Читать книгу Richtig gut entscheiden - Volker Kessler - Страница 5

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1. Einleitung

1.1 Worum es in diesem Buch geht

Wir treffen täglich Entscheidungen. Wer sich entscheidet, sagt „Ja“ zu einer Option. Damit sagt er oder sie1 – bewusst oder unbewusst – „Nein“ zu einer anderen Option. Eine Chance ergreifen heißt, andere Optionen nicht zu wählen. Entscheidungen haben Konsequenzen, häufig für uns selbst, oft aber auch für andere: für unsere Partner, unsere Familie, unsere Mitarbeiter/-innen, unsere Kirchengemeinde usw. Manche Folgen einer Entscheidung sind im Moment des Entscheidens noch nicht absehbar.

In früheren Jahrhunderten konnte die einzelne Person weniger entscheiden, weil mehr vorgegeben war: Der Sohn erlernte den Beruf des Vaters, die Tochter bereitete sich auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter vor, Ehen wurden arrangiert und auch politisch konnte man nicht mitbestimmen.

Heute genießen wir – zumindest in unserem Teil der Welt – die Freiheit, vieles selbst zu entscheiden. Mit der Freiheit wächst die Verantwortung und damit oft auch die Verwirrung. Und manchmal habe ich persönlich einfach keine Lust, mich zu entscheiden. Wenn ich etwa den Zeitaufwand betrachte, der nötig wäre, um den aktuell optimalen Handytarif oder Stromtarif zu finden, ist mir das eher lästig. Inzwischen ist Entscheidungstheorie ein eigenes Forschungsfeld. In Wirtschaftswissenschaft und Mathematik werden Strategien entwickelt, um effektiv zu einer guten Entscheidung zu kommen. Die Psychologie untersucht, wie Entscheidungsprozesse bei Menschen ablaufen.

Die Leitfrage dieses Buchs ist: Wie treffe ich als Christ gute Entscheidungen in einer komplexen Welt?

Ich stelle Ihnen Methoden vor, die Ihnen helfen, richtig und gut zu entscheiden. Dabei werde ich insbesondere auf die christlichen Aspekte einer Entscheidung eingehen. Das betrifft unter anderem die Ethik und die Rolle des Heiligen Geistes in Entscheidungsprozessen.

Eine „gute“ Entscheidung ist nicht unbedingt eine perfekte Entscheidung. Denn für eine perfekte Entscheidung – wenn es sie denn gäbe – fehlen uns häufig die Informationen bzw. die Zeit, diese zu beschaffen. Im Alltag müssen wir unter Zeitdruck trotz Unwägbarkeiten zügig entscheiden. Mit „gut“ meine ich also: „gut genug“ für den jeweiligen Kontext. „Richtig“ bezieht sich auf die Ethik. Die ethische Betrachtung steht immer am Anfang eines Entscheidungsprozesses. Dazu werde ich in Kapitel 2 die Vier-Mandate-Lehre von Dietrich Bonhoeffer vorstellen, die ein hilfreiches Raster zum Treffen von Entscheidungen liefert. In Kapitel 3 geht es um die Frage, wie man bei einer Entscheidung rational-analytisch vorgehen und gleichzeitig sensibel für Gottes Stimme sein kann. Hierzu hat Ignatius von Loyola eine interessante Vorgehensweise entfaltet. In Kapitel 4 wird eine Moderationsmethode vorgestellt, um als Gruppe effektiv zu beraten und weise zu entscheiden.

Diese drei Methoden unterrichte ich seit vielen Jahren in unterschiedlichen Seminaren und Workshops. Die Ansätze wurden in verschiedenen Kontexten getestet und sie haben sich als praxistauglich erwiesen.

In Kapitel 5 geht es darum, die Weisheit der Vielen geschickt zu nutzen. Mein Sohn Emanuel Kessler, Informatiker und „Certified ScrumMaster“, Köln, stellt dort die Methode „Das Team entscheidet“ vor.

Dieses Buch ist bewusst für die Praxis geschrieben. Zu jedem der Themen habe ich wissenschaftliche Beiträge publiziert.2 Dort findet man die akademische Diskussion und ausführliche Quellenverweise.

Wir alle sind unterschiedliche Persönlichkeiten und das hat natürlich Einfluss darauf, wie wir Entscheidungen treffen. Dieses umfangreiche Thema wird in diesem Buch aber nicht behandelt, da es mir hier vorrangig um Methoden, um Tools zur Entscheidungsfindung geht. Ich bin aber zuversichtlich, dass durch die unterschiedlichen Methoden der Entscheidungsfindung für jeden Persönlichkeitstyp etwas dabei ist, das ihn besonders anspricht.

Die Lektüre dieses Buchs wird Ihnen Entscheidungen nicht abnehmen. Es bietet jedoch Hilfsmittel an, um besser und sicherer zu entscheiden.

1.2 Über ein weitverbreitetes Missverständnis

Manche Christen und Christinnen nehmen an, es gäbe für ihr Leben einen detaillierten Plan Gottes. Sie glauben, dass Gott ihr Leben ganz klar vorgezeichnet hätte und sie eben nur diesen Weg herausfinden müssten. Ich habe selbst erlebt, dass einen eine solche Auffassung sehr unter Druck bringen kann. Als ich im Alter von 28 Jahren nach meinem Studium der Mathematik einen Arbeitsplatz suchte, hatte ich die Wahl zwischen Bonn und München. Ich tat mich mit der Entscheidung schwer, weil ich nicht wusste, was Gott von mir wollte. Meine Angst war, mich falsch zu entscheiden und damit nicht nur mich, sondern auch meine Familie an einen „falschen“ Ort zu lotsen. Ich suchte daraufhin das Gespräch mit einem älteren Gemeindeglied. Der Betreffende war Missionar, und deshalb sah ich in ihm einen Experten für Berufungsfragen. Ich ging zu ihm mit der Erwartung: Jetzt betet er mit mir, und dann weiß ich hundertprozentig, was Gott von mir will. Stattdessen sagte er nach einem längeren Gespräch zu mir: „Es ist egal, wo ihr hingeht. Wichtig ist, dass ihr dort, wo ihr seid, euer Christsein lebt und Zeugen seid.“ Diese Antwort verblüffte mich zunächst und gab mir dann Gelassenheit. Wenn es in der Situation nicht die eindeutig richtige Entscheidung gab, bestand auch nicht die Gefahr, diese zu verpassen.

Manchmal stellen wir uns Gott wie ein Navigationsgerät vor, das uns genau mitteilt, wann wir wohin abbiegen müssen. Diese – falsche! – Auffassung wird häufig mit Psalmworten belegt, die davon reden, dass Gott einem den richtigen Weg zeigt, wie etwa Psalm 25,4: „Herr, zeige mir deine Wege.“ Das Thema „Weg“ kommt in der Tat häufig in den Psalmen vor. Psalm 1 etwa beschreibt anschaulich den Unterschied zwischen dem Weg des Gerechten und dem Weg des Gottlosen. Der Weg des Gerechten führt zum Leben, der Weg des Gottlosen ins Verderben. „Weg“ ist hier aber ethisch zu verstehen!3 Mit „Weg“ ist hier der Lebenswandel gemeint, der eben gut oder böse sein kann. In diesem Sinne benutzen wir dieses Wort auch im Deutschen, wenn wir sagen: „Der Junge hat einen guten Weg eingeschlagen.“ Gemäß den Psalmen gibt es einen Lebenswandel, der zum Leben führt, und einen, der zum Tod führt. Deshalb bekennt Psalm 16,11 freudig: „Du zeigst mir den Weg zum Leben.“ Leben bedeutet für den Israeliten immer Gottesnähe, es geht also um den Weg in diese Nähe Gottes.

Wer von Köln aus nach München fahren will, hat mehrere Autobahnstrecken zur Auswahl. Gott gibt nicht vor, welche Autobahn man zu nehmen hat, aber seine Gebote geben vor, anständig zu fahren und niemanden zu gefährden. Gott hat den Menschen verschiedene Aufträge gegeben, zum Beispiel die Schöpfung zu pflegen (1. Mose 2,14) oder das Evangelium weiterzusagen (Matthäus 28,19-20). Wo wir das machen, ist in vielen Fällen zweitrangig. Es gibt Situationen, wo Gott eine sehr konkrete Aufgabe für einen Menschen hat. Doch in vielen Fällen gibt es nicht die einzig richtige Option, sondern mehrere Optionen, die gleichermaßen geistlich sind. Diese Erkenntnis befreit von der Angst, sich falsch zu entscheiden.

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