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Zwei

Nora war früh am Morgen bereits im Pool geschwommen. Sie achtete sehr darauf, sich die schlanke Figur und körperliche Fitness zu erhalten. Jetzt trug sie das lange braune Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, hatte nach dem Duschen einen Hauch Parfüm aufgetragen und sich dann lediglich einen seidenen Kimono über den nackten Leib geschlungen. Jetzt balancierte sie auf einem übervollen Tablett zwei riesige Tassen Milchkaffee mit viel Schaum und wenig Zucker, Croissants, Marmelade, frisches Obst und Orangensaft. Sie genoss das gemeinsame Frühstück mit Bjarne, der seit einem knappen halben Jahr bei ihr auf ihrer Finca bei Algaida lebte und sein Studium und die Freunde in Deutschland vergessen zu haben schien. Als gäbe es eine geheime Absprache zwischen ihnen, rührten sie beide nicht an dem Thema. Nora ahnte, dass Bjarne sie und Mallorca irgendwann verlassen und nach Deutschland zurückkehren würde. Er war jünger als sie. Er musste sein Kunststudium beenden und war viel zu begabt, um alles hinzuwerfen. Und so sagte sich Nora jeden Morgen aufs Neue: Leb für den Augenblick. Genieße den gemeinsamen Tag mit ihm. Sie fragte ihn nie, ob er nach Deutschland telefonierte. Sie fragte nicht, ob er die Beziehung zu seiner Freundin Claudia beendet und dem Mädchen reinen Wein eingeschenkt hatte. Nora lief ganz anders als sonst – mit Scheuklappen durch die Welt, wie ein nervöses Pferd, und war froh, wenn sie nicht gezwungen wurde, jenseits ihrer kleinen, scheinbar heilen Welt den Dingen Beachtung zu schenken. Doch die Ausstellungseröffnung in Alejandros Hotel stand bevor. So wurden sie und ihr Lover gezwungen, sich mit der Welt außerhalb von Noras Finca und Atelier auseinander zu setzen. Früher war sie doch auch immer stark gewesen. Sie würden es schaffen und es vielleicht auch noch genießen.

«Mmh. Frühstück.» Bjarne räkelte sich im Bett und knurrte spielerisch wie ein junger Hund. Er stopfte sich ein paar Kissen in den Rücken, um sich aufsetzen zu können, nahm das Tablett entgegen und stellte es auf seine Knie. Nora glitt neben ihm unter die Decke, küsste ihn zärtlich auf die weichen Lippen und den stoppeligen Bart rundherum. Sie liebte seine braunen Augen, in denen jetzt der Schalk blitzte, liebte den dunklen Dreitagebart, der ihm ein leicht verwegenes Äußeres gab und ihn ein bisschen älter wirken ließ. Mit den Fingern fuhr sie liebevoll über seine behaarte Brust und zupfte spielerisch an den Härchen, bis er protestierte.

«Wir müssen heute zu Alejandro, um die Details zu besprechen.» Sie nahm einen Schluck Kaffee.

«Hatte ich befürchtet. Willst du gleich ein paar Bilder mitnehmen?»

«Kein schlechter Gedanke. Aber vergiss nicht: Es werden auch einige deiner Bilder ausgestellt.»

Bjarne zog skeptisch die Augenbrauen hoch. «Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich das möchte.»

«Aber natürlich hast du das. Ich habe entschieden. Du weißt sehr gut, dass es eine einmalige Gelegenheit für dich ist. Du stellst das erste Mal aus und das in einem quasi geschützten Raum. Da kann gar nichts schief gehen. Außerdem bin ich ja bei dir.» Nora tauchte die Spitze eines Croissants in die Marmelade und schob es Bjarne in den Mund. «Ende der Diskussion.»

Später am Nachmittag starteten sie in Algaida, überquerten die Insel und schraubten sich über Serpentinen hinauf zu Alejandros Hotel am Cap Gros, um von oben den atemberaubenden Blick auf Port de Sóller zu genießen.

«Ich bin jedes Mal wieder von diesem Ausblick überwältigt.» Nora schützte ihre Augen vor der Sonne und drehte sich langsam um hundertachtzig Grad.

«Ich habe eine gute Wahl mit dem Kauf getroffen. Ich weiß.» Die Stimme gehörte Alejandro, der aus dem Haus getreten war und nun gelassen um Noras Jeep herumkam und sie liebevoll an sich drückte. Auf Distanz bedacht, reichte Bjarne dem Spanier nur die Hand. Da sie vor ein paar Monaten gemeinsam erotische Abenteuer erlebt hatten, bei denen Bjarne Nora kennen lernte, fühlte er sich Alejandro gegenüber noch immer befangen. Nora hatte seinerzeit, gemeinsam mit drei beruflich überaus erfolgreichen Freundinnen aus Deutschland, eine Art privaten Sexfreundeskreis ins Leben gerufen. Auf Noras Finca vergnügten sich die Frauen einige Tage im Jahr mit jungen Männern, die von ihnen für Sexspiele engagiert und bezahlt wurden. Alejandro oblag die ehrenvolle Aufgabe, hierfür die passenden jungen Männer auszusuchen und mit ihnen Verträge über Bezahlung und Stillschweigen abzuschließen. Durch die Vermittlung eines Freundes nahm Bjarne, der sich aus einer finanziellen Misere befreien musste, Kontakt zu Alejandro auf und wurde sofort engagiert. Doch der hoch gewachsene Spanier, der auf Bjarne stets leicht überheblich oder sogar zynisch wirkte, verunsicherte ihn seither, denn er hatte darauf bestanden, dass Bjarne sich ihm nackt präsentierte, was etwas völlig anderes gewesen war, als nackt am FKK-Strand oder in der Sauna den Blicken anderer Männer ausgesetzt zu sein. Es gelang Bjarne nicht, den abschätzenden und zugleich lüsternen Blick zu vergessen, mit dem Alejandro ihn begutachtet hatte, als wäre er ein Stück Fleisch, das zum Verkauf auf dem Sklavenmarkt angeboten wurde. Seiner Meinung nach steckte in Noras engem Freund ein Hang zur Brutalität, die ihm möglicherweise selbst nicht bewusst war.

Nora amüsierte sich insgeheim über die Befangenheit ihres Liebhabers, war aber bemüht, sich das nicht anmerken zu lassen. Sie wollte ihren Lover nicht verletzen.

«Wir haben ein paar Gemälde dabei, um die Lichtverhältnisse zu testen.» Sie winkte Bjarne heran und hob mit ihm gemeinsam ein großes, in Folie eingewickeltes Bild aus dem Wagen.

«Ich schicke jemanden, der die Gemälde reinträgt. In der Zwischenzeit nehmen wir einen Drink und sehen uns noch einmal in aller Ruhe die Räume an. Wir haben bereits umdekoriert. Liliann und Carla kommen auch gleich», fügte er so selbstverständlich hinzu, als sei es ihnen nicht möglich, Entscheidungen ohne die beiden Freundinnen zu treffen.

Wie auf Kommando kam ein Wagen die Auffahrt herauf, und die beiden Frauen sprangen aus einem alten klapprigen Renault.

«Gut schaust du aus.» Nora betrachtete ausgiebig Lilianns teuren Gipsylook. «Solche Fummel trugen wir doch schon mal in den Siebzigern. Ich muss allerdings gestehen, dass der Zigeunerlook perfekt zu dir und deinem dunklen Haar passt. Die Kette ist natürlich das Highlight.» Sie zeigte auf ein großes rotes Kreuz, das an einer schweren Goldkette um Lilianns Hals hing. «Granate?»

«Und Rubine.» Liliann nickte. «Letzte Woche fertig geworden. Ich habe nur drei Stück angefertigt. In persönlicher Handarbeit. Möchtest du eins?» Sie fragte, als würde sie der Freundin Pralinen anbieten.

«Wenn du es ihr schon so schmackhaft machst, dann ist es bestimmt sündhaft teuer.» Alejandro beugte sich beim Begrüßen ein bisschen tiefer als notwendig über Lilianns Ausschnitt. «Du hast mehr Oberweite bekommen. Oder irre ich mich?» Letzteres flüsterte er so dicht an Lilianns Ohr, dass niemand der Umstehenden verstand, was er sagte.

«Das liegt an Carlas Kochkünsten, denen ich nicht widerstehen kann.»

«Was liegt an meinen Kochkünsten, Carla?» Carla nahm die zierliche Liliann in den Arm, als müsste sie sie beschützen.

«Dass ich langsam, aber sicher rund und fett werde. Alejandro hat das gleich gesehen.» Liliann befreite sich aus Carlas Umarmung. «Gehen wir an die Bar?» Sie blickte den Spanier fragend an. «Hattest du nicht etwas von Drinks gesagt?»

«Hatte ich. Aber vorher musst du mir verraten, ob du die alte Klapperkiste extra zu deinem lässigen Outfit gemietet hast.» Alejandro wies auf den Renaultveteranen.

«Wir hatten unterwegs mit Lilianns Wagen eine Panne. Der steht jetzt an der Tankstelle und wartet auf den Abschleppdienst. Als Ersatz gab uns der Typ an der Tankstelle diese Rostbeule. Sonst wären wir noch lange nicht hier.» Carla rollte melodramatisch die Augen und rang die Hände wie eine verzweifelte italienische Mamma, der die Spaghetti verkochten.

«Aah. Ein echtes Abenteuer. Und ihr wurdet von einem Edelmann gerettet, der euch sein stolzes Ross gab. Das gefällt mir.» Alejandro winkte den Frauen, ihm ins Hotel zu folgen. Bjarne ging mürrisch hinterdrein, weil er sich des vagen Gefühls, neben dem Spanier zu verblassen und sich in Luft aufzulösen, nicht erwehren konnte.

Während die Gruppe sich vom Barkeeper Felipe, der mit seiner Glatze und dem dunklen Spitzbart hinter dem Tresen ein echter Hingucker war, mit Cocktails verwöhnen ließ und dazu verschiedene Tapas probierte, die selbst Carla ins Schwärmen brachten, half Denise dem Hausdiener, die sechs schweren Bilder in den Ausstellungsraum zu tragen. Neugierig öffnete sie die Schutzhüllen, in denen die Gemälde verpackt waren, und betrachtete sie eingehend.

«Gefallen Sie Ihnen?» Bjarne trat dichter an die schlanke Blondine heran, die kurz errötete und sich dann für Angriff entschied.

«Sie gefallen mir gut. Was nichts heißt. Ich verstehe nichts von Malerei.»

«Jeder versteht etwas von Malerei. Man sollte sich immer für den Kauf eines Bildes entscheiden, weil es einem gefällt. Weil es etwas in einem zum Klingen bringt. Auf keinen Fall sollten Sie ein Bild als Geldanlage erwerben.»

«Warum nicht? Ich denke, genau das tun Sammler?»

«Das ist die richtige Antwort. Als Sammler sehen Sie die Geldanlage. Wenn Sie sich jedoch in ein Bild verlieben, werden Sie es nicht wieder hergeben wollen, selbst dann nicht, wenn man Ihnen mehr Geld bietet, als Sie dafür bezahlt haben.».

Denise rieb sich nachdenklich über ihren schmalen Nasenrücken. «Wenn Sie es so sehen, haben Sie natürlich Recht.» Sie lachte. «Ich habe sowieso nicht das Geld, mir eins dieser Bilder zu kaufen. Also stellt sich gar nicht die Frage, für welches ich mich entscheide und ob ich es als Geldanlage erwerbe. Außerdem sind die Bilder auch viel zu groß für meine kleine Wohnung.»

«Kommen Sie uns doch einmal besuchen. Dann zeige ich Ihnen die kleineren Formate.» Bjarne war dichter an Denise herangetreten, um mit ihr gemeinsam die Bilder anzusehen, die sie gegen die Wand gelehnt hatte. Er roch ihr Parfüm. Eine Mischung aus Freesien und Rosen, wie er glaubte. Sie trug ihre blonden Haare hochgesteckt, sodass die sanft geschwungene Nackenlinie betont wurde, die ihr etwas Schutzbedürftiges gab. Wie hypnotisiert starrte er auf den Nacken. «Ich würde Sie gern malen. Haben Sie schon einmal Modell gesessen? »

«Nein.» Entschlossen trat Denise ein paar Schritte von den Bildern und Bjarne zurück. «Aber ich würde mir gern die übrigen Gemälde ansehen. Vielleicht ergibt sich mal eine Gelegenheit.»

Bevor Bjarne antworten konnte, kamen Alejandro und die Frauen hinzu.

«Ach, hier bist du.» Nora griff Bjarnes Hand und schmiegte sich an ihn. «Ich habe dich schon vermisst. » Mit flinkem Blick versuchte sie zu erfassen, ob und was zwischen ihrem jungen Liebhaber und der Frau von der Rezeption geschehen war.

«Wir haben gerade festgestellt, dass unbedingt auch kleinere Formate gehängt werden sollten. Findet ihr nicht auch?» Bjarne beachtete Denise nicht länger, sondern widmete sich Nora und den Bildern. Rasch huschte Denise aus dem Raum, bevor Alejandro sie fragte, warum sie nicht an ihrem Arbeitsplatz war. Ihr Herz klopfte aufgeregt. Ob wegen Alejandros tadelndem Blick oder wegen Bjarnes Nähe, wusste sie nicht zu sagen. Und genau das gefiel ihr gar nicht.

Da im Hotel zurzeit kaum Gäste waren, stellte Alejandro sich selbst in die Küche und zauberte für seine Gäste Arroz negro, Reis mit Tintenfisch, verschiedene Salate mit gegrillten Gambas. Dazu reichte er einen köstlichen Tropfen aus dem Weinkeller. Zum Dessert überraschte er sie mit winzigen Stücken Marzipantorte mit getrocknetem Obst und einem Gläschen Arrope.

«Köstlich», schnurrte Carla.

«Ein Lob aus deinem Mund, liebste Carla, wiegt doppelt schwer. Ich trage es stolz wie einen Orden. » Alejandro stand so aufrecht, als hätte er einen Stock verschluckt, und schlug übertrieben die Hacken zusammen, was alle zum Lachen brachte.

«Die Zimmer sind fertig. Und wenn es nichts weiter zu tun gibt, würde ich gern Feierabend machen. » Denise wies mit kurzem Blick zur Uhr. Es war weit nach Mitternacht.

«Ja. Geh nur. Ich zeige meinen Freunden selbst die Zimmer. Gute Nacht.» Zu Denises Überraschung hauchte ihr Chef ihr einen zarten Kuss auf die Wange und zwinkerte ihr zu.

Liliann und Carla hatten Alejandro schon am frühen Abend nach einem Zimmer für die Nacht gefragt, da sie mit dem altersschwachen Wagen nicht im Dunkeln auf der Serpentinenstraße fahren wollten. Nora und Bjarne hatten von Anfang an eine Übernachtung im Hotel eingeplant. Im Gegensatz zu den beiden Frauen waren sie vorbereitet und mit einer gut gefüllten Reisetasche gerüstet.

Doch zu ihrer Überraschung bemerkten Liliann und Carla beim Betreten des Zimmers sofort, dass für alles gesorgt war. Wie von Zauberhand herbeigebracht, lagen zwei zarte Nachthemden auf dem Doppelbett. Im Badezimmer fanden sie von der Zahnbürste über Zahnpasta, Haarshampoo und Duschgel bis hin zur luxuriösen Tages- und Nachtpflege fürs Gesicht alles, was ihre Herzen begehrten. Auf dem kleinen Tisch im Zimmer thronte ein Kübel mit Eis, in dem eine Flasche Champagner wartete.

«Perfetto», seufzte Carla, während sie herzhaft gähnte und sich rücklings auf das Bett fallen ließ.

«Gefällt sie dir» Nora schmiegte ihren nackten Leib dicht an Bjarnes und strich mit ihren Fingern sanft und verführerisch über seinen Schwanz.

«Wen meinst du?» Bjarne stellte sich unwissend und gab sich alle Mühe, unbeteiligt zu wirken.

«Die kleine Blondine von der Rezeption.» Nora lächelte, als sich sein Penis nun doch zuckend erhob. Ob Bjarne wollte oder nicht, er reagierte immer auf Noras Zärtlichkeiten. Sie umfasste den Penis mit drei Fingern. Da er noch nicht zu seiner vollen Härte und Kraft gewachsen war, rieb sie ihn gefühlvoll zwischen Daumen-, Mittel- und Zeigefinger, bis sie spürte, wie er härter und die Eichel größer wurde. Jetzt beugte sie sich zu ihm hinunter, umzüngelte kurz den roten Knauf mit ihrer gierigen Zunge, bevor sie seinen Schwanz ganz in den Mund nahm. Nora achtete darauf, dass er freie Sicht auf das hatte, was sie tat. Und sie darin unterstützen konnte. Ihre Erregung wuchs, und sie sehnte sich nach seinen Berührungen. Kurz entschlossen änderte sie die Position. Die gute alte Neunundsechziger verlor nie an Reiz, auch wenn Bjarne ihr so nun nicht mehr beim Blowjob zusehen konnte. Sie steigerte seine Lust mit jedem Zungenschlag, so wie er die ihre. Unvermittelt ballte sie ihre rechte Hand über seine Hoden. Als wollte sie sie in ihrer Faust zerquetschen, übte sie zuerst sanften, dann immer festeren Druck aus, wobei sie die eifrige Arbeit ihrer Lippen und Zunge nicht für eine Sekunde unterbrach. Sie hatte ihn unter Kontrolle. Beherrschte seine Lust und wusste ganz genau, ob viel oder eher wenig Einsatz gefragt war. Jetzt umschloss sie die prallen, gepeinigten Hoden mit ihren Lippen, knabberte vorsichtig daran und zupfte mit den Schneidezähnen an den Hautfältchen. Mit der Hand hielt sie die pulsierende Eichel umspannt.

«Lange halte ich das nicht mehr aus.» Bjarnes Mund tauchte kurz aus ihrer Möse auf, und er schnappte nach Luft.

«Komm in meinem Mund. Ich will dich bis zum letzten Tropfen trinken.» Sie verschlang Bjarnes Schwanz, rieb mit nach innen gewölbten Lippen an dem geäderten Schaft entlang und sog ihm schließlich tatsächlich den letzten Tropfen Samen aus dem Leib. Im Augenblick seines Ergusses fuhr sie überraschend mit zwei Fingern tief in seinen Anus und entlockte ihm so einen befriedigenden unkontrollierten, heiseren Schrei. Am anderen Ende des Flurs hörte Liliann das Stöhnen. Sie stellte sich lebhaft vor, wie Nora und ihr Geliebter sich gegenseitig um den Verstand vögelten. Darauf bedacht, die schlafende Carla nicht zu wecken, schlich sie sich aus dem Bett. Auf nackten Füßen huschte sie über den Flur und wartete eine Weile mit angehaltenem Atem vor der Tür, bis sie auch Nora im Orgasmus schluchzen und befriedigt wimmern hörte. Die Härchen auf ihren Armen stellten sich auf, und mit sehnsüchtigem Gedanken an Alejandro eilte sie in ihr Zimmer zurück und drückte sich fest an die schlafende Geliebte. In manchen Nächten nahm eine unbestimmte Sehnsucht von ihr Besitz, die sie nicht schlafen ließ. Während der Zeit, in der sie Single gewesen war, hatte sie trotz ihres Verlangens nach Carla mit Männern geschlafen. Auch mit Alejandro. Trotzdem hatte sie damals geglaubt, dass sie sich hauptsächlich nach Carla und ihrer Liebe verzehrte. Das stimmte, aber nicht immer. Hier lag sie nun. Neben sich die begehrte und sonst schmerzlich vermisste Geliebte. Doch die genügte ihr plötzlich heute Nacht nicht. Sie wollte mit Alejandro zusammen sein. Sie wusste, welch guter, ausdauernder und überaus phantasievoller Liebhaber er war. Liliann schloss die Augen und rief sich die intimsten Momente mit ihm in Erinnerung, wobei sie ihre Brustwarzen streichelte und zwischen Daumen und Zeigefinger drückte, wie kleine Beeren, deren Saft sie herausdrücken wollte. Dann fuhr sie mit den Händen den Bauch hinab und strich durch ihr Schamhaar. Sie spreizte mit den Fingern die kleinen Hautfalten, unter denen sich die Klitoris versteckte, und reizte mit dem Mittelfinger der anderen Hand den kleinen Kopf. Im Nu war sie unglaublich feucht. Immer wieder tauchte sie die Finger tief in ihre nasse Möse und rieb danach erneut die Klit, bis sie schmerzte. Sie musste sich zum Höhepunkt streicheln. Doch sie wollte keinen sanften Orgasmus herbeisäuseln, sondern einen festen, harten, peinigenden, dessen Spasmen sie quälten und sie hinterher zwangen, sich wie eine Kugel zusammenzurollen. Früher hatte sie sich oft so hart befriedigt und war sich dabei fast unheimlich gewesen. Als sie begann, auch Frauen zu lieben, wurde der Sex oft sanft und ruhig, obwohl er auch mitreißend und heftig sein konnte. Irgendetwas sagte ihr jetzt, dass die wilde, die unerbittliche Liliann in ihr wieder zum Leben erwachte. Eine innere Stimme, deren Klang ihr noch sehr vertraut war, sagte ihr auch, dass es nicht beim Selbstbefriedigen bleiben würde.

«Du kannst eine gute Köchin sein, sogar eine begnadete Köchin – doch wenn du die Logistik nicht beherrschst, kannst du niemals Küchenchef sein.» Carla rauschte durch die Küche in Alejandros Hotel, öffnete sämtliche Schränke und Schubladen, hielt Weingläser gegen das Licht, kontrollierte mit der Stoppuhr, wie schnell die Herde die gewünschten Temperaturen erreichten, und fragte Alejandro und dem Küchenpersonal nebenbei Löcher in den Bauch.

«Und? Zufrieden? In fünf Sekunden auf zweihundert Grad.» Alejandro wies auf den Herd und die Stoppuhr und das Thermometer in Carlas Händen.

«Sehr witzig», schnaubte die Köchin verächtlich. «Du würdest ein Auto auch auf Fahrtüchtigkeit überprüfen, bevor du zur Tour Paris-Dakar startest.»

«Ich hätte nicht gedacht, dass du es für so schwierig hältst, vier Wochen lang unsere Küche zu übernehmen.»

«Damit allein ist es nicht getan. Deine Gäste erwarten etwas Besonderes. Du ebenfalls. Ich werde euch nicht enttäuschen. Doch zuerst», sie wedelte aufgeregt mit den Armen hin und her, und die feinen Linien zwischen ihren dunklen Augenbrauen gruben sich noch ein Stück tiefer ein, «zuerst muss ich hier einiges ändern.»

Ungeachtet des Murrens der übrigen Angestellten sagte Alejandro: «Die nächsten Wochen ist dies dein Reich. Du bist die Queen. Du regierst.» Er machte sich schleunigst aus dem Staub, bevor Carla die Chance hatte, weitere Details mit ihm zu diskutieren. Solange sie nicht die komplette Küche auf den Kopf stellte, wollte er auf ihre Kochkünste und auf ihre Fähigkeiten in Bezug auf Menschenführung vertrauen.

«Warte. Nicht so schnell.» Carla folgte ihm. «Eine Bitte noch.»

«Welche?»

«Wie du bestimmt gehört hast, schreibe ich an meinem vierten Buch. Ich dachte, es wäre eine willkommene Abwechslung, einige Fotos hier zu machen. Im Restaurant und in der Küche. Mallorca zieht immer.»

Alejandro nickte. «Kannst du gerne machen. Das wäre ja auch Werbung für uns.»

«Freut mich, dass wir das beide gleich sehen.» Carla rieb sich vergnügt die Hände und zog sich in die Küche zurück. Das war ja leichter, als sie gedacht hatte. Hoffentlich würde Alejandro auch noch so entspannt bleiben, wenn die Fotografen und Food-Stylisten ihre Arbeit begannen. Sie wusste aus Erfahrung, dass es zwischen ihr und dem Fotografen leicht zu Spannungen kommen konnte. Es war nicht nur eine Frage der Beleuchtung, der künstlichen Hilfsmittel, des Könnens und des Temperaments, wie schnell man sich darauf einigte, ob auf dem Foto ein Carpaccio vom Hummer weiβ-rot, rot-weiβ oder etwa rosa schimmern sollte. Wenn sie früh am Morgen diese Art Diskussionen mit einem Idioten von Fotografen führen musste, der meinte, ihre Speisen mit Farben und Lacken künstlich aufmotzen zu müssen, wurde sie noch vor dem Frühstück zur Furie und ließ ihrem italienischen Temperament freien Lauf. Diese Produktion sollte mit einem neuen Fotografen- und Stylistenteam erfolgen. Die ersten Vorbesprechungen waren gut verlaufen, und Carla hoffte inständig, dass es zu einer harmonischen Zusammenarbeit kommen würde. Doch garantieren konnte sie dafür nicht, weil sie nur zu gut wusste, dass diplomatische Winkelzüge nicht ihr Ding waren und sie den geradlinigen, wenn auch oft steinigen Weg nahm und niemals Konfrontationen aus dem Weg ging. Möglicherweise standen ihnen allen turbulente Wochen ins Haus.

Lucas Bauer nahm den silbernen Brieföffner und rückte dem Umschlag damit so zu Leibe, als wollte er ein Schwein abstechen. Hastig überflog er den formell verfassten Brief. Dieser Idiot Rohner ließ ihn weiter zappeln. Es würde noch einmal sechs Wochen dauern, bis man eine endgültige Entscheidung fällen würde, ob man mit ihm den Pachtvertrag abschloss oder mit seinem schärfsten Konkurrenten. Er sei aber keineswegs aus dem Rennen und möge sich daher noch gedulden. Pah. Wütend zerriss er den Brief und warf die Schnipsel in den Papierkorb. Gleich darauf durchsuchte er fluchend die Papierhaufen auf seinem Schreibtisch. Irgendwo musste doch noch das Angebot dieses Spaniers sein, der ihn für sein Restaurant auf Mallorca haben wollte. Vier Wochen Mallorca waren doch nicht schlecht. Er würde schon das Beste daraus machen. Wenn der Hai Rohner und seine Putzerfische glaubten, er würde jetzt sechs Wochen lang verzweifelt an den Nägeln kauen und sich am Ende auf all ihre Bedingungen einlassen, dann hatten die sich aber tief in den Finger geschnitten. Mit ihm nicht. Triumphierend fischte er den Vertrag aus den verstreuten Unterlagen, unterschrieb in der dafür vorgesehenen Spalte, faltete das Papier und schob es gemeinsam mit einer kurzen handschriftlichen Notiz in einen Umschlag. Mallorca, ich komme, dachte er. Peggy Rohner würde ein paar Wochen ohne ihn auskommen müssen. Schließlich hatte er eine gute Ausrede. Den Beruf ernst zu nehmen war bestimmt auch für Papa Rohner eine schöne Charaktereigenschaft, und wenn er den Pachtvertrag schließlich in der Tasche hatte, würde sie ihn ohnehin nicht mehr zu Gesicht bekommen. Es gab Bessere im Bett als ausgerechnet Peggy.

Tanz der Sinne

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