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Regensburg, die Schöne (1) Einblick in einen Teilbereich eines Lebens
ОглавлениеVisuelle Schönheit reicht nicht aus, wenn sich die oberflächliche Harmonie nicht mit dem, was sich darunter verbirgt, im Denken und Fühlen von Menschen in ihrem Lebensraum, im Einklang befindet. Im Folgenden bestimmt die Macht des Geldes und deren Besitzer mit, „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“-Gedanken und Ideen, die im Wege stehen, es zu vermehren.
Den Rahmen bildet die lokal festgelegte Ordnungsstruktur. Sie besteht, wird bei Bedarf geändert, neu erlassen und schleift sich danach fast von selbst ein. Der Rest fällt ‒ wo gehobelt wird, da fallen Späne ‒ unter den Tisch und wird weggefegt.
Amaro, ein alternativ wissender, lebenserfahrener, ein verantwortungsvoller Regensburger, arbeitslos schon seit längerer Zeit, wollte sich befreien von den Zwängen der Ämter und von Vorurteilen ihm gegenüber und hatte die Idee, sich auf eigene Weise selbstständig zu machen.
Er wollte das Gelände um das ehemalige Peterstor, in einen gleichbleibend sauberen Zustand versetzen: die Brache des ehemaligen Stadtgrabens, beginnend unterhalb der Brücke, die seit Jahren quasi als Mülldeponie von Passanten unachtsam genutzt wurde, und das anschließende Gelände oberhalb, am Besitz der Gräfin entlang, 100 Meter in Richtung Bahnhof und von der Brücke bis zur Skulptur am Kindergarten am Stadtgraben. Er harkte und sammelte Kippen, Verpackungen und Essensreste von McDonaldʼs, Plastiktüten und Cola-Becher, jeden Tag von früh bis zum späten Nachmittag.
Probleme mit den Stadtgärtnern gab es keine. Sie sahen ihn nicht als Konkurrenten. Es hatte sich bis zu ihnen herumgesprochen, dass er einen Teil ihrer Arbeit machte, ohne dafür Geld zu bekommen. Sie akzeptierten seine Arbeit.
Solange es von der Temperatur her möglich war, wohnte er unter dem Brückenbogen mit provisorischer Waschgelegenheit und lebte von Kleiderspenden und Essenspaketen, die ihm Touristen und Anwohner ausreichend als Anerkennung für seine Arbeit brachten.
Die „Brache“ verwandelte sich über Monate in einen einfallsreichen Garten mit vielen Blumen, Pflanzen und einem hüfthohen großen Herz aus gestapelten Backsteinen mit Sonnenblumen in der Mitte. Die Steine hatte er beim Aufräumen auf dem Gelände gesammelt.
Er wurde ein Anziehungspunkt.
Immer mehr Bürger begannen sich für seine Arbeit zu interessieren, Touristen machten extra in Gruppen oder einzeln einen Schlenker zu ihm, weil sie von ihm gehört hatten. Sie setzen sich eine Zeit nachdenklich auf die Brückenmauer, um zu sehen, was das für ein Mensch sei, der so etwas macht. Er war zu dieser Zeit der am meisten fotografierte Bewohner der Stadt.
Er bettelte nicht, schnorrte nicht, tat ordentlich gekleidet seine Arbeit, die er sich ausgesucht hatte und redete über seine Situation nur kurz und knapp, wenn er gefragt wurde.
Er fand so eigene Zufriedenheit und von den Menschen um ihn herum Anerkennung und Unterstützung.
In kleinen Mengen wurde ihm gegeben, was er brauchte. Für die Arbeit Werkzeug, Pflanzen, Blumensamen und für den Feierabend zum Schlafen eine Hängematte mit Schlafsack.
Wenn er gefragt wurde, warum er das alles mache, war seine Antwort, er wolle etwas Sinnvolles arbeiten, niemanden zur Last fallen und keine Abhängigkeiten.
Mit farbiger Tafelkreide schaffte er sich bis zum nächsten Regen ein visuelles Plenum. Er schrieb abends seine Gedanken über seine Arbeit, Ökologie und Natur auf den Gehweg oder an die Mauer der Brücke.
Um tagsüber ungestörter arbeiten zu können, bemalte er eine alte große Milchkanne mit Blumen und seinem Namen und hängte sie oben in eine Nische an die Mauer für die Post von Besuchern.
Eine angrenzende Gastwirtschaft kredenzte ihm täglich einen Milchkaffee.
Es wurde Herbst. Ein Bürger brachte ihm alte Bretter, um seinen Brückenbogen gegen Regen und Wind zu verschließen. Später dann, als es zu kalt wurde, brachte ein Zweiter unbenutzte Nut- und Federbretter, mit denen er die Brücke besser abdichten konnte gegen Wind und Kälte. Grüne Farbe verschönte das Ganze.
Es wurde Frühjahr.
Der Besitzer hatte sich schon vor einiger Zeit abgesichert gegen eine Haftung bei einem Unfall und mehrere Schilder anbringen lassen:
BETRETEN VERBOTEN
DER EIGENTÜMER
Am Besucherverhalten änderte sich nichts. Es kamen sogar noch mehr Menschen.
Da das Grundstück, als ehemaliger Stadtgraben, nur über eine Leiter betreten werden konnte, war es nur Amaro, der diesen Weg benutzte.
Es kann nicht sein, was …
Mit dem Frühling schien die Sache störend zu werden, sie sollte beendet werden.
Amaro bekam ein Einschreiben, in dem der Eigentümer auf Eigenbedarf hinwies und eine baldige Frist setzte. Bis dahin sollte für den Beginn des Baus eines Bürohochhauses geräumt werden. Andernfalls drohe Zwangsräumung.
Ein paar Plastikabflussrohre wurden symbolisch als Zeichen für den Baubeginn in den Graben getragen.
Ohne die Idee und Tat zu berücksichtigen, wurde nach landesüblichem Vorgehen, das Projekt „entfernt“. Der Versuch, es einzubeziehen in einen zeitlichen Ablauf, wurde nicht unternommen. Keine Anerkennung seiner Arbeit, weder von der Stadt noch vom Eigentümer.
Besitzstand rechtfertigt alle Mittel und bestimmt.
Eine Krähe hackt einer anderen kein Auge aus, und so wurde nicht der Franchise-Firma McDonaldʼs ein Einschreibebrief geschickt mit der Aufforderung, für ihren Müll in diesem Bereich aufzukommen, sondern Amaro, sich aus der Rechts- und Moralnische zu entfernen.
Amaro schaffte seine Habe zu einer Bekannten.
Aus dem Bürohaus wurde über Jahre nichts und der Graben erfüllt wieder seine ehemalige Funktion, ist wie zuvor Müllkippe der Passanten.
Aber es ist doch schön, dass diese Sache beendet wurde, so hatte alles wieder seine Ordnung ‒ nicht wahr?
Das, was Deutschland und andere Länder so liebenswert macht, ist die Menschlichkeit nach Verordnung.
Amaro hat Regensburg verlassen.
An dieser Stelle Dank an Amaro für seine Idee und seine Ausdauer und ein Danke dem, der ihm ein DENK MAL mit „Amaroland“ in „Google Maps“ geschaffen hat. Aber auch dieses wird entfernt werden. Denn was macht es für einen Eindruck, wenn auf dem Google-Kartenausschnitt der Baugrund mit diesem Namen erscheint?
Nur eindeutige Ordnung ist wirkliche Ordnung.
Info: www. Amaroland.de