Читать книгу Ein Werkzeug Gottes - Uwe Plesotzky - Страница 5
Der Wunsch eines Kindes
ОглавлениеPateneltern können etwas sehr Schönes sein oder sie können wie in meinem Fall damals, auch recht materiell eingestellt sein und sich über ein willkommenes Zusatzeinkommen freuen. Was es heißt das ungeliebte fünfte Rad am Wagen zu sein, durfte ich in meiner Kindheit am eigenen Leib erfahren. Da meine Eltern sich scheiden lassen hatten, ich war zu dieser Zeit gerade mal drei Jahre alt, und meine Mutter lag krank in der Klinik, wurde ich von einer Pflegefamilie in die nächste weitergereicht. Meine Pateneltern nahmen mich damals großzügig auf, was nicht auch letztendlich daran lag, dass es für mich richtig viel Geld gab. Schließlich war ich ja ein Pflegekind und dies wird einer Familie, welches eines aufnimmt recht großzügig vergütet. Es waren die siebziger Jahre und ich war ja von klein auf nichts anderes gewöhnt, als von einer Pflegestelle an die nächste weitergereicht zu werden. Insgeheim hatte ich wohl gehofft, dass ich bei den eigenen Verwandten einen liebevollen Platz zum Leben bekommen würde, aber ich sollte mich dabei täuschen und so wurde der Aufenthalt dort noch viel schlimmer, wie die bisherigen Pflegestellen, in denen ich gewesen war.
Ich war gerade mal fünf Jahre alt und die meisten Kinder fangen in diesem Alter gerade mal an zu begreifen, dass sie eine eigenständige Persönlichkeit sind. Ihr Leben fängt gerade erst an und meines schien hier jetzt bereits beendet zu sein.
Meine Pateneltern hatten drei eigene Kinder und diese waren auch noch mal im Ansehen und in der Behandlung deutlich unterteilt. Der Älteste, der als Vorzeigesohn fungierte, der Mittlere, welcher am niedrigsten gestellt war. Und schließlich der Jüngste, das Nesthäkchen. Er war der Lieblingssohn und grundsätzlich unschuldig, egal was auch immer geschehen war, er konnte es auf keinen Fall gewesen sein. Ich will aber hier noch unbedingt darauf hinweisen, dass ich nur wiedergebe, wie ich es als Fünfjähriger erlebt und empfunden habe.
Ich erinnere mich nur zu gut an einen Streit zwischen ihrem Jüngsten, der übrigens auch in meinem Alter war, und mir. Im Laufe dieses Streits schmierte er mir dann weiße Ölfarbe auf mein T-Shirt. Das Ergebnis war eine Menge Ärger und eine Strafe, die sich gewaschen hatte. Mein Patenonkel hatte eine sehr gute Handschrift und ich kann mich auch heute noch sehr gut daran erinnern, wie es war, wenn ich von ihm verhauen wurde. Er hatte wirklich Kraft, denn es gibt wohl nicht sehr viele Menschen, welche zwei Stühle an ihren vorderen Stuhlbeinen, und ich meine ganz unten am Boden, einfach mal so am ausgestreckten Arm emporheben können, und dies mit beiden Armen gleichzeitig.
Ich war selbstverständlich der Schuldige bei diesem Streit und dem Nesthäkchen passierte nichts, er wurde nicht einmal gefragt, ob er auch etwas getan hatte. Er war ganz einfach von Anfang an immer unschuldig und dessen war er sich auch sehr wohl bewusst. Diesen Umstand nutzte er des Öfteren gründlich aus.
Bei allen Dingen die passierten stand ich immer hinten an und nach einer Weile war es für mich keine Frage mehr wo mein Platz war, ich stellte meine Probleme nicht mehr hinten an, sondern behielt sie gleich ganz für mich. Ich lag zu dieser Zeit abends oft weinend in meinem Bett, passte aber genau auf, dass es bloß keiner mitbekam und wünschte mir tot zu sein. Ja, ich betete sogar zu Jesus, dass ich sterben wollte, denn das Leben hatte für mich keinen Sinn mehr. Die einzige Bezugsperson in meinem jungen Leben war Jesus. Ihm konnte ich wirklich alles erzählen und ich tat dies sehr oft und sehr viel. Heute im Nachhinein sehe ich, dass dies für mich etwas sehr Gutes war, denn welcher Mensch kann schon von sich sagen, dass Jesus in seiner Kindheit die einzige Bezugsperson war. Er half mir ständig und ich wusste wohl nicht einmal, wie oft er eingriff und mich beschützte. Ich schlug mich mit Gedanken herum wie, warum will mich niemand haben, weshalb wollen meine Eltern mich nicht. Es musste dafür ja schließlich einen Grund geben. Vielleicht liebten sie mich auch einfach nur nicht mehr.
Mit diesen furchtbaren Gedanken schlief ich des Öfteren abends in meinem Bett ein und wer konnte es diesem kleinen Jungen verdenken, dass er sich den Tod wünschte, ja sogar herbeisehnte. Was wollte ich noch hier auf der Erde, niemandem wäre es wohl aufgefallen, wenn es mich nicht mehr gegeben hätte. So lag ich in meinem Bett und betet zu Jesus um meinen eigenen Tod. Gott hat mir damals den Wunsch zu sterben nicht erfüllt und es war gut so. Gelegenheiten zum Sterben hatte es genug gegeben, aber mein Schutzengel passte sehr gut auf mich auf.
Übrigens hat mich niemand jemals während meiner Kindheit wieder weinen sehen. Ich wurde nach außen hin immer härter, denn niemand sollte mich noch verletzen können. Warum wollte mich keiner haben, was hatte ich ihnen bloß getan, dies waren meine wichtigsten Gedanken. Für einen Fünfjährigen eine Frage, die er nicht alleine beantworten, geschweige denn begreifen kann. Wie schön wäre es in dieser Zeit gewesen, wenn ich jemanden zum Reden gehabt hätte. Aber den hatte ich im Grunde ja, denn alles was passierte, jede Ungerechtigkeit, erzählte ich Gott. Er hatte immer Zeit für mich und so ist es auch noch heute. Jesus hört allen Menschen zu, wir müssen uns ihm nur zuwenden und ihn im Gebet ansprechen.