Читать книгу Ut oler Welt - Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime - 150 Seiten - Вильгельм Буш, Wilhelm Busch - Страница 3
Kapitel 1
ОглавлениеI. Volksmärchen.
1. De häister un de willen duben.
Bi Fürst Erenst siner tît, ans dat swîn Dirk häite un de
käo Barteld, do könne de häister dat beste näist bäon.
Do käimen de willen duben na öne hen un säen:
»Nawer, will ji nich säo gäot wäsen un üsch1 dat ôk
lehren wo ji dat maoket?« »Jao, säe de häister, worümme
dat nich; awerst wat giäwe ji mi?« »Die bunte
kuh, die bunte kuh, die bunte kuh!« säen de willen
duben. Den häister was dat recht, un häi flog mêe.
Ans häi nu de ersten sprikker te hôp elegt harre, do
mênen de willen duben, säi können dat nu ôk all
sülbenst un säen: »Nawer, gaet nu man weer hen, wi
willt et nu woll sülbenst fertig maoken.« De häister
läit sik dat nich twäimaol seggen, namm sine bunte
käo un flog weg. – Do nu de willen duben awerst
sülbenst täo bäon anföngen, do käimen se man jümmer
säo wit, ans de häister et säi ewiset harre. Do
föngen se an täo schräinA1 un räipen: »Die bunte
kuh, die bunte kuh, die bunte kuh!« un mênen, de häister
schölleA2 de bunte käo weer herut giäwen;
awerst de häister was mit der käo wäge un blêw wäge.
Darümme küent de willen duben ôk vandage noch
näin orntliket näist bäon un räopet noch jümmer:
»Die bunte kuh, die bunte kuh, die bunte kuh!« bet up
düssen dag. Un däi mi düsse geschichteA3 vertellt
hat, mit däne hebbe ek sülbenst ekört.
Fußnoten
1 In allen plattdeutschen Stücken ist sch mit westfälischer
Aussprache = s–ch oder s–k zu sprechen.
W.B.
A1 In allen plattdeutschen Stücken ist sch mit westfälischer
Aussprache = s–ch oder s–k zu sprechen.
W.B.
A2 In allen plattdeutschen Stücken ist sch mit westfälischer
Aussprache = s–ch oder s–k zu sprechen.
W.B.
A3 In allen plattdeutschen Stücken ist sch mit westfälischer
Aussprache = s–ch oder s–k zu sprechen.
W.B.
2. Die Schwarze Prinzessin.
Es war einmal ein König und eine Königin, die kriegten
gar keine Kinder. Da sagte die Königin: »Ich
wollte, ich kriegte ein Kind und wenn es auch vom
Teufel wäre.« Nicht lange darnach ward die Königin
schwanger und gebar ein kleines Kind, das war eine
Dirne. Sie ward, wie sie wuchs, von Tage zu Tage
schöner, so daß sie ein jeder, der sie sah, von Herzen
gerne leiden mochte. Den Tag aber vor ihrem fünfzehnten
Geburtstage sagt sie auf einmal zu ihrem
Vater: »Morgen, Vater, muß ich sterben.« »Mein liebes
Kind,« sagte der König, »sprich mir doch nicht
von sterben.« »Doch Vater! Ich weiß gewiß, daß ich
morgen sterben muß. Eins mußt du mir aber versprechen:
daß mein Sarg in der Schloßkirche vor den
Altar gestellt und ein ganzes Jahr lang jede Nacht
Wache dabei gehalten wird. Wenn sich dann unter der
Wache Einer findet, der nichts Schlechtes gethan hat,
so kann der mich wieder erlösen.« Das mußte der
König versprechen und ihr die Hand drauf geben.
Wie die Königstochter gesagt hatte, so kam es
auch. Den andern Tag nahm sie noch von Vater und
Mutter Abschied, legte sich und starb und ward darnach
kohlschwarz. Der König ließ sie nun in ihrem
Sarge in die Schloßkirche vor den Altar stellen mit
einer Wache dabei, wie die Prinzessin es verlangt
hatte. Des Nachts, da die Glocke gerade Zwölf
schlug, fuhr die Prinzessin aus ihrem Sarge, packte
die Wache, drehte ihr den Hals um und warf sie in ein
finsteres Gewölbe, das da unter der Kirche war. Sobald
aber die Glocke Eins schlug, mußte sie wieder in
ihren Sarg hinein. In der zweiten Nacht ging es ebenso.
Als die Glocke Zwölf schlug, fuhr die Königstochter
aus ihrem Sarge, drehte der Wache den Hals
um und warf sie in das Gewölbe, das unter der Kirche
war. In jeder folgenden Nacht ging es ebenso; jeden
Morgen war die Wache verschwunden und kein
Mensch wußte, wo sie geblieben war. Nun wollte zuletzt
keiner mehr bei der Königstochter wachen. Da
ließ der König im ganzen Lande bekannt machen: wer
seine Tochter erlösen könnte, der sollte sie zur Frau
haben und König werden.
Nun war da ein junger Schäfer mit gelben Haaren,
der hieß Jakob, der reiste nach der Königsstadt und
ließ sich anstellen als Wache bei dem Sarge der Prinzessin.
In der ersten Nacht, da es kurz vor Zwölfe war
und der Schäfer daran dachte, daß die andern Wachen
alle so sonderbar verschwunden waren, da ward er
bange und wollte weglaufen. Da rief eine Stimme hinter
ihm her: »Jakob, geh nicht fort, du kannst mich erlösen,
wenn du drei Nächte hintereinander an meinem
Sarge wachst.« Da kehrte der Schäfer wieder um und
versteckte sich unter den Sarg der Prinzessin. Als nun
die Glocke Zwölf schlug, fuhr die Königstochter aus
ihrem Sarge und suchte die ganze Kirche durch; in
dem Augenblick aber, wo sie an den Sarg kam und
den Schäfer eben fassen wollte, schlug die Glocke gerade
Eins; da mußte sie wieder in ihren Sarg hinein.
In der zweiten Nacht, da es wieder bald Zwölfe war
und der Schäfer daran dachte, daß es ihm auch ergehen
könnte wie den andern Wachen, da ward er bange
und wollte weglaufen. Da rief eine Stimme hinter ihm
her: »Jakob, geh nicht fort; du kannst mich erlösen.«
Als der Schäfer das hörte, kehrte er wieder um und
versteckte sich in das Gewölbe, wo die Leichen der
früheren Wachen lagen. Er beschmierte sich Gesicht
und Hände ganz mit Blut, deckte einige der Toten
über sich und verhielt sich so ruhig, als ob er auch
eine Leiche wäre. Als nun die Glocke Zwölf schlug,
fuhr die Königstochter wieder aus ihrem Sarge, durchsuchte
die ganze Kirche und kam auch zuletzt in das
Gewölbe, wo der Schäfer unter den Leichen lag.
»Dem die Füße warm sind, der ist's!« rief sie und tastete
zwischen den Leichen herum. Schon war sie dem
Schäfer ganz nahe, das Blut gerann ihm in den Adern,
da schlug die Glocke Eins. Nun mußte die Prinzessin
wieder zurück in ihren Sarg. – Am andern Morgen
kam der König mit seinem ganzen Hofstaate in die
Kirche, um nach dem Schäfer zu sehen, und als sie
das viele Blut in seinem Gesicht und an seinen Händen
sahen, erschraken sie und meinten nicht anders,
denn es sei ihm ein Leid widerfahren. Jakob aber
sprach: »Wisset, daß ich gesonnen bin, auch noch die
dritte Nacht Wache zu halten; Morgen früh Glocke
Sechs, da kommt mit Pauken und Trompeten und der
ganzen Musik, denn entweder bin ich todt oder die
Prinzessin ist erlöst.« Das mußte ihm der König versprechen.
Kurz vor Zwölfe in der Nacht kroch der Schäfer
unter den Sarg der Prinzessin, und als sie nun mit
dem Schlage Zwölf herausfuhr, legte sich der Schäfer
schnell selber in den Sarg hinein. Nun suchte die
Prinzessin die ganze Kirche durch; als sie aber zuletzt
auch an den Sarg kam, da schlug die Glocke Eins. In
demselben Augenblick fing die Prinzessin an zu sprechen
und sagte: »Jakob, ich danke dir viel tausend
Mal; du hast mich nun erlöst.« Von Stund an begann
sie auch allmählich weiß zu werden, und Morgens
Glock sechs stand sie da in voller Schönheit und weiß
wie zuvor. Da kamen auch der König und die Königin
mit ihrem ganzen Hofstaate und vielem Volk, mit
Pauken und Trompeten und voller Musik; und als nun
Jakob mit der Prinzessin an der Hand aus der Kirche
trat, da rief alles Volk: »Vivat, unser König Jakob!«
und wollte des Jubilierens kein Ende werden.
3. Das Öl der Zwerge.
Es ist einmal eine Hebamme gewesen, zu der kam in
der Nacht ein kleines Männlein mit einer Laterne und
forderte sie auf, eilig mit ihm zu gehen. Sie nahm
ihren Mantel über und folgte dem Zwerge, welcher
über Feld und Wiesen voranschritt bis zu einem Wasser,
unter welchem er seine Wohnung hatte. Hierinnen
lag die Frau des Zwerges in Kindesnöten. Nachdem
die Hebamme ihr Beistand geleistet und das Kindlein
geboren und gewaschen war, reichte ihr das Männlein
ein Glas mit wohlriechendem Öle und forderte sie auf,
das Kindlein damit einzureiben. Nun hatte die Hebamme
trübe, thränende Augen und darum die Gewohnheit,
von Zeit zu Zeit mit der Hand darüber zu
streichen. Als sie nun so mit dem Einreiben des Kindes
beschäftigt war, juckte und flirrte es ihr auch wieder
in dem einen Auge, so daß sie mit dem Finger herüberfuhr
und es auswischte.
Nachdem sie nun das Kind angezogen hatte und
sich zum Weggehen anschickte, gab ihr der Zwerg einiges
Geld. Sie ging darauf an das Bett der Wöchnerin,
um ihr gute Besserung zu wünschen und Adieu zu
sagen. Die Wöchnerin zog sie aber nahe zu sich und
sagte ihr heimlich ins Ohr: sie sollte das Geld, welches
ihr der Mann gegeben, nur wegwerfen, aber statt
dessen den Kehricht aufraffen, der da vor der Stubentür
an der Schwelle läge. Das that sie, behielt aber
doch auch das Geld. Während dem hatte der Zwerg
seine Laterne wieder angezündet, begleitete die Hebamme
nach Hause und verabschiedete sich von ihr,
nachdem er sich noch vielmals für die gute Hilfe bedankt
hatte.
Als jetzt die Frau nach ihrem Gelde sehen wollte,
war es Pferdemist, der Kehricht aber war eitel rothes
Gold.
Einige Zeit darnach ging die Hebamme zum Jahrmarkt
in die nächste Stadt und gedachte da tüchtig
einzukaufen, denn sie hatte nun Geld in Menge. Sie
mußte sich ordentlich drängen lassen, so voll war's da
auf dem Markte. Da sah sie auf einmal denselben
Zwerg, der sie in der Nacht zu seiner Frau geholt
hatte; er ging von einer Krambude zur andern und
packte in seinen Schnappsack, was ihm gefiel, schöne
Honigkuchen und gute, braune Pfeffernüsse, Bänder
und Tücher, ohne daß die Eigentümer das Geringste
zu merken schienen. Die Frau drängte sich zu ihm
hin, tupfte ihm mit dem Finger auf die Schulter und
redete ihn an: »Sieh da! Guten Tag, guten Tag, Herr
Zwerg! Auch hier?« Der Zwerg drehte sich rasch um
und sah die Frau so recht verwundert an. »J! Frau!« –
sagte er – »kann Sie mich denn sehen?« »O ja, recht
gut! Warum das nicht?« »Und mit beiden Augen?«
fragte der Zwerg. Die Frau hielt das rechte Auge zu.
»Nein, nun sehe ich ihn nicht.« Darauf drückte sie das
linke Auge zu. »Ja, nun sehe ich ihn wieder.« »J!« –
sagte der Zwerg – »das ist doch sonderbar! Zeige Sie
mal her! Puh!« Da pustete er ihr ins rechte Auge, daß
es sogleich blind wurde und sie nicht wieder damit
sehen konnte ihr Lebelang.
4. Ilsabein.
Es war einmal ein Mädchen, hieß Ilsabein, das hatte
rothe Augen und konnte auch nicht zum Besten damit
gucken; darum so wurde es alt und wartete lange vergeblich
auf einen Freier, der es möchte unter die
Haube bringen. Endlich ließ sich einer melden auf den
Nachmittag, denkend: »es wird so schlimm nicht sein,
wie's die Leute machen, du sollst dich selbst erst
überzeugen, ob das Mädchen wirklich nicht gut sehen
kann.« Da stellte Ilsabein beizeiten eine Leiter an die
Hausthüre, nahm eine Nähnadel von der feinsten
Sorte und steckte sie hoch oben in den Thürriegel.
Nach Mittag kam der Bräutigam richtig an, und Ilsabein,
die ihn schon erwartet hatte, sprang ihm munter
auf dem Hof entgegen und faßte ihn bei der Hand, daß
sie ihn ins Haus brächte. »Sieh doch einmal, mein
Schatz!« sprach sie da, »dort oben im Thürriegel
steckt wahrhaftig eine Nähnadel.« »Ei wirklich!«
sagte der Freier, der seine Augen ordentlich anstrengen
mußte, um die Nadel in der Höhe zu bemerken,
»das ist wirklich eine Nähnadel!« und dachte bei sich:
»Das Mädchen sieht doch schärfer, als die Leute wohl
denken mögen; die nimm nur!« So gingen sie denn
ganz einmüthig zusammen in die Stube und setzten
sich an den Tisch. Mit dem so brachte die Muhme das
Vesperbrod herein, hatte auch eine schöne große Butterbemme
beigelegt und stellte das alles vor die
Brautleute auf den Tisch. Wie nun Ilsabein die große
Butterwälze da so auf dem Tische stehen sah, meinte
sie nicht anders, als ihre weiße Katze wär's, welche
von dem Vesperbrode naschen wollte. »Schuh!« rief
sie, »Katzut!« und klappte mit der Hand in die weiche
Butter. Da merkte der Freier, daß das Mädchen doch
nicht gut sehen konnte, stand auf, sah nach der Uhr
und that, als ob er noch etwas Eiliges zu bestellen
hätte. »Ich muß jetzt fort,« sagte er, »Adieu, mein
Schatz, bis Morgen!« Damit ging er zur Thüre hinaus,
kam aber niemals wieder, so daß die arme Ilsabein
wieder warten und warten mußte; und wenn sie
noch nicht gestorben ist, dann wartet sie heute noch.
5. Gerdmann un Alheid.
Dar was äis en gante un en goos, un de gante häit
Gerdmann un de goos häit Alheid, de beiden güngen
in der harwesttit te hope henut up dat stoppelfeeld un
föngen dar täo fräten an. Gerdmann, ans de kläukeste,
bleef jümmer up den hogen rüggen van'n stücke, wo
häi säen könne, wat rund ümme her passiren döe, de
goos Alheid fratt awerst in der däipen fore hendal, dar
stünnen de besten greunen spiere, denn dat wäit'n
woll, dat et dar jümmer natt is, un wenn emeihet
werd, säo kann'n ok mit der seessen nich orntliken
heninraken. Et dure nich lange, säo maoke Gerdmann
up äis sinen hals säo lang un keek sick ümme. Do
sach häi, dat de voss ganz liseken langs in der fore
herdal sleek un der goos jümmer nöger kam. Do wolle
häi der goos beschäid seggen un räip:
»Alheid!
Sühst du nich, wat dar in der fore geit?«
De goos bleef awerst jümmer mit fräten värtüge un
antwore nix ans:
»Tatterattatt, tatterattatt!
Ette wat, ette wat!«
un meene, Gerdmann schölle fräten un dat kören
laten.
De voss, de sick mitterwile dal eduked harre, kam
nu weer nöger un nöger. Do räip Gerdmann täon
twäiten male:
»Alheid!
Sühst du nich, wat dar in der fore geit?«
Awerst Alheid keek sick nich ümme un antwore nix
ans:
»Tatterattatt, tatterattatt!
Ette wat, ette wat!«
Dat schölle säo viäl häiten ans: kör hen, kör her! ek
säie nix! Mit dessen was de voss ganz dichte herbi
ekuomen; un Gerdmann räip täon drüdden male:
»Alheid!
Sühst du nich, wat dar in der fore geit?«
Un de goos antwore weer:
»Tatterattatt, tatterattatt!
Ette wat, ette wat!«
In densülbigen ogenblicke sprung de voss täo un
packe mine läiben goos bi'n hals. Do fong se an täo
schräin un räip: »Gerdmann, Gerdmann help mi doch!
Sühste nich, wo häi mi ritt, wo häi mi tüht?!«
»Recht di dat, recht di da–at!« räip Gerdmann,
breede sine flitke ut un streek aber dat feeld hen na
sinen dörpe hentäo.
Dat, min junge, is de geschichte van den kläoken
ganten Gerdmann un der dummen goos Alheid.
Gerdmann und Alheid
(hochdeutsch).
Gerdmann der Gante und Alheid die Gans gingen mal
in der Herbstzeit aufs Feld hinaus. Gerdmann, der
vorsichtige, blieb auf dem hohen Rücken des Ackers,
von wo er weit umher sehen konnte, während Alheid
in der tiefen Furche fraß, weil da die grünsten Spiere
standen. Als nun der Fuchs heran geschlichen kam,
rief Gerdmann warnend:
»Alheid,
sühste nich, wat dar in der fore geit?«
Doch Alheid schnatterte sorglos:
»tatterrattat!
ette wat, ette wat.«
Inzwischen schlich der Fuchs immer näher. Zweimal
noch vergebens erhob Gerdmann seine warnende
Stimme. Jetzt sprang der Fuchs zu und packte Alheid
beim Halse. Da schrie sie kläglich:
»Gerdmann, Gerdmann, sühste nich,
wo häi mi ritt, wo häi mi tüht?«
Aber Gerdmann rief:
»Recht di da–t, recht di da–t!«
breitete seine Fittiche aus und flog ins Dorf zurück.
6. Das harte Gelübde.
In einem wilden, wüsten Walde verirrte sich eine
Frau. Als nun die dunkle Nacht hereinbrach, überkam
die Frau eine große Angst, so daß sie seufzend
sprach: »Weh! Wie komme ich zu Haus! Wenn doch
wer käme und mir den Weg wiese aus dieser Wildnis!
« Da trat aus dem Gesträuch ein graues Männchen.
»Wenn du mir versprichst, Frau, was du jetzt
unter deinem Herzen trägst, so will ich dich hinausgeleiten,
daß du bald zu Hause bist.« Das versprach die
Frau in ihrer Angst, und als sie es versprochen hatte,
lachte das Männchen mit Hohn laut auf und rief: »Der
Knabe unter deinem Herzen ist mein! Nach zwölf
Jahren bringst du ihn mir zu dieser selben Stunde, zu
dieser selben Stelle, oder ich fordere ihn selbst. Dann
will ich ihm drei Fragen aufgeben; kann er die beantworten,
so habe ich keine Macht über ihn; sonst gehört
er mir für alle Ewigkeit.«
Darauf brachte das graue Männchen die Frau bald
aus dem Walde, daß sie wieder zu Haus kam.
Eine Zeit darnach kriegte die Frau einen kleinen
Jungen, der war ein stilles gutes Kind, wuchs heran
und war so gelehrig, daß sich alle Leute darüber verwundern
mußten. Seine Mutter aber hatte keine frohe
Stunde mehr; immer und immer mußte sie daran den-
ken, daß sie ihr liebes gutes Kind dem Bösen versprochen
hatte. Wenn sie dann dem Knaben sein Brot
schnitt, so sah sie ihn immer so traurig dabei an und
konnte das Weinen nicht lassen. Da faßte das Kind
ihre Hand und sagte: »Mutter, warum seid Ihr nur so
traurig und weint in einem fort? Gebt Ihr mir das Brot
nicht gern, oder bin ich nicht gut und folgsam, daß Ihr
immer weinen müßt, wenn Ihr mir das Brot gebt? Das
sagt mir doch!« Aber sie weinte nur immer mehr und
mochte es ihm nicht sagen, was ihr das Herz so
schwer machte; bis der Knabe so lange bittend in sie
drang, daß sie es doch endlich erzählte, wie sie sich in
dem wilden Walde verirrt habe, wie das graue Männchen
gekommen sei und daß sie ihm das Kind unter
ihrem Herzen versprochen habe. »Mutter,« sagte da
der Knabe, »das war hart! Doch laßt das Weinen und
seid nur wieder froh; mit Gottes Hülfe mag noch endlich
alles gut werden.« Darauf ist der Knabe noch
lerneifriger geworden als vorher, und in der Schule
haben ihm seine Lehrer alle Fragen, die nur zu erdenken
gewesen sind, aufgeben müssen, und als er nun
sein zwölftes Jahr erreichte, da hat er alle und alle
Fragen beantworten können.
Zu der bestimmten Stunde brachte die Frau den
Knaben in den Wald, und gingen auch seine Lehrer
und viele Leute mit. Als sie nun bald zu der Stelle
kamen, mußten sie alle zurückbleiben; da ging der
Knabe allein freimütig in den Busch, und ob ihm
gleich durch des Bösen Anstiften allerlei feurige Gespenster
begegneten, auch ein Fuder Heu mit Ochsen
bespannt auf ihn zu kam, ihn zu schrecken, so ließ er
sich doch nicht wirren, ging weiter und kam zur Stelle,
wo das graue Männchen ihn erwartete. »Es ist dein
Glück, daß du gekommen bist!« sprach er; »nun gib
mir Antwort auf drei Fragen; kannst du sie nicht
lösen, so greif ich dich.« »Sag her!« erwiderte mit ruhigem
Mute das Kind. Da fragte das Männchen:
»Was ist härter als ein Stein?« Das Kind antwortete:
»Mutterherz.« »Was ist weicher als ein Daunenbett?«
Das Kind antwortete: »Mutterschoß.« »Was ist süßer
als Milch und Honig?« Das Kind antwortete: »Mutterbrust.
« Da ist das Männchen verschwunden und
abgestunken.
Als nun das Kind unversehrt heraustrat, sahen die,
welche zurückgeblieben waren, daß ihm der Arge
nichts hatte anhaben können, und freuten sich, denn
alle hatten das Kind lieb, weil es so klug war und so
gut; da hat auch seine Mutter wieder frohe Tage erlebt.
7. Die böse Stiefmutter.
Meine Großmutter hat mir erzählt, es wäre mal eine
kleine hübsche Dirne gewesen, die hat eine Stiefmutter
und auch eine Stiefschwester gehabt. Die Stiefmutter
ließ ihre rechte Tochter immer in schönen Kleidern
gehen und that ihr alles zu Willen; sie brauchte auch
gar nicht zu arbeiten; aber die Stieftochter mußte den
ganzen lieben Tag draußen am Brunnen sitzen und
Garn winden, daß ihr der Faden zuletzt die Finger ordentlich
blutig schnitt. Davon hatte sie aber wenig
Dank, mußte immer in lumpigem Zeuge gehen, und
ihre Stiefmutter sagte ihr nichts als böse Worte. So
saß sie auch mal wieder und wand und wand, und die
Hände wurden ihr zuletzt so lahm von allem wickeln,
daß ihr unversehends der dicke Knäuel in den Brunnen
sprang. Da kriegte sie große Angst, denn die böse
Stiefmutter hätte sie gewiß geschlagen, wenn sie den
Knäuel nicht wiederbrachte. Darum stieg sie in den
Brunnen hinab; der war wohl tief, aber ganz zerfallen
und kein Wasser mehr drinn.
Wie das Mädchen nun unten auf den Boden kam,
so war da eine ordentlich kleine Thür, die machte sie
auf und ging hindurch; da war alles frei und schön.
Dicht neben der Pforte lag auf einem Blocke ein großes
scharfes Beil und Holz dabei, das rief: »Hau mich
entzwei, hau mich entzwei!« Da nahm das Kind das
Beil und hackte das Holz. Als es das gethan, ging es
weiter und kam zu einem Backofen, drinnen rief das
Brot: »Zieh mich raus, zieh mich raus.« Da zog das
Kind das Brot aus dem Ofen, und als es nun weiter
ging, begegnete ihm eine Kuh, die rief: »Melk mich,
melk mich!« Das tat das Mädchen auch und ging weiter.
Nicht lange, so begegnete ihm eine Ziege, die rief:
»Melk mich, melk mich!« Als das Mädchen die auch
gemelkt hatte, ging es weiter und kam zuletzt an ein
Haus, davor saß eine alte Frau und spann und hatte
einen Hund und zwei Katzen bei sich. »Du mußt nun
bei mir bleiben,« sprach die Alte zu dem Kinde, »und
sollst es gut haben, wenn du alle Tage meinen Hund
und meine beiden Katzen ordentlich flöhen willst; und
dann habe ich da drei Stuben; zwei davon mußt du
jeden Morgen hübsch ausfegen, aber in die dritte
darfst du bei Leibe nicht gehen, sonst geht's dir
schlecht.«
Da ist denn das Mädchen bei der alten Frau geblieben,
hat den Katzen und dem Hunde alle Tage ordentlich
den Pelz besehen und auch die beiden Stuben gefegt;
aber in die dritte Stube ist es nicht hineingegangen.
Als nun der Sonntag herankam, zog die alte Frau
ihr Sonntagskleid an und sagte zu dem Kinde: »Ich
will jetzt zur Kirche, darum geh mir derweilen nicht
weg, sondern achte gehörig auf das Haus.« Damit ist
sie fort in die Kirche gegangen. Das Mädchen aber,
während es so ganz allein im Hause war, überkam
eine große Neugierde zu wissen, was die alte Frau
wohl in dem dritten Zimmer haben möchte; es ließ ihr
auch nicht eher Ruhe, bis sie das Zimmer aufgeschlossen
hatte. O Leute! Was war da für vieles Geld!
Ein Sack stand neben dem andern; hier Kupfergeld,
hier Silbergeld, da nichts als lauter Gold. Da raffte
das Mädchen schnell einen kleinen Sack voll Gold in
seine Schürze, sprang aus dem Hause und fort.
Zuerst begegnete ihm die Ziege, der rief es zu:
»Verrath mich nicht!« »Ich verrath dich nicht,« sagte
die Ziege; »aber lauf was du kannst.« Da kam es zu
der Kuh und rief wieder: »Verrath mich nicht!« »Ich
verrath dich nicht,« sagte die Kuh; »aber lauf was du
kannst!« Da lief das Mädchen weiter, so schnell es
nur konnte.
Mittlerweile war aber auch die alte Frau aus der
Kirche wieder nach Hause gekommen; als sie sah,
daß die dritte Stube offen und das Mädchen fort war,
sprang sie schnell hinaus und hinterher. Zuerst kam
sie zu der Ziege und fragte: »Ist hier nicht eben eine
kleine Dirne vorbeigelaufen?« »Ne!« sagte die Ziege;
»ich habe hier keine Dirne gesehen.« Da lief die Alte
weiter zu der Kuh und fragte wieder: »Ist hier nicht
eben eine kleine Dirne vorbeigelaufen?« »Nein!«
sagte die Kuh; »ich habe keine Dirne laufen sehen.«
Da ist die alte Frau wieder umgekehrt, denn sie hat
gemeint, das Mädchen müßte wohl einen andern Weg
gelaufen sein.
Das Mädchen ist aber glücklich durch den Brunnen
wieder heraufgekommen, ist zu seiner Stiefmutter und
seiner Stiefschwester gelaufen und hat ihnen das viele
Gold gezeigt und gesagt: »Seht! Das habe ich alles
von einer alten Frau gekriegt, die da unten im Brunnen
wohnt.« Wie das die Stiefschwester hörte, trieb
sie der Neid, daß sie auch alsbald in den Brunnen hinabstieg,
die alte Frau zu suchen, von welcher ihre
Schwester das Gold hatte. Sie fand unten auch die
kleine Thür, und als sie hindurchging, lag da der
Klotz mit dem großen Beil und Holz daneben, das
rief: »Hau mich entzwei, hau mich entzwei!« »Ich
will dir was flöten!« sagte das Mädchen, denn es war
ganz erschrecklich faul und mochte keine Arbeit tun.
Als es eine Strecke weiter gegangen war, kam es zu
einem Backofen, darinnen rief das Brot: »Zieh mich
raus, zieh mich raus!« »Ich will dir was flöten!« sagte
das Mädchen, und ging weiter. Mit dem, so begegnete
ihr eine Kuh, die rief: »Melk mich, melk mich!« »Ich
will dir was flöten!« sagte das Mädchen, und als es
nun weiterging, kam es zu einer Ziege, die rief auch:
»Melk mich, melk mich!« »Ich will dir was flöten!«
sagte das Mädchen wieder und ging ihres Weges. Zu-
letzt kam sie auch an das Haus, wo die Alte saß und
spann. »Du mußt nun bei mir bleiben,« sprach die
Alte, »und sollst es gut haben; aber jeden Tag mußt
du meinen Hund und meine beiden Katzen ordentlich
flöhen; und dann habe ich drei Stuben, davon mußt du
zwei jeden Morgen hübsch ausfegen, aber die dritte
darfst du ja nicht aufmachen, sonst geht es dir
schlecht.« Da ist denn das Mädchen bei der alten Frau
geblieben.
Den nächsten Sonntagmorgen, als es Zeit war in
die Kirche zu gehen, zog sich die Frau hübsch an,
nahm ihr Gesangbuch und sagte, als sie wegging:
»Ich will jetzt mal in die Kirche; darum so achte mir
ordentlich auf das Haus, bis ich wiederkomme.«
Damit ist sie fortgegangen. »Jetzt ist's Zeit!« dachte
das Mädchen; »nun sollst du doch mal zusehen, was
in der dritten Stube ist!« Und als es die aufmachte,
stand da ein Goldsack neben dem andern. Schnell
raffte es sich die Schürze voll Goldstücke und lief fort
aus dem Hause.
Mittlerweile war aber auch die alte Frau aus der
Kirche zurückgekommen. Als sie sah, daß die dritte
Stube offen und das Mädchen fort war, sprang sie
schnell hinaus und hinterher. Zuerst kam sie zu der
Ziege und fragte: »Ist hier nicht eben eine kleine
Dirne vorbeigelaufen?« »Ja wohl!« sagte die Ziege;
»da ist sie hingelaufen.« Dann kam die Frau zu der
Kuh und fragte wieder: »Ist hier nicht eben eine kleine
Dirne vorbeigelaufen?« »Ja wohl!« sagte die Kuh;
»dort hinten läuft sie noch.« Da hat sich die alte Frau
getummelt, was sie nur konnte, und gerade, als das
Mädchen durch die Brunnenthüre entspringen wollte,
faßte es die Alte bei den Haaren, nahm das große
Beil, was da lag, und hackte ihm damit den Kopf ab.
8. Die Zwerghütchen.
Mi is fär wisse un wohr vertellt, et härre sick täo edrägen,
ans en scheper des abends bi sinen schapen up'n
feele lag, dat dar dichte bi öhne herüm fine stimmen
wach wören, däi räipen äin na'n ander: »Smiet häutken
herut, smiet häutken herut!« »I!« dachte de scheper,
»dat schost du doch ok äis räopen«, un räip ok:
»Smiet häutken herut, smiet häutken herut!« Do antwore'ne
stimme ut der ere: »Is näine mehr, ans den
grotevaar sin häot?« »Is ok all gäot!« säe de scheper,
un kuum dat häi dat woord esegt harre, säo satt ok all
en häot up sinen koppe, un häi sach nu, dat rund
ümme öhne herüm viäle lütke twarge wören, de danzen,
süngen un sprüngen. »Juchhe, hochtit! Scheper
ga mee! wi willt üsch äis en recht lustigen abend maoken.
« Un do vertellen säi den scheper, dat säi in't
dörp na'r hochtit wollen un spreuken öhne täo, dat häi
ok mee gaen schölle, denn säo lange ans en jeder
sinen häot up'n koppe behäile, säo lange könne säi
näin minsche täo säin kriegen.
De scheper läit sick bekören un gung mee; un up
der hochtit dar wören säi alle recht lustig, drünken
win un äiten braen un dicken ries, säo viäl ans säi
man jümmer möchten. Ans de twarge nu genäog
egiäten un edrunken harren un weer na hus mössten,
häilen säi rat ünder sick, wo säi't wol up'n besten
anföngen, dat säi den scheper den häot weer afnäimen,
denn öhren grotevaar sinen häot dröften säi doch
nich in stiche laten. Nu was awerst de scheper säo
lang un groot tiägen de twarge, dat säi öhne gar nich
afrecken können, un mit goen den häot weer hergiäben
dat wolle häi ok nich. »Teuf! dachten do de
twarge; di will wi anföhren!« un bekören den scheper,
de ok all en lütken täo viäl harre, häi schölle sick spaosses
halber äis dä böxen los maoken un sick baben
den grooten riesnapp setten, de dar vär brut un
bröejam up'n dische stund. De scheper, de sick up
sine unsichtbarkeit verläit, döe dat ok; säo bolle
awerst, ans häi sick nu lütk un krumm maoke, sleugen
öhne de twarge sinen häot van'n koppe un läipen weg.
Dar satt nu de scheper up äis anse botter an der sünnen,
un en jeder äine was an't erste ganz verwundert
un röge sick nich. Dat dure awerst nich lange, do füngen
de fräonslüe luer täo juuchen an un de kerelslüe
haolen öhre witkedören stöcker ut der ecken un
swüngen den swiniägel foorts täo'r dönzen un darna
täo'n huse henut.
Die Zwerghütchen.
(Hochdeutsch.)
Als eines Abends ein Schäfer bei seiner Herde auf
dem Felde lag, sah er viele ganz kleine Zwerge, die
riefen in ein Erdloch hinein:
Smiet häutken herut,
und jeder kriegte ein Hütchen herausgeworfen, und
wenn er es aufsetzte, wurde er unsichtbar. Das gefiel
dem Schäfer. Er rief auch in das Loch:
Smiet häutken herut.
Da rief es von innen:
Is näine mehr
ans den grotevaar sin häot.
Aber der Schäfer antwortete:
Is ok all gäot.
Und das traf sich auch günstig, denn der größere Hut
war für den dicken Kopf des Schäfers grad passend.
Im Dorf war Hochzeit. Da gingen die Zwerge hin, und
der Schäfer ging mit, und weil sie keiner sehen konnte,
aßen und tranken sie, so viel sie nur wollten. Nun
hätten die Zwerge ihrem Großvater seinen Hut dem
Schäfer gern wieder abgenommen. Sie konnten nur
nicht dran reichen. Da beredeten sie den Schäfer, er
sollte sich doch über die große Schale mit Reisbrei,
die auf dem Tische stand, zum Spaß mal in die Hurke
setzen, und wie er das tat und sich klein machte,
schnupp, rissen ihm die Zwerge den Hut weg, so daß
er plötzlich dasaß in seiner Blöße vor den Augen der
Hochzeitsgäste. Und so'ne Tracht Schläge, wie da,
meinte der Schäfer, hätt er vorher noch nie gekriegt.
9. Königin Isabelle.
Es hatte ein armer Mann einen einzigen Acker; da
kamen die großen reichen Bauern daher, fragten nicht
lange, sondern bauten auf des armen Mannes Acker
einen langen Schafstall. Alle Einreden waren vergeblich,
so daß der Mann mit seiner Klage endlich vor
den König ging. »Gib dich nur zufrieden,« sprach der
König; »ich will dir einen andern Acker geben.« Das
that er auch.
Wie nun der Mann daran ging, ihn zu bestellen,
grub er aus der Erde heraus einen goldenen Mörserkolben,
aber den Mörser dazu konnte er nicht finden,
so viel er auch suchen mochte. Da sprach er zu seiner
Tochter, die hieß Isabelle: »Isabelle«, sprach er, »der
König hat uns doch das Land geschenkt, nun will ich
ihm auch den goldenen Kolben schenken, den ich in
dem Lande gefunden habe.« Darauf entgegnete Isabelle:
»Ich rath Euch, Vater, laßt das lieber sein; denn
wenn der König den Stößer sieht, so wird er auch
nach dem Mörser fragen, und wenn Ihr den nicht
schaffen könnt, so wird er meinen, Ihr hättet ihn für
Euch behalten.« Aber der Mann ließ sich nicht bereden,
sondern ging hin vor den König. »Mit Gunst,
Herr König! Ich wollte Euch wohl einen goldenen
Stößer bringen, den habe ich in dem Acker gefunden,
den Ihr mir neulich geschenkt habt, so Ihr noch wohl
wissen werdet.« »Gut das!« sprach der König; »aber,
lieber Mann, der Mörser, wo ist denn der?« »Mit Verlaub,
Herr, den Mörser fand ich nicht, so viel ich auch
gesucht habe.« »Ei Mann!« sprach der König; »wo
der Stößer ist, da muß doch auch der Mörser sein; du
möchtest ihn wohl gern für dich behalten?« »Gewiß
und wahrhaftig, Herr König, den Mörser habe ich
nicht.« »Ja, warte nur, Bösewicht!« fuhr der König
voll Zorns heraus; »ich will dich setzen lassen bei
Wasser und Brot, und nicht eher sollst du loskommen,
bis du mir kund tust, wo du den Mörser ließest,
der zu dem goldenen Stößer gehört.«
Da ließ der König den armen Mann ins Gefängnis
werfen; der fing an zu klagen und rief in einem fort:
»Hätt' ich doch meiner Tochter geglaubt!« Als das
dem König hinterbracht wurde, ließ er ihn vor sich
fordern und fragte ihn, warum er denn immer riefe:
»Hätte ich doch meiner Tochter geglaubt!« Da erzählte
er dem Könige, wie ihm seine Tochter vorhergesagt
hätte, daß es alles so kommen würde. Sprach darauf
der König: »Wenn Eure Tochter wirklich so klug ist,
wie Ihr sagt, so möchte ich sie wohl sehen und auf die
Probe stellen.« Und sogleich sandte er seine Diener
aus und ließ sie rufen.
Als Isabelle nun vor den König kam, redete er sie
an und sprach: »Ich habe viel von deiner Klugheit
reden hören, darum will ich dir jetzt eine Aufgabe
stellen, du sollst zu mir auf mein Schloß kommen;
nicht nackt und nicht bekleidet, nicht gegangen und
nicht geritten, nicht zu Pferde und nicht zu Wagen,
nicht bei Tage und nicht bei Nacht; wenn du das
kannst, so will ich dich zur Frau nehmen und sollst
die Königin sein.« Da hat das Mädchen gesagt: ja,
das wollte sie wohl können und ist fortgegangen.
Den nächsten Mittwoch nahm sie ein Fischnetz, da
kroch sie splitternackt hinein, band es einem Esel an
den Sattel, doch so, daß sie eben mit den großen
Zehen den Boden streifte und ließ sich hintragen zu
des Königs Schlosse; so kam sie denn an: nicht nackt
und nicht bekleidet, nicht gegangen und nicht geritten,
nicht zu Pferde und nicht zu Wagen, nicht bei Tage
und nicht bei Nacht, denn es war an einem Mittwoch1
morgen. Als das der König sah, verwunderte er sich
zum höchsten über ihre Klugheit und sprach: »Ich
will dich nun zu meiner Frau annehmen; nur eins muß
ich mir zuvor noch ausbedingen, daß du mit allem zufrieden
bist, was ich thue, es mag sein, was es will;
solltest du aber jemals dawider sein, so werde ich
dich aus meinem Hause verstoßen.« Das mußte sie
dem Könige versprechen; der nahm sie dann zur Frau.
Eine Zeit darnach kriegte die Königin ein kleines
Kind, das war ein Mädchen. Da sprach der König:
»Ich will das Kind von der Welt schaffen lassen; wir
haben doch nur Last davon.« Da bebte der Königin
das Herz in der Brust vor Schrecken, aber doch blieb
sie ihrem Versprechen getreu und antwortete: »Wenn
Ihr es wollt, Herr, so bin ich zufrieden.« So ließ denn
der König das Kind von seinen Dienern hinwegtragen.
Es verging eine Zeit, da kriegte die Königin ein
zweites Kind, das war ein Knabe; und wieder sprach
der König: »Ich will das Kind von der Welt schaffen
wir haben doch nur Last davon.« »Wenn es Euer
Wille ist, Herr, so bin ich zufrieden«, sagte Isabelle,
ob es ihr gleich an die Seele ging, daß sie sich von
ihrem lieben, unschuldigen Kinde scheiden sollte. So
ließ es denn der König durch seine Diener hinwegtragen.
Die Zeit verging, aber die Königin kriegte nun
keine Kinder mehr; sie verschloß ihre Traurigkeit in
der Brust, ohne jemals gegen den König zu murren.
Nun trug es sich einstmals zu, daß ein Bauer mit
Mähre über Feld zog, und als er zu eines andern Bauern
Hofe kam, wo er Geschäfte hatte, band er derweilen
sein Pferd an einen Wagen, der mit Heu beladen
war. Da traf es sich, daß die Mähre ein Füllen warf;
das freute den Mann sehr; als er aber das Füllen mit
sich hinweg führen wollte, trat der, welchem das
Fuder Heu gehörte, hinzu und sagte: das ginge nur
nicht so; das Füllen käme von Rechts wegen ihm zu,
weil die Mähre an seinem Fuder Heu gestanden hätte,
als sie das Füllen zur Welt brachte. Weil sie nun darüber
in heftigen Streit geriethen, so gingen sie zuletzt
mit ihrer Klage vor den König; der that den Ausspruch:
daß der das Füllen haben sollte, an dessen
Wagen die Mähre gestanden hätte. Der Bauer, dem
das Füllen zugesprochen war, ging mit lachendem
Munde fort, der andere aber war ganz traurig über des
Königs ungerechte Entscheidung. Da ward ihm gesagt,
er solle zur Königin gehen, die wäre sehr klug
und herzlich gut und könne ihm vielleicht einen nützlichen
Rath geben. Ging da der arme Bauer zu der
Königin und stellte ihr seine Sache vor. Da sprach
sie: »Kaufe dir ein Fischnetz, und Morgen früh, wenn
der König mit seinen Leuten durch die Stadt gehet,
ziehe das Netz über die Pflastersteine, als wolltest du
Fische fangen.« Wenn dich dann der König fragt, so
antworte ihm: »ebensogut, wie ein Fuder Heu ein Füllen
werfen kann, ebensowohl kann ich auf dem Pflaster
hier auch Fische fangen.« Der Bauer that, wie
ihm die Königin gesagt hatte; und als er nun am andern
Morgen sein Netz durch die Straßen zog, kam
der König mit seinen Hofleuten auch bald des Wegs
gegangen und fragte verwundert: was er denn da
thäte. »Ich fische,« sagte der Bauer. »Aber, guter
Freund,« sprach der König, »wie magst du in den
Straßen fischen, da doch kein Wasser ist?« »Ei,
Herr!« entgegnete der Bauer; »ebensogut, wie ein
Fuder Heu ein Füllen zur Welt bringen kann, ebensogut
kann ich auf der Straße hier auch Fische fangen.«
Da erkannte der König den Bauer wieder und sprach:
»Du sollst dein Füllen ersetzt haben; aber den Einfall
mit dem Netze, den kann dir niemand gesagt haben,
außer der Königin, das merk ich wohl.« Jetzt ist der
König von da gleich zu der Königin gegangen und hat
gesagt: »Ich sehe wohl, daß dir, was ich thue, nicht
recht ist; darum mußt du noch heute mein Haus verlassen
und hingehen, woher du gekommen bist.«
»Wenn das euer Wille ist,« sprach Isabelle, »so will
ich auch zufrieden sein.« Da ließ ihr der König alte
zerrissene Kleider geben und verstieß sie, daß sie arm
und halb nackt wieder zu ihres Vaters Hause kam;
aber doch sprach sie wider den König kein böses
Wort.
Über eine Zeit, da ließ der König bekannt machen,
daß er sich wieder vermählen wolle; und als nun die
Hochzeit sein sollte, sandte er einen Boten an Isabelle:
sie möchte doch kommen und in der Küche behülflich
sein. »Wenn es der König wünscht,« ließ sie widersagen,
»so will ich es gerne thun.« Zur bestimmten
Zeit ging sie hin und half in der Küche, und als alles
zum Essen bereit war, ließ ihr der König hinaussagen:
ob sie nicht einmal hereinkommen und die neue Braut
sehen wollte. Wie sie nun hereintrat, saß da neben
dem König eine junge schöne Prinzessin und auch ein
junger Prinz. Da sprach der König: »Das ist meine
Braut; nun sag, Isabelle, wie gefällt sie dir?« »O, sehr
gut,« sagte sie; aber bei den Worten brach ihr
Schmerz hervor, daß sie bitterlich weinen mußte.
»Weine nicht, Isabelle,« sprach der König und faßte
sie bei der Hand; »sieh! die da sitzt, ist nicht meine
Braut, sondern unsere Tochter, und da ist auch unser
Sohn; sie sind nicht todt, wie du geglaubt hast, sondern
gesund und wohl; deine Prüfungszeit ist aus, und
nun sollst du wieder frohe Tage haben.« Da sind die
Kinder ihrer Mutter um den Hals gefallen und alle
haben sie angefangen zu weinen vor lauter Freude.
Der König aber und die Königin haben noch einmal
Hochzeit gehalten und haben glücklich zusammengelebt
bis an ihr Ende.
Fußnoten
1 Plattdeutsches Sprichwort: middewiäken is näin
dag.
10. Die bestrafte Hexe.
Es ist einmal eine rechte alte Hexe gewesen, die hatte
zwei Töchter, eine rechte Tochter und eine Stieftochter,
und die Stieftochter war schön und gut, die rechte
Tochter aber boshaft und häßlich. Da kam ein junger
Jäger, nahm die Stieftochter zur Frau, weil sie ihm gut
gefiel und zog mit ihr in sein Haus, das im Walde lag.
Die alte Hexe stellte sich dazu ganz freundlich; in
ihrem Herzen wußte sie sich aber vor Ärger und Bosheit
nicht zu lassen, darum, daß der Jäger ihre eigene
Tochter nicht genommen hatte, sondern die Stieftochter,
die sie gar nicht leiden konnte.
Über eine Zeit kriegte die Jägersfrau einen kleinen
Jungen und mußte zu Bett liegen. Da wurde die Stiefmutter
geholt, daß sie das Kind wüsche und anzöge,
auch die Suppe kochte und sonst zur Hand wäre,
wenn die kranke Frau ihrer bedürfen sollte. Der Jäger
aber hatte zur Erheiterung und Kurzweil seiner Frau
allerlei Vögel in die Stube gebracht, die sangen, und
ein Spiel hatte er gemacht von allerlei Glocken, die
klangen.
Dicht an dem Hause lag ein großer Teich, auf dem
viele Enten schwammen. Nun stand eines Tages die
Stiefmutter am offenen Fenster und sah auf den Teich
hinaus, und weil des Jägers Frau schon wieder auf
Besserung war und zuweilen aufstehen konnte, rief ihr
die Hexe zu: »Steh doch auf, mein Kind, und sieh einmal
die vielen Enten, die da auf dem Teiche schwimmen.
« Ohne an Arges zu denken, stand die Frau auf
und lehnte sich aus dem Fenster, und indem, so gab
ihr das boshafte Weib einen heftigen Stoß, daß sie
hinab in den Teich stürzte, und verwünschte sie in
eine Ente; da schwamm sie nun mit den anderen
Enten auf dem Teiche herum. Ihr Kind aber fing an zu
weinen, und ihren Mann befiel zu derselben Stunde
eine große Traurigkeit und wußte doch nicht warum;
die Vögel sangen nicht, die Glocken klangen nicht.
Da nahm die Hexe ihre eigene Tochter, legte sie in der
Frauen Bett und band ihr ein Tuch um den Kopf, als
ob sie krank wäre, so daß sie der Mann nicht erkennen
konnte, als er kam, seine Frau zu besuchen.
Als es nun Abend ward und die Magd allein in der
Küche war, kam auf dem Teich her eine Ente angeschwommen,
die schnatterte vor dem Gossensteine
wie Enten thun: »Niep, Niep! Natt, Natt!« und dann
fing sie ordentlich an zu sprechen:
»Weint mein liebes Kind auch noch?
Weint mein lieber Mann auch noch?
Singen meine Vögel auch noch?
Klingen meine Glocken auch noch?«
Da antwortete die Magd:
»Eure Glocken klingen nicht,
Eure Vöglein singen nicht,
Euer Mann und Kind die weinen.«
Darauf ist die Ente wieder weggeschwommen. –
Den zweiten Abend kam sie wieder, steckte den Kopf
durch das Gossenloch und schnatterte ganz betrübt:
»Niep, Niep! Natt, Natt!« und dann fing sie an zu
sprechen:
»Weint mein liebes Kind auch noch?
Weint mein lieber Mann auch noch?
Singen meine Vögel auch noch?
Klingen meine Glocken auch noch?«
Und die Magd antwortete:
»Eure Glocken klingen nicht,
Eure Vöglein singen nicht,
Euer Mann und Kind die weinen.«
Darauf sprach die Ente: »Nun komme ich noch ein
einziges Mal; dann fasse mich und haue mir den Kopf
ab, so bin ich erlöst,« und schwamm fort. Das alles
erzählte die Magd ihrem Herrn, der sagte: »Wenn die
arme Ente so erlöst werden kann, so mußt du es
thun.« Als nun die Ente den dritten Abend wieder den
Kopf durch das Gossenloch steckte, faßte die Magd
ein Beil und hieb ihn ab; in demselben Augenblicke,
da das Blut floß, wich der Zauber; die Frau war erlöst
und ging zu ihrem Manne; der freute sich, daß er
seine liebe Frau wieder hatte, denn sie erzählte ihm,
wie das alles so gekommen und welcher großen Ge-
fahr sie entgangen war.
Der Jäger, der nun wußte, was die Stiefmutter für
ein böses Weib war, ließ sich nichts merken, sondern
sann, wie er sich am besten an ihr rächen könnte. Auf
den andern Abend lud er eine große Gesellschaft;
doch mußte seine Frau noch zurückbleiben. Wie sie
nun alle zu Tische saßen, stand der Jäger auf und
fragte, was sie wohl meinten, daß der Mutter geschehen
müßte,
die ihre Tochter in ein unvernünftiges Thier verwünscht
hätte. Da sprang die Stiefmutter auf von
ihrem Stuhle und war ganz verblendet und schrie:
»Die verdient, daß sie in ein durchnageltes Faß gesteckt
und darin so lange gewälzt wird, bis sie todt
ist.« »Du hast dir selbst dein Urtheil gesprochen, du
Hexe!« rief der Jäger und ließ seine Frau herein in die
Stube treten. Wie das die Hexe sah, daß sie verrathen
war, ward sie kreideweiß vor Schreck und stürzte der
Länge nach auf den Boden hin. Da wurde sie in ein
Faß gesteckt, welches mit eisernen Nägeln durchschlagen
war; das wurde auf den höchsten Berg gebracht
und da hinabgerollt. So hat die Hexe ihren verdienten
Lohn erhalten.
11. Die Bremer Stadtmusikanten.
Märlein vom Schafbock, Kuh und Ziegenbock, welche
im Walde in ein Wolfshaus kamen. (Vgl. B r e -
m e r S t a d t m u s i k a n t e n von Grimm.)
12. Kükeweih.
Heuneken un häneken, däi breuen beer. Do säi dat häneken
täo den heuneken: »Heuneken, ga äis henut un
smecke dat beer.« Do gung heuneken henut un slog
up dat fatt un keek in dat beer un fäll'r henin. Anse nu
heuneken säo lange ute bleef un gar nich weer kamm,
do säe dat häneken täo seck sülbest: »Eck mot doch
äis täo kieken, wo min heuneken blinfft«, un gung
henut in de küeken, da lag heuneken in den beere un
was ganz matt und all half dote. Do nam häneken dat
heuneken un dräog et henut in den gaaren un henge et
up den hagen in de sünnen. Mittlerwile dat häneken
weer in dat huus egahen was, kamm de kükeweih un
hale dat heuneken weg. Anse nu häneken weer herut
kamm un wolle na sinen heuneken säien, was min leiwet
heuneken wäge. Do woord häneken ganz bedreuwet
un spann sinen wagen an un före in de wie welt,
ümme sin heuneken täo seuken. Ünnerweges begegne
öhne ne neihnateln, de säe, of sä woll mehe upsitten
könne. »Ja woll«, säe dat häneken, »sette di fär up,
dat du achter nich herdal fallst.« Danach kamm en
mühlstein un sette seck ok mehe up. Nich lange, säo
keimen se an den kükeweih sin huus, däi was nich
inne. De mühlstein lähe seck up den riegel, de
neihnateln stack seck in dat stäolkissen un dat häne-
ken flog up kükeweih sinen heunerwiben, wo sin heuneken
was. Anse kükeweih nu inkamm un wolle seck
up sinen stäol setten, do stack'n de neihnatel; do wolle
häi henut lopen, aberst de mühlstein fölle'n up'n kopp
un sleug en dot. Nu sette seck häneken mit sin heuneken
weer in sinen wagen un föhren na huus. Un wenn
se noch nich 'estörben sind, säo leiwet se van dage
noch.
13. Der Gärtner und die Kröte.
Ein Gärtner hatte einen schönen Garten, dahin kam
immer eine ganz dicke aufgeschwollene Kröte und
fraß von dem schönen frischen Salat, der da im Garten
stand. »Die alte häßliche Ütsche, die wollen wir
todtschlagen,« sagten des Gärtners Knaben, »die frißt
uns noch all den schönen grünen Salat.« »Nein!«
sprach der Gärtner ernst, »das laßt!« Er nahm seine
Schaufel, unterstach die Kröte, trug sie langsam zu
der Mauer, die rings um den Garten ging, und setzte
sie sanft und behutsam hinüber auf die andere Seite.
»Da,« sagte er, »lauf hin, wenn du ein Kind kriegst,
so will ich Gevatter stehen.« Nicht lange Zeit danach
kam ein Zwerg zu dem Gärtner und bat ihn bei seinem
Kinde zu Gevatter. Der Gärtner nahm die Einladung
an und ging mit. Bei der Kindtaufe war alles
aufs Beste eingerichtet. Als sie aber zu Tische saßen,
bemerkte der Gärtner mit einem Mal zu seinem
Schrecken, daß ein Mühlstein an einem Pferdehaar
über seinem Kopfe hing. Entsetzt von seinem Sitze
aufspringend, wollte er das Weite suchen; der Zwerg
aber hielt ihn zurück mit den Worten: »Sei unbesorgt.
Ebensowenig wie meine Frau am Leben geblieben
wäre, da sie als Kröte in deinen Garten kam, wenn du
deinen Knaben nicht gewehrt hättest, ebensowenig
würdest du lebendig von diesem Orte gehen, wenn ich
dein Leben nicht beschützte.« Der Gärtner konnte jedoch
keine rechte Fröhlichkeit wieder fassen und rüstete
sich bald zum Nachhausegehen. Beim Abschied
füllten ihm die Zwerge seine Taschen noch mit Pferdemist,
der sich zu Haus aber in Gold verwandelt
hatte.
14. Bauer Pihwitt.
Ein Bauer hieß Pihwitt (Kiebitz); der pflügte mit seinem
einzigen Ochsen auf dem Felde. Über seinem
Kopfe kreiste ein Kiebitz und schrie: »Pih – witt.« –
»So heiß ich,« sagte der Bauer. – »Pih – witt!« »So
heiß ich,« sagte der Bauer. – »Pih – witt! Pih –
witt!« – »Ich sage dir,« rief der Bauer ärgerlich,
»schrei nicht immer so meinen Namen oder ich
werfe!« – »Pih – witt! Pih – witt! Pih – witt!« – Da
nahm Pihwitt seine Pflugschaufel und schleuderte sie
nach dem Vogel hoch in die Luft. »Pih – witt! Pih –
witt!« Da flog er hin; aber die Schaufel traf beim Herabfallen
den Ochsen so heftig zwischen die Hörner,
daß er todt umfiel. »Oh, oh!« rief Pihwitt und kratzte
sich hinter den Ohren, »das ist doch ärgerlich; wenn
das meine Frau erfährt, so wirds einen schönen Lärm
abgeben. Nur rasch dem Ochsen die Haut abgezogen
und zum Gerber damit, daß ich meinem Weibe wenigstens
das Geld für die Haut bringen kann.« Wie gesagt,
so gethan. Der Gerber war aber gerade nicht zu
Haus, und da hatte der Edelmann denn seine Abwesenheit
wahrgenommen, um zu des Gerbers Frau zu
gehen, die ihm das Beste aufgetischt hatte, was sie in
ihrem Haushalte besaß; das durfte aber der Mann
nicht wissen. Als nun Pihwitt ins Haus trat, sprang
der Edelmann rasch in eine große Tonne hinter der
Hausthür. Pihwitt that, als hätte er nichts gemerkt;
ging zu der Frau sprechend: »Wie stehen denn jetzt
die Ochsenhäute im Preise? Ich habe hier eine, die
wollte ich wohl verkaufen.« »Ja,« sagte die Frau, »sie
kosten jetzt drei Thaler; aber ich kann euch die da
nicht abnehmen, denn mein Mann hat's Geld in den
Kasten geschlossen und ist nicht zu Haus.« »Na,«
sagte Pihwitt, »gebt mir die alte Tonne, die da in der
Ecke steht, so mögt ihr dafür die Haut behalten.« »Ei,
ja wohl; wenns weiter nichts ist, die mögt ihr immerhin
nehmen, ist doch zu nichts mehr zu gebrauchen.«
Die Frau hatte aber nicht gesehen, daß der Edelmann
sich darin versteckt hatte.
Nun ging Pihwitt dabei, nagelte die Deckel recht
fest zu, legte die Tonne auf die Seite und rollte sie vor
sich her zum Hause hinaus. Nicht lange dauerte es, so
rief's in der Tonne: »Wohin, wohin?« »Ins Wasser,
ins Wasser!« antwortete Pihwitt. »Ach, laß mich raus,
ich will dir auch hundert Thaler geben.« »Ins Wasser,
ins Wasser!« »Oh weh,« stöhnte es im Fasse, »ich
gebe dir fünfhundert Thaler, nur laß mich raus.«
»Nichts da, ins Wasser, ins Wasser!« »O weh, o weh;
mach doch auf und laß mich leben, ich will dir auch
tausend Thaler geben.« »No ja,« sagte Pihwitt, »so
komm heraus; aber ich sage dir, gibst du mir die tausend
Thaler nicht, so steck ich dich wieder in's Faß
und rolle dich in den Fluß hinein.« Als der Edelmann
heraus war, zahlte er dem Pihwitt das Geld. Der ging
damit zu seiner Frau: »Sieh, Frau, die tausend Thaler
habe ich für unsern Ochsen seine Haut bekommen.«
»Ei, Mann,« rief die vor Freuden, »das ist der beste
Handel, den du in deinem Leben gemacht hast;« und
das war viel gesagt, denn sonst gab sie ihm nie recht
und war niemals zufrieden, er mochte thun was er
wollte.
Bald war es im ganzen Dorfe bekannt, daß Pihwitt
seine Ochsenhaut so schrecklich gut verkauft hatte.
Sammt und sonders schlugen nun die Bauern ihre
Ochsen todt und trugen die Haut zum Gerber. Der
wies sie aber als Narren mit Spott zum Hause hinaus.
Voll Grimmes kehrten sie zurück, griffen den Pihwitt,
den Urheber ihres Unglücks, fest des Sinnes, ihn
stracks in der Weser zu ersäufen. Nun war's gerad an
einem Sonntagmorgen; und als sie unfern an einem
Kirchlein vorüber kamen, da die Leute so schön zu
der Orgel sangen, meinten sie, es sei gut, hier erst einzukehren
und den armen Sünder dann nach dem Gottesdienste
ins Wasser zu bringen. Sie steckten ihn
darum in einen Schäferkarren, der nicht weit davon im
Felde stand, schlossen die Tür und gingen zur Kirche.
Nicht lange, so trieb der Schäfer seine Heerde vorüber.
Da rief Pihwitt drinnen im Karren:
»Amtmanns Tochter will ich nicht!
Amtmanns Tochter will ich nicht!«
»Narr, nimm se doch!« sagte der Schäfer. »O nein,
o nein, es ist mir wahrhaftig nicht möglich; aber,
wenn du sie willst, so mach auf und steig nur statt
meiner hier herein.« Das ließ sich der Schäfer nicht
zweimal sagen, half dem Pihwitt heraus und stieg
dann selbst hinein. Da machte Pihwitt den Karren
rasch fest zu und trieb dann die Heerde gemächlich
dem Strome zu.
Als die Bauern endlich aus der Kirche kamen, setzten
sie bald den Karren in Bewegung; und weil der
drinnen fortwährend rief:
»Die Amtmannstochter will ich wohl!
Die Amtmannstochter will ich wohl!«
so hielten sie's für Spott, trieben den Karren eilig an
den Uferrand und stießen ihn mit Hurrah in den
Strom. Nach diesem nahmen sie den Heimweg; als sie
aber von ungefähr über eine fette Trift kamen, ging da
eine Heerde der schönsten Schafe, und der sie weidete,
das war Pihwitt. »Ei, Pihwitt,« riefen die Bauern,
»haben wir dich nicht eben in's Wasser geworfen?
Wo kommst du her?« »Ja, ja,« sagte Pihwitt, »aus
dem Wasser! aus dem Wasser! Als ich da unten
ankam, das erste was ich faßte, war jener fette Leithammel,
und als ich den nur hatte, kamen die andern
Schafe gleich hinterdrein. Ich sollt's eigentlich nicht
verrathen, aber es sind auf dem Grunde des Stromes
noch viel mehr und, ich möchte fast sagen, noch schönere
zu finden als diese hier. Darum seid so freundlich
und werft mich noch einmal ins Wasser; denn selbst
hineinzuspringen, dazu habe ich den Muth nicht.«
»Ne, ne,« riefen die Bauern alle, »das thun wir nicht;
die schönen Schafe wollen wir selber holen,« liefen
darum schnell zum Flusse zurück und stürzten sich
kopfüber hinein, daß sie versaufen mußten.
Pihwitt aber behielt die vielen Schafe und war
reich, so lange er lebte.
15. Muschetier, Grenadier und Pumpedier.
Ein König hatte drei Töchter, die machten zu ihrer
Lust einen Gang in den Wald und setzten sich unter
die Blumen in das Gras und strickten. Da kamen des
Weges her drei Riesen. Als die die schönen Königstöchter
sahen, liefen sie herbei, hoben sie auf ihre
Arme und schleppten sie tief in den Wald hinein, bis
sie zu einer Höhle kamen. In die Höhle konnte man
aber nur durch ein Seil gelangen; an dem ließen sich
die Riesen mit ihren Prinzessinnen tief in die Erde
hinab. Zuerst kamen sie in einen großen Saal; da hing
an der Wand ein gewaltig langes Schwert und auf
dem Tische stand eine Flasche Wein und lag ein Brief
dabei. Hinter dem Saale waren aber noch drei andere
Zimmer, für jeden Riesen eins; da hinein brachten sie
die Königstöchter und sagten: Hier wollen wir zusammen
wohnen. Und der erste Riese schenkte der ersten
Königstochter eine goldene Sonne, der zweite Riese
schenkte der zweiten Königstochter einen goldenen
Mond, der dritte Riese gab der dritten Königstochter
einen goldenen Stern. Aber die Prinzessinnen mochten
die häßlichen Riesen doch nicht leiden; sie wären
viel lieber wieder zu Hause an des Königs Hofe gewesen;
darum saßen sie und weinten den ganzen Tag.
Als es nun Abend wurde und die Königstöchter
noch immer nicht zurückkamen, sandte der König
seine Diener aus, daß sie im Walde nach ihnen suchen
möchten. Sie fanden aber nur die drei Strickzeuge,
welche die Prinzessinnen zurückgelassen hatten; und
als sie nun auch die Spur der Riesen im Grase sahen,
sprangen sie eilig aus dem Walde. Der König, als er
die Kunde vernommen und die drei Wahrzeichen erblickte,
fiel in große Traurigkeit, legte Trauerkleider
an mit seinem ganzen Hofe und gab Befehl, daß man
die ganze Stadt mit schwarzem Flor überziehen sollte.
Nachdem ließ er ausschreiben und bekannt machen in
seiner Stadt und seinem Reiche, daß dem viel Geld
und großer Lohn verheißen sei, der es wagen und ausführen
würde, die Königstöchter aus der Gewalt der
Riesen zu befreien.
Da traten dreie aus des Königs Heer, die nannten
sich Muschetier, Grenadier und Pumpedier, und wollten
Hals und Leben wagen, daß sie die Königstöchter
befreien und den Lohn erlangen möchten. Sie schnürten
ihre Bündel und zogen in den Wald hinein. Acht
Tage waren sie schon herumgewandert; das Reisebrod
ging zu Ende und Grenadier und Pumpedier meinten,
es sei besser umzukehren als in dem Walde zu verhungern
oder gar den schrecklichen Riesen in die
Hände zu fallen. Aber Muschetier sprach ihnen Muth
ein; daß es schimpflich sei, auf halbem Wege umzukehren,
daß sie doch nur wenig zu verlieren, aber
recht viel zu gewinnen hätten, und daß, wenn sie umkehren
wollten, er allein sein Glück versuchen wolle.
Da gingen sie mit. Es währte nicht lange, so kamen
sie vor ein Schloß, das war ganz todt und menschenleer,
die Küche jedoch mit allen Vorräthen wohl versehen.
Das freute die drei Gesellen, die nun schon so
lange nur Trockenes gegessen, daß sie endlich einmal
wieder warme Löffelkost kriegen sollten. Sie kamen
überein, daß zwei von ihnen auf die Jagd gehen sollten,
während der dritte das Essen koche; darum zogen
sie die Loose und kam die Reihe zuerst an Pumpedier.
Der zündete bald ein Feuer an, hängte einen Topf darüber
und that Erbsen und Speck hinein, denn das war
der drei Gesellen Leibgericht. Muschetier und Grenadier
gingen derweilen auf die Jagd. Als nun Pumpedier
das Erbsengericht bereitet hatte, die beiden Gesellen
aber immer noch nicht zurück waren, setzte er
sich allein zu Tische, weil er großen Hunger hatte. Da
trat zur Thür herein ein greises Männchen, das trug in
der Hand einen eisernen Stock und sprach den Gesellen
an: »Guten Tag, mein Herr!« »Schön Dank, mein
Herr!«
»Ich meint, ich wäre hier ganz allein.
Es freut mich, daß hier auch Leute sein.
Denn ich muß mich von diesem Schloß nähren.«
Danach bat das Männchen den Gesellen um etwas
Essen. Als er ihm ein Brod gab, ließ es wie aus Ver-
sehen ein Stück davon auf die Erde fallen; der Gesell
bückte sich, es wieder aufzunehmen; aber in demselben
Augenblicke saß auch das Männchen ihm auf
dem Rücken und schlug ihn so heftig mit seinem eisernen
Stabe in den Nacken, daß er die Besinnung
verlor. Danach verschwand das Männchen. Pumpedier
war noch nicht lange wieder zu sich selbst gekommen,
als Muschetier und Grenadier von der Jagd
zurückkehrten; er erzählte ihnen aber nicht, wie es
ihm ergangen war.
Den zweiten Tag kam an Grenadier die Reihe, das
Haus zu hüthen. Er kochte auch Erbsen und Speck;
als er sich aber eben zu Tisch gesetzt hatte, trat wieder
das Männchen herein, sprach seinen Gruß, bat um
ein wenig Essen, ließ das Brod auf den Boden fallen,
und als der Geselle sich eilig danach bückte, sprang
es ihm auf den Rücken und schlug ihn mit seinem Eisenstab
so lange, bis ihm die Besinnung ausging. Als
er wieder zu sich selbst kam, kehrten die beiden anderen
gerade von der Jagd zurück und fragten, wie's ihm
gegangen sei. »O, ganz gut,« sagte er, denn von den
Schlägen wollte er nicht gerne erzählen.
Den dritten Tag mußte Muschetier den Haushalt
versehen. Auch er kriegte Erbsen und Speck zu Feuer,
denn das mochten die drei am liebsten essen. Als das
Gericht nun fertig war, gedachte er, daß die andern
zwei noch lange außen bleiben könnten, nahm sein
Theil vorweg und stellte das Übrige in die Kohlen,
daß es warm bliebe. Da trat plötzlich durch die Thür
herein das graue Männchen mit dem eisernen Stabe.
»Guten Tag, mein Herr.« – »Schön Dank, mein
Herr!«
»Ich meint, ich wäre hier ganz allein.
Es freut mich, daß hier auch Leute sein.
Denn ich muß mich von diesem Schloß nähren.«
Darauf bat es um eine kleine Gabe. »Da hast Du
Brod,« sprach Muschetier und gab ihm ein gutes
Stück; aber das Männchen versah's mit Absicht, so
daß das Brod auf die Erde fiel. »Wie? was?« sagte
Muschetier, »wirfst du Gottes Gabe auf die Erde?«
sprang eilig herzu, riß dem Männchen den Eisenstab
aus der Hand und prügelte es damit so tüchtig durch,
daß es erbärmlich quickend durch die Thüre entsprang.
Nun setzte er sich mit Ruhe zum Essen nieder.
Bald kamen auch die beiden andern von der Jagd
zurück; da wies ihnen Muschetier den eisernen Stock
und sagte: »Kennt ihr den? Mich dünkt, daß es euch
hier nicht zum Besten ergangen ist.« Da mußten die
zwei alles bekennen. »Wir haben uns hier nun lange
genug verweilt,« sprach Muschetier darauf; »es wird
Zeit, weiter zu ziehen, daß wir womöglich die Riesen
bekämpfen und des Königs Dank und Lohn empfangen
mögen.« Ob nun gleich Grenadier und Pumpedier
gern noch länger in dem Schlosse verblieben wären,
so mochten sie doch allein das Wagstück nicht bestehen,
entsagten darum der warmen Löffelkost, füllten
die Ranzen wieder mit trockener Ware und zogen
weiter in den dichten Wald hinein.
Acht Tage mußten sie wandern, da kamen sie endlich
an das Felsloch, welches in die unterirdische
Höhle der Riesen führte. Weil nun Grenadier und
Pumpedier gänzlich der Muth entsank, so daß sie lieber
umkehren, als Hals und Leben wagen wollten, so
unternahm es Muschetier allein, in das dunkle Loch
hinabzusteigen. Es ging nur ein Seil hinunter, daran
ließ er sich hinab, nachdem ihm seine Gefährten hatten
schwören müssen, daß sie ihn wieder aufziehen
wollten, wenn er unten das Zeichen geben würde. Zuerst
kam er in den großen Saal; an der Wand hing das
Schwert, auf dem Tische stand die Flasche mit Wein
und daneben lag der Brief; darin stand geschrieben:
»Wer von dem Weine dreimal trinkt, der kann das
Schwert bewegen wie er will.«
Als Muschetier das gelesen hatte, trank er den
Wein, holte das Schwert von der Wand und öffnete
leise die Thür, die in das Gemach des ersten Riesen
mit der goldenen Sonne ging. Es war gerade in der
Mittagszeit, und der Riese, vom Essen müde geworden,
hatte seinen Kopf in der Prinzessin Schooß gelegt
und ließ sich von ihr lausen, wie er das immer
nach dem Essen zu thun pflegte. Durch das behagli-
che Krauen war er aber fest eingeschlafen, so daß er
tüchtig schnarchte. Wie das Muschetier bemerkte, gab
er der Königstochter ein Zeichen, den Kopf des Riesen
leise niederzulegen, holte weit aus mit dem
Schwerte und – klatsch! – mit e i n e m Hiebe flog der
Kopf vom Rumpfe, daß er weithin auf den Boden
rollte; aus dem Halse sprang ein schwarzer dicker
Blutstrahl, der Riese zappelte noch ein wenig mit
Händen und Füßen, dann war er still und todt. Mit
dem wären wir also fertig!
Nun ging Muschetier in das Zimmer des zweiten
Riesen mit dem goldenen Monde, der war auch eingeschlafen,
hatte seinen Kopf in den Schooß der Königstochter
gelegt und ließ sich von ihr lausen. Wie
das Muschetier bemerkte, gab er ihr ein Zeichen, den
Kopf des Riesen leise niederzulegen, holte weit aus
mit dem Schwerte und – klapp! – mit e i n e m Hiebe
flog der Kopf vom Rumpfe, daß er weit hin auf den
Boden kollerte; aus dem Halse schoß ein schwarzer
Blutstrahl, der Riese zappelte noch ein wenig mit
Händen und Füßen, dann war er todt.
Nun ging Muschetier in das Zimmer des dritten
Riesen mit dem goldenen Stern, der war auch eingeschlafen,
hatte seinen dicken Kopf in den Schooß der
Prinzessin gelegt und ließ sich von ihr lausen, wie er
das immer zu thun pflegte, wenn er was gegessen
hatte. Wie das Muschetier bemerkte, so gab er der
Königstochter ein Zeichen, den Kopf des Riesen leise
niederzulegen, dann holte er weit aus mit seinem
Schwerte; weil es nun oben schon stumpf geworden
war, so wollte der Kopf erst gar nicht ab; der Riese
schrie und spalkerte schrecklich, aber mit dem dritten
Hiebe flog der Kopf vom Rumpfe, daß er weithin auf
den Boden kollerte; aus dem Halse schoß ein schwarzer
Blutstrahl, der Riese zappelte noch ein wenig,
dann war er todt.
Da dankten die Königtöchter dem Muschetier vielmal
für ihre Erlösung. Der brachte sie an den Ausgang
der Höhle, gab den beiden Gefährten das Zeichen
zum Aufziehen, und so wurden die Prinzessinnen
nacheinander glücklich in die Höhe gezogen. Zuletzt
hing sich Muschetier selbst an den Strick; da
schnitten aber die treulosen Gesellen das Seil entzwei,
weil sie ihre Zaghaftigkeit nicht wollten kund werden
lassen, nahmen den drei Königstöchtern den Eid des
Schweigens ab, zogen mit ihnen an den Königshof,
machten da viel Geschrei von ihren Heldentaten und
nahmen Lohn und Ehre und Dank des Königs für sich
allein.
Nun hört, wie's Muschetier erging! Er war traurig
in der Riesenhöhle zurückgeblieben, fand keinen Ausweg,
wie er auch suchen mochte und meinte schon,
das Tageslicht nie wieder zu sehen, als plötzlich das
greise Männchen aus dem verwünschten Schlosse vor
ihm stand, das aber schnell entfliehen wollte, als es
seiner ansichtig wurde. »Halt!« rief Muschetier, »bist
du hereingekommen, so weißt du auch, wie man hier
wieder herauskommt; zeige mir gleich einen Ausgang
aus dieser Höhle, oder ich prügele dich noch einmal
mit deinem eigenen Stocke.« Da wurde das Männchen
ganz demüthig, denn Muschetier hatte den eisernen
Stock noch bei sich, den er aus dem verwünschten
Schlosse mitgebracht hatte. Das Männchen führte ihn
vor einen großen Spiegel und ließ ihn da hinein
sehen. Da wurde er zu einer Ameise, nahm die goldene
Sonne, den goldenen Mond und den goldenen
Stern, welche die Königstöchter vergessen hatten, in
seinen Ranzen und kletterte an der Wand hinauf. Als
er oben war, bekam er seine vorige Gestalt wieder,
schritt rüstig weiter und kam nach acht Tagen aus
dem Walde und in die Stadt des Königs. Da sprach er
in der Bude eines Goldschmieds vor, den fragte er, ob
er keinen Gesellen gebrauchen könne. »O ja!« sprach
der Meister, »wenn du fleißig sein willst und eine goldene
Sonne, einen goldenen Mond und einen goldenen
Stern zu schmieden verstehst, so kommst du mir
schon recht, Gesell! Denn die drei Dinge hat der
König gestern bei mir bestellt und sagte, seine Tochter
plagten ihn und ließen ihm keine Ruhe den ganzen
Tag, weil sie durchaus eine goldene Sonne, einen goldenen
Mond und einen goldenen Stern haben wollten.
Nun bin ich in Verlegenheit, weil das Ding Eile hat,
ich dergleichen aber nie gemacht habe, auch wohl nie
zu Stande bringen werde.« »Seid ohne Sorgen, Meister
«, sprach Muschetier; »darauf verstehe ich mich,
denn das ist gerade mein Fach«; und verdingte sich
also bei dem Goldschmiede. Am andern Tage ging er
die Arbeit anzugreifen, in die Werkstätte, schloß aber
die Thür hinter sich zu, »denn,« sprach er, »beim Arbeiten
muß ich ungestört sein, das ist so meine Art«.
Es währte nicht gar zu lange, so trat er wieder hervor,
trug die goldene Sonne, den goldenen Mond und den
goldenen Stern in seinen Händen, sie dem Meister zu
zeigen, der den Gesellen ob seiner Kunst höchlich
loben mußte. »Nun will ich auch selber damit zum
Könige, daß ich sehe, ob er noch etwas daran zu ändern
habe«, sprach Muschetier, zog sich sauber an
und ging auf des Königs Schloß. Als er nun vor den
König gelassen wurde, so waren des Königs drei
Töchter auch da, denen überreichte er die goldene
Sonne, den goldenen Mond und den goldenen Stern,
und als sie die drei Dinge und den Mann, der sie
brachte, genauer ansahen, erkannten sie ihn, waren
voller Freuden und sprachen zu ihrem Vater, dem Könige:
»Lieber Vater, wir können nun und nimmermehr
verschweigen, daß dies der Mann ist, der uns aus der
Gefangenschaft der Riesen erlöst hat; die andern zwei
aber haben mit Unrecht Dank und Lohn dafür genom-
men.« Da ließ der König Grenadier und Pumpedier
vor sich fordern, schalt sie tüchtig aus und befahl,
ihnen ihr Geld wieder abzunehmen und sie darnach in
den festen Thurm zu werfen. Muschetier aber wurde
ein angesehener Herr an des Königs Hofe und hundert
Jahre alt. (Das ist aber in alten Zeiten gewesen, wo
die Jahre noch kürzer waren als jetzt.)
16. Der dumme Hans.
Es ist einmal ein Junge gewesen, der war ein rechter
dummer Hans, aber sonst ganz ordentlich und fleißig.
Den schickte eines Tages seine Mutter in das nächste
Dorf, wo seine Base gerade Hochzeit hielt, und sagte,
als er wegging, zu ihm: »Hans, mein Junge,« hat sie
gesagt, »nun mach dich nur recht lustig auf der Hochzeit,
komm aber nicht zu spät wieder heim.« »Seid
ohne Sorge, Mutter,« sprach Hans, »ich will lustig
sein, daß es eine Art haben soll,« nahm seinen Hut
und ging die Straße hin dem Dorfe zu. Als er aber vor
seiner Base Haus kam, war darin eine Brunst entstanden
und schlug die helle Lohe schon zum Dache heraus,
so daß die Hochzeitsgäste hin und her rannten
vor Schrecken und in großer Verwirrung. Da lief
Hans eilig herzu, schwang lustig seinen Hut und
schrie in einem fort: »Ju! Hochzeit.« Das verdroß
aber die Leute sehr; darum riefen sie: »Stopft doch
dem Narren das Maul; er will uns hier wohl noch gar
zum besten haben.« Es waren auch gleich einige
handfeste Männer bereit, die faßten Hans am Kragen
und prügelten ihn, daß er schreiend aus dem Dorfe
lief, auch nicht eher wieder zu laufen aufhörte, bis er
bei seiner Mutter war. »Schon wieder da, Hans?« hat
die Mutter gesagt. »Hat's dir auf der Hochzeit nicht
gefallen?« »Ach ja, Mutter, das schon,« sagte Hans;
»aber als ich hinkam, da brannte meiner Base Haus,
und da habe ich in einem fort geschrien: ju! Hochzeit!
ju! Hochzeit! und da haben mich die Leute geprügelt
und da bin ich weggelaufen«. »Das war nicht recht,
Hans,« sagte die Mutter; »da hättest du rufen müssen:
He, Feuer, Feuer! Wasser her! Wasser her!« »Gut
Mutter,« sprach Hans, »wenn's wieder so kommt, will
ich's schon besser machen.« Nun schickte ihn nach einiger
Zeit die Mutter in die Stadt, beim Bäcker Brod
zu kaufen; als er da die Glut im Backofen bemerkte,
fing er gleich groß Geschrei an: »Feuer! Feuer! Wasser
her! Wasser her!« griff auch in Eile den ersten besten
Eimer und goß Wasser damit in die Flamme. Auf
den Lärm sammelte sich bald eine große Menge Menschen
mit Feuereimern, den Brand damit zu löschen;
wie die sahen, daß sie gefoppt waren und nirgends
Feuer war, außer im Backofen, prügelten sie den
Hans zur Stadt hinaus, daß er heulend zu seiner Mutter
lief. »Ei, Hans, was heulst du denn so?« fragte ihn
die; »hat der Bäcker kein Brot gehabt?« »Das schon,«
sagte Hans; »aber als ich hinkam, sah ich den Backofen,
der brannte lichterloh, da habe ich geschrien: He
Feuer! Feuer! Wasser her! Wasser her! und da sind
die Leute herzugelaufen und haben mich zur Stadt
hinaus geprügelt.« »Ich sehe wohl ein, Hans,« hat
darauf die Mutter gesagt, »es wäre für dich das beste,
wenn du eine Frau nähmest.« »Schon recht! Mutter!«
sprach Hans; »wenn nur eine käme.« Da ist Hansens
Mutter ausgegangen und hat auch bald eine gefunden,
die den Hans wohl nehmen wollte; aber vorher wollte
sie ihn erst sehen und auch die ganze Hausgelegenheit.
Wie nun der nächste Sonntag war, fegte die Mutter
das Haus und streute weißen Sand, und als die
Braut ankam, brachte die Mutter das Essen herein;
den Hans aber schickte sie mit dem Kruge in den Keller,
für die Braut einen frischen Trunk zu holen. Nun
saß vorn an im Keller eine Gans auf einem Nest voll
Eier und brütete. Wie der Hans an ihr vorbei gehen
wollte, machte die Gans den Hals lang und zischte,
wie Gänse thun. »Sieh mal!« sagte Hans, »du wolltest
wohl beißen!« drehte sich um und klapps! gab er ihr
mit dem Kruge einen auf den Kopf, daß sie auch
gleich todt war. Da freute sich Hans, daß die Gans
nicht mehr beißen konnte und sagte: »Um die alte
Gans ist es mir gar nicht zu thun; aber wer soll nun
die Eier ausbrüten!« Da fiel ihm ein, daß in der
Kellerecke ein Faß mit Honig stand; er zog darum
eilig seine Kleider aus, kletterte in das Faß und drehte
sich in dem Honig um und um; dann rupfte er die
Gans, wickelte sich in die Federn und setzte sich
schnell auf die Eier, um sie selber auszubrüten. Mit
dem, so guckt die Braut in den Keller, zu sehen,
warum Hans mit dem Bier so lange außen bleibt. Da
sah sie denn den wunderlichen Vogel auf dem Neste
sitzen, der zischte und schnatterte wie eine Gans. Als
das die Braut sah, klappte sie schnell die Thüre zu
und ist aus dem Hause gelaufen.
17. Der kluge Bauer.
Eines schönen Tages pflügte ein Bauer seinen Acker,
welcher an einem Bache lag, und als er eben wieder
wenden wollte, hörte er, daß in dem Bache etwas
knurrte und plätscherte. Wie er nun näher hinzutrat,
so sah er, daß es ein Fuchs und ein Hecht waren, die
hatten einer den andern halb eingeschluckt. »Ei,«
dachte der Bauer, »das ist doch lustig; das wäre ein
Spaß für den König; wenn du die zwei so zum König
brächtest, so würde er dir gewiß ein gutes Trinkgeld
geben.« Der Bauer, der kein Dummer war, fing sich
den Fuchs und den Hecht, steckte sie in einen Sack
und brachte sie, weil sie nicht von einander loskommen
konnten, in dieser drolligen Lage zu des Königs
Schloß. »Wohin?« rief die Schildwache, welche den
Bauern in seinem schlechten Zeuge nicht durchlassen
wollte. »Ich will dem König einen Fuchs und einen
Hecht bringen, die haben sich einander halb eingeschluckt.
« »Wenn das ist,« sagte die Schildwache,
»so geh nur hinein, da wird dir der König gewiß ein
gutes Trinkgeld geben; aber gieb mir auch was ab.«
»Recht gern,« antwortete der Bauer, »du sollst die
Hälfte abhaben.« Wie er nun weiter ging, so stand da
noch eine Schildwache, die wollte ihn auch nicht
durchlassen; als er ihr aber die Hälfte seines Trinkgel-
des versprach, ließ sie ihn hineingehen.
Der König saß gerade mit seinen Herren und
Damen zu Tische; der Bauer klopfte an und der König
rief herein! Da ging der Bauer in die Stube, that sein
Sack auf und sagte, »daß er ihm da wohl einen Fuchs
und einen Hecht bringen wollte, die hätten sich halb
eingeschluckt.« So was hatte nun der König in seinem
Leben noch nicht gesehen, und auch alle die Hofleute
nicht, darum mußten sie herzlich darüber lachen.
»Hier, Bauer,« sagte der König, und schenkte ihm ein
Glas Wein ein, »hier trinke Er erst mal, denn der Weg
ist Ihm doch gewiß sauer geworden.« »Mit Verlaub,
Herr König,« antwortete der Bauer; »von den Beestern
da sind mir die Hände so naß und dreckig geworden,
daß ich mich wohl erst ein bischen abtrocknen
möchte.« Da rief der König gleich eins von den
jungen Hoffräulein und sagte: »He! Jungfer! Hole sie
doch dem Manne mal ein Handtuch; sie weiß ja wohl,
in meiner Kammer gleich rechts hinter der Thür, da
hängt eins am Haken.« Sogleich ist das Fräulein hingelaufen,
und als sie wiederkam, hatte sie das Handtuch
über die Schulter gehängt; da faßte der Bauer
den einen Zipfel, trocknete seine Hände daran ab und
trank das Glas Wein aus, was ihm der König eingeschenkt
hatte.
»Mein lieber Freund,« sprach nun der König, »mit
den beiden Thieren hat er mir ein großes Vergnügen
gemacht; nun bitte er sich auch eine Gnade aus.«
»Wenn Ihr mir was schenken wollt, Herr König,« antwortete
der Bauer, »so gebt mir hundert Stockprügel.
« »Gut,« sprach lachend der König »wenn's weiter
nichts ist, die sollen ihm gleich ausbezahlt werden.«
»Mit Verlaub,« sagte der Bauer; »ich darf sie nicht
mehr annehmen, denn vorhin habe ich sie schon an
Eure beiden Schildwachen verschenkt, die da unten
im Hofe stehen.« Über diesen Einfall des Bauern
mußte der König herzlich lachen und sprach: »Er ist
ein drolliger Gesell, das muß ich sagen, darum bitte er
sich noch eine andere Gnade aus, sie soll ihm gewährt
sein.« »Nun,« sagte der Bauer, »so schenkt mir den
Nagel, an welchem das Handtuch gehängt hat, worin
ich mich vorhin abgetrocknet habe.« »Die Bitte soll
dir gewährt sein,« sprach der König. Da faßte der
Bauer das junge Hoffräulein bei der Hand, über dessen
Schulter das Handtuch gehängt hatte, und sagte:
»Seht, Herr König, dies ist der Nagel, woran vorhin
das Handtuch hing, die soll meine Frau werden.«
Weil sich nun das Fräulein gewaltig sträubte und
den Bauern nicht haben wollte, so machte ihn der
König, um sein Wort zu halten, zu einem Edelmann;
da nahm sie ihn.
18. Des Todtengräbers Sohn.
Es war einmal ein armer Kulengräber (Todtengräber),
der hatte einen einzigen Sohn mit Namen Fritz, und
ist da auch ein reicher Bürgermeister gewesen, der
hatte eine einzige Tochter, die hieß Karoline. Weil
nun die beiden Kinder zusammen in die Schule gingen
und täglich bei einander waren, auch gleiches
Alter hatten, so wurden sie sich von Herzen gut. Die
Jahre kamen und vergingen, die Kinder wurden groß,
aber ihre Liebe blieb dieselbe. Das war aber dem
Vater des Mädchens gar nicht recht, daß sie sich zu so
einem armen Jungen hielt, dessen Vater nur ein Todtengräber
war. Er machte dem Fritz das Leben sauer,
wie und wo er nur konnte, und verbot seiner Tochter
zuletzt auf das strengste, mit ihm zu verkehren und zu
sprechen, sodaß die zwei sich nur zuweilen heimlich
sehen konnten. Da dachte der Fritz endlich: »Ich will
nun in die weite Welt gehen, ob ich nicht da mein
Glück machen und Geld erwerben kann; so geht es
doch nie und nimmer gut.« Und als er nun zum letzten
Mal zu seiner Karoline ging, ihr Lebewohl zu sagen,
fing sie bitterlich zu weinen an und gab ihm einen
Ring und sagte, daß er sie doch nicht vergessen
möchte, wenn er nun so weit in der Fremde wäre.
»Nie und nimmer will ich dich vergessen«, hat er da
gesagt; »ich gehe nun nach Spanien, das ist ein weiter,
weiter Weg; darum versprich mir, daß du mir sieben
Jahre lang treu bleiben willst; bin ich dann nicht
zurück, so bin ich todt und komme niemals wieder«.
Das haben sich die zwei fest versprochen und haben
mit Weinen von einander Abschied genommen; der
Fritz ist dann fortgewandert auf dem Wege, der nach
Spanien geht.
Gegen Abend kam er zu einem Schlosse, drinnen
wohnte ein alter Ritter mit seiner Frau, die nahmen
ihn freundlich auf und gaben ihm Herberge. Er erzählte
ihnen, als sie zu Tische saßen, wie es ihm so traurig
ergangen sei, und daß er nun hinwollte nach Spanien,
ob er da nicht sein Glück machen könne. Weil
er nun so offen und treuherzig war, gewannen ihn der
Ritter und seine Frau lieb, und da sie keine Kinder
hatten, so behielten sie ihn bei sich als ihren Sohn,
gaben ihm gute Kleider und ließen ihn in allem unterrichten,
was einem Rittersmann zukommt.
Über eine Zeit, so ging die Kunde, der König von
Spanien, der schon alt und des Regierens müde sei,
hätte eine Krone ausgehängt, wer die in vollem Jagen
herunterstäche, der sollte Vizekönig von Spanien sein
und des Königs Tochter zur Frau haben. Da bat Fritz
seine Pflegeeltern, daß sie ihn möchten nach Spanien
an des Königs Hof ziehen lassen, denn das Kronenstechen
hätte er doch gar zu gerne mitgemacht. »Wer
weiß, ob es dir nicht glückt,« dachte er und bat so
lange, bis ihm der Ritter ein Pferd gab und ihn ziehen
ließ. So ritt er denn fort auf dem Wege, der nach Spanien
geht, und als er dort ankam, da hatten sich schon
alle Ritter im Stechen versucht, aber keiner hatte die
Krone erlangen können. So war er der letzte an der
Reihe, und richtig! es gelang ihm, die Krone herunterzustechen.
Da wurde er zum Vizekönig von Spanien
gemacht und sollte des Königs Tochter haben.
Es waren aber zu der Zeit gerade die sieben Jahre
herum, darum sprach er: »Ehe die Hochzeit ist, will
ich noch einmal in meine Heimath zu meinem alten
Vater reisen.« Des war der König zufrieden. So zog er
denn fort in seine Heimath, und als er da ankam, war
es Abend; da kehrte er in dem ersten Gasthofe ein, der
des Bürgermeisters Hause gerade gegenüber lag. Dem
Bürgermeister sein Haus war aber ganz hell erleuchtet
und war Musik darin und wurde getanzt. Da fragte er
den Wirth, was denn das zu bedeuten hätte, daß es in
dem Hause da auf der andern Seite so lustig herginge.
»Das kommt daher,« antwortete der Wirth, »daß unsers
Bürgermeisters Tochter heute Hochzeit hält.« Da
fragte er weiter, ob er es als Fremder wohl wagen
könnte, auch mal hinüber auf die Hochzeit zu gehen.
»Das könnt Ihr nur dreist thun,« sagte der Wirth, »so
einen feinen, reichen Herrn, wie Ihr seid, wird man da
gerne sehen.« So ging er denn auf die Hochzeit; aber
von den Leuten, die da waren, kannte ihn keiner wieder
und alle freuten sie sich, daß so ein vornehmer
Herr ihnen die Ehre anthäte, bei ihnen einzusprechen.
»Ist es wohl erlaubt,« fragte er da, »mit der Braut
einen Tanz zu machen?« »Ei ja wohl,« sprachen alle,
»das wird der Braut eine große Ehre sein.« Da ging er
hin zu den Musikanten und bestellte seinen Lieblingswalzer,
den er sonst mit seiner Karoline immer so
gern getanzt hatte, und als er sie nun zum Tanze holte
und die Musik den Walzer zu spielen anfing, wurde
sie ganz still und dachte bei sich: »Es ist doch sonderbar,
daß dieser fremde Herr mich gerade heute an meinen
Fritz erinnern muß, der doch gewiß schon lange
todt ist; nun ich seinen Lieblingswalzer spielen höre,
wird mir ordentlich das Herz schwer;« aber doch erkannte
sie ihn nicht. Als nun der Tanz zu Ende war
und der fremde Herr wieder fortgehen wollte, drückte
er der Braut ein Papier in die Hand, und als sie das
aufmachte, so lag darin der Ring, den sie ihrem Fritz
vor sieben Jahren gegeben hatte, als sie von einander
Abschied nahmen. Sowie sie aber den Ring erkannte,
wurde sie ganz blaß und fiel für todt auf den Boden
hin. Da nahm die Hochzeit ein trauriges Ende. Fritz
aber ging zu seinem Vater und gab sich ihm zu erkennen
und erzählte ihm, daß er nun Vizekönig von Spanien
sei; das ist dem alten Manne eine große Freude
gewesen.
Den andern Tag wurde Karoline in ihrem Sarge in
das Todtengewölbe gebracht, denn sie war nicht wieder
zum Leben zurückgekommen. Mittlerweile kam
ein Bote von Spanien, der brachte die Nachricht an
Fritz, die Königstochter wäre plötzlich gestorben und
der König wollte nun die Regierung ganz abtreten;
darum solle er doch schnell nach Spanien zurückkommen.
Weil er aber, ehe er fortreiste, seine liebe Karoline
doch noch zum letzten Male sehen wollte, so ging
er mit seinem Vater, der den Schlüssel zu dem Todtengewölbe
hatte, in der Nacht dahin; da lag sie still
in ihrem Sarge, und als er sich nun weinend über sie
beugte, um sie zu küssen, fühlte er mit einem Male,
daß sie noch leise Athem holte. Da brachte er sie mit
seinem Vater aus dem kalten Gewölbe ins Haus, und
in der Wärme kam sie nach und nach wieder ins
Leben zurück; und als sie ihren Fritz erkannte, fielen
sie sich beide um den Hals und weinten vor Freude,
daß sie sich nun endlich wieder hatten.
Den folgenden Tag mußte Fritz wieder fort nach
Spanien; seine Karoline ließ er aber bei seinem Vater
und sagte ihr, daß sie da heimlich bleiben sollte, bis
er wieder käme. Es verging ein Jahr und ein Tag, da
kam er zurück und veranstaltete ein großes Gastmahl,
dazu ließ er auch den Bürgermeister einladen, und als
sie zu Tische saßen, sagte er, er wolle ihnen mal ein
Gleichnis aufgeben, darüber sollten sie ihm alle ihre
Meinung sagen. »Es war mal ein Gärtner,« sprach er
da, »der hatte eine wunderschöne Blume; die Blume
verwelkte, und der Gärtner riß sie aus und warf sie
aus seinem Garten. Nun kam des Wegs ein Mann, der
fand die Blume, nahm sie mit und pflanzte sie in seinen
Blumengarten, und weil er sie pflegte und wohl
begoß, so wurde die Blume wieder frisch und schön
wie vorher. Nun sagt! Wem kam die Blume zu? Dem
Gärtner, der sie aus seinem Garten warf, oder dem
Manne, der sie fand und pflegte, bis sie wieder frisch
und grün geworden war?« Da sagten sie alle, daß dem
die Blume gehörte, der sie gefunden und gepflegt
hätte. »Nun denn,« sagte er, »so will ich Euch die
Blume zeigen!« und indem so machte er die Thür auf
und ließ seine Karoline hereinkommen. »Seht her!
dies ist die Blume, die ich fand und pflegte und wieder
ins Leben brachte, als sie verwelkt war; nun will
ich sie auch behalten, so lange ich lebe.«
Da nahm er sie mit in sein Königreich und lebte
glücklich mit ihr bis an sein Ende.