Читать книгу Big Bug - Valuta Tomas - Страница 3
Kapitel 1
ОглавлениеSchmerzhaft zuckt Helen zusammen. Schon fast ängstlich schlägt sie sich die Hände vor das Gesicht. Eingeschüchtert blinzelt sie zwischen ihren Fingern hindurch. Sie kann den Anblick kaum ertragen, dass dieser gewaltige Bulle wie eine aufgeschreckte Katze in die Höhe springt und den Mann auf seinem Rücken dabei wie einen Ping-Pong Ball herumschleudert. Sie hat sich absichtlich etwas abseits vom Geschehen gestellt, glaubt aber dennoch mittendrin zu sein. Wie können sich Menschen auch freiwillig so etwas sinnlosem hingeben? Als kleiner Mensch zu versuchen einen Kiloschweren Bullen zu reiten? Da kann es doch nur einen Verlierer geben. Und dieser landet irgendwann zwangsläufig mit einer würzigen Marinade eingestrichen auf einem Teller.
Eigentlich wollte Helen den Abend anders ausklingen lassen, aber ihre Eltern meinten, dass sie mal wieder unter Leute müsste und schickten einen ihrer langjährigen Freunde zu ihr nach Hause, um sie auszuführen. Auch wenn ihre Eltern die Beichte ihrer Tochter, sie sei lesbisch, als verdammt harte Kost ansahen, akzeptierten sie ihre Entscheidung nach einigen Monaten. Dennoch versuchen sie alle Nase lang ihrer Tochter einen Mann unterzujubeln. Vielleicht würde es Helen ja nicht auffallen. Ein Versuch wäre es wert.
Genau wie jetzt der Bulle, schnaufte sie genervt, als sie heute Abend die Wohnungstür öffnete und ihrem männlichen Begleiter gegenüberstand. Ihre Eltern hätten sie ja zumindest vorwarnen können.
In höflicher Manier begrüßte Rob Helen und zupfte seinen Cowboyhut zurecht.
Während er geduldig darauf wartete, dass Helen ihrem Outfit den letzten Schliff gab, überlegte sie sich, wie sie aus dieser Misere einigermaßen glimpflich herauskommen könnte. Sie hat keine Lust auszugehen. Schon gar nicht mit einem Mann. Sie würde viel lieber zu Hause bleiben und einige Akten wälzen. Auch wenn ihr neuer Chef ihr davon abriet, nahm sie doch ein paar Akten aus der Kanzlei mit und zückte diese im Bett, um sie als Nachtlektüre zu nutzen.
»Und, wo ist deine Aktentasche?«, lachte Rob und blickte eindeutig an Helen rauf und runter. Sie tat es ihm gleich.
»Was meinst du?« Die graue Anzughose und die weiße Bluse, die bis zum Hals zugeknöpft war, sprachen für sich.
»Kein Wunder, dass du keinen Mann abbekommst. Du siehst in diesem steifen Outfit zum gruseln aus.« Rob fand es scheinbar recht amüsant, sich über Helens Kleidung lustig zu machen. Wenn sie damit aber auch noch anfangen würde, hätte sie ebenfalls etwas zu lachen. Denn Robs Outfit gefällt ihr ebenso wenig, wie es auf Gegenseitigkeit beruht. Wieso müssen sämtliche Texaner auch wie waschechte Cowboys herumlaufen? Sie sind hier in Dallas und nicht in der tiefsten Provinz. Dort würde Helen Stiefel, Jeans, Karo-Hemd und Hut ja noch verstehen, aber doch nicht in so einer Millionenstadt wie Dallas. In welcher Zeitzone sind die Menschen hier nur stehen geblieben?
»Lass uns los.« Lachend und Kopfschüttelnd hielt Rob ihr die Tür auf. Gekonnt verkniff sich Helen jeglichen weiteren Kommentar. Das würde wahrscheinlich nur auf eine Diskussion hinauslaufen, auf die sie weder Lust noch Kraft hat. Der frische Umzug steckt ihr noch ziemlich in den Knochen.
Jetzt versucht sie einfach nur die wenigen Stunden des Abends einigermaßen ungeschoren zu überstehen, damit ihre Eltern zufrieden sind. Und weil sie weiß, dass sie mit Rob weder zu sich nach Hause geht, noch mit ihm im Bett landen wird, versucht sie einfach das Beste aus ihrer gestohlenen Freizeit herauszuholen.
»Der Kerl ist verdammt gut.« Kaum hat Rob diese Worte ausgesprochen, wird der aktuelle Bullenflüsterer auch schon im hohen Bogen von dem Kraftstrotzenden Steak herunter geschmissen.
Während die Zuschauer den Bullenreiter applaudierend verabschieden, wird das arme Tier schon für den nächsten Ritt in die Box gescheucht. Wie viele Menschen den Bullen an einem Abend reiten, kann Helen nur erahnen. Für sie grenzt das ganze schon an Tierquälerei. Ok, vielleicht mag sie mit ihren Gedankengängen etwas übertreiben. Den Tieren werden ja zum Glück keine Dolche in den Rücken getrieben, um dann am Ende blutend auf der Schlachtbank zu landen, nur damit die Menschen ein paar Minuten Spaß an dem Gemetzel hatten. Bei diesem Sport ist in erster Linie der Mensch der Leidtragende. So ein Sturz kann schmerzhaft werden. Und wenn ein Bulle Lust dazu hat, noch etwas auf seinem Reiter herum zu stampfen, kann er damit auch verheerende Knochenbrüche hervorrufen. Das wäre etwas, was Helen tatsächlich mal zu gerne sehen würde. Sehr zum Leidwesen ihrer eigenen Rasse. Aber sie wünscht sich insgeheim schon, dass sich ein Bulle mal für einen Ritt rächen würde.
Helen weicht erschrocken zur Seite, als Rob neben ihr plötzlich schrill durch seine Finger pfeift. Fluchend stochert sie sich in einem Ohr herum. Taub kann man bei so einem Spektakel also auch noch werden?
Grummelnd wandert ihr wütender Blick zwischen Rob und dem Bullen hin und her. Dort nimmt soeben ein neuer Reiter Platz, dem Rob seine ganze Aufmerksamkeit schenkt. Überrascht beobachtet sie, wie Robs Augen regelrecht zu leuchten beginnen. Ist der Kerl auf dem Bullen sein Vorbild oder was?
Helen schaut etwas genauer hin. Skeptisch zieht sie eine Augenbraue hoch. Sie ist sich nicht wirklich sicher. Daher lehnt sie sich zu Rob hinüber und stupst ihn an.
»Sag mal, ist das etwa eine Frau?« Mit Augen, die so groß und glänzend wie frisch polierte Bowlingkugeln sind, nickt Rob geistesabwesend. Argwöhnisch blickt Helen wieder zu der Box zurück, in der tatsächlich eine Frau auf dem Rücken des Bullen Platz nimmt. Ihre langen dunkelblonden Haare fallen unter dem Stetson locker über die Schultern.
»Da dürfen tatsächlich Frauen mitmachen?« Helen kann es kaum glauben. Da ist sie nicht nur in den Testosteronreichsten Staat von Amerika gezogen, sondern muss nun auch noch feststellen, dass auch Frauen dieses unsinnige Bullenreiten betreiben. Vielleicht ist sie ja diejenige die in irgendeiner Zeitzone stecken geblieben ist, wenn sie davon zuvor noch nichts wusste.
»Ja«, schmachtet Rob neben ihr. Seine Augen kleben an der Reiterin, die sich auf dem Bullen richtig positioniert. Helen kann regelrecht die kleinen Armor-Herzchen sehen, die Rob auf die unwissende Reiterin abfeuert.
Genervt von so viel Begeisterung, rollt Helen mit den Augen und räuspert sich kurz.
»Wenn du so angetan von…« Sie blickt wieder zu der Frau in die Box.
»Joy«, haucht Rob sabbernd.
»Wenn du so angetan von Joy bist, dann lade sie doch nach dem Ritt auf ein Bier, oder was auch immer ihr trinkt, ein.« So kann sich Helen wenigstens klammheimlich aus dem Staub machen, wenn Rob mit dieser Frau beschäftigt ist. Es wird sicherlich nicht auffallen, wenn sie nicht mehr neben ihm steht. Dann hat sie zumindest noch etwas Zeit im Bett ein oder zwei Akten zu sichten.
»Habe ich schon versucht. Ich bin nicht ihr Typ«, schnauft Rob enttäuscht. Helen macht es ihm gleich. Allerdings aufgrund der Tatsache, dass sie nun doch den Rest des Abends an seiner Seite kleben muss. Herrgott, wieso veranstaltet sie dieses Theater überhaupt? Sie ist fast dreißig und somit alt genug, um ihr Leben selbst zu bestimmen. Wieso geht sie dann also mit einem Mann aus, nur um ihre Eltern zu besänftigen? Hat sie nicht genug Arsch in der Hose, um ihren Eltern mal die Meinung zu sagen? Schließlich ist sie ein eigenständiger Mensch.
Bei dem Gedanken, dass sie dieses derzeitige Theater ihren Eltern zuliebe durchzieht, schnauft Helen erneut. Der Grund hierfür ist lediglich jener, dass ihre Eltern dann wenigstens für mindestens ein halbes Jahr Ruhe geben und ihr keinen Mann mehr an die Seite stellen. Sie sind einfach der Meinung, dass ihre geliebte Tochter endlich mal in einem Hafen ankommen muss. Schließlich läuft auch ihre Zeit weiter.
Der Ton einer Trillerpfeife reißt Helens Aufmerksamkeit an sich. Das Gatter der Arena wird geöffnet und der Bulle rast mit den ersten Schritten aus seinem kleinen Gefängnis. Wie eine ausgehungerte Hyäne hängt Rob mit seinen Augen an Joy, die sich wacker auf dem Bullen schlägt. Helen schafft es allerdings nicht, auch nur einen Funken Begeisterung aus ihrem schlecht gelaunten Gemüt herauszuschaufeln, nur um etwas Interesse an diesem Sport zu zeigen.
Laute Zurufe und Pfiffe feuern diese Joy auf dem Bullen an. Dieser versucht mit gewaltigen Tritten den lästigen Käfer auf seinem Rücken abzuwerfen. Da hat er allerdings die Rechnung ohne Joy gemacht. Denn die hat sich wie eine Zecke an ihn gesaugt. Trotzdessen, dass der Bulle sie wild hin und her schleudert, hält sie sich tapfer am Seil fest. Unbewusst versucht Helen etwas von Joys Gesicht zu erkennen. Es interessiert sie, ob die Frau vielleicht etwas Angst vor diesem gewaltigen Tier hat. Aber sie kann nichts sehen. Joy hat ihren Kopf so tief gesenkt, damit sie sich voll und ganz auf den Ritt konzentrieren kann, dass man absolut nichts von ihrem Gesicht sehen kann. Nur ihre Haare schleudern in alle Richtungen, in denen der Bulle sie haben will. Auch ihr nach oben gestreckter Arm wedelt wie ein lästiges Anhängsel hin und her. Dennoch hält sich Joy unglaubliche drei Sekunden auf dem Bullen, bis sie die Kontrolle über dieses Vieh verliert. Mit einem gewaltigen Stoß wirft das Tier seine Reiterin ab.
Helen blickt kurz zur Seite, als Joys Körper wie eine leblose Puppe auf den sandigen Boden knallt. Anstatt liegen zu bleiben und sich vor Schmerzen zu winden, steht Joy auch schon wieder auf den Beinen. Ihre Konzentration gilt dem Bullen, der mit Hummeln in seinem gewaltigen Arsch durch die kleine Arena walzt. Joy braucht nur wenige Schritte, bis sie beim rettenden Gatter ist und mit einem gekonnten Sprung dort drüber springt, um in Sicherheit zu sein. Wie ein begeisterter Teenager schlägt Rob seine Hände wild ineinander. Damit gibt er seiner Bewunderung den richtigen Ausdruck.
Helen wird allerdings von Minute zu Minute genervter. Ihr gefällt weder die Lokalität in der sie sich befinden, noch kann sie mit der derzeitigen Ausgangssituation etwas anfangen. Auch wenn Billy Bob´s Texas die berühmteste Bar in Dallas sein mag, tummeln sich hier dennoch nur saufende und raufende Männer, die glauben, irgendein Abklatsch eines stolzen Cowboys zu sein. Wenn sie das wirklich glauben, sind sie einige Jährchen zu spät auf die Welt gekommen. Und in diesem Regiment tummeln sich nun neuerdings auch noch ein paar Frauen? Wie weit ist es mit den Frauen nur gekommen? Vielleicht mag es etwas altmodisch klingen, aber Helen findet nichts schlimmes daran, dass eine Frau zu Hause bleibt, für Mann und Kind sorgt und der Mann arbeiten geht, um die anfallenden Rechnungen zu bezahlen. Wenn es nach ihr gehen würde, sähe ihr Leben sicherlich genauso aus. Allerdings machte ihr Verstand ihr irgendwann einen Strich durch ihre aalglatte Rechnung. Denn dieser begann irgendwann damit, dass sich Helen tatsächlich nach Frauen umdrehte. Sie glaubte bis dato immer, dass es bei lesbischen Frauen irgendeinen Auslöser geben müsste, dass diese auf ihresgleichen stehen und Männer verschmähten. Da sie aber selbst keinen Auslöser nennen konnte, verwarf sie dieses Klischee irgendwann. Es dauerte eine geraume Zeit, bis sie sich selbst und ihre Gefühle akzeptierte. Irgendwann kam aber der Knackpunkt, an dem sie sich sagte, dass es auch nicht anders sei, als sich in einen Mann zu verlieben, nur sei der Körper eben anders.
Während der Bulle wieder in die Box zurückgeführt und ein neuer Reiter aufgerufen wird, dreht Helen sich zu Rob um und zupft an seinem Karo-Hemd, wie ein Kleinkind am Hosenbein der Mutter.
»Könnten wir bitte gehen? Ich muss morgen früh raus und… .«
»Ja ja, gleich.« Als wenn er Helen gar nicht mehr wahrnehmen würde, wedelt er blindlings in ihre Richtung, während seine Augen auf diese Joy gerichtet sind, die auf direktem Weg auf sie zugeht. Im Schlepptau zwei Männer, die sich angeregt mit ihr unterhalten.
»Joy«, jauchzt Rob aufgeregt und winkt zu ihr hinüber.
Komm schon, was für ein Weichei bist du nur? Helen muss bei ihren eigenen Gedanken schmunzeln, als sie zusieht, wie Rob dabei ist, sich in Grund und Boden lächerlich zu machen. Wie kann man einer Frau nur so offensichtlich hinterher hecheln, dass es tatsächlich schon armselig wirkt?
»Hey Rob«, begrüßt diese Joy ihn etwas zurückhaltend. Offensichtlich ist sie genauso wenig darüber erfreut ihn hier zu sehen, wie Helen in dieser Lokalität sein möchte. Wenn sie könnte, hätte sie schon längst das Weite gesucht. Aber Rob hat sie abgeholt und somit hat sie keinen fahrbaren Untersatz. Natürlich könnte sie sich ein Taxi nehmen, aber sie verspürt nicht wirklich das Bedürfnis fast ein achtel ihres Gehalts für eine Taxifahrt auszugeben. Also wird sie sich der aussichtslosen Situation ergeben und die nächsten Minuten überstehen. Oder vielleicht auch die nächsten Stunden. Je nachdem wie Rob von dieser Joy loskommt.
Wie einem Gaul klopft Joy Rob zur Begrüßung auf die Schulter, was er mit einem verliebten Lächeln gierig inhaliert. Meine Güte ist der Kerl verliebt. Das ist ja schon peinlich.
Genervt stöhnt Helen eine Runde stumm vor sich hin, bis ihre Augen auf Joy fallen, die ihren Blick ebenfalls auf sie richtet. Helen spürt, dass für eine Nanosekunde ihr Verstand aussetzt, als sie Joys markantes Gesicht sieht. Weiblich zart, aber mit recht harten Zügen versteckt sich Joys Gesicht hinter dem tiefgezogenen Stetson. Ihre dunkelgrünen Augen richtet sie für den Bruchteil einer Sekunde gänzlich auf Helen, bis sie zur Seite blickt. Mit einem Ellenbogen boxt sie Rob in die Rippen.
»Hat sich deine Buchhalterin verlaufen?« Bitte was? Entrüstet holt Helen zum verbalen Angriff Luft, vergisst aber was sie sagen wollte, als Joys Augen prüfend an ihr rauf und runter wandern. Das wird ja richtig toll. Nur weil Helen nicht in irgendwelchen Cowboystiefeln herumläuft, wird sie gleich als staubige Buchhalterin abgestempelt?
»Kann ich dich auf ein Bier einladen?«, hechelt Rob, ohne auf Joys Frage einzugehen. Die blickt wieder zu Helen zurück. Ihre Lippen deuten ein sarkastisches Grinsen an.
»Wenn deine Steuerberaterin nichts dagegen hat«, lacht sie frech. Arrogante Schnepfe! Helens Gedanken machen sich von ganz alleine selbstständig, als sie Joys freches Lachen sieht. Kaum rauscht sie achtlos an ihr vorbei und behandelt sie somit, als wenn sie zu einer Randgruppe gehören würde, läuft ihr Verstand zur Hochform auf. Nur weil du so einen bekloppten Bullen reiten kannst, heißt es noch lange nicht, dass alle Menschen um dich herum Rindviecher sind, du eingebildete Kuh!
Bevor Helen auf diese weitere beleidigende Aussage von Joy reagieren kann, folgt ihr Rob wie ein treudoofer Hund. Hat der sein Selbstbewusstsein im Lotto gewonnen?
Auf halbem Weg aus der Arena heraus in die Bar hinein, dreht er sich zu Helen um.
»Magst du uns Bier holen?« Bevor Helen überhaupt darüber nachdenken kann zu antworten, verschwindet das Weichei mit dieser hochnäsigen Ziege in der Menge.
Wütend darüber, dass dieser Abend sogar noch schlimmer wird, als sie sich jemals hätte ausmalen können, stampft Helen zur Theke und bestellt drei Bier. Vielleicht hilft es ihr ja, wenn sie sich betrinkt. Dann braucht sie wenigstens nicht Robs Geschmachte bei klarem Verstand miterleben. Und ihren Eltern wird sie ausdrücklich untersagen, Rob jemals wieder zu ihr zu schicken. Sie hat die Nase voll von irgendwelchen Männern. Entweder verhalten sie sich, als wenn sie der größte Casanova wären, oder sie wurden als Babys zu heiß gebadet.
Während Helen genervt auf das Bier wartet, erhascht sie den Blick eines Mannes, der gegenüber auf der anderen Seite der Theke steht. Mehr als deutlich lächelt er sie an, zwinkert ihr zu und zupft nickend an seinem Hut. Es kann tatsächlich noch schlimmer werden.
Dankbar dafür, dass das Bier schneller gezapft ist, als dass sie dreimal hintereinander Ave Maria sagen könnte, blickt Helen überrascht auf drei riesige Bierkrüge. Sie hatte drei Bier bestellt und keine Fässer. Wer soll das denn trinken? Bevor die Krüge leer sind, ist der nächste Tag ja schon fast wieder vorbei. Super, toll gemacht Helen. Wie bescheuert bist du eigentlich?
Böse auf sich selbst, greift Helen nach den Krügen. Sie haben mehr Gewicht, als sie geglaubt hätte. Wackelig, weil das Bier in den Krügen ordentlich hin und her schwabt, dreht sich Helen um und macht den ersten Schritt. Den macht sie aber schnell wieder zurück. Sie hat keine Chance das Bier unbeschadet durch diese Menschenmenge zu tragen. Die Bar scheint jetzt ihre Rush Hour zu haben. Wo kommen nur die ganzen Menschen her? Helen kann nur noch Cowboyhüte sehen. Ok ok, du packst das schon. Bring das Bier heile an den Tisch und versuche Rob so schnell wie möglich hier raus zu holen. Er kann diese Joy auch an einem anderen Abend anschmachten.
Als wenn sie einen Tauchgang vor sich hätte, holt Helen Luft, hebt die Bierkrüge über ihren Kopf und beginnt sich durch die Menschenmenge zu schlängeln.
Meter für Meter kämpft sie sich am Tresen entlang. Das Bier über ihrem Kopf schwabt bedrohlich hin und her. Bisher ist aber noch kein Tropfen verloren gegangen. Nur noch ein paar Meter, dann ist sie am Sitzplatz angekommen, den Rob ausgesucht hat. Trotz dieser Menschenmasse kann Helen sehen, dass Rob allerdings alleine am Tisch sitzt. Ist Joy etwa schon geflüchtet? Helen könnte es bei dieser männlichen Begleitung verstehen. Auch würde es sie selbst freuen. Sie hat keine Lust sich mit dieser hochnäsigen Hexe auseinanderzusetzen. Sie hätte sich irgendein theatralisches Szenario ausdenken müssen, um die Gesellschaft dieser Frau nicht allzu lange ertragen zu müssen.
Erschrocken schreit Helen kurz auf, als sie einen Schlag auf ihrem Hintern spüren kann. Sie weiß was das war, kann es aber nicht fassen. Wie können sich diese verdammten Männer nur herausnehmen jede Frau als Freiwild anzusehen? Hat sie auf ihrem Arsch etwa einen Zettel mit der Aufschrift "Schlag mich" kleben?
Wütend, weil sie dem Besitzer dieser freilaufenden Hand gehörig die Meinung geigen will, dreht sie sich um, kann aber kein männliches Gesicht sehen, dass vor Freude strahlt. Alle Anwesenden, die dem männlichen Geschlecht angehören, sitzen am Tresen und sind in irgendwelche Gespräche vertieft.
Schnaubend dreht sie sich wieder um, behält das Bier über sich im Auge und läuft weiter. Ihr Weg endet abrupt, als sie von der Seite aus so heftig angerempelt wird, dass Helen die Krüge nicht mehr halten kann. Wie ein Platzregen stürzen insgesamt drei Liter prickelnd kühles Bier über ihren Kopf. Wie ein abgestochenes Schwein kreischt sie laut auf, als sich das kalte Getränk einen Weg über ihren ganzen Körper sucht.
»Ups.« Das ist das erste was Helen neben sich wahrnehmen kann. Fassungslos blickt sie zur Seite. Das Bier tropft aus ihren Haaren. Kalt läuft es ihren Rücken hinunter und arbeitet sich sogar schon durch die Hose.
Entgeistert starrt sie Joy an, die neben ihr steht. Ihr Blick haftet auf Helens weißer Bluse, die aufgrund des Bieres nun auf ihrer Haut klebt.
»Ups?«, kreischt Helen entrüstet.
»UPS??« Von dieser schrillen Tonlage aus irgendwelchen Gedanken herausgerissen, hebt Joy ihren Blick. Sie richtet ihre Augen gänzlich auf Helen. Auch wenn diese viel zu wütend ist, bemerkt sie, dass Joys Augen dunkler geworden sind. Sie haben fast einen gierigen Ausdruck bekommen.
»Ihr verdammten Raudies! Eure Bullen haben mehr Verstand zwischen den Ohren, als ihr unter euren vollgedunsteten Hüten!!« Mit einem ohrenbetäubenden Knall, stellt Helen die leeren Bierkrüge auf einem fremden Tisch ab. Um sie herum ist es verdächtig still geworden. Kaum jemand traut sich zu atmen. Selbst Joy scheint alles vergangen zu sein.
Betroffen blickt sie Helen hinterher, die mit harten Schritten auf den Tisch zugeht, an dem Rob wie ein Unschuldslamm hockt. Helen braucht nicht ein Wort zu sagen, Rob folgt ihr gehorsam Richtung Ausgang.