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Georg Lauscher

Einsamkeit(en) in der geistlichen Begleitung

Geistliche Begleitung

Ist geistliche Begleitung nicht gerade dafür da, Einsamkeiten zu überwinden? Warum Einsamkeit viel mehr auch die Voraussetzung dafür ist, einen begleiteten Weg zu gehen, legt Georg Lauscher aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung als geistlicher Begleiter und Arbeiterpriester dar. Wir erfahren außerdem, warum diese (nicht jede) Einsamkeit gar nicht in die Vereinsamung führt, sondern dass sie uns zu uns selbst und damit zu Gott führen kann.

»Verursache keine Unannehmlichkeiten! Lebe gefälligst so, wie deine Eltern gelebt haben! Sei selten, besser nie allein! Allein-sein ist gefährlich und unnütz. Tritt in Cliquen, mit Freunden, in familiären Gemeinschaften und Interessenkreisen auf! Allein bist du wenig wert.«1 Diesen traditionellen Grundmaximen scheint der moderne Individualismus radikal zu widersprechen. Und doch blieb viel Altes unter modernem Gewand erhalten. Wer kennt nicht bei sich selbst und bei anderen internalisierte Apelle wie: »Verursache keine Unannehmlichkeiten! Pass dich an! Sei besser nicht allein!«

Radikal anders setzt Jesus an: »Sofort rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach« (Mk 1,20). Hier ist ein einsamer Sprung heraus aus dem vertrauten Herkunftsmilieu in unbekannt Neues angesagt – und dabei ist die auftauchende Angst vor der Einsamkeit zu überwinden!

In einsamer Entschiedenheit einen neuen Weg unter die Füße zu nehmen ist notwendig, um in eine grunderneuerte Existenzweise zu finden. Um in Gott gegründet zu sein, muss eine*r einkehren in den ureigenen Lebensgrund. Das Man wie auch das Ego lernen zu(m) Grunde gehen, sonst bleibt alles beim Alten.

In der geistlichen Begleitung ist keine der beteiligten Personen allein, auch nicht isoliert oder vereinsamt. Weil es sich um eine asymmetrische Beziehung handelt, kommt aber der Erfahrung der Einsamkeit, hier positiv verstanden als Erfahrung einmaligen, unvertretbaren Person-seins, eine entscheidende Bedeutung zu. Ähnlich wie in Bibel und geistlicher Tradition werde ich zwischen Einsamkeit und Alleinsein nicht trennscharf unterscheiden.

Die folgenden Ausführungen sind auf meinem Lebenshintergrund zu verstehen, sind also nicht allgemeingültig, doch hoffentlich anregend: Ich lebe zölibatär und führe i. d. R. täglich mehrere Begleitgespräche, fast ausschließlich mit hauptberuflich in unterschiedlichen pastoralen Feldern tätigen Gemeinde- und Pastoralreferent*innen sowie Diakonen und Priestern. Um der besseren Lesbarkeit willen wähle ich für die begleitete Person die weibliche, für die begleitende die männliche Form.

Die Einsamkeit des Begleitenden

In der geistlichen Begleitung geht es in Tiefenschärfe um diesen einen Menschen mit dem einen und einenden Gott in allem, was zu diesem einen Leben gehört. Dieser Erfahrung hat vor jeder Begleitung der Begleitende sich selbst zu stellen. Das ist die Basis: der eigene, in einsamer Entschiedenheit verantwortete geistliche Lebensweg.

Wider den Zeitgeist des Individualismus betonen Kirchenleute heute das Gemeinsame. Das ist gewiss angebracht. Übersprungen wird dabei oft die unvertretbare Einsamkeit des Einzelnen. Das Mönchische in jedem Menschen,2 der monachos, der es immer wieder nötig hat, ja sich danach sehnt, allein zu sein mit dem Alleinigen, wird vernachlässigt. Nach Evagrius Ponticus ist ein Mönch – ich erweitere: ist ein geistlicher Mensch – einer, »der sich von allem getrennt hat und sich doch mit allem verbunden fühlt«.3 Wer zum Dienst der geistlichen Begleitung angefragt ist, wird diesen meines Erachtens nicht ohne eine im weiten Sinne monastische Lebensweise tun können. Denn er hat diesen existenziellen Spagat zu leben: sich radikal einsam dem göttlichen Geheimnis anzuvertrauen, um von daher gelassen und frei zu sein, die zu begleitenden Personen zu empfangen. Erst wenn er nicht mehr auf sein Ego und seine Interessen bezogen ist, nur wenn er in seinem einsamen Grund verwurzelt ist, wird er innerlich frei, um in klarem Gegenüber präsent zu sein und zugleich einen heilsamen Resonanzraum zu ermöglichen. Nach dem Begleitgespräch spürt er nach in einsamer Zweisamkeit mit dem geheimnisvoll lebendigen Gott. Der Begleitende geht also von seiner einsamen, verborgenen Gebetsverbindung her ins Gespräch und kehrt danach wieder ins einsame Beten zurück. Vor, während und nach dem Begleitgespräch vertraut er die Begleiteten wie ebenso sich selbst dem verborgen begleitenden Gott an. Der Begleitende ist allem voran ein Betender, einer, der – wie die ganze Kirche – aus der Epiklese, dem Herabrufen des Heiligen Geistes lebt.4 Treffender denn als monachos wäre er ein pneumatikos zu nennen, einer, der »obwohl er (wie sein Gegenüber) den Geist empfangen hat, seufzt und sich nach ihm ausstreckt. So nimmt sich der Geist seiner und der anderen Schwachheit an …« (vgl. Röm 8, 23.26)

In ihr übe ich mich darin, möglichst ledig und frei dem Leben zu begegnen, also möglichst wenig meine Vorstellungen, Stimmungen, Wertungen, Wünsche mir selbst und anderen überzustülpen.

Mein Leben in sozialen Brennpunkten und Fabriken wurde mir zu einem beständigen Einüben in eine kontemplative Lebenshaltung unter säkularen Bedingungen. Unter kontemplativer Lebenshaltung verstehe ich eine eher schweigende, absichtslose, liebend aufmerksame Haltung dem Leben gegenüber. In ihr übe ich mich darin, möglichst ledig und frei dem Leben zu begegnen, also möglichst wenig meine Vorstellungen, Stimmungen, Wertungen, Wünsche mir selbst und anderen überzustülpen. Es ist ein Lieben als Seinlassen, Freilassen, Sich-entwickeln-lassen und Anregen.

Diese Liebe geht so weit, »Gott Gott sein zu lassen« (Meister Eckhart). Gott – den vorgestellten, anerzogenen, theologisch gedachten und fromm gefühlten Gott – zu lassen um Gottes willen, auf dass er sich ereignen und zeigen kann im offenen Raum der Begleitung. Dazu gehören nach Meister Eckhart Hingabe und ein waches Wissen darum, worauf das eigene Innere mitten in den Weltverhältnissen und Beziehungen ausgerichtet ist. Darum muss er »eine innere Einsamkeit lernen, wo und bei wem er auch sei.«5 Nur aus solchem innerlich Gegründet-Sein kann ein Mensch in den unterschiedlichen Beziehungen »ungezwungen wirken«6. Dazu bedarf es auch der Zeiten äußerer Einsamkeit. Mir persönlich ist es unverzichtbar geworden, morgens eine längere stille Zeit in kontemplativem Beten zu verweilen und anschließend die Psalmen des Morgenlobes zu singen sowie jeden Tag in einsamer Stille ausklingen zu lassen. Dies hilft mir, mich und alles Empfangene in göttlicher Gegenwart zu relativieren. Wegen des vielen Sitzens in Gesprächen, gehe ich abends eine kleine Runde unter Gottes freiem Himmel durch die Straße oder den Garten und zum Abschluss vor den Herrn in seiner leibhaftigen, eucharistischen Gegenwart. Im Tagesverlauf ist mir die kontemplative Grundhaltung verbunden mit dem Herzensgebet der verborgene »rote Faden«.

So wichtig das wache Denken in der Kommunikation auch ist, wenn es in die Tiefe geht, verliert es seine Tragfähigkeit. Wie in der Kontemplation muss ich mein Denken überschreiten, denn es begrenzt und verendlicht alles, den gedachten Menschen wie den gedachten Gott. Ebenso muss ich meine Gefühle, die mir auf dem geistlichen Weg bis hierher wichtige Dienste taten, überschreiten, denn auch sie begrenzen und verendlichen alles auf mein Maß. Hier geschieht der Sprung des Vertrauens in den Daseinsgrund. Ich bedarf hier der Spürbewusstheit, der »Wachheit des Geistes in den Sinnen«, von der die orthodoxe Spiritualität spricht. Diese kann nur in wacher Einsamkeit geschehen und erfahren werden.

Ich bedarf als Begleiter dieser kontemplativen Lebenshaltung, um mit den Begleiteten nicht von meinen Erfahrungen und meinen Vorstellungen her zu kommunizieren, sondern je anders von ihrem Innern und ihren Erfahrungen her. Um für sie frei und unvoreingenommen präsent zu sein, bedarf ich unmittelbar vor dem Gespräch selber der klärenden Präsenz in – wenn auch nur kurzer – Einsamkeit und Stille. Zwischen Gesprächen müssen manchmal einige Atemzüge am offenen Fenster genügen, verbunden mit dem Herzensgebet. Die kontemplative Grundhaltung hilft mir in die Ehrfurcht – vor den Anderen wie vor der verborgen göttlichen Gegenwart im Gespräch. Wenn ich mich also in der Haltung des kontemplativen Betens übe, übe ich mich in der Haltung des geistlich Begleitenden. Und wenn ich in der Haltung des Begleitenden da bin, übe ich mich in der Kontemplation. Es beglückt mich zu erleben, wie beide – Kontemplation und Begleitung – zusammengehören und sich gegenseitig beleben und befruchten.

Die Einsamkeit der Begleiteten

Bekannt ist Jesu Wort: »Wo zwei oder drei in meinem Namen (also in wahrhaftiger Liebe) versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.« (Mt 18,20) Kaum bekannt dagegen sind die apokryphen Jesus-Worte »Werdet Vorübergehende« und »Selig die Einsamen!« (ThEv 42. 49) Wo ein Geschöpf der göttlichen Liebe, wo eine Frau, ein Mann wahrhaftig da ist, da ist Gott da. Auch wenn es nichts Einzelnes und nicht einen Menschen ohne das Zusammenspiel unzähliger Beziehungen gibt – das Einzelne, die Eine und der Eine sind die Gegenwart des einen und einenden Gottes. In Ihm sind sie im Grund schon eins – trotz und gerade in ihrer Verschiedenheit. Der eine Gott eint; der dreieine Gott eint in Vielfalt.

Schon in den ersten Augenblicken eines Begleitgesprächs nehme ich wahr, ob da wirklich ein einzelner Mensch in Selbstbewusstheit und Sammlung ist – oder ob da in diesem einen Menschen mir eine ganze Menschenmenge entgegenströmt. Je mehr die Begleitete zu dieser Einen wird, die sie in Wahrheit ist, um so persönlicher und ruhiger werden ihre Worte, um so geerdeter und entspannter ist sie da – mit sich in ihrer Einsamkeit gut gegründet und von dorther aufgerichtet inmitten des Vielen und Verschiedenen, das es im Leben zu bewältigen gilt.

In vielen Begleitgesprächen geht es zuerst vordergründig um Lebens- und Glaubenshilfe. Dies Vordergründige ist zu achten. Es kann nicht übersprungen werden. Doch zugleich ist es Aufgabe des Begleitenden, den Daseinsgrund nicht aus dem Blick zu verlieren und nicht den lebendigen Spannungsbogen auf den Welt-Horizont hin.

In diesem Daseinsgrund ist die Begleitete nicht isoliert. Darauf kann ich vertrauen aufgrund des eigenen Gegründet-seins im göttlichen Grund. Sie ist – wie ich von mir aus eigener Erfahrung glaube – eine zutiefst Geliebte und Verbundene.

Gott ist uns ewig DU. Ebenso wahr ist, dass Gott unser ewiges ICH ist, jene unzerstörbare, uns selbst verborgene Identität als sein Ebenbild, seine Tochter, sein Sohn in Christus. Gott ist das verborgene Subjekt allen Seins, einschließlich unserer selbst. Gott kommt uns immer von innen nach außen entgegen, in uns selbst wie in allem, was ist.7

In vielen Begleitgesprächen geht es zuerst vordergründig um Lebens- und Glaubenshilfe. Dies Vordergründige ist zu achten. Es kann nicht übersprungen werden. Doch zugleich ist es Aufgabe des Begleitenden, den Daseinsgrund nicht aus dem Blick zu verlieren und nicht den lebendigen Spannungsbogen auf den Welt-Horizont hin.

Zuerst gilt oft: »Du bist die Aufgabe. Kein Schüler weit und breit.«8 Werde die, die du bist: diese einsame, einzigartige Person, unvertretbar und unvergleichbar in dieser deiner Geschichte in und mit Gott. Nimm dich mit Gott, dem Freund und Schöpfer deines Lebens, deiner an. Schwinge dich ein in Gottes Zu-Neigung zu dir. Sie kommt dir schon aus deinem eigenen Lebensgrund entgegen. So stimmst du mit ihm überein. Nimm dich deiner Wunde, deines Handicaps, deines Verlustes an. Sie gehören zu dir, geben dir Profil. Gewiss zuerst wider Willen. Doch nach intensivem Durchbeten und Besprechen, in einsamem Selbstmitgefühl und unter dem wohlwollenden Blick Gottes und mindestens eines Menschen in einer Freundschaft, einer Therapie oder in der geistlichen Begleitung kann die Wunde heilen. Der Kontakt mit der eigenen Wunde befähigt zum ehrfürchtigen Begegnen der Wunden anderer. So kann das Handicap solidarisieren. Der Verlust wird zum Gewinn: das Leben wird tiefer und weiter und auf natürliche Weise solidarischer und mystischer.

In solchen Gesprächsphasen können die Worte verstummen. Das Schweigen der Begleiteten wird plötzlich zum einsamen Tiefengespräch, wo sie in und mit ihrem Lebensgrund kommuniziert. Hier ist – nach Meister Eckhart – Gottes Grund ihr Grund und ihr Grund Gottes Grund.9 Das intensivste Gespräch ist hier das Nicht-Gespräch, das einsam gemeinsame Schweigen. Hier geschieht Wandlung und Heilung. Für den Begleitenden gilt hier: »Komm nicht näher heran! Leg das Schuhwerk deiner Worte und Gedanken ab. Denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Die dürren, dornigen Verwicklungen haben Feuer gefangen.« (vgl. Ex 3,4f.)

Danach wird die Ausrichtung eine andere sein. Ihr Weg verkrümmt sich nicht mehr auf das kleine Ich. Es geht jetzt um das Leben in und mit Gott, um das ewige Leben, das er selber ist, um sein Reich, seinen Beziehungsreichtum auf dieser Erde. Der Weg wird in und mit Christus zum Weg der Leidensannahme und der Auferstehung. Es stellt sich die Frage: »Was muss ich tun, um das ewige Leben, um Gott zu gewinnen?« (Mk 10,17) Um weniger geht es hier nicht in einsamer, unvertretbarer Verantwortung: Wie kann ich mein Leben im Zusammenspiel mit dem göttlichen Leben leben? Wie kann ich Ihm verbunden leben und in Ihm das ewige Leben gewinnen? Das klingt steil, aber darum geht es im Grunde in geistlicher Begleitung.

»Komm mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind« (vgl. Mk 6,31), lädt Jesus ein. »Ruhe ein wenig aus« – und ich höre Jesus der vormals Aufgewühlten zusprechen: »Ruhe bei mir, dem Auferstandenen mit den Wunden, und verbinde deine Wunden mit meinen und dein Leben mit meinem Leben.« Dem hat der Begleitende in seiner Einsamkeit zu dienen: dass die Begleitete den Auferstandenen in ihrem Leben als lebendig ahnt und mit Ihm allein und in Ruhe sein kann, um sich von Ihm aufrichten und senden zu lassen.

Unterschiedene Einzelne im Einen geeint

So sind die beiden einsamen Einzelnen in der geistlichen Begleitung zutiefst miteinander und mit allen verbunden. Sie sind zu unterscheiden, aber nicht zu trennen. Da sind die Einzelnen als Einzelne in Christus erwachsene Kinder Gottes; da sind alle in sich selbst wie ebenso miteinander geeint in dem einenden Heiligen Geist. »Ich muss Gott in mir finden. Dort ist er unmittelbar da. Gott ist ›ICH BIN‹.«10 In der geklärten, im tiefen Sinne selbst-bewussten Präsenz der Begleiteten, in ihrem »Ich bin« kommt Gott mir entgegen, von innen nach außen, aus ihrer Wesensmitte heraus in Beziehung zur Welt. Ebenso kommt ihr hoffentlich durch mein geistesgegenwärtiges »Ich bin« etwas von Gottes Art entgegen. In beiden lebt der/die eine und einende ICH BIN. Dieser verborgen einenden Gegenwart des Mysteriums kann ich mich nur anvertrauend »in der Armut an eigenem Bescheid-Wissen« (Klaus Hemmerle) öffnen.

»Wer von oben her empfangen will, der muss notwendig unten sein in rechter Demut. Wer nicht völlig unten ist, dem wird auch nichts zuteil, und der empfängt nichts, wie geringfügig es auch immer nur sein möge. Hast du es irgendwie auf dich oder auf irgendetwas oder irgendwen abgesehen, so bist du nicht unten und empfängst auch nichts; bist du aber völlig unten, so empfängst du auch völlig und vollkommen. Gottes Natur ist es, dass er gibt, und sein Sein hängt daran, dass er uns gebe, wenn wir unten sind. Sind wir’s nicht und empfangen wir nichts, so tun wir ihm Gewalt an und töten ihn.«11

Dieses immer wieder zu erneuernde Sich-Lassen und Sich-Hingeben, um sich von Gott her neu zu empfangen und senden zu lassen, ist beider Weg, des Begleitenden wie der Begleiteten. Glaubende entwickeln sich nur weiter in diesem Empfangen, in dieser sensiblen »Schwebe des Lebendigen« (Max Frisch).

Freier und widerständiger

Im Dienst geistlicher Begleitung wachsen beide, Begleitete wie Begleitende. In der Begegnung, die wie eine Quelle aus dem unerkennbaren, gemeinsamen göttlichen Daseinsgrund quillt, gehen beide – selbst wenn sich Abgründe auftaten – geklärt und gereift weiter ihre unterschiedlichen Wege. Ohne zu verkrampfen werden sie inmitten der herrschenden Verhältnisse in Welt und Kirche freimütiger und widerständiger ihre Wege gehen. Die alten, verinnerlichten Lebensmuster sind gewandelt: »Sei freundlich verbunden und fest im Widerstand! Verwickle dich dabei nicht in eine Gegenabhängigkeit! Lebe dein Leben weder einsam isoliert noch mit der Masse vermengt. Auch allein bist du wertvoll. Du lebst ja mit dem, der mit allen lebt.«

Im Dienst geistlicher Begleitung wachsen beide, Begleitete wie Begleitende. In der Begegnung, die wie eine Quelle aus dem unerkennbaren, gemeinsamen göttlichen Daseinsgrund quillt, gehen beide geklärt und gereift weiter ihre unterschiedlichen Wege.

1So die georgische, heute in Deutschland lebende Schriftstellerin Nino Haratischwili, Deutschlandfunk am 12.12.2020 in der Sendung: Gesichter Europas, Georgien: Anschluss an Europa, Abschied vom sowjetischen Erbe (Autorin: Dornblüth, Gesine)

2Raimon Panikkar, Den Mönch in sich entdecken, München 1989.

3Evagrius Ponticus, Praktikos. Über das Gebet, Schriften zur Kontemplation Bd. 2, Münsterschwarzach 1986, 117.

4Michael Böhnke, Gottes Geist im Handeln der Menschen. Praktische Pneumatologie, Freiburg 2017.

5Meister Eckhart, Deutsche Predigten und Traktate, München 1979, 61.

6Ebd. 94.

7Vgl. Jan van Ruusbroec, Die Zierde der geistlichen Hochzeit, Einsiedeln 1987, 114: »Christus kommt in uns von innen nach außen hin, und wir kommen von außen nach innen.«

8Franz Kafka, Nachgelassene Schriften und Fragmente II, Frankfurt a.M. 2002, 46.

9Meister Eckhart ebd. 180.

10Franz Jalics, Miteinander im Glauben wachsen, Würzburg 2008, 141.

11Meister Eckhart ebd. 172.

inspiration 1/2021

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