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2 Trainingsprinzipien

Es ist schonmal ganz gut, wenn man sich entschieden hat, mit seinem Hund über Belohnung arbeiten zu wollen. Es gehört allerdings mehr dazu, als nur hin und wieder mal ein Leckerchen zu verteilen. Im Folgenden wollen wir uns einige wichtige Trainingsprinzipien ansehen, die das Training dann auch erfolgreich machen.

Das sind die drei Säulen eines guten Trainings. Wann immer es im Training nicht so wirklich vorwärts geht, ist höchstwahrscheinlich einer oder mehrere von diesen Punkten nicht so, wie er sein sollte.


Timing

»Je besser das Timing, desto »schlauer« das Tier«, pflegte Bob Bailey, ein überaus erfahrener Tiertrainer, immer wieder zu sagen. Es ist wirklich unvorstellbar, welch gewaltige Unterschiede man bei gutem Timing im Training bewirken kann!

Hauptsächlich entscheidet ein gutes Timing, ob der Hund überhaupt verstehen kann, was wir von ihm wollen. Möchte ich zum Beispiel ein Sitzen verstärken und mein Leckerchen ist immer erst dann beim Hund, wenn der schon wieder aufgesprungen ist, wird er wahrscheinlich vermuten, dass wir das Aufspringen wollen, was dann natürlich ein Missverständnis ist.

Timing-Übungen ohne Hund

Hier einige Timing-Übungen, wieder zunächst ohne Hund:

Optimal ist es, wenn Sie einen Trainingspartner haben, mit dem Sie diese Übungen zusammen machen können.

Linker Daumen an Nasenspitze

Einer von Ihnen ist nun der Trainer, der versucht, bei dem anderen ein bestimmtes Verhalten »einzufangen«. Dieses Verhalten soll sein: linker Daumen an Nasenspitze. Derjenige von Ihnen, der jetzt das Tier spielt, kann also mit jedem seiner Finger einen Ort im Gesicht berühren. Der Trainer muss dieses Verhalten genau beobachten. Und immer dann und nur dann, wenn der linke Daumen die Nasenspitze berührt, dann soll er clicken. Nach einiger Übung kann es dem Trainer ruhig ziemlich schwer gemacht werden, indem eine Bewegung angetäuscht wird oder die Finger sich sehr schnell zu unterschiedlichen Stellen bewegen. Tauschen Sie zwischendurch die Rollen. Wenn alle Clicks zum richtigen Zeitpunkt kommen, gibt es noch eine andere schöne Übung, um das Timing zu schulen.



Timing-Übung: Ball auf Boden

Nehmen Sie sich am besten einen Flummi, einen schön springenden Gummiball also. Damit funktioniert die Übung am besten. Gehen Sie in einen Raum, in dem Sie mit dem Ball nichts umwerfen können und werfen Sie ihn kräftig auf den Boden. Jedes Mal jetzt, wenn der Ball den Boden berührt, sollten Sie clicken. Das Geräusch des aufschlagenden Balles und der Click sollten als ein einziger Ton zusammenfallen. Am Anfang ist das relativ einfach, weil der Ball schön hoch springt und entsprechend lang für die nächste Landung braucht. Gegen Ende wird er immer schneller. Je nachdem, wo der Ball anstößt, kann er auch plötzlich seine Richtung ändern und dann ganz unerwartet wieder auf dem Boden sein. Das fördert Ihre Beobachtungsgabe und Ihr Timing.

Fußballspiel

Optimal ist es, wenn Sie sich dafür ein Fußballspiel oder ein beliebiges anderes Ballspiel auf Video oder DVD aufnehmen. Lassen Sie das Spiel anschließend laufen und drücken Sie immer dann auf die Pausetaste, wenn ein Spieler den Ball mit dem Fuß oder entsprechendem berührt. Im Standbild haben Sie dann eine gute Kontrolle über Ihr Timing. Schaffen Sie es, dass auf dem Standbild der Ball sozusagen immer am Fuß des Spielers klebt, ist Ihr Timing sehr gut.

Timingübungen mit Hund

Haben Sie sich mit Ihrem Trainingspartner schon einigermaßen im Timing geübt, kann jetzt wieder der Hund dazu kommen. Wieder ist es in erster Linie eine Übung für Sie, aber der Hund wird so nebenbei auch ganz nützliche Dinge lernen.

Für Anfänger: Bleib-Übung

Setzen Sie den Hund hin. Dann bewegen Sie sich um den Hund herum. Sie beginnen mit ganz leichten Bewegungen. Unmittelbar nach einer Bewegung füttern Sie den Hund, solange er noch sitzt. Steht er auf, waren Sie zu langsam. Oder Ihre Bewegung war zu stark und damit war es für den Hund zu schwierig, sitzen zu bleiben. Machen Sie es für den Hund so leicht, dass Sie eine gute Chance haben, ihn im Sitzen zu belohnen. Versuchen Sie aber dennoch, den Schwierigkeitsgrad der Übung immer mehr zu steigern.

Sprechen Sie nicht mit dem Hund. Ihre einzige Information für ihn sollte das zum richtigen Zeitpunkt gegebene Leckerchen sein. Je besser Ihr Timing, desto schneller werden Sie dem Hund beibringen können, dass er auch unter extremen Bedingungen sitzen bleibt.


Denken Sie daran, die Hände zwischen den Belohnungen in der Nullposition zu haben. Sie sollten also nicht ständig eine Hand mit Leckerchen vor der Hundenase haben, sondern sich immer wieder in die Nullposition begeben und von da aus das Leckerchen vor dem Hund »erscheinen« lassen und die Hand anschließend wieder genauso schnell verschwinden lassen, wie wir es schon auf S. 15 geübt haben.


Für Fortgeschrittene: Bodentarget ohne sekundären Verstärker

Der Hund soll sich auf ein Bodentarget legen, sobald es ausgelegt wird. Das ist das Trainingsziel. Sie sollten das im freien Formen erarbeiten, allerdings ohne die Benutzung eines Markersignals. Nur Ihr zur richtigen Zeit dargebotenes Leckerchen soll dem Hund die entsprechende Information geben.

Anfangs wird also jeder Blick zum Bodentarget belohnt, dann das Nähern und so weiter. Sie sollten schon einige Leckerchen in der Hand haben und diese schön in einer Null-Position halten, um schnell genug zu sein. Wenn Sie erst in die Tasche greifen, sind Sie mit Sicherheit zu langsam. Denn Sie sollten ja zu Übungszwecken keinen sekundären Verstärker verwenden. Dann ist die Übung auf alle Fälle eine schöne Herausforderung für Ihr Timing.


Kriterium

Nehmen wir nun den zweiten Punkt unserer wichtigen Trainingsprinzipien unter die Lupe, das Kriterium. Genau genommen ist damit das Belohnungskriterium gemeint. Das heißt: Was genau der Hund machen soll, um belohnt zu werden?

Sehen wir uns dazu einmal beispielhaft die Belohnungskriterien für das Trainieren der Rolle mit Locken an:

Beispiel: Trainieren der Rolle mit Locken

1. Schritt:

Aus der liegenden Position heraus soll der Hund der Hand mit dem Leckerchen folgen, die von vor seiner Nase zum Ellbogen und dann über die Schulter auf die andere Seite des Hundes geführt wird. Dazu muss er sich dann über seinen Rükken rollen. Genau dieser Moment wird belohnt, indem die Hand mit dem Leckerchen geöffnet wird.



2. Schritt:

Der Hund soll einer Hand ohne Leckerchen folgen, die in oben beschriebener Weise bewegt wird. In dem Moment, in dem er über den Rücken dreht, bekommt er eine Belohnung aus der anderen Hand.

3. Schritt:

Die lockende Hand beschreibt nur noch andeutungsweise den Weg, dem der Hund zuerst mit Nase und dann mit dem Rest seines Körpers folgen soll. Sie startet in rund 20 cm Entfernung zur Hundenase und beschreibt einen ungefähren Kreis. Der Hund wird aus der anderen Hand belohnt, sobald er über den Rücken dreht.

Danach folgen die weiteren Schritte: Die lockende Hand wird mehr und mehr zum Sichtzeichen umgebaut, indem die Bewegung immer mehr verkleinert und die Entfernung zum Hund vergrößert wird.

Die Übung wird an unterschiedlichen Orten durchgeführt, wobei der Untergrund immer angenehm für den Hund sein sollte.

Das Wortkommando wird eingeführt, indem es die nächsten Male kurz vor dem Handzeichen gegeben wird und später dann auch alleine.

Die Übung wird unter steigender Ablenkung durchgeführt – und so weiter.

Die Belohnungskriterien sind also genau die Punkte, für die der Hund in dieser Übung belohnt werden soll. Es ist so, als würden Sie jemandem anderen beschreiben, wann genau er in den einzelnen Trainingsschritten den Hund belohnen soll. Je präziser Sie damit sind, desto besser werden Ihre Trainingsergebnisse sein.

Üben mit einem Trainingspartner

Eine sehr schöne Übung zum Erlernen von Belohnungskriterien ist es deshalb auch, wenn Sie einen Trainingspartner Ihren Hund nach Ihren Anweisungen trainieren lassen. Beschreiben Sie ihm ganz genau, was er tun soll und an welchen Punkten er genau belohnen soll. Dann können Sie nämlich nicht mehr die Belohnungspunkte so aus dem Gefühl heraus wählen, sondern müssen sich genau festlegen.


Versuchen Sie als nächste Schwierigkeit, die Übung wirklich nur mit Worten zu beschreiben, ohne dass Sie zeigen, was Sie vom Trainingspartner wollen. Das erfordert eine genaue Formulierung des Trainingsschrittes und ein exaktes Festlegen des Belohnungskriteriums.

Wenn Sie das alles auch noch aufschreiben und eventuelle Änderungen in Ihren Anweisungen nachbessern, wird der Lerneffekt am größten sein.

Richtigen Schwierigkeitsgrad wählen

Ein häufig zu beobachtender Fehler ist der, dass die Belohnungskriterien zu schwierig gewählt werden. Sehen wir uns dafür noch einmal die oben ausführlich beschriebenen ersten Schritte für die Rolle an.

Mit vielen Hunden wird man die Rolle in der Tat so trainieren können, mit vielen aber auch nicht, weil schon der erste Schritt recht schwer ist.

Merkt man also im Training, dass der Hund Fehler macht oder eine Übung nicht ausführt, lohnt es sich immer, die Belohnungskriterien unter die Lupe zu nehmen und kleinere Schritte zu machen.

Beim Beispiel der Rolle könnte man also noch vor den oben genannten ersten Schritt folgende Schritte einfügen.

A Dem liegenden Hund wird ein Leckerchen vor die Nase gehalten, dem er dann 10 cm zur Seite folgt. An dieser Stelle bekommt er es.


B Das Leckerchen wird von der Nasenspitze bis zum Ellbogen des Hundes bewegt. Dort bekommt er es, wenn er mit der Nase gefolgt ist.


C Das Leckerchen wird von der Hundnase zum Ellbogen und dann über die Schulter so weit nach oben geführt, dass sich der Hund, um folgen zu können, auf die Seite legt.


Erst danach geht es mit dem oben genannten ersten Schritt weiter.

Auf diese Art und Weise ist es eigentlich immer möglich, die Belohnungskriterien für den Hund so zu gestalten, dass er nachvollziehen kann, was wir von ihm wollen. Das Maß aller Dinge ist dabei ausnahmslos der jeweils von uns zu trainierende Hund. Denn es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Hund versteht, was wir wollen. Und genauso wie wir Menschen unterschiedliche Aufgaben unterschiedlich leicht verstehen, so geht das natürlich auch den Hunden.

Es kennt bestimmt jeder von uns die Situation, dass wir eine gestellte Aufgabe so einfach nicht verstehen können, obwohl das für andere kein Problem zu sein scheint. Dann sind wir auch froh, wenn uns sie uns auf eine Art und Weise erklärt wird, dass auch wir sie verstehen können.

Das Arbeiten mit Belohnungskriterien ist so grundsätzlich für das Hundetraining, dass es sich immer wieder lohnt, sich darin zu schulen.

Nehmen Sie ich also hin und wieder die Zeit und formulieren Sie Trainingsschritte für die verschiedensten Aufgaben. Nehmen Sie sich dann einen Würfel und würfeln Sie. Bei einer »Drei« bauen Sie zwischen Ihrem dritten und vierten Trainingsschritt noch fünf Zwischenschritte ein. Auf diese Weise wird verhindert, dass Sie einen Trainingsschritt von vorneherein so groß machen, dass es leicht ist, Zwischenschritte einzufügen. So entscheidet eben der Würfel.

Im Folgenden noch ein Beispiel, von dem Sie lernen können:

Eine Selbstbeherrschungsübung für den Hund

Schritt 1:

Sie hocken vor dem Hund und legen ihm ein Leckerchen vor die Nase auf den Boden. Ihre Hand ist sofort da, um es abzudecken, wenn der Hund es nehmen möchte.

Der Hund wird mit der Nase und eventuell mit den Pfoten versuchen, an das Leckerchen zu gelangen. In dem Moment, in dem er damit aufhört, bekommt er ein Leckerchen aus der anderen Hand.

Dieser Schritt wird so lange wiederholt, bis der Hund erst gar nicht mehr den Versuch macht, das Leckerchen, das Sie ihm jedes Mal neu hinlegen, zu bekommen.



Schritt 2:

Jetzt legen Sie das Leckerchen offen hin, ohne es mit der Hand abzudecken.

Sie ziehen die Hand weg, bis Sie entspannt vor dem Hund hocken können. Zur Not muss die Hand aber sofort wieder auf dem Leckerchen sein, falls der Hund doch noch einmal versuchen sollte, es sich zu nehmen. Der Hund bekommt ein Leckerchen, sobald Sie Ihre Hand »eingezogen« haben und er sich immer noch beherrscht. Danach nehmen Sie das Leckerchen vom Boden weg und beginnen die Übung von vorne.


Schritt 3:

Sie stehen vor dem Hund und lassen ein Leckerchen vor ihn fallen.

Sollte er versuchen, es sich zu nehmen, muss schnell Ihr Fuß drauf stehen. Beherrscht er sich, bis das Leckerchen still vor ihm liegt, bekommt er schnell eine Belohnung.


Schritt 4:

Hat der Hund in den letzten 5-6 Durchgängen keinen Versuch mehr unternommen, sich das herunterfallende Leckerchen zu nehmen, ist es Zeit, das Kommando einzuführen. Sie sagen also zum Beispiel »Lass es« und lassen dann das Leckerchen fallen. Der Hund wird wieder augenblicklich belohnt, wenn er sich beherrscht. Wiederholen Sie das einige Male.


Schritt 5:

Sie üben an unterschiedlichen Orten. Haben Sie bis jetzt in der Küche geübt, gehen Sie als Nächstes in den Garten, in den Wald oder in die Fußgängerzone. Seien Sie immer darauf vorbereitet, dass Sie das Leckerchen zur Not schnell mit dem Fuß abdecken müssen.


Schritt 6:

Sie steigern die Attraktivität des Leckerchens, das Sie dem Hund vor die Nase legen. Als Belohnung sollte er dann aber im Training etwas ebenso Gutes bekommen.

Überlegen Sie jetzt bevor Sie den nächsten Absatz lesen mal, welche Zwischenschritte Sie einbauen könnten, wenn es irgendwo nicht klappt. Ist der Mensch schnell genug, klappt es eigentlich immer, weil der Mensch ja dafür sorgen muss, dass der Hund nicht an das Leckerchen dran kommt. Es könnte aber sein, dass der Mensch aus irgendeinem Grund eben gar nicht in der Lage ist, wirklich schnell zu sein. Und einen sekundären Verstärker haben wir ja bis jetzt noch nicht eingeführt.

Zwischen Schritt 1 und Schritt 2 könnte man einige Zwischenschritte einbauen, indem die Hand eben nicht direkt ganz weggezogen wird, sondern erst nur 5 cm, dann 10 cm, 20 cm, 30 cm, 50 cm und dann erst ganz.

Das Wegziehen der Hand kann man zur Not zentimeterweise gestalten, so dass man beliebig viele Zwischenschritte einbauen könnte.

Zwischen Schritt 2 und Schritt 3 könnte eingebaut werden, dass der Hundehalter nicht sofort ganz aufsteht. Er bleibt also zunächst hocken und lässt das Leckerchen erst aus 10 cm, dann aus 20 cm usw. fallen, wobei er es immer noch schnell mit der Hand abdecken kann. Dann steht er auf, beugt sich aber vor, dass er zur Not immer noch schnell mit der Hand da sein kann. Erst danach richtet er sich ganz auf und müsste dann das Leckerchen mit dem Fuß abdecken, weil er sonst nicht schnell genug sein wird, falls der Hund doch versucht, heranzukommen.

Zwischen Schritt 3 und Schritt 4 braucht man keine Zwischenschritte, weil sich für den Hund von der Aufgabe her ja nichts ändert, außer dass er jetzt das Kommando dazu hört.

Zwischen Schritt 4 und Schritt 5 könnte man zunächst in der Küche an mehrere verschiedene Orte gehen, dann in der ganzen Wohnung, dann im Treppenhaus, dann vor der Haustür usw. Dann sind die Unterschiede in der Umgebung nicht so krass und der Hund wird besser verstehen, was von ihm erwartet wird. Denn in diesem Schritt kann man noch nicht davon ausgehen, dass er das Kommando schon versteht. Im Wald könnte es daher sein, dass er gar keine Idee hat, was von ihm gefordert wird.

Eine andere Möglichkeit ist es, wenn man an jedem Ort die Trainingsschritte von Anfang an, also ab Schritt 1 wiederholt.

Zwischen Schritt 5 und Schritt 6 muss man ja nicht gleich von einem Stück Trokkenfutter auf einen Hähnchenschenkel umsteigen, sondern kann dieses »Verlokkungsleckerchen« von Mal zu Mal etwas attraktiver gestalten.

Sie sehen also, dass es gar nicht so schwer ist, immer wieder Zwischenschritte zu finden. Das sollte auch immer die erste Wahl sein, bevor Sie sich entscheiden, dass eine Übung so nicht klappt und eine ganz andere Herangehensweise wählen. Das verwirrt die Hunde nämlich oft nur, während Zwischenschritte die Übung verständlicher machen.

Was will man nicht?

Macht man sich Gedanken über die Trainings- bzw. Belohnungskriterien, ist es auch wichtig, sich zu überlegen, was man nicht will. Dann ist man nämlich vorbereitet, wenn ein solches Verhalten auftritt und wird nicht davon überrascht.

Beispiel:

Ich übe den Slalom im Agility. Ich will nicht, dass der Hund bellt. Habe ich mir das im Vorfeld schon überlegt, wird mir das sofort auffallen, wenn der Hund es tut und ich kann sofort darauf eingehen, indem dieser Durchgang so nicht belohnt wird oder ich auch noch Zwischenschritte einbaue.

Hat man sich vorher darüber keine Gedanken gemacht, wird man so aufs Training konzentriert sein, dass einem dieses unerwünschte Verhalten erst dann auffällt, wenn es wirklich schon massiv auftritt.

Oder: Ich möchte nicht, dass der Hund beim Bei-Fuß-Gehen hochspringt. Habe ich mir das im Vorfeld überlegt, wird es mir sofort auffallen. Vielleicht springt er hoch, weil ich das Belohnungsleckerchen zu hoch präsentiere. Auf jeden Fall bin ich eben sofort sensibilisiert und kann mein Verhalten entsprechend ändern.

Es heißt zwar immer wieder, dass man sich überlegen soll, wie der Hund sich verhalten soll, damit man das belohnen kann und nicht, wie er sich nicht verhalten soll. Das unterstütze ich auch voll und ganz, vor allem im Alltag. Wir sind nämlich sowieso viel zu sehr darauf getrimmt, zu sehen, was wir nicht wollen, während erwünschtes Verhalten als normal angesehen wird und gar nicht weiter auffällt.

Denn verhält sich nicht fast jeder von uns so, dass ein Hund, der schön ruhig in seinem Körbchen liegt, nicht beachtet wird, wenn wir zum Beispiel telefonieren. Geht er aber an einen Blumentopf, um darin zu kratzen, sind wir sofort da und unterbrechen sogar unser Telefonat.


Im Training ist es aber dennoch wichtig, dass man sich im Vorfeld überlegt, was passieren könnte, was man nicht haben will. Denn dann ist man vorbereitet und achtet wenigstens darauf, dass man das bestimmt nicht belohnt.

Vielleicht denken sich jetzt viele, dass sie das sowieso nie machen würden. Ich beobachte aber immer wieder, dass die Leute so konzentriert sind, ein Verhalten zu bekommen, dass sie alles belohnen, das in die richtige Richtung geht, selbst wenn sie einen Teil des Verhaltens gar nicht wollen.


Belohnungsrate

Jetzt kommen wir also zu dem dritten der grundlegenden Prinzipien im Training, nämlich der Belohungsrate. Auch sie spielt eine entscheidende Rolle im Training.

Belohnungsrate bedeutet: Wie oft belohne ich den Hund in einer bestimmten Zeiteinheit? So kann die Belohnungsrate zum Beispiel ein Leckerchen pro Minute sein oder auch ein Leckerchen alle 3 Sekunden, wobei wir bei 15 bis 20 pro Minute wären, oder auch alle erdenklichen anderen Varianten. Woher weiß ich nun, wie hoch die Belohnungsrate für ein bestimmtes Tier, bei einer bestimmten Übung in einer bestimmten Umgebung sein soll?


So wenig Futter können fünzig Leckerchen sein.

Sehen wir uns diese mal genauer an. Zunächst also die Erfahrung des Tieres. Je unerfahrener das Tier, desto höher muss die Belohnungsrate sein. Man kann das Training als Rätselraten sehen. Das Tier versucht dabei herauszufinden, was wir gerne von ihm hätten. Kennt es dieses Spielchen aber noch nicht, müssen wir es entsprechend häufig belohnen, damit es motiviert bleibt, mitzumachen.

Mit steigender Erfahrung wird in der Regel das Rätselraten selber schon sehr belohnend. Wenn wir das Training richtig aufbauen, spielt das Tier also gerne »Rätselraten«. Dann kann die Belohnungsrate kleiner werden.

Die Belohnungsrate wird von vielen Faktoren beeinflusst:

Erfahrung des Tieres

Qualität der Belohnung

Ablenkung

Trainingskriterien

Art der Aufgabe

Stellen Sie sich Kreuzworträtsel vor. Die Belohnung ist, dass das ganze Rätsel gelöst ist bzw. auch noch ein Lösungswort gefunden ist. Ein Anfänger in Kreuzworträtseln wird zunächst mit kleinen Übungen beginnen. Dadurch ist die Belohnungsrate höher. Ein Könner wird kleine Kreuzworträtsel langweilig finden. Er möchte schön große haben. Dasselbe gilt für Sudoku oder ähnliche Spiele. Man fängt klein an (= höhere Belohnungsrate) und möchte später immer höhere Herausforderungen (= niedrigere Belohnungsrate).

Je besser die Qualität der Belohnung ist, desto seltener braucht belohnt zu werden. Das Problem dabei ist aber, dass das Tier ja nicht wissen sollte, welche Belohnung es für eine Aufgabe bekommt. Daher können wir zum Beispiel eine höhere Qualität der Belohnung nutzen, um ein längeres Arbeiten des Tieres zu belohnen. Mehr dazu wird es im Abschnitt »Differenzierte Belohnung« auf S.90 geben.

Nur bei einem sehr erfahrenen Trainingsteam würde ich empfehlen, dem Tier zu zeigen, wofür es arbeitet. Viel zu schnell kommt man nämlich sonst dahin, dass das Tier seinen Menschen trainiert anstatt umgekehrt. Aber auch dazu später mehr.

Je größer die Ablenkung ist, desto höher muss die Belohnungsrate sein. Ablenkung könnte man als eine konkurrierende Motivation bezeichnen. In solchen Situationen muss man dem Hund also entsprechend mehr bieten, dass es sich für ihn noch lohnt, »unser verrücktes kleines Spielchen mitzuspielen«.

Man könnte es auch so sehen, dass eine größere Ablenkung die Übung immer schwieriger macht. Aus einer Aufgabe, die dem Niveau des dritten Schuljahres entspricht, wird auf einmal eine vom Niveau des neunten Schuljahres, wenn man das mit unserem Schulsystem vergleicht.


Wichtig: Je größer die Ablenkung, desto höher muss die Belohnungsrate sein.

Kann der Hund die Aufgabe dann auch nur ansatzweiße lösen, muss er natürlich auch dafür schon entsprechend belohnt werden, das heißt die Belohnungsrate muss gesteigert werden.

Ich finde es immer wieder erstaunlich und bedauerlich, wie sehr sich viele Menschen dagegen sträuben, ihren Hund angemessen zu belohnen. So hatten wir eine Kursteilnehmerin bei einem Dummyseminar. Der Hund hatte Probleme bei der Steadyness, das heißt er konnte nicht ruhig sitzen bleiben, wenn in einigem Abstand Dummys flogen. Dabei handelte es sich also um eine sehr große konkurrierende Motivation. Unseren Tipp, den Hund im Sekundenabstand oder schneller mit richtig guten Leckerchen zu füttern, wodurch er dann auch gut sitzen blieb, hat sie mit Zwangsfütterung verglichen und sich entsprechend darüber aufgeregt. Der Hund hat die Leckerchen sehr gerne genommen und blieb eben auch entsprechend gut bei ihr sitzen, obwohl die Dummys in der Nähe flogen. Aber dennoch war ihr diese Vorgehensweise sehr zuwider.

Jedes Belohnen festigt ein Verhalten. Gebe ich dem Hund also in einer solchen Trainingsminute sechzig gute (natürlich kleine!) Leckerchen, dann wird das gewünschte Verhalten, in diesem Fall das ruhige Sitzen, sehr gut gefestigt. Danach ist es auch relativ schnell möglich, die Belohnungsrate zu verkleinern.

Für mich ist es aber eben immer unverständlich, warum Menschen lieber den Hund anschreien, an der Leine rucken oder noch schlimmere Dinge machen. Denn dabei wird Stress erzeugt und unter Stress kann ein Organismus nicht richtig lernen. Außerdem bewirkt der Stress, dass die Steadyness in unserem Beispiel immer schlechter wird, weil der Erregungslevel steigt. Der Hund wird vielleicht anfangen zu fiepsen, was in der Dummyarbeit total unerwünscht ist, ein Teufelskreis...

So viel leichter und für alle Seiten befriedigender (müsste man meinen) geht es doch mit einer angemessenen Belohnungsrate.

Ein Beispiel: Ohne Leine bei Fuß

Ich möchte zum Beispiel, dass mein Hund neben mir ohne Leine Bei-Fuß geht. Das macht er auch sehr gut und bekommt ab und zu eine Belohnung, bis sein bester Freund um die Ecke kommt. Sobald er ihn sieht, ist das Bei-Fuß-Gehen vergessen und er rennt hin.


Was ist passiert, wenn wir uns diesen Vorgang mal genauer besehen? Meine Leckerchen waren ein positiver Verstärker für das Bei-Fuß-Gehen, solange keine Ablenkung da war. Der beste Freund ist jedoch ein viel besserer Verstärker.

Wenn ich jetzt ein geschickter Trainer bin, dann entlasse ich den Hund genau in dem Moment aus dem Bei-Fuß, wenn der andere Hund erscheint, weil ich mir das dann als Belohnung zunutze mache.

Im ungünstigen Fall wiederhole ich das Kommando Bei-Fuß, obwohl der Hund noch gar nicht unter solcher Ablenkung arbeiten kann. Er rennt also zu seinem Freund. Was wird jetzt verstärkt? Genau, das Wegrennen und das Nicht-Beachten des Kommandos, wenn ich schnell noch eins gegeben habe. So trainiert man sich also selber den Ungehorsam an, den man später dem Hund vorwirft.

Training findet nun mal immer statt und nicht nur dann, wenn wir es wollen. Das Hundegehirn ist nun mal eine Lernmaschine, die in jedem Moment verarbeitet und analysiert, was gerade passiert, was sich lohnt und was nicht.

Wichtig: Der Hund lernt in jedem Augenblick, nicht nur dann, wenn wir mit ihm trainieren.

Bob Bailey sagte immer so schön: »You have to make it worthwhile for the animal to play your silly games!” Du musst es für das Tier lohnend machen, deine verrückten Spiele mitzuspielen.

Aus Sicht des Hundes ist es natürlich eine verrückte Idee, bei Fuß zu gehen, wenn da der beste Freund kommt. Das muss sich also entsprechend lohnen, wenn er es denn tun soll.

Die Belohnungsrate ist außerdem abhängig von den Trainingskriterien, was wir auch wieder an dem Beispiel der Steadyness verdeutlichen können. Trainingskriterien sind die Aufgaben, die ich dem Hund zu einem bestimmten Zeitpunkt stelle. Die Aufgabe des Trainers ist es, sie so schwer bzw. leicht zu machen, dass der Hund Erfolg haben kann. Würde ich unserem oben genannten Beispielhund also die Aufgabe stellen »Sitze drei Minuten lang ruhig, während in zehn Metern Entfernung Dummys fliegen«, wird er sie nicht lösen können. Das ist für ihn noch zu schwierig. Ich kann aber sozusagen fragen »Kannst du eine Sekunde ruhig sitzen, wenn in zehn Metern Entfernung die Dummys fliegen?« Das kann er und daraus ergibt sich eben automatisch die höhere Belohnungsrate.

Last but not least spielt auch die Art der Aufgabe, die ich dem Hund stelle, noch eine Rolle bei der Höhe der Belohnungsrate. Je »billiger« ein Verhalten ist, desto kleiner kann die Belohnungsrate sein. Das möchte ich an dieser Stelle kurz näher erklären, mehr dazu S. 74. Unter einem »billigen« Verhalten verstehe ich eines, was das Tier bei der Ausführung nicht viel Energie kostet. So ist das »Sitz« ein relativ billiges Verhalten. Es kostet den Hund nicht viel, seinen Hintern auf den Boden zu bringen. Die Schwerkraft arbeitet für ihn. Das »Komm« aus fünfzig Metern Entfernung kostet den Hund viel mehr Energie. Er muss erst mal die fünfzig Meter laufen und wahrscheinlich auch noch etwas gehen lassen, was ihn vielleicht sehr interessiert hat. Dieses Verhalten »kostet« also mehr, muss daher auch entsprechend besser »bezahlt« werden.



Die richtige Belohnungsrate finden

Woher weiß ich, ob die Belohnungsrate hoch genug ist?

Generell kann man sagen: Man sieht es am Ergebnis. Der Hund sollte zumindest immer aufmerksam bei der Sache sein. Ob er es dann versteht oder nicht, hängt eben auch noch von seinem Verständnis ab, bzw. ob Sie es schaffen, dem Tier klarzumachen, was Sie von ihm wollen.

Aber die Aufmerksamkeit gibt Ihnen einen guten Hinweis, ob die Belohnungsrate richtig ist.

Wir haben uns nun also im Detail angesehen, was es mit Timing, Kriterium und Belohnungsrate auf sich hat. Diese Dinge sollte man wirklich nicht unterschätzen! Es handelt sich dabei um die absoluten Grundlagen im Training. Man kann sagen, dass es in über 95% aller Fälle, in denen etwas im Training nicht klappt, an einem oder mehreren dieser drei Grundlagen liegt.


Im Vergleich zu »Sitz« ist »Komm« ein sehr teures Verhalten.

Wichtig: Timing, Kriterium und Belohnungsrate sind die drei absoluten Grundlagen jedes Trainings!

Ampeltraining

Mit den Prinzipien des Ampeltrainings hat man sozusagen immer seinen persönlichen Coach neben sich stehen, der einem sagt, ob mit dem Training alles in Ordnung ist.

Dazu wiederholen Sie jeden Trainingsschritt fünf Mal. Wenn fünf von fünf Versuchen klappen, ist die Ampel grün. Es ist alles in Ordnung. Die Motivation stimmt, damit die Belohnungsrate und auch die Größe der Trainingsschritte. Sie können zum nächsten Schritt übergehen.

Klappen nur drei oder vier von den fünf Versuchen, steht die Ampel auf gelb. Ich sage in der Regel auch gerne: Stellen Sie sich das als gelbes Blinklicht vor. Das heißt nämlich: Achtung, Achtung! Hier stimmt was nicht. Entweder war der Trainingsschritt zu hoch oder die Belohnung und damit die Motivation stimmt nicht mehr. Das heißt, man sollte sich Gedanken machen, bevor man weiter trainiert, wie man die Ampel wieder grün bekommen kann.

Ist der Hund von diesen fünf Malen nur ein oder zwei Mal erfolgreich, dann ist die Ampel rot. Das heißt: Stopp! Trainieren Sie so auf keinen Fall weiter! »Mehr von den falschen Dingen zu tun, macht sie nicht richtiger« Bob Bailey. Hier heißt es also auf alle Fälle, erst mal das Training unterbrechen und sich Gedanken zu machen, wo der Fehler liegen könnte. Hat man selber keine Idee, kann man Freunde, Trainer oder auch mal Unbeteiligte fragen. Vielleicht bekommt man einen Denkanstoß und kann dann wieder weiter machen.

PENG

Hier haben wir ein hilfreiches Merkwort, um unser Training zu beurteilen:

Prompte Ausführung: Zeigt das Tier das Verhalten sofort, wenn es die Gelegenheit hat?

Erfolgsrate: Stimmen mindestens vier von fünf Durchgängen?

Nötige Geschwindigkeit: Zeigt das Tier das Verhalten in größtmöglichen Tempo?

Genauigkeit: Ist das Verhalten genau so, wie ich es haben will?

Wenn alle vier Punkte zutreffen, kann ich im Training weitergehen. Das Verhalten kommt wie aus der Pistole geschossen, der Hund hat verstanden, was er tun soll.

Beginnt nur einer dieser Punkte zu wakkeln, dann stimmt etwas nicht und ich sollte dem Hund die Wiederholungen geben, die er braucht, um wieder sicher zu sein und den Schritt wirklich zu verstehen.

Verstärker verstehen

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