie sich in der Milchstraße ausgebreitet und eine Regentwelt etabliert. Irgendwann zogen sie sich völlig zurück und löschten ihre Spuren.

Die Thoogondu hatten das Erste Gondunat in der Milchstraße während des Interregnums zwischen dem Untergang der Lemurer und dem Aufstieg der Arkoniden gebildet. Möglicherweise waren andere, in dieser Zeit aktive raumfahrende Völker auf das Gondunat gestoßen. Vielleicht war sogar ein Haluter auf einer seiner Drangwäschen mit ihnen in Berührung gekommen, doch entweder wurden darüber keine Aufzeichnungen überliefert, oder sie waren schlicht bislang nicht registriert worden.

Als Abschiedsgeschenk hatte der Wanderer den Thoogondu das Pedgondit mit auf den Weg gegeben, aus dem diese unter anderem den Thron des Gondus gefertigt und mit einem gestohlenen Vitalenergie-Akkumulator bestückt hatten. Er verlängerte das Leben des Herrschers beträchtlich, allerdings um den Preis, dass er ihn nicht über einen längeren Zeitraum verlassen konnte. Das meinte ich damit, dass er nicht nur Begünstigter, sondern auch Gefangener seines Throns sei.

Ich hatte Respekt vor Narashim, nicht nur, weil er der Gondu war, ein fast allmächtiger Herrscher, sondern wegen seiner Persönlichkeit. Er wirkte alt, aber machtvoll, geradezu machterfüllt. Er repräsentierte das Goldene Reich nicht bloß, er verkörperte es. Er hatte die Ausstrahlung eines alt gewordenen John F. Kennedys, der mich als jungen Mann geprägt hatte, oder auch eines uralten alexandrinischen Herrschers, über die ich viel gelesen hatte.

Narashim hatte mich auf sein Flaggschiff eingeladen, die POTOOLEM, sein fliegendes Heim. Es war ein Pentasphärenraumer, wie die Thoogondu sie für den Flug innerhalb der Galaxis nutzen. Er bestand aus fünf an den abgeplatteten Polen zusammengekoppelten Kugelsegmenten unterschiedlicher Größe.

Bei der GARANT-Klasse, der größten der Pentasphärenraumer, zu der auch die POTOOLEM gehörte, durchmaß die Zentralkugel 1500 Meter, die beiden an den Polen aufgesetzten Kugelsegmente 2000 und die den Polen dieser beiden Segmente aufgesetzten Sphären immerhin noch 1000 Meter. Die Pentasphäre bestand aus Pedgondit; dabei handelte es sich um ein terkonitähnliches Metallplastik, das zwar grundlegend weiß, aber in diesem Fall mit einem perlmuttartigen Schimmer ergänzt worden war, von dem sich reichhaltige Ziermosaike in wechselnden Goldtönen fast dreidimensional abzuheben schienen.

Die POTOOLEM befand sich aktuell im Orbit um Taqondh, knapp 35.000 Lichtjahre vom Zentrum der Galaxis Sevcooris entfernt. Ich war nicht allein an Bord des fremden Schiffes. Meine Begleiter waren Angehörige eines Einsatzteams der RAS TSCHUBAI, Dean »Cashew« Tunbridge, Penelope Assid und Báron Danhuser. Penelope war während des Anschlags auf den Gondu am 11. Oktober verletzt worden.

Ich hatte den Gondu trotzdem gebeten, das Team an Bord holen zu dürfen, nachdem ich letztmals aus dem Schlaf erwacht war, in dem ich Narashims Erinnerungsgast gewesen war. Penelope war von den Medikern der Thoogondu erstklassig versorgt worden und litt nicht mehr unter etwaigen Folgen ihrer Verletzungen.

Ich hatte als Erinnerungsgast in der POTOOLEM einen Teil der Geschichte der Thoogondu und des Gondunats hautnah miterlebt, ihre Vergangenheit in der heimatlichen Milchstraße bis hin zu ihrem Exodus aus unserer Galaxis. Doch ich misstraute dem, was ich gesehen hatte. Zum einen waren die Thoogondu Meister darin, Erinnerungen zu manipulieren, wie einige Besatzungsmitglieder der RAS TSCHUBAI hatten erfahren müssen. Zum anderen ...

Nun ja. Es war eher ein Bauchgefühl. Ein Instinkt, der tief in meinem Inneren Alarm schlug. Ihre Geschichte kam mir einerseits zu glatt vor, zu geschliffen. Als wäre sie eigens für mich durchkomponiert worden.

Andererseits steckte sie voller ... nein, nicht unbedingt Widersprüchlichkeiten, aber zumindest Ungereimtheiten, die ich mir nicht erklären konnte. Ich spürte, sie lauerten irgendwo dicht unter der Oberfläche, wobei ich den Finger nicht auf sie legen konnte, sie nicht packen und schütteln, bis sie jeden Widerstand aufgaben und mit der Wahrheit herausrückten.

Diese Wahrheit, deren Existenz ich erahnte, musste ich unbedingt erfahren.

*

Da saß er also, der ehrwürdige Gondu Narashim, auf seinem Thron, den er längstens für 62 Stunden verlassen konnte ... und ich hockte auf meinem seltsamen, aber nicht unbequemen Sitzmöbel direkt vor dem in Blau, Grün und Weiß schillernden Gebilde, das den Gondus mittels eines Vitalenergie-Akkumulators Langlebigkeit verlieh.

Mir war nicht ganz wohl in meiner Haut. Narashim hatte mich mit überschwänglicher Begeisterung willkommen geheißen, mir bislang jeden Wunsch erfüllt. Er wollte etwas von mir, das war klar. Etwas, auf das die Sprache bislang nicht gekommen war. Ich fragte mich, was das sein mochte.

Wollten die Thoogondu nicht bloß ein Bündnis, wie sie angekündigt hatten, sondern höchstselbst in die Milchstraße zurückkehren? Und was würde das für die Menschheit bedeuten? Was für unsere Verbindung zu ES und für ES selbst, wo immer die Superintelligenz nun sein mochte? Oder waren sie hinter etwas her, das wir uns nicht auszumalen vermochten?

Es gab keine konkreten Hinweise, nur dieses vage Bauchgefühl.

Ich war der einzige Galaktiker an Bord des gondischen Flaggschiffs. Wie konnte ich so dumm gewesen sein, mich in solch eine Lage zu begeben? Ein Befehl des Gondus, und ich war tot.

Nun, der Köder war zu verlockend gewesen, hatte zu gut auf mich gepasst. Hauptsächlich hatte ich mich von der Aussicht treiben lassen, auf einen Schlag die Vergangenheit eines Volkes zu erfahren, dass einmal in der Milchstraße gelebt und von dem bis vor Kurzem niemand etwas gewusst hatte. Diese Enthüllung war mir einfach zu unglaubwürdig vorgekommen.

Die Neugierde, mit der ich in den letzten Jahrtausenden zwar durchaus zu hadern gelernt hatte, aber die mich dennoch immer wieder vorantrieb, konnte durchaus meinen Tod bedeuten.

Manchmal war, einem alten englischen Sprichwort zufolge, tatsächlich die Neugier der Katze Tod.

Ich sah mich verstohlen im Thronsaal um.

Mindestens vier Gäonen hielten sich im Raum auf, die Leibwächter des Gondus, die einem mir bislang unbekannten Volk – oder mehreren? – angehörten. Ich wusste nicht einmal mit Sicherheit, ob Gäonen ihr Amt bezeichnete, ihren Rang innerhalb des gondischen Militärs oder ihre Volkszugehörigkeit.

Was ich hatte beobachten können: Sie trugen Ganzkörperrüstungen aus weißem Pedgondit, mit goldenen Mosaiken verziert, die Gesichter dahinter verborgen. Nicht zuletzt dadurch kamen sie mir rätselhaft und verschlossen vor, und sogar die Thoogondu brachten ihnen gehörigen Respekt entgegen. Offenbar wusste kaum jemand etwas über die Gäonen, und Unwissenheit erzeugt oft Furcht und Antipathie.

Einer der Leibwächter setzte sich in Bewegung, näherte sich dem Thron. Ich gestand mir ein, dass er mich beeindruckte. Er verstand es, sich unsichtbar zu machen, wie eine irdische Hauskatze. Man wusste, sie war da, aber wenn sie es nicht wollte, sah man sie nicht.

Ich achtete genau auf ihn.

Er beugte sich zum Gondu hinab und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Die Thoogondu waren humanoid und zweigeschlechtlich. Sie waren im Schnitt größer als Terraner, erreichten mitunter 2,20 Meter. Sie wirkten im Vergleich mit Menschen ziemlich fragil. Ich hatte bei Frauen und Männern noch keine signifikanten Größenunterschiede festgestellt.

Ich hatte genug von ihnen gesehen, um zu wissen, dass sie an Kopf und Rücken sowie auf den Außenseiten der Arme von der Stirn bis in Höhe des Beckengürtels von einem Knochenpanzer bedeckt waren, der aus überlappenden, in der groben Grundform sechseckigen daumennagelgroßen Platten bestand. In beweglichen Bereichen herrschten länglichere Platten vor. Thoogondu liefen meist etwas vornübergebeugt, sodass sie dem Himmel nur ihren Panzer zuwendeten.

Der Panzer wirkte auf mich zumeist grau und war dies bei den Männern sogar. Bei Frauen war der Panzer tatsächlich vielfarbig-bunt – allerdings nur in den Augen der Thoogondu, die verschiedene Bereiche des Infrarot als unterschiedliche Farben wahrnahmen.

Die Augen der Thoogondu waren groß und dunkel. Sie lagen tief in den Höhlen und konnten durch zwei Lider geschlossen werden: einer sich von der Nasenwurzel her horizontal nach außen schließenden Nickhaut und einem wie beim Menschen von oben nach unten schließenden normalen Lid.

Die Thoogondu waren unbehaart, ihre Haut weiß; die durchscheinenden blauen Adern musterten das Gesicht. Starke Gefühle führten bei den Herrschern von Sevcooris gelegentlich zu einem sichtbaren Anschwellen der Adern. Das war bei uns Menschen nicht anders.

Der Gäone richtete sich wieder auf.

Narashim hob zwei Daumen an. »Shoou!«

Ich wusste, das hieß eigentlich warm, wurde aber auch im Sinne von einleuchtend benutzt.

Der Gondu drehte sich mit einer fließenden Bewegung zu mir um, die der extremen Flexibilität seiner Wirbelsäule geschuldet war. Die Humanoiden konnten sich buchstäblich einrollen, beispielsweise beim Schlafen, im Falle einer hohen Strahlenbelastung oder in Abwehrstellung.

»Der Ghuogondu wird sich zu uns gesellen.« Narashim wirkte erfreut. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, Rhodan.«

»Wieso sollte ich?« Es war eine rhetorische Frage gewesen.

Hätte ich etwas dagegen gehabt, hätte der Gondu meine Einwände freundlich, aber bestimmt für null und nichtig erklärt und versucht, mich eines Besseren zu belehren. Er war der Herrscher, ich der Gast.

Außerdem war der designierte Nachfolger des alten Herrschers eine interessante, fast schon faszinierende Persönlichkeit.

Die Thoogondu betrieben eine seltsame Nachfolgeregelung. Obwohl der Gondu mit über eintausend Erdenjahren sehr langlebig war und viele seiner Nachkommen überlebte, bestimmte er kurz nach seinem Amtsantritt bereits einen Nachfolger. Starb jener vor ihm, erhielt ein anderer dieses Amt übertragen. Damit sollte verhindert werden, dass es zum Beispiel bei einem plötzlichen Unfalltod des Gondus zu einem Erbfolgekrieg kam.

Hinter mir erklang ein lautes Geräusch. Ich drehte den Kopf, wenn auch mit einer im Vergleich mit den Thoogondu ungelenken Bewegung.


Illustration: Swen Papenbrock

Puoshoor betrat den Thronsaal, der Ghuogondu, der Sohn und designierte Nachfolger des Gondus.

Er war mit 1,75 Metern körperlich eher klein, aber keineswegs klein genug, um in einer Thoogondu-Menge extrem aufzufallen. Seine Gesichtshaut war vergleichsweise dunkel, fast hellgrau.

Ich hatte ihn kennengelernt, ohne ihn tatsächlich kennenzulernen, aber weil er mich – und sei es noch so vage – in seinem mitunter stutzerhaften Gebaren an die Figur des Roi Danton erinnerte, brachte ich ihm instinktiv ein gewisses Wohlwollen entgegen. Ein endgültiges Urteil hatte ich mir bislang nicht bilden können.

Puoshoor trat diesmal würdevoll, aber nicht affektiert auf, sprach befehlsgewohnt, aber nicht arrogant. Er trug, wie ich es von ihm gewöhnt war, ein Gewand aus vielen überlappenden, perfekt sitzenden Stoffbahnen, die seinen Körper bis zum Nacken völlig bedeckten und nur über Brust und Armen Schlitze ließen.

Zusätzlich zu ihrer Lunge verfügten die Thoogondu über eine starke Porenatmung. Brust und Arme blieben bei ihnen daher unbekleidet oder wurden nur von einer atmungsaktiven Gaze verhüllt. Das war auch bei Puoshoor der Fall. Doch jede Bahn des Stoffs, den er trug, hatte eine kräftige, satte Farbe, und er scheute sich nicht, viele Farben zu tragen. Dadurch wirkte er irgendwie ... bunt, ganz im Gegensatz zu seinem ehrwürdigen Vater.

Mit seinen langen, kräftigen Beinen ging Puoshoor forschen Schrittes zum Thron. Er nahm auf dem Sitzmöbel neben dem meinen Platz und bedachte mich mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte.

War er einverstanden mit meiner Anwesenheit? Was waren seine Pläne?

»Du weißt nun, wie wir Thoogondu nach Sevcooris gelangt sind«, ergriff Narashim das Wort. »Ich nehme an, deine Erlebnisse als Erinnerungsgast haben viele deiner Fragen beantwortet.«

»Das ist richtig«, sagte ich bedächtig. »Doch genauso viele Fragen, wenn nicht sogar noch mehr, bleiben noch offen.«

Der Gondu hob eine Hand und spreizte die beiden Daumen ab. Sofort trat ein Thoogondu, dessen Kleidung eher an eine Livree als an eine Uniform erinnerte, mit einem Tablett vor und reichte zuerst Narashim, dann Puoshoor und schließlich mir ein Glas.

Eine dunkelrote Flüssigkeit perlte darin, in der hin und wieder silbrige Funken aufleuchteten. Luooma.

Mit einem löffelähnlichen Gegenstand rührte der Bedienstete die rote Flüssigkeit um. Als die Luoo-Funken damit vermischt und zum Luooma verquirlt wurden, schäumte das Getränk heftig auf.

Die Thoogondu liebten dieses Teufelszeug, obwohl sein sekundärer Effekt neben dem Geschmack für meine Auffassung mehr als nur bedenklich war. Wenn sie es zu sich nahmen, verquirlte bei ihnen das Zeit- und Raumgefühl, fragmentierte geradezu. Berauschte konnten sich buchstäblich auf dem Stuhl sitzend verirren.

Luooma hob das Selbstwertgefühl, nahm die Sorgen, gab seinen Konsumenten das Gefühl von Jugendlichkeit und Frische.

Luooma enthemmte.

Und es beschleunigte den Alterungsprozess.

In der Liga Freier Galaktiker wäre es als Droge verboten worden, im Goldenen Reich galt es als legales Genussmittel.

Puoshoor beobachtete verstohlen aus dem Augenwinkel, wie ich an dem Getränk nippte. Ich hatte nichts zu befürchten; mein Zellaktivator neutralisierte die negativen Folgen des Getränks.

»Was möchtest du hören?«, fragte der Gondu.

»Mich interessiert, wie die Thoogondu in Sevcooris aufgenommen worden sind«, ließ ich meine Antwort so unverbindlich klingen, wie es mir nur möglich war.

»Einen weiteren Bericht aus tiefer Vergangenheit? Aus der Frühzeit unseres Volkes in Sevcooris?«

»Das hört sich gut an«, zeigte ich mich interessiert. Mir war durchaus daran gelegen, mehr über Sevcooris zu erfahren. Ich war ja weiterhin auf der Suche nach Informationen, nach Klarheit über das Goldene Reich, Einsicht in seine Struktur, in die Absichten des Garanten, also des Gondus.

Aber insgeheim rechnete ich nicht damit, dass die Thoogondu mir unbedingt die Wahrheit offenbarten. Falls sie sie überhaupt selbst kannten und sich nicht der eigenen Propaganda unterworfen hatten.

»Selbstverständlich werden wir deinen Wunsch erfüllen, Rhodan. Aber ...«

»Aber?«

»Nicht als Erinnerungsgast. Es ist nicht ratsam, in kurzer Zeit zu viele Erinnerungen auf diese Weise zum Leben zu erwecken. Dein Verstand könnte sich verwirren. Dir ist nicht damit gedient, wenn die Erinnerungen sich in deinem Kopf vermischen und du sie nicht mehr voneinander unterscheiden kannst.«

»Was schwebt dir stattdessen vor?«

»Traditionelle Wege. Wir verfügen schließlich über viele konventionelle Aufzeichnungen aus dieser Zeit. Ich lasse einige davon abspielen und erkläre dir die Zusammenhänge. Bilder lügen nicht. Auf diese Weise bekommst du ebenfalls authentische Eindrücke aus der Vergangenheit.«

Bilder lügen nicht! Schon das war eine kühne Behauptung. Wenn die Thoogondu sogar Erinnerungen manipulieren konnten, dürften Bilder kein Problem für sie darstellen. Ich musste mir meinen Teil eben denken.

»Ausgezeichnet«, sagte ich.

»Ich hänge ungern der Vergangenheit nach«, warf Puoshoor ein. »Warum sollte Perry Rhodan stattdessen nicht einmal mit eigenen Augen ein Beispiel für das segensreiche Wirken sehen, das die Thoogondu seit ihrem Eintreffen in Sevcooris entfaltet haben?«

»Also ist es entschieden.« Der Gondu hob wieder eine Hand und drehte beide Daumen.

Hinter mir hörte ich leise Geräusche. Die Bediensteten im Thronsaal waren offensichtlich auf alles vorbereitet und machten sich sofort daran, den Wunsch ihres Herrschers zu erfüllen.

»Bis zum Eintreffen der Thoogondu war Sevcooris eine Galaxis, in der Kriege tobten, interstellare Kriege ebenso wie solche auf den einzelnen Planeten«, erzählte Narashim. »Das Gondunat hat den Kriegen Einhalt geboten. Mit Diplomatie, mit Verhandlungsgeschick, wenn es sein musste aber auch mit Gewalt ...«

Mit Gewalt, dachte ich. Warum überraschte mich das nicht?

»Es gibt genug Beispiele für das segensreiche Wirken des Gondunats«, sagte Puoshoor. »Welches sollen wir nehmen?«

»Welches schlägst du als konkretes Anschauungsbeispiel vor, Ghuogondu?«

Puoshoor dachte kurz nach. »Das Sternenreich der Soprassiden, Gondu.«

Narashim hob zwei Daumen an. »Eine gute Wahl, mein Sohn.« Er wandte sich an mich. »Das Sternenreich der Soprassiden ist eines jener Reiche, die erst vor wenigen Generationen von Krieg und Leid befreit wurden ... und nun unter der Schirmherrschaft des Gondunats aufblühen. Es hat das Goldene Reich, also das Gondunat, zum Vorbild genommen und sich fortan Sopranat genannt. Sein Regierungschef nennt sich Soprandu.«

»Also weitgehend völlige Angleichung?«, fragte ich.

»Urteile nicht vorschnell, Perry Rhodan! Sieh dir die Bilder an!« Wie auf ein Stichwort bildete sich ein Holo im Thronsaal. Die dreidimensionale Darstellung zeigte einen Planeten, einen grünen Planeten, wie ich kaum je einen gesehen hatte.

»Der Untergang hat eine ganz eigentümliche Faszination, nicht wahr?«, drang wie aus weiter Ferne die Stimme des Gondus an mein Ohr. »Eine fast schon perverse Anziehungskraft. Man kann sich kaum von ihr lösen, von den Bildern, die mit der Katastrophe einhergehen. Zumindest ich kann das nicht. Kannst du es, Perry Rhodan?«

*

»Das Gleichgewicht des Schreckens war ein Ungleichgewicht geworden, und man suchte nach neuen Mitteln und Wegen, die andere Seite auszulöschen, ohne die eigene Existenz aufs Spiel zu setzen. Man hätte sie gefunden, davon bin ich überzeugt. Doch dann kamen wir, und wir haben sie gerettet!«

Mit diesen Worten beendete der Gondu seinen Bericht.

Ich schwieg nachdenklich.

»Du siehst also«, fuhr Narashim ohne Pause fort, »wir handeln uneigennützig und zum Wohl der Völker dieser Galaxis. Wir bestreben keine Angleichung, wir führen ein Gegenprogramm zu der tiefen Vergangenheit durch. Die Soprassiden sind ein Beweis für das segensreiche Wirken des Gondunats hier und heute, für die behutsame Heranführung neuer Partner in die Gemeinschaft der Sternenvölker von Sevcooris!«

»Willst du dich bei ihnen umsehen?«, fragte Puoshoor. »Dich mit eigenen Augen überzeugen, dass wir zum Vorteil von ganz Sevcooris handeln?«

Überrascht sah ich ihn an. »Ihr würdet mich zu den Soprassiden fliegen lassen?«

»Natürlich«, sagte der Ghuogondu ernst.

Ich musste nicht lange überlegen. »Ja, ich würde gerne zur Hauptwelt der Soprassiden fliegen. Vorausgesetzt, mein Team darf mich begleiten.«

»Dann ist es beschlossene Sache«, sagte Puoshoor. »Ich werde euch persönlich mit der DAAIDEM dorthin bringen. Ihr habt ja ohnehin noch eure Quartiere an Bord.«

Wie eine Verschleierungstaktik kam mir dieses Angebot jedenfalls nicht vor.

Perry Rhodan 2910: Im Reich der Soprassiden

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