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2.

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Kaltfeuer

Vorsichtig zog Schnatterschnabel den Kopf ein wenig unter dem Flügel hervor. Es war immer noch dunkel. Kaum etwas war vom See und den Ufergewächsen zu sehen.

Wenigstens gab es das Schimmern um diese gewaltige Blume, die in einem der anderen Seen steckte. Und Leuchtpunkte auf den riesigen Fliegen, die ohne Flügel um die Blume herumschwirrten.

Wobei deren violettes Leuchten Schnatterschnabel eigentlich gar nicht gefiel. Es wirkte nicht, als könnte es Wärme schenken. Genau wie das Schimmern. Alles war kalt.

Schnatterschnabel lauschte. Beim letzten Licht hatte sehr viel Lärm geherrscht. Aber als die Scharführerin zu Aufbruch und Flucht gerufen hatte, war es plötzlich dunkel geworden, und sie mussten bleiben.

Probeweise stieß Schnatterschnabel einen Ruflaut aus. Keiner aus ihrer Schar schien in der Laune zu antworten.

Sie schüttelte die dünne Schneeschicht ab, die sich auf ihrem Gefieder gesammelt hatte, und arbeitete sich etwas tiefer in die schützende Laubschicht. Das Eis auf einigen der Blätter brach knackend.

Schnatterschnabel schob den Kopf wieder unter den Flügel.

*

Mit verschränkten Armen lehnte Reginald Bull an der Wand und starrte zur Decke hoch.

Irgendwo dort, zwanzig Kilometer über ihnen, schwebte eine Stadt im Weltraum, nur mit einem Gerüst verbunden. Eines Tages sollte aus diesem Gerüst eine Kopie des Mondes Ganymed werden, auf dem die Stadt einst erbaut worden war. Reste des alten Mondes und Brocken aus den Asteroidengürteln wurden seit acht Jahren herangeschafft und an den Verstrebungen verankert.

Irgendwann würde das nicht mehr notwendig sein, weil die Schwerkraft der akkumulierten Masse ausreichte, die neuen Lieferungen zu halten. Doch dieser Zeitpunkt lag Jahrzehnte in der Zukunft. So lange hielt nur das Stahlskelett alles zusammen.

An einer der ersten installierten Streben, sozusagen dem Rückgrat des Mondes, hing ein wenig bemerkenswerter Asteroid. Er war grob ellipsoid, drei Kilometer in der langen Achse, während er in der kurzen Achse nur etwa 500 Meter maß, zum Teil auch weniger. In seinem Inneren war eine Höhle von etwa 150 Metern Durchmesser geschaffen worden, um darin ein 100 Meter hohes fassförmiges Gebilde mit einem Durchmesser von 80 Metern in der Mitte und 60 Metern an den Enden zu verankern.

Ein Fass, das Noahs Arche zurzeit alle Ehre machen würde. Wir haben einen Utrofaren, der nicht mehr als Galionsfigur eines Fagesy-Schiffes dienen will. Ein cheborparnisches Au-pair-Mädchen und ihren terranischen Schützling. Die Überbleibsel einer dilettantischen Widerstandsgruppe aus Terrania samt ihrer übergelaufenen Fagesy-Geisel. Einen Sayporaner, der einen terranischen Journalisten adoptiert hat und ebenfalls nicht allzu glücklich mit dem Handeln seines Volkes ist. Die komplette Besatzung der BOMBAY, die darauf wartet, aus dem Tiefschlaf geweckt zu werden, in den sie fagesische Nanogenten geschickt haben. Und natürlich die ursprüngliche Besatzung, die Homer G. Adams hier eingesetzt hat, als er das Kastell als Rückzugsort seiner Society of Absent Friends ausgestattet hat. Wenn das so weitergeht, platzt das Fass bald aus allen Nähten.

»Lass mich mitgehen.«

Reginald Bull senkte den Blick zu dem Sprecher. Es war Oachono, mit dem er sich eben über die möglichen Sicherheitsvorkehrungen in der Solaren Residenz unterhalten hatte. Die beiden Arme, die der schlangensternartige Fagesy während seiner Entführung verloren hatte, waren schon fast wieder auf ihre volle Länge von über drei Metern angewachsen und kaum noch von den anderen dreien zu unterscheiden.

»Es geht nicht«, antwortete Bull. »Am Anfang kann nur ich allein reingehen. Sollte ich Erfolg haben, ist es wichtig, Leute nachzuholen, die sich in der Solaren Residenz auskennen oder ganz spezifische Fähigkeiten haben, die dort von Nutzen sind. Auf dich trifft leider weder das eine noch das andere zu.«

»Ich könnte mit den Fagesy reden, die dort stationiert sind.«

»Sie alle haben von deiner Ansprache gehört. Sollte einer von ihnen seine Waffen niederlegen wollen, wird er das auch ohne deine Anwesenheit tun. Andererseits könnte aber jemand, der dich als Verräter sieht, sich dazu hinreißen lassen, dich zu töten. Das Risiko ist deutlich höher als der mögliche Nutzen. Ich möchte dich lieber hier in Sicherheit behalten, für den Tag, an dem wir zu deinem Volk friedlichen Kontakt aufbauen können.«

»Du wirst keinen von ihnen dazu bringen können, sich zu ergeben. Sie ekeln sich vor Achsensymmetrischen wie dir.«

»Wenn ich erst in meinem Kampfanzug stecke, sehe ich fast aus wie ein Fünfstrahler, also mach dir darum keine Sorgen. Die Antwort ist ›Nein‹, und sie bleibt ›Nein‹. Und jetzt muss ich weiter. Danke für deine Hilfe!«

Der Fagesy hob einen Arm. Ob die Geste ein Abschied war oder etwas anderes, wusste Bull allerdings nicht.

Der Terranische Resident setzte seinen Rundgang durch die Räume der Krankenstation des Kastells fort.

Shamsur Routh schlief unter der Obhut der Geräte. Die Prognose hatte sich nicht geändert: Der Journalist war nicht einsatzfähig und würde es wohl auch nie wieder werden. Trotz der kurzen klaren Gespräche, die sie miteinander geführt hatten, hatte sein behandelnder Arzt klar zu verstehen gegeben, dass Rouths neuronale Struktur fortschreitenden Schaden nahm. Sein Geist zerfiel. Kirte Otorongo gab ihm nur noch wenige Wochen.

Vermutlich hatte das biomechanische Gerät, das Routh am Arm trug, etwas damit zu tun. Bislang hatte man ihm allerdings nicht entlocken können, woher er es hatte oder welchem Zweck es diente. Sein sayporanischer Adoptivvater Chourtaird hatte im Lauf eines Gespräches behauptet, es bilde eine glückliche Einheit mit Routh. Das war bislang die einzige Aussage, die sie dazu erhalten hatten, und sie war sehr in Zweifel zu ziehen. Sonderlich glücklich war Routh im Moment nicht.

Der Resident verwarf den Gedanken, auch Chourtaird aufzusuchen. Er konnte ihm im Moment nicht helfen. Beim kommenden Einsatz kam es auf Bulls eigenes Wissen und Erfahrung an.

Es wurde Zeit, die Dinge anzugehen.

*

»Es ist demütigend. Eine Schande. Inakzeptabel.«

Marschgeber Velgren hielt den hinteren Arm hochgereckt, um seine Entrüstung auszudrücken.

»Wir haben die Kontrolle, und uns werden die Hände gebunden. Unsere Mannschaften werden sinnlos über die Welt der Räuber verstreut, wo sie nichts finden werden. Wer wohl kann nur den Diebstahl ALLDARS begangen haben? Ihre Kämpfer! Ihre Flotte! Hier oben müssen wir nach den Antworten suchen, aber jetzt, da wir es frei tun könnten, werden uns die Hände gebunden!«

Marschgeber Tulerans Armspitzen zuckten zustimmend.

»Stattdessen sollen wir tatenlos zusehen, wie uns die Kontrolle wieder entrissen wird«, fuhr Velgren fort. »Ich sage: Nein! Sollen sie da unten sich von den Terranern einlullen lassen – wir hier oben denken weiter so klar wie der Weltraum. Und darum müssen wir selbst die Initiative ergreifen, ehe alles zu spät ist. Wir werden herausfinden, wo sie ALLDAR hingebracht haben!«

Eine Projektion der Umgebung ihrer Sternengaleonen erschien. Sein Arm stieß vor, direkt auf ein Schiff der Feinde zu. Es war ein beeindruckendes Schiff, größer als eine Sternengaleone.

»Wir werden auf dieses Schiff gehen. Ich habe ein größeres Schiff gewählt, weil sie wichtige Daten nicht auf irgendwelchen kleinen Schiffen haben werden. Wir werden zu ihrer Positronik vordringen und uns holen, was wir wissen wollen – alles über ihre Flotte, ihre Technik und vor allem über ALLDAR! Wir werden beweisen, dass sie schuldig sind, und diesen verleumderischen Gerüchten über einen Betrug der Nachhut ein Ende setzen!«

»Jawohl! Das werden wir!« Tuleran war begeistert.

Machono reagierte zurückhaltender. »Das ist offene Befehlsverweigerung«, sagte er. »Man könnte es als Verrat auslegen.«

»Der Hohe Marschgeber Chossom ist von diesem ekligen Lateralen, diesem Marrghiz, in die Irre geführt worden. Ist es nicht unsere hohe Pflicht unserem Volk gegenüber, solche Irrtümer zu erkennen und ihnen entgegenzusteuern? Wir dürfen keine blinden Befehlsempfänger sein! Wir müssen tun, was das Richtige ist: für unser Volk, für ALLDAR!«

»Für ALLDAR«, wiederholte Tuleran.

Machono kippte die Zentralscheibe.

»Also gut. Ich helfe dir. Aber ich unterstelle meine Leute nicht deinem Befehl.«

Velgren beherrschte seine Arme und zeigte nicht, wie wenig ihm diese Einschränkung gefiel. »Solange wir uns einig sind, ist das nicht von Belang«, sagte er. »Sie haben uns nichts entgegenzusetzen. Wir werden siegen. Für ALLDAR!«

*

Ein Déjà-vu-Gefühl erfasste Reginald Bull, als er in der TOLBA materialisierte. Sekundenlang flimmerte auf seiner Netzhaut ein Nachbild, das an eine vielfarbig schimmernde, ovalen Linse erinnerte. Es erinnerte ihn an etwas aus der fernen Vergangenheit, etwas Verschollenes. Er haschte nach der Erinnerung und glaubte bereits, sie zu haben, als eine Stimme sie ihm wieder entriss.

»Willkommen, Bully. Ich hoffe, du hast die Zeit nutzbringend einsetzen können.«

Wie immer ganz in Weiß stand Delorian in dem kahlen Raum. Bull trat von dem Podest, auf dem er erschienen war. Weder ein Käfig noch ein Torbogen ragte darüber auf. Entweder waren die Anlagen unsichtbar in die Wand dahinter eingelassen, oder das Podest selbst diente als Empfangsstation, ähnlich den Transitparketts der Sayporaner.

»Ich denke, ich habe sie gut genutzt, ja.« Er klopfte gegen den Zusatztornister, der am Rücken seines SERUN-Kampfanzuges hing. »Alles beisammen, was in der Stahlorchidee nützlich sein könnte.«

Delorian nickte. »Gut. Dann lass uns rüber zu den anderen gehen. – Übrigens habe ich in der Zwischenzeit weitere Informationen erhalten, die möglicherweise Anlass zur Eile geben.«

Bull trat hinter Delorian in eine sanft gebogene Röhre. Der irisierende Schimmer der Wände machte es schwer, ihre Entfernung zu schätzen oder auch nur, wie lang der Gang war und wohin er führte. Wäre nicht Delorian sicheren Schrittes vorausgegangen, Bull hätte schon bald die Orientierung verloren.

»Was für Informationen wären das?«, fragte er im Gehen.

»Ein Hyperfunkgespräch zwischen der Solaren Residenz und einem Nagelraumer der Spenta, die in der Sonne tätig sind.«

Bull dachte an das, was Chourtaird ihm berichtet hatte. Nur einige spezielle Sayporaner waren in der Lage zum Gedanken- und Gefühlsaustausch mit den Mosaikintelligenzen der Spenta. Ihnen war es zu verdanken, dass überhaupt Sayporaner auf den Nagelschiffen geduldet wurden. Aber auch mit einem sogenannten Spenta-Explikator war die Kommunikation schwierig. Nicht selten färbte die Art der Spenta, in größeren Dimensionen und Zeiten zu denken, auch auf die mit ihnen verbundenen Sayporaner ab.

»Muss ein längeres Gespräch gewesen sein«, vermutete er.

»Nicht einmal. Es war wohl die Antwort auf eine frühere Anfrage. Explikator Chourwayrs hat berichtet, dass die Verunreinigung in der Sonne gelöst und bereit zum Abtransport sei. Nach all unseren bisherigen Erkenntnissen muss es dabei um den Leichnam von ARCHETIM gehen. Sie bauen für den Transport gerade eine Ephemere Bahre. Das Gebilde, das über dem Südpol der Sonne die ultragravitationelle Ephemerfolie durchstößt ...«

»Der Förderturm.«

Bull hatte Bilder von dem Konstrukt gesehen. Er selbst war vor Ort in der Sonne gewesen, als die Spenta zum ersten Mal in sie eingedrungen waren und ihr Werk begannen. Im Verbund zwischen Sarmottes Fähigkeit, Informationen aus einem Geist zu extrahieren, und den Analysefunktionen der Bordpositronik der AMATERASU war ein Bild über das entstanden, was die Spenta taten: Sie schufen quasi aus dem Nichts ganze Fabriken aus sogenannter Ephemerer Materie, die aus der Energie der Sonne erzeugt wurde. Die Formen waren quasi erträumt und entstanden direkt, ohne langwierigen Zusammenbau.

So hatten sie die Fimbulkruste geschaffen, unter der die Sonne zu einem lichtlosen Ball von mehr als dreißig Millionen Kilometern aufgebläht war. Auch der siebenseitige »Förderturm« war so entstanden, der mehrere Kilometer über dem Südpol der Fimbulkruste in eine Spitze auslief.

»Über ihn soll der Korpus in der Ephemeren Bahre extrahiert und zu einem ebenfalls aus Ephemerer Materie erzeugten Transitparkett gebracht werden, das einige Lichtsekunden außerhalb der Fimbulkruste wartet«, setzte Delorian seinen Bericht fort. »Von dort wollen sie ihn zu seinem Bestimmungsort abstrahlen. Uns bleibt nicht viel Zeit, das zu verhindern.«

ARCHETIM. Jene Superintelligenz, deren Leichnam seit Urzeiten als sechsdimensional schimmerndes Juwel in der Sonne lag. Ein Leuchtturm, der schon das eine oder andere Problem angezogen hatte.

Unwillkürlich tastete Bull nach dem kleinen Finger seiner linken Hand. Der Anzug verbarg, dass das letzte Glied noch nicht wieder ganz nachgewachsen war. Doch es war nur eine Frage von Tagen, bis nichts mehr von der Wunde zeugen würde, dank dem Zusammenspiel moderner Medizin und seines Zellaktivatorchips. Das änderte jedoch nichts an dem Pakt, den er mit Chourtaird geschlossen und durch die völlig unkritische Amputation besiegelt hatte.

Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Sollen sie doch.«

Delorian blieb stehen, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Er starrte Bull an. Ungerührt ging dieser weiter und trat aus dem Gang in einen Raum, der ringsum in Messing erglänzte.

*

Vier Personen erwarteten sie in dem Messingraum. Zwei davon kannte Reginald Bull bereits. Er stellte den Tornister mit Zusatzausrüstung ab und nickte Shanda Sarmotte zu.

Shanda arbeitete für ihn, seit er sie mit in die Sonne genommen hatte, um etwas über die Motive der fremden Lebewesen herauszufinden, die sie inzwischen als die Spenta kannten. Mit ihrer Parafähigkeit als Informationsextraktorin hatte sie ihm seither in mehreren Situationen wertvolle Hilfe liefern können. Er hatte sie Delorian nicht nur zur Unterstützung mitgegeben, sondern auch in der Hoffnung, dass sie etwas mehr über den Chronisten und seine Helfer herausfand.

Der schwarzhaarige Mann neben Sarmotte war eine Spur kleiner als die Mutantin, dabei aber muskulös gebaut. Sein weites Gewand wurde von einen Gürtel zusammengehalten, an dem neben einem kleinen Säckchen eine Kalebasse aus rauchigem Glas baumelte.

Bull ging auf den Mann zu. Er deutete auf das Schildchen, das dieser an einer Kette um den Hals trug.

»Du bist Toufec, und das schreibt man so, oder?«

Weiße Zähne blitzen in dem braunen Gesicht auf. »Sie haben es tatsächlich alle richtig geschrieben. Es war ein schlauer Schachzug.«

»Ich bin Reginald Bull. Es freut mich, dich kennenzulernen.«

»Tränke das Kamel, solange das Wasser da ist. Ich bin ebenfalls froh, die Gelegenheit zu haben, einen so bedeutenden Mann persönlich zu treffen.«

Ein weiteres Paar saß weiter hinten im Raum in sehr bequem wirkenden Formsesseln. Delorian, der sich offensichtlich inzwischen von seinem Schock erholt hatte, tauchte neben Bull auf und stellte es vor.

»Clara Esleve und Duncan Talbot. Weitere Mitglieder meines Bundes der Sternwürdigen.«

Die Namen waren fast so altertümlich wie Toufecs Erscheinung. Es schien, als hätte Delorian seine Begleiter aus der Geschichte zusammengeklaubt.

Bulls Blick blieb an der Frau hängen. Sie war schön, auf eine Art, die einem die Sinne verwirrte. Ihr langes Haar fiel in samtschwarzen Wellen über Schultern und Rücken. Es umrahmte ein Gesicht, in dem ebenso schwarze Augen dominierten. Ihre Haut war blass, als hielte sie sich zu selten in der Sonne auf, dabei glatt und seidig schimmernd.

Alabaster und Obsidian.

Als Bull ihr zunickte, sprang ein Schatten auf ihre Schulter und ließ sich darauf nieder. Aus smaragdgrünen Augen musterte eine halb durchsichtige Katze den Residenten. Sie wirkte unscharf an den Rändern, wie das rauchige Glas an Toufecs Gürtel. Clara erwiderte Bulls Nicken mit einem Lächeln.

Der Mann neben ihr stand auf und trat auf Bull zu. »Guten Tag, Resident.«

Er streckte Bull die Hand hin. Sie wirkte groß im Verhältnis zu der hageren Figur und steckte in einem schwarzen Handschuh. Bull nahm die Hand, zuckte jedoch fast wieder zurück, als das Gefühl rieselnden Sandes seine Handfläche prickeln ließ. Nach einem kurzen Druck ließ er sofort wieder los.

»Erfreut«, sagte er, während er die Handfläche unauffällig an seinem SERUN rieb, um den Nachhall des Kribbelns loszuwerden. »Wir haben den Sternwürdigen schon jetzt viel zu verdanken.«

»Keine Ursache.« Talbot kehrte zu seinem Sessel zurück.

Bull wandte sich wieder Delorian zu und streifte dabei Shanda mit seinem Blick. Sie nickte kaum merklich. Er nahm es als Zeichen, dass die Sternwürdigen ihrer Meinung nach in Ordnung waren.

»Also machen wir uns auf den Weg. Wie bekommen wir die drei Sternengaleonen in den Griff, die dort patrouillieren? Sie sollen den Vorstoß der Bodentruppen nicht behindern, wenn der Schutzschirm fällt.«

Delorian neigte den Kopf zur Seite. »Jedes Beiboot der LEIF ERIKSSON ist stärker als ein Ovoidraumer. Selbst wenn alle sechzig im Solsystem befindlichen Sternengaleonen sich zum Angriff auf das Flaggschiff entschlössen, könnte Ollaron sich spielend ihrer Haut erwehren, ohne den Blick von der Residenz nehmen zu müssen. Die Stärke der Fagesy-Schiffe sind ihre Kampf-Ovula, aber dagegen gewähren meine Nanogenten Schutz.«

Bull schürzte die Lippen. »Du weichst meiner Frage aus.«

»Setz die Beiboote ein. Ich halte die TOLBA als Trumpf in der Hinterhand für etwaige Überraschungen. Jetzt fliegen wir aber nur mit einem Gleiter zur Residenz.« Er deutete zur Seite.

Bull schaute in die von Delorian bezeichnete Richtung und staunte. Eben war die Wand an dieser Stelle völlig glatt gewesen. Nun zeigte sich eine deutliche Einbuchtung, die immer tiefer wurde. Ein neuer Raum formte sich, ellipsoid und von stetig wachsender Größe.

Delorian ging voran, auf den sich neu bildenden Bereich zu. Shanda stand auf, um ihm zu folgen. Sofort verschwand ihr Stuhl im Boden, als wäre die Materie von diesem zurückgesogen worden. Es schien sie nicht zu verwundern. Offensichtlich hatte sie genug Zeit gehabt, um sich an die Eigenarten der Umgebung zu gewöhnen.

Bull nahm seinen Tornister wieder auf und folgte, auch Toufec schloss sich an.

Kaum hatte Bull die unsichtbare Grenze zwischen altem und neuem Raum überschritten, wuchsen Boden und Decke aufeinander zu. Gleichzeitig bildeten die Wände immer klarere Strukturen aus, Kontrollen und Schirme wurden erkennbar. Bilder der Umgebung entstanden erst schattenhaft, dann immer klarer.

Bull erkannte, dass sie sich bewegten. Die TOLBA schob den neu gebildeten Raum aus ihrem Inneren.

Delorian machte vor einem Pult eine Bewegung, als wolle er sich setzen. Sofort wuchs ihm ein Formsessel entgegen. Auch Shanda und Toufec setzten sich auf diese Weise.

Bull betrachtete den Boden. Er wirkte weder besonders hart noch weich. Das Messing war sandfarben geworden und hatte nun eher den Anschein von gegossenem Plastmaterial. Er stellte den Tornister ab und senkte probeweise das Becken nach hinten.

Sofort spürte er die Berührung einer weichen Fläche, die so lange unter seinem Gewicht nachgab, bis eine bequeme Sitzstellung erreicht war. Mit einem zufriedenen Seufzen lehnte er sich zurück.

Sie schwebten inzwischen frei über der Landefläche des Aldebaran Space Port. Delorian legte die Hände auf das Pult vor sich. Ohne dass die Beschleunigung innen spürbar gewesen wäre, schoss der Gleiter in das nächtliche Terrania.

Bull drehte den Kopf. Die TOLBA sah von außen wie ein altersschwacher Kreuzer der MINERVA-Klasse aus. Die Farbe der Buchstaben auf seiner von Dellen und Kratzern übersäten Hülle war gerissen und blätterte an vielen Stellen ab. Dennoch konnte man mit etwas Mühe den Namen noch entziffern.

GLIMMER II.

Bull lächelte schief.

Auch eine Form von »Zurück in den Mutterleib«, hm?

Perry Rhodan 2658: Die Stunde des Residenten

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