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Die Vorfahren

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Er sei von bescheidener Herkunft, bemerkt Cellini. Dabei rechnet er sich zu großer Ehre an, seiner Familie Ruhm verschafft zu haben. Ursprünglich stamme seine Sippe von dem römischen Hauptmann Fiorino da Cellino ab, der unter Julius Cäsar tapfer diente. Dieser Fiorino sei niemand Geringerer als der Namensgeber der Stadt Florenz.

Mit sinnlicher Kraft und Leidenschaft beginnt Cellini seine Lebensbeschreibung,2 von seiner Fantasie mitgerissen und mit gehöriger Großsprecherei. Als Leser historischer Schriften weiß er, dass Städte häufig nach dem Namen ihres Gründers benannt wurden, von Konstantinopel bis Pienza, und so beansprucht er den klingenden Städtenamen Fi(o)renze für seine Familie, um den durch Taten erlangten Wert seiner Sippschaft unter Beweis zu stellen. Dass er überdies aus einer alten Familie kommt und eine Verbindung zur Antike herstellen kann, adelt ihn im Selbstverständnis seiner Mitbürger zusätzlich.

Fiorino da Cellino, ursprünglich aus der Nähe von Bolsena stammend, habe sein Lager unterhalb von Fiesole am Fluss Arno aufgeschlagen, an dem heute Florenz liegt. Einschränkend fügt Cellini hinzu, dass an jenem Ort auch eine Überfülle an Blumen (fiori) wuchs. Der Stadtgründer Cäsar habe sich bei der Namensgebung sowohl von den schönen Blumen als auch vom Namen des Hauptmanns inspirieren lassen, dem er sehr gewogen war. Den möglichen Einwand etymologisch geschulter Humanisten, die Stadt verdanke ihren Namen der Lage am Lauf des Arno, abgeleitet von fluentia, entkräftet Cellini mit einem entwaffnenden Beweisschluss: „Denn Rom liegt am Lauf des Tiber, Ferrara an dem des Po […] und Paris an der Seine, und trotzdem haben sie ganz verschiedene Namen, zu denen sie auf anderem Weg gekommen sind.“

Man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass ein Fiorino da Cellino jemals gelebt hat, geschweige denn, dass Florenz nach ihm benannt wurde.3 Genealogische Hochstapelei war unter den Bildhauern und Malern der Arnostadt aber durchaus verbreitet, nicht zuletzt weil sie seit Generationen versuchten, sich vom traditionellen Milieu des Handwerks zu lösen und das Ansehen der freien Künste zu erlangen. Cellini verfuhr bei der Stilisierung seines Stammbaums sogar moderat im Vergleich mit anderen. Der von ihm hochverehrte Michelangelo diktierte seinem Biografen, er stamme von den Grafen von Canossa ab, und Cellinis Erzfeind, der Bildhauer Baccio Bandinelli, gab an, er entstamme dem Sieneser Grafengeschlecht der Bandini, dem auch Papst Alexander III. angehörte. Was Cellini dem Leser mit den Mitteln der Mystifizierung und der Aura des Außergewöhnlichen sagen will, ist, dass sich mit ihm, dem jüngsten Stammhalter, und Cellino, der am Anfang steht, ein Kreis schließt. Beiden gelang es, durch ihre Taten Ruhm zu erlangen und mit den mächtigsten Herrschern ihrer Zeit zu verkehren, der eine mit Julius Cäsar, der andere mit Päpsten, Herzögen, einem Kaiser und einem König.

Die Cellinis waren typische Angehörige des popolo minuto, der Florentiner Mittelschicht. Ursprünglich stammten sie aus dem zwischen Siena und Arezzo gelegenen Val d’Ambra. Der erste durch Archivalien nachweisbare Vertreter in Florenz ist Benvenutos Urgroßvater Cristofano, der aus dem Ambratal in die Arnostadt übersiedelte. 1487 wird dessen Sohn Andrea im Katasteramt der Stadt als „Maurer“ bezeichnet.4 Cellini hingegen schreibt, sein Großvater Andrea lebte von der Architektur. Diese vermeintliche Nobilitierung eines Maurers muss nicht der Selbsterhöhung Cellinis geschuldet sein. Es gab damals keine klar umrissene Ausbildung zum Architekten. Andrea war wohl in beiden Bereichen, dem praktischen wie dem theoretischen, als Baumeister tätig. Mit ihm jedenfalls entwuchs der Familienstammbaum seinen ländlichen Ursprüngen. Andreas Sohn Giovanni, Benvenutos Vater, interessierte sich dann ebenfalls für die Architektur. Doch bereits in jungen Jahren entflammte er für die Musik, eine Leidenschaft, unter der Benvenuto Cellini sehr zu leiden hatte.

Die exzentrische Lebensgeschichte des Künstlers und Verbrechers Benvenuto Cellini

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