Читать книгу Von stürmischer See in ruhige Gewässer - Volker Nagel - Страница 5

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Fünf Uhr und fünfundvierzig Minuten. Die Wecker rappeln. Der Koch öffnet die Augen, lauscht einen Moment dem wohlbekannten monotonen Geräusch der Schiffsmaschinen, schlägt die Bettdecke zur Seite, steigt aus der Koje, stellt die drei Wecker einen nach dem anderen ab und schlurft unter die Dusche. Frisch geduscht und fit für den Tag schlüpft er in seine Arbeitsklamotten. Weißes T-Shirt, weiße Jeans.

Fünfzehn Minuten später ist er bereits in der Kombüse tätig und bereitet das Frühstück für die Crew vor. Es ist ein strahlend heller, etwas kühler Herbstmorgen,1986, auf dem Nordatlantik. Die See ist ruhig, kleine Wellen kräuseln sich an der Oberfläche. Abgesehen von der Bugwelle, die das große Containerschiff verursacht, weist das Meer kaum Bewegung außer der natürlichen Dünung des Ozeans auf. Es ist Donnerstag, auch „Seemanns Sonntag“ genannt.

Als der Tisch fürs Frühstück mit Konfitüre, Honig, Wurst, Nutella, Käse und Brot gedeckt ist, und der Speck und die Zwiebeln für die Spiegeleier, die jedes der noch verbliebenen zehn Crewmitglieder von ehemals vierzehn bekommt, vorbereitet sind, macht er sich an den Kuchenteig. Heute wird es Marmorkuchen geben. Der ist schnell gebacken.

Jeden Donnerstag und Sonntag gibt es Kuchen oder Kekse zum Kaffee.

Sieben Uhr. Zeit, die Mannschaft zu wecken und dem Kapitän das Frühstück auf die Brücke zu bringen.

Nachdem die Crew geweckt ist, bringt der Smutje dem Kapitän sein verdientes Frühstück hoch. Eine Treppe im Innenschiff führt in die Kommandozentrale. Damit die gebratenen Eier nicht kalt werden, hat er das Frühstück mit einer Kunststoffglocke abgedeckt. Mit beiden Händen hält er das Tablett fest. Seit sechs Uhr steuert der Chief das große Containerschiff. Bis zwölf Uhr wird er diese Tätigkeit fortführen, um dann vom Steuermann abgelöst zu werden, der jetzt in seiner Koje friedlich schläft.

„Moin, Captain, ruhige See heute, scheint ein schöner Tag zu werden.“

„Ja, aber der Wetterbericht hat für heute Nachmittag Wind vorausgesagt. Du weißt ja, wie schnell sich das Wetter hier im Atlantik ändern kann.“

„Okay, dann bis heute Mittag.“ Der Koch verlässt die Brücke und begibt sich wieder in die Kombüse, die durch eine Zwischenwand vom Mannschaftsraum getrennt ist. Der größte Teil der Matrosen und Matrosen ohne Brief sitzen schon am Tisch und warten auf ihr Frühstück.

Auch Henning setzt sich gerade auf seinen Platz. „Smutje, wo bleiben die Eier?“, ruft er mit seiner rauen Stimme. Er ist ein großer Mann von 1,96 m mit breiten Schultern und einem kantigen Kinn, blonden kurz geschorenen Haaren und Hamburger Dialekt. Eigentlich hätte er längst in seiner Koje liegen sollen, um sechs Uhr löst ihn sein Kollege Rolf jeden Morgen von der Schicht ab. Heute kommt Henning zum Frühstück, weil er nicht schlafen kann, wie er meint. Es ist die letzte Fahrt der beiden Motorenanwärter, den Nachfolgern der Maschinisten. Sobald das Schiff nach dieser Reise wieder in Hamburg anlegt, werden die beiden von einem Schiffsmechaniker ersetzt. Eineinhalb Stunden hat Henning sich auf seiner Koje ausgeruht. Nach dem Frühstück wird er schlafen gehen.

„Kommen sofort“, antwortet der Koch. In zwei großen Bratpfannen, sechs Eier pro Pfanne, sind die Spiegeleier schnell angerichtet. Separat in einer kleinen Pfanne werden die Eier für Ismael gebraten, weil der kein Schweinefleisch isst.

Es ist eine wild durcheinandergewürfelte Mannschaft aus fünf verschiedenen Nationen. Aber dazu später. Zurück zu den Spiegeleiern, die der Koch jetzt auf die Teller verteilt, zwei bis vier Eier je nach Wunsch der Leute, wobei er sehr schnell sein muss, damit die letzten nichts anbrennen. Das Gelbe sollte, wenn möglich, nicht auslaufen, das mögen einige gar nicht. Alles ist reine Übungssache. Er schiebt die fertigen Gerichte durch die Durchreiche, einer nach dem anderen holt seinen Teller. Man isst und unterhält sich. Die Gespräche behandeln den letzten Aufenthalt in Hamburg, der schon drei Monate zurückliegt, aber auch den vorherigen Abend an Bord. Manche erzählen auch von zu Hause.

Um acht Uhr geht jeder an seinen Arbeitsplatz. Der Koch räumt den Tisch ab, holt das Geschirr von der Brücke, nicht ohne einen Small Talk mit Kapitän Hansen, einem alten erfahrenen Seemann, der schon mehr als 20 Jahre zur See fährt, zu halten.

Alles in allem ist es ein normaler Morgen auf See. Vier Tage sind sie seit Hamburg unterwegs, der letzte Stopp in dem großen Hafen dauerte drei Stunden. Keine Gelegenheit, auch nur einen Fuß an Land zu setzen. Verschiedene Container waren abgeladen worden, neue aufgeladen. Dann ging die Reise weiter. Die Elbe hoch, in die Deutsche Bucht, durch die Nordsee und den englischen Kanal, auch Ärmelkanal genannt, in den Nordatlantik. Sehr früh am Mittwoch passierten sie die irische Küste und ließen damit Europa hinter sich. Der Koch sah den Küstenstreifen gerade noch hinterm Horizont verschwinden. Bis New York, ihrem nächsten Hafen, werden die Seeleute kein Land mehr zu sehen bekommen. Um sie herum nur Wasser, der endlose Ozean, über ihnen der Himmel.

Wer einmal an Deck stand und die unendliche Weite des Ozeans, den unbegrenzten Himmel sah, wird es nie vergessen, wie sich Himmel und Meer am Horizont vereinen. Ein Gefühl absoluter Freiheit.

Jonny, 1961 geboren, wuchs in Ostfriesland auf. Er träumte seit seiner Schulzeit von fernen Ländern. Nach seiner Ausbildung als Bäcker arbeitete er zwei Jahre als Geselle, dann zog es ihn zur Kirmes, wo er von Stadt zu Stadt reiste, meist in Norddeutschland. Der Job war hart, aber das Vagabundenleben gefiel ihm. So zog er mit den Schaustellern durch Niedersachsen, Bremen und Hamburg. Doch er wollte mehr. Seine Sehnsucht war gigantisch. Er wollte hinaus in die weite Welt und heuerte auf gut Glück bei mehreren Reedereien entlang der Nordseeküste an. Bei einer Hamburger Reederei hatte er 1984 Glück. Seitdem kocht er auf deren Schiffen. Er ist 1,78 m groß und schlank, hat dunkle halblange Haare, ein ovales Gesicht mit feinen Zügen, und einen Schnauzbart, den er akribisch pflegt.

Seit drei Jahren durchquert er mit diesem Koloss, der Ocean Star, einem Containerschiff von dreihundertzwanzig Metern Länge, die sieben Weltmeere, und seit nunmehr vier Jahren ist Jonny bei dieser Reederei beschäftigt. Das erste Jahr fuhr er auf dem Frachter Margret. Das bedeutete, Stückgut und Schüttgut zu transportieren. Nach seinem ersten Urlaub nach sechs Monaten auf See stieg er noch einmal auf die Margret, um dann nach drei Monaten in Liverpool auf das Containerschiff Ocean Star zu wechseln. Diesmal haben sie an die zehntausend Container geladen, was gleichzeitig so viel wie kaum oder gar keine Liegezeiten in den jeweiligen Häfen bedeutet.

Der Tag verläuft ruhig, wie die meisten auf See. In den Fitnessraum, der ein Deck tiefer liegt, wird der Schiffskoch heute Abend nicht gehen, er zieht es vor, seine Kammer aufzusuchen, um ein wenig zu lesen. Später will er dann noch in die Messe schauen, dort gibt es ein TV und ein Videogerät. Auch Gesellschaftsspiele sind reichlich vorhanden.

Jonny sitzt also in seiner Kammer, hat sich eine Flasche Bier geöffnet und liest. Heute hat er ein Feierabend Bier vorgezogen. Oft trinkt er Saft oder Mineralwasser, damit er fit für den nächsten arbeitsreichen Tag ist. Etwa dreißig Minuten sind vergangen, als jemand an seine Türe klopft. „Herein“, ruft er. Es ist Salvatore, einer der Matrosen. Die beiden verstehen sich sehr gut, daher ist Jonny nicht überrascht, dass der Matrose ihn um eine Partie Schach fragt. Beide spielen das Brettspiel gleich gern. Die letzten zwei Spiele gingen auf den Koch, jetzt will der Matrose Revanche. Jonny bejaht seine Anfrage und sagt, dass er in etwa zehn Minuten im Aufenthaltsraum ist. Salvatore ist ein etwa 1,70 m großer drahtiger Mann mit dichten, schulterlangen schwarzen Haaren. Vor ca. einem Jahr machten sie mit der Margret, dem Schwesterschiff der Ocean Star und nicht zur Verschiffung von Containern geeignet, in seiner Heimatstadt Lissabon fest. Zwei Tage lag das Schiff damals mit Stückgut im Hafen der portugiesischen Hauptstadt. Salvatore lud den Koch ein, mit ihm in seine Wohnung zu kommen. Jonny sagte zu und sie setzten ihr Vorhaben am Abend in die Tat um. Der Portugiese telefonierte unterwegs mit zwei Frauen, die kurz nach den Männern ebenfalls in der Wohnung eintrafen. Es wurde ein sehr vergnügter Abend und eine heiße Nacht. Auch heute erinnert sich Jonny noch gern an die temperamentvolle Maria.

Er schiebt die Erinnerung zur Seite und macht sich auf den Weg in den Aufenthaltsraum, wo sein Mitstreiter schon wartet. Sie spielen zwei Runden Schach, wobei die erste Runde Salvatore gewinnt, die letzte jedoch wieder an den Schiffskoch geht.

Die kommenden fünf Tage verlaufen ohne besondere Vorfälle. Das Wetter hält sich, an Bord geht alles seinen normalen Gang. Am Himmel zeichnen sich in der Frühe beeindruckende Sonnenaufgänge ab. Die abendlichen Sonnenuntergänge sind nicht weniger ergreifend. Wale kreuzen den Frachter, ab und an auch mal ein anderes Schiff. Die verkehrsreiche Nordsee und der stark befahrene englische Kanal liegen weit hinter ihnen. Hier, in der Weite des Atlantischen Ozeans, verteilen sich die Dampfer, Frachter und Tanker. Außer Kapitän Hansen, den beiden Motorenanwärtern Henning und Rolf und den Matrosen Salvatore arbeiteten noch der Steuermann Arnold Süttgen aus Bremen, der Bootsmann Karl-Heinz, die Matrosen José, Hagen, Rodrigo und die Matrosen ohne Brief Ismael, Coco und natürlich der Koch Johannes, genannt Jonny auf der Ocean Star.

Der Koch ist einer der wichtigsten Männer an Bord. Mit ihm steht und fällt die Gemeinschaft, die viele Monate auf engstem Raum zusammenarbeitet und -lebt. Ist das Essen gut, so ist die Mannschaft zufrieden. Jedoch nicht nur Kochen und Backen gehören zu seinen Aufgaben. An Feiertagen wie Ostern und Weihnachten sorgt der Smutje für Ostereier und Christbaum. Er bemüht sich besonders in dieser Zeit um eine warme Atmosphäre an Bord. Gelegentlich ist er auch “Psychologe“, oder anders ausgedrückt, der moralische Abfalleimer. Nicht selten kommt es vor, dass ein Crewmitglied seinen seelischen Kummer, meistens Heimweh in der Weihnachtszeit, beim Koch abbaut. Aber Jonny hat alles bestens im Griff. Er liebt die See, seinen Job und die Menschen, mit denen er die lange, manchmal einsame Zeit an Bord verbringt.

Am zehnten Tag zieht ein Sturm auf. … Morgens ist der Himmel noch klar, die See ruhig, als sich während der Vormittagsstunden plötzlich der Himmel verdunkelt. Dichte schwere Wolken ziehen auf, der Wind wird stärker und entfacht zum Sturm. Nach einer knappen halben Stunde schlagen meterhohe Wellen gegen den Cargo-Liner.

Die Ocean Star beginnt zu rollen, was den Kapitän veranlasst, den Kurs zu ändern, er gibt hart Steuerbord, das das große Containerschiff die schwere See von vorne nimmt. Damit wird die Angriffsfläche des Schiffes verringert. Es hört auf zu rollen und beginnt zu stampfen. Für das Schiff und seine Besatzung bedeutet das Rollen keine Gefahr, jedoch für die Container, die sich durch heftige Seitwärtsbewegungen womöglich lösen können. Mittlerweile sind die Wellen bis zu fünfzehn Meter hoch. Das Meer tobt. Der Ozeanriese stampft durch die schwere See.

Der Koch schiebt gerade den Bräter mit dem Gulasch in den Backofen, als der Frachter zu rollen beginnt. Erst langsam, dann schneller. Jonny hat den sich zuziehenden Himmel beobachtet und vorgesorgt. Die metallene Halterung, die bei gutem Wetter im Winkel zum Herd steht und durch zwei Riegel an der Kombüsen Wand befestigt ist, liegt nun als Rahmen entlang der Herdplatten, der etwa 10 cm hoch ist. Dazu gehören noch zwei ebenfalls aus Metall bestehende Stangen, die man als Kreuz innerhalb der Umrandung befestigen kann, um zu verhindern, dass die Töpfe auf dem Herd verrutschen. Zusätzlich bindet der Koch die Töpfe mit stabilen Hanfstricken an dem Sicherheitsrahmen fest. Er sieht sich in der Kombüse um, ob irgendwelche Teile noch unbefestigt herumstehen, und achtet darauf, dass alle Schränke geschlossen sind. Dem Smutje, so der geläufige Name für den Schiffskoch im Seemannsjargon, ist klar, dass der Kapitän den Kurs ändert. Er weiß, das Rollen wird noch zunehmen, aber enden, sobald das Schiff die See von vorne hat.

Nach einigen Minuten kommen die Matrosen herunter. An Deck kann im Moment nicht mehr gearbeitet werden. Sie trinken Kaffee. Solange sich das Schiff in dieser Wetterzone befindet, ist es für die Matrosen zu gefährlich, ihre Arbeiten draußen an Deck fortzuführen. Fürs Erste haben sie frei, bis sich das Wetter beruhigt. Anders der Koch. Er macht sich wieder an die Arbeit. Schließlich muss das Mittagessen um elf Uhr dreißig für den Steuermann auf dem Tisch stehen, damit der zweite Nautiker seine Mahlzeit einnehmen und um zwölf Uhr den Kapitän auf Wache ablösen kann. Der wird dann zusammen mit der Crew das Essen genießen. Es gibt zwei Speiseräume im Wohnbereich des Cargo Liners, jeweils einen für Offiziere und einen für die Crew, wobei der Speiseraum der Crew gleichzeitig als Aufenthaltsraum genutzt wird, der der Offiziere jedoch nur für die Mahlzeiten. Da der Kapitän aber nicht allein speisen möchte, ebenso wie der Steuermann, nehmen beide ihre Mahlzeiten im Mannschaftsraum mit der Crew ein. Aber auch der Motorenanwärter führt seinen Dienst in der Maschine fort. In den unteren Schiffsbereichen spürt man die Bewegung nicht so heftig wie in den oberen Etagen. Sollte der Sturm länger anhalten, müssen die Matrosen im Inneren der Schiffsaufbauten Reinigungsarbeiten verrichten. Mit der Zeit gewöhnt sich jeder Seemann daran, auf einem schaukelnden Schiff zu gehen und zu arbeiten, trotzdem passieren kleinere Missgeschicke, wie es an diesem Tag Rolf eins widerfährt.

Rolf, ein schlanker, hochgewachsener Mann mit kurz geschnittenen blonden Haaren aus Hamburg, will sich eben einen Kaffee aus der großen Thermoskanne genehmigen. Er hält seine Muck unter die Fünfliter-Kanne und drückt auf den Auslöser. Im selben Moment holt der Frachter so abrupt über, dass der Arm des Matrosen abschwenkt und der Kaffee nicht in die Muck, sondern knapp daneben auf den Tisch läuft. Rolf schreit laut: „Scheiße, verdammt.“

Durch seinen Schrei aufmerksam geworden, dreht die Crew sich ihm zu, sieht den Pechvogel und fällt in schallendes Gelächter. „Gleichgewicht verloren“, dröhnt Hagen, ein Mann von fast 1,90 m mit dunkelblonden Haaren, breiten Schultern, einem hageren, wettergegerbten Gesicht und mit schmalem Schnauzer.

„Halts Maul, du Arsch“, erwidert der Matrose in nicht ganz so aggressiven Ton, da dessen Ärger schon wieder verraucht ist. Er ärgert sich mehr über sich selbst als über seine Kameraden. Hagen nimmt seine Worte nicht ernst, er kennt ihn ja. Nun lachen alle, inklusive der Koch, der schon dachte, wieder einmal in einen handfesten Streit diplomatisch eingreifen zu müssen. Es gibt sehr wenige handfeste Auseinandersetzungen. Doch es kommt mitunter vor. Der Sturm hält den restlichen Tag und die darauffolgende Nacht an.

Am Morgen hat sich das Wetter beruhigt, der Atlantik zeigt seine schönste Seite und einen hervorragenden gelborangenen Sonnenaufgang. Jonny bringt dem Alten (der unter der Mannschaft geläufige Name für den Kapitän, wenn dieser nicht zugegen ist), das Frühstück hoch. Ein gut gewürztes saftiges Kotelett, drei Schnitten Graubrot mit Wurst und Käse belegt. Dazu eine Kanne Kaffee.

„Moin, Kapitän, alles überstanden?“, fragt er leutselig.

„Moin, Smutje. Na klar. So`n lütter Sturm haut uns doch nicht um. Wenn das Wetter nun so bleibt, kommen wir auch noch pünktlich in New York an. Unten denn alles heil geblieben?“

„Ja. Wie geht es nach “Big Apple“ weiter?“ Jonny stellt diese Frage, weil die Ocean Star keine Linienfahrt betreibt, sondern Schütteltrip fährt. Bei Linienfahrt werden immer dieselben Häfen angesteuert, also die gleiche Route gefahren. Beim Schütteltrip ist jede Tour anders. Beim Anheuern erfährt der Seemann nur grob die Fahrtroute, oft wird nur große, kleine, oder mittlere Fahrt angegeben. So war es auch bei Jonny.

Der Kapitän lacht. „Von New York wirst du wohl nicht viel sehen, wir liegen maximal drei Stunden im Hafen.“

„Ich weiß, trotzdem interessiert es mich, wie die Reise weitergeht, die Crew möchte das übrigens auch gerne erfahren.“

„Na gut.“ Der Kapitän überreicht dem Koch ein Blatt Papier, auf dem die folgenden Häfen der Reihe nach aufgelistet sind. „Der Steuermann hat sie für euch ausgedruckt, so wie es von der Reederei durchgefaxt wurde. Aber Änderungen sind jederzeit möglich.“

„Alles klar, super, ist doch `n netter Kerl, unser zweiter Offizier.“

„Da seht ihr mal, und jetzt zieh Leine“, entgegnet der Kapitän gut gelaunt.

Jonny nimmt das Stück Papier und verlässt die Brücke. Während des Frühstücks will er die restliche Crew über die weitere Reise aufklären. Er spurtet sich. Der Talk mit dem Kapitän hat doch was länger gedauert. Für das Frühstück ist zwar alles bereit, der Tisch gedeckt, das Fleisch fertig im Backofen, aber er möchte die Leute nicht unnötig warten lassen. Wieder in der Kombüse beginnt Jonny sofort, die Koteletts zu verteilen. Bis auf Coco ist die Crew abgesehen vom Steuermann komplett in der Messe eingetrudelt. Einige Minuten später betritt auch der letzte Matrose den Speiseraum, holt sich sein Kotelett und beginnt zu essen. Coco stammt aus Ghana und gehört mit seinen nicht mal 1,70 m zu den Kleineren der Mannschaft. Wegen seiner dunklen Hautfarbe wirken seine Zähne weißer, als sie tatsächlich sind. Sein rundes Gesicht mit der breiten Nase und den schwarzem Kraushaar geben ihm ein angenehmes Aussehen, was seinem Typ entspricht. Der Steuermann, der kurz nach sechs Uhr seine zwei Stücke Fleisch vertilgt hat, schläft bereits wieder. Der Bremer, ein aufgeschlossener Mann von 1,93 m unterhält sich gern, wenn die Zeit es zulässt.

„Männer, ich weiß wie die Reise von New York aus weitergeht“, meldet sich Jonny.

„Spuks schon aus“, sagt der Motorenanwärter.

„Okay, spitzt die Lauscher. Also, von New York aus geht es nach Boston, dann Halifax, Philadelphia, Sao Paulo, Rio de Janeiro, Salvador, Cartagena,

Vina del Mar in Chile, und dann direkt Kurs nach Sydney, Melbourne und Perth. Apropos Perth, da kann ich euch `ne Story erzählen …“

„Halt uns nicht mit deinen Weibergeschichten auf “, wendet Hagen sich an den Koch, „wir haben nicht ewig Zeit.“

„Schlecht geschlafen, oder was?“, entgegnet Jonny.

„Hagen hat recht,“ meint Karl-Heinz, auch Kalle genannt, der korpulente Bootsmann. Er hat schulterlanges braunes Haar, trägt einen Vollbart und misst 1,78 m.

Alright“, lenkt der Koch ein. „Also, von Perth fahren wir dann nach Manila, Hongkong, Schanghai, Bombay, Karachi, Alexandria, Piräus, Livorno, Taranto, Palermo, Marseille, Sete, Le Havre, Antwerpen, Rotterdam, und wieder nach Hamburg.

„Also sind wir in fünf bis sechs Monaten wieder in Deutschland.“ Hagen ist ein stiller Zeitgenosse, der nur wenig redet. Er wohnt in Cuxhaven, wo seine Frau und Tochter auf ihn warten.

„Das kommt in etwa hin“, antwortete Kalle, “hoffentlich geraten wir nicht noch mal in so einem verfluchten Sturm.“ Der zu Fülle neigende Kalle besitzt freundliche Gesichtszüge und ist meistens gut gelaunt.

„Ist mir egal“, erklärt Hagen, „dies ist meine vorerst letzte Reise, danach habe ich Urlaub.“

„Dann bist du Weihnachten zu Hause, du Glückspilz“, stellt Jonny fest.

„Seit drei Jahren wieder einmal, hoffentlich geht es diesmal klar.“

Zu dieser Zeit weiß niemand von der Besatzung, dass es für alle Beteiligten die letzte Reise auf der Ocean Star sein wird.

Kapitän Hansen und der Steuermann sind ebenfalls verheiratet mit je zwei erwachsenen Kindern. Der Kapitän, ein gemütlicher Mann Ende fünfzig mit rundem Bauch hat schon drei Enkelkinder. Kurz geschnittene weiße Haare und ein ebenso weißer Vollbart vermittelten das typische Erscheinungsbild eines Kapitäns, wie das gemeine Volk ihn sich vorstellt. Sein gut durchtrainierter Körper trägt positiv dazu bei. Zum Steuermann gehören zwei Jungen, die im Berufsleben stehen. Coco wohnt mit seiner Frau, seinem fünfjährigen Sohn Nelson und den Töchtern Kyshandra und Eleonore im Alter von drei und zwei Jahren in Ghana. José und Ismael haben ebenfalls Familie. Die restlichen Crewmitglieder sind entweder noch nicht verheiratet oder geschieden. Nur wenige Seemannsehen bleiben auf Dauer bestehen. Ein Seemann ist sechs Monate durchgehend auf den Meeren dieser Welt unterwegs, das ist eine lange Zeitperiode insbesondere für die Frau, die viele Dinge selbstständig bewerkstelligen muss. Jonny gehört zu jenen, die noch nicht verheiratet sind, und hat auch nicht vor, sich in nächster Zukunft standesamtlich zu binden. Er genießt sein momentanes Leben und seine Freiheit.

Freitagmorgen um drei Uhr dreißig ertönt der laute durchdringende Ton der Sprechanlage. Jonny wacht auf, realisiert den Ton, und drückt verschlafen den Knopf der Gegen-Sprechanlage. „Ja?“

Die Stimme des Steuermanns. „Koch, raus aus der Koje, die Nacht ist vorbei, mach `ne Kanne Kaffee und wecke die Mannschaft. In zwanzig Minuten kommt der Lotse an Bord.“

Sofort ist Jonny hellwach. „Alles klar.“

Rasch zieht er sich an, schlägt sich kaltes Wasser ins Gesicht und weckt zuerst Hagen, weil der Matrose den Lotsen in Empfang nehmen soll. Die anderen haben noch etwas Zeit. Die Fahrt mit dem Lotsen bis zur Containerpier wird knapp eine halbe Stunde dauern. Der Koch setzt Kaffee auf und weckt die restlichen Matrosen einen nach dem anderen. Hagen ist bereits im Gang Bord und lässt die Lotsenleiter herunter. Gang Bord werden die beiden Gänge längs des Schiffes genannt. Sie liegen zwischen Laderaum und Außen Reling.

„Good morning“, begrüßt Hagen den Lotsen.

Dieser erwiderte den Gruß und macht sich auf den Weg zur Brücke. Als der Matrose in die Kombüse kommt, ist der Kaffee fertig. Die anderen Matrosen haben sich in der Messe versammelt und trinken Kaffee. Auch Hagen nimmt sich eine Muck und bedient eine der großen Thermoskannen.

„Gleich könnt ihr mit dem Endlaschen loslegen“, sagt der Bootsmann.

Kurz danach gehen die Matrosen an Deck, um die Container zu lösen, die in New York gelöscht werden sollen.

Der Koch beginnt, Brötchen für das Frühstück zu backen. Es lohnt auch nicht, sich jetzt noch einmal hinzulegen. Er denkt daran, wie sie mit der Margret damals ein ganzes Wochenende im New Yorker Hafen lagen. Mit vier Mann hatten sie sich eines der gelben Taxen bestellt und waren in die City gefahren. Damals, 1986, vor zwei Jahren. Sie waren auf dem Empire State Building gewesen, hatten sich Getränke gekauft und genossen die hervorragende Aussicht vom 102. Stockwerk. Danach bestaunten sie die Twin Towers und die New Yorker Oper. Anschließend besuchten sie noch China Town und waren fasziniert vom Gewusel der vielen Menschen und der ostasiatischen Atmosphäre. Der Überlegung, mit der Fähre von Manhattan nach Staten Island überzusetzen, ließen sie keine Taten folgen. Dennoch war es ein toller Ausflug gewesen.

Diesmal war an Landgang nicht zu denken. Jonny kam es vor, als wäre das eine andere Ära der Seeschifffahrt gewesen. Seit er auf der Ocean Star arbeitet, gibt es keine Liegezeiten mehr. Die Containerterminals liegen meist weit draußen, es bedarf nur einiger Stunden zum Löschen oder Laden der Container, und in den großen Seehäfen wird rund um die Uhr gearbeitet. Die Seemannsromantik ist mit der Containerfahrt vorbei. Aber auch die Schütt- und Stückgutfrachter haben nur selten noch längere Liegezeiten. Nichtsdestotrotz liebt Jonny diesen Job.

Mittlerweile hat das große Containerschiff im Hafen festgemacht. Die riesigen Kräne haben die ersten Container abgeladen. In etwa zweieinhalb Stunden wird der Dampfer den Hafen wieder verlassen und heute Abend in Boston einlaufen. Auch dort werden sie nur einige Stunden im Hafen festmachen.

Außerhalb der geschäftigen Häfen schwelgt Jonny oft in Erinnerungen an sein erstes Schiff, die Margret, wo die Liegezeiten meistens länger und die Chancen für einen Landgang größer waren. Er erinnert sich daran, wie er einmal in Boston das Schiff verpasste, weil er zu lange bei einer schönen Bostonerin gewesen und die Zeit vergaß.

Am Abend zuvor hatte er sie in einer Kneipe mit dem einladenden Namen „The pearl of Boston“ kennengelernt. Jonny sah die junge Frau gleich beim Eintreten in die Pinte am Tresen sitzen. Geradewegs steuerte er auf sie zu. Sie war allein und so erkundigte sich der Schiffskoch, ob er neben ihr Platz nehmen könne.

Sie lächelte und nickte Jonny zu. Nach gegenseitiger Bekanntmachung spendierte Jonny Rachel einen Cocktail. Für sich selbst bestellte er ein Bier. Rachel Green war zweiundzwanzig, also zwei Jahre jünger als er. Sie hatte bis auf die Schultern langes braunes lockiges Haar, ein schmales Gesicht, tiefblaue Augen, lange Wimpern und einen wohlgeformten Mund mit vollen Lippen. Beide verstanden sich auf Anhieb. Sie tranken, lachten und redeten die ganze Zeit. Später, es war mittlerweile kurz vor Mitternacht, fragte Rachel, ob Jonny sie nach Hause begleiten wolle. Er stimmte zu, weil sein Schiff erst am nächsten Vormittag auslaufen sollte. Arm in Arm verließen die beiden die Kneipe, die etwas außerhalb des Hafens lag. Sie winkten ein Taxi heran und gelangten zu Rachels Adresse. Mrs. Green hatte eine behaglich eingerichtete Drei-Zimmer-Wohnung im vierundfünfzigsten Stock. Bei gedämpftem Licht tranken sie noch eine Flasche Wein, dann gingen sie ins Schlafzimmer. Den Wecker stellte Jonny auf fünf Uhr. Er hatte Rachel gesagt, dass er um sechs Uhr wieder an Bord sein musste. Ihre Antwort lautete, er solle die Türen abschließen und den Schlüssel in den Briefkasten werfen.

Aber Jonny hörte keinen Wecker, und als er schließlich aus einem tiefen Schlaf erwachte, wunderte er sich, dass es schon so hell war, er schaute auf die Uhr, gleich zwanzig nach neun, da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Verdammt, mein Schiff “, rief er. Rachel schlief noch. Durch seinen plötzlichen Aufschrei leicht, aber nicht wirklich wach, murmelte sie: „What the matter.“

Jonny kümmerte sich nicht darum und sprang aus dem Bett, zog sich an. Spätestens um zehn sollte die Margret auslaufen. Er nahm den Wohnungsschlüssel vom Wohnzimmertisch, den Hausschlüssel fand er nicht und hoffte, dass die Tür unten nicht verschlossen war. Mit dem Lift fuhr er nach unten und hatte Glück, die Tür war nicht abgeschlossen. Er warf den Wohnungsschlüssel in den Briefkasten und verließ den Wolkenkratzer. Schnell bekam er ein Taxi und fuhr zum Hafen. Auf dem Weg dorthin entspannte sich Jonny und seine Gedanken klärten sich. Okay, die Zubereitung des Frühstücks war vertan. Ärgerlich, aber nicht mehr zu ändern. Das Mittagessen packte er noch locker. Einen Anschiss vom Captain würde er sich wohl abholen. Kurz nach zehn stand Jonny an der Pier, doch es lag kein Schiff mehr dort. Wo der Frachter Margret hätte liegen sollen, war eine Lücke entstanden, nur das Wasser plätscherte an die Pier. Jonny schaute über das Hafenbecken, sah aber weit und breit kein Schiff fahren.

„Mist“, dachte Jonny im ersten Anflug von Wut. Wut auf sich selbst, weil er den Dampfer verpasst hatte. Doch alles Fluchen half nichts, das Schiff war weg.

Jetzt hieß es überlegen. Der nächste Hafen war Sao Paulo in Brasilien, das hieß sechzehn bis siebzehn Tage See Törn. Was sollte er machen? Hinterherschwimmen geht nicht, dachte Jonny mit Galgenhumor. Er sah nur eine Möglichkeit, er musste zum Schiffsmakler gehen. Vielleicht konnte er das Schiff mit einem Lotsenboot noch erreichen. Dort erläuterte er Howard Hayes, dem Makler, seine Situation, und fragte, ob noch eine Möglichkeit bestand, das Schiff zu erreichen. Jedoch erfuhr er, dass die Margret schon um acht Uhr fünfundvierzig ausgelaufen und jetzt auf offener See sei. Da war nichts mehr zu machen. Jonny bedankte sich bei Mr. Hayes und verließ das Büro. Kurz darauf betrat er eine Telefonzelle, um mit Kapitän Hansen zu sprechen, der jetzt Schicht hatte und infolgedessen auf der Brücke sein musste.

Der Anpfiff war unvermeidlich, schließlich hatte es ein ziemliches Chaos am Morgen gegeben. Der Kapitän hatte den Matrosen Hagen geweckt, der dann die übrige Crew weckte. Michael wurde vom Bootsmann zum Herrichten des Frühstücks eingestellt, das wegen des fehlenden Kochs einige Zeit später als sonst auf dem Tisch stand. Der normale Schiffsbetrieb wie Luken auffahren, Laderaum fegen, nach Beendigung der Löscharbeiten Luken zufahren, das Schiff seefest machen und den Laderaum waschen musste schließlich auch noch erledigt werden und war im Moment wichtiger als das Frühstück. Das Schiff musste pünktlich auslaufen. Dies alles, und noch einiges mehr den Koch betreffend, verkündete der Kapitän lautstark und nicht ohne Groll in der Stimme. Zudem waren die Hafenarbeiter mit den Löscharbeiten früher fertig als angenommen. Das war nichts Besonderes. Lade- oder Löschzeiten waren um ein oder zwei Stunden variabel. An diesem Tag kam natürlich alles zusammen, wie es oft der Fall ist. Viel Stress und schlechte Laune hatten also an Bord Einzug genommen.

Inzwischen hatte sich die Lage wieder beruhigt, der Kapitän war einerseits froh, von seinem Koch zu hören, nachdem er alle Krankenhäuser und die Polizei angerufen hatte, ob Jonny in einer dieser Institutionen gelandet war. Andererseits flammte sein Zorn über Jonnys Nichterscheinen und den damit verbundenen Komplikationen wieder auf. Jonny hatte nun doch ein ungutes Gefühl im Magen. Ein schlechtes Gewissen der Crew gegenüber, die wegen ihm zusätzliche Arbeit hatte und die kommenden Tage noch haben würde.

Endlich kam er zu Wort und ließ eine Entschuldigung verlauten. Prompt folgte die Antwort des Captains: „Steck dir deine Entschuldigung sonst wohin und sieh zu, dass du in 14 Tagen in Sao Paulo bist, oder du kannst gleich in den Staaten bleiben.“ Es klickte in der Leitung, Hansen hatte aufgelegt.

Die Lage war fatal, aber nicht aussichtslos. Das miese Gefühl im Magen verschwand, die Leute an Bord würden sich wieder beruhigen, und Jonny war nicht der erste Seemann, der sein Schiff verpasst hatte. Der Steuermann hatte einmal Derartiges erzählt. Nach kurzer Überlegung ging er zurück ins Maklerbüro in der Hoffnung, Mr. Hays dort immer noch anzutreffen. Jonny hatte Glück.

„Hallo, ich habe Sie schon erwartet!“, rief der Makler aus. „Ich werde mich um das Ticket nach Sao Paulo kümmern. Das läuft dann über die Reederei, die meldet sich später bei dir. Brauchen Sie einen Vorschuss?“

„Ja, so 500 $.“

„Okay, wann wollen Sie fliegen? Gleich heute oder in den nächsten Tagen? Es bleiben ihnen ja einige zur Auswahl.“

„In zwölf Tagen, bis dahin werde ich in Boston bleiben.“

„Okay, um das Visum kümmere ich mich auch. Wo wollen Sie übernachten?“

„Im Seemannsheim, da gehe ich gleich hin.“

„Brauchst du nicht, ich rufe dort an, dann bekommst du eine Zimmernummer und kannst jetzt wieder zu deinem Mädchen gehen.“

Jonny sah den Makler erstaunt an.

Dieser lächelte und meinte: „Warum sonst hast du wohl dein Schiff verpasst?“

Jetzt lächelte auch Jonny. „Okay, sollte ich nicht dort sein, hinterlassen Sie bitte eine Nachricht, sollte irgendwas sein.“

„Alright, hier hast du schon mal die 500 $, dafür benötige ich eine Unterschrift.“ Jonny nahm die Geldscheine und unterschrieb den Zettel.

Nun, da alles geklärt war, verließ Jonny gut gelaunt das Maklerbüro. Die 500 $ würden wahrscheinlich nicht reichen, aber Jonny besaß eine Visa Card und machte sich keine Sorgen um Geld. Er lief jetzt schnurstracks zum Seemannsheim und quartierte sich für die kommenden zwölf Tage dort ein. Da der Makler schon angerufen hatte, ging das sehr zügig. Sein Zimmer war ein kleiner Raum mit einem Bett nebst Nachtkommode, einem Stuhl und einem Tisch, auf dem ein kleiner Fernseher stand. Vor dem Bett stand ein Kleiderschrank und gegenüber befand sich eine Tür, dahinter verbargen sich Dusche und WC. Er inspizierte es nur kurz, dann nahm er ein Taxi und ließ sich in die City von Boston bringen. Jonny kaufte einige Klamotten für die nächsten Tage ein. Bepackt mit einer Jeans, drei T-Shirts, vier Oberhemden, Socken und Unterwäsche und Hygieneartikeln rief der Schiffskoch erneut ein Taxi. Zurück im Seemannsheim warf er die beiden Tragetaschen aufs Bett und ging duschen. Jonny war sehr froh, eine separate Nasszelle auf seinem befristeten Wohnraum zu besitzen. Frisch gestylt und neu eingekleidet, suchte er den Zettel, auf dem er am Abend zuvor Rachels Telefonnummer gekritzelt hatte. Endlich fand er das Stück Papier in seiner Jacke, wobei er zuvor in seiner Hosentasche und im Portemonnaie gesucht hatte. In der Hoffnung, sie zu erreichen, lief Jonny zur nächsten Telefonzelle und wählte die Nummer. Er hatte Glück.

„Hello?“

„Hallo, Rachel, ich bin`s, Jonny!“

Überrascht und erfreut zugleich fragte sie: „Wo bist du? Deine Stimme klingt so nah.“

„Ich bin noch in Boston, können wir uns sehen? Dann erkläre ich dir alles.“

„Okay, ich warte. Weißt du noch, wo ich wohne?“

„Ja, natürlich, dann bis gleich.“

Wiederum mit einem Taxi fuhr Jonny zu der Adresse, die er zusammen mit der Telefonnummer aufgeschrieben hatte.

Sie verbrachten wunderbare zehn Tage und waren fast die ganze Zeit zusammen. Rachel, die sich Urlaub genommen hatte, zeigte ihm die Stadt, sie lagen am Strand, besuchten den Zoo, gingen shoppen und abends in netten Restaurants dinieren, oder sie saßen bei ihr in der gemütlichen Wohnung in trauter Zweisamkeit. Nur einmal übernachtete Jonny in seinem Zimmer im Seemannsheim.

Der Abschied am elften und letzten Tag fiel beiden sehr schwer. In den vergangenen Tagen hatten sie sich intensiver kennengelernt und gegenseitige Sympathie und Zuneigung füreinander entwickelt. Rachel, die ihn gefragt hatte, ob er nicht in den USA bleiben wolle, brachte Jonny noch zum Flughafen und wartete, bis die Maschine abgeflogen und nicht mehr zu sehen war. Während der letzten innigen Umarmung weinte sie so herzzerreißend, dass es Jonny durch Mark und Bein ging. Einen kurzen Moment dachte er, soll die Maschine fliegen, ich bleibe bei Rachel. Doch als sein Flug aufgerufen wurde, befreite er sich sanft aus der Umarmung, gab ihr einen zarten Kuss, ein letztes heiseres, “Good bye“ und verschwand durch das Gate zum Rollfeld. Acht Stunden später landete Jonny auf dem internationalen Flughafen Sao Paulo. Mit dem Taxi fuhr er zum hiesigen Maklerbüro und erkundigte sich nach der Margret.

Ein Frachtschiff dieses Namens war noch nicht eingetroffen. Jonny rief erst die Reederei in Hamburg und danach den Kapitän an Bord an. Die Sekretärin der Reederei erklärte ihm, der Hafen sei nach wie vor Sao Paulo, das Schiff würde wegen schlechten Wetters wahrscheinlich einen Tag später ankommen. Vom Kapitän erfuhr Jonny eine präzisere Zeitangabe. Gegen fünf Uhr am nächsten Morgen sollte das Schiff im Hafen einlaufen. Jonny quartierte sich im Seemannsheim ein und ging früh schlafen. Um vier Uhr dreißig stand er am nächsten Morgen an der Pier, wo sein Schiff festmachen sollte. Kurz nach der festgelegten Zeit lief der Frachter ein. Der Koch ging an Bord, nachdem das Schiff festgetäut an der Pier lag. Ein fröhlicher Empfang wartete auf ihn. Der Ärger war vergessen, die Crew freute sich darüber, wieder pünktliche und schmackhafte Mahlzeiten zu erhalten. Natürlich bezahlte die Reederei den Flug von Boston nach Sao Paulo nicht. Das musste Jonny aus eigener Tasche berappen. Die zehn Tage, die er in Boston verweilt hatte, wurden ihm als Urlaub angerechnet. Doch das kratzte ihn nicht, im Gegenteil, er hatte die Tage genossen. Im Übrigen hatte er, seit er zur See fuhr, seine drei Monate Urlaub, die jedem Seemann nach sechs Monaten Fahrt zustanden, noch nie ausgekostet. Spätestens nach acht Wochen an Land zog es ihn wieder aufs Wasser. Jonny lächelt still, als er an dieses Abenteuer zurückdenkt.

Drei Jahre später zeigt die Uhr der Ocean Star sechs Uhr fünfundzwanzig, als es heißt: Leinen los. Die für New York bestimmten Container sind vom Cargo Liner gelöscht, neue geladen worden.

Eine Stunde später schwimmt das stolze Schiff wieder auf dem offenen Meer Richtung Norden. Die Crew kommt frühstücken, Jonny serviert dem Kapitän die erste Mahlzeit auf der Kommandobrücke. Der normale Tagesablauf an Bord beginnt. Einige der Matrosen legen sich die halbe Stunde, die sie nach dem Mittagessen Pause haben, auf die Koje. Eine lange arbeitsreiche Zeit liegt vor ihnen. Gegen dreizehn Uhr werden sie in Boston einlaufen. Zwölf Stunden später in Halifax in Kanada.

Die kommenden Tage bedeuten viele Stunden Arbeit und wenig Schlaf. Erst wenn die Ocean Star den Hafen von Philadelphia verlässt, liegen ruhigere Tage vor der Crew. Bis Sao Paulo dauert der See turn bei gutem Wetter vierzehn Tage. In den ersten drei süd- amerikanischen Häfen Sao Paulo, Rio de Janeiro und Santos, die bedeutende Hafenstadt im Bundesstaat Sao Paolo, kommt der Stress zurück. Lotse an Bord, Einlaufen, Löschen, Laden, Auslaufen, Lotse von Bord. Nach Cartagena in Kolumbien fahren sie acht Tage, so kann sich die Crew etwas erholen.

Es dämmert bereits, als die Ocean Star in den kolumbianischen Hafen einläuft. Weit draußen vor der Stadt befindet sich der Containerterminal. Riesige Mengen übereinandergestapelte Container belegen die einige 1000 m² große Fläche. Mit zwei Vorleinen und nur einer Vorderspring-, einer Achterspring und einer Achterleine liegt das Schiff an der Pier. Massige Kräne hieven die vierzig, sechzig und achtzig Fuß hohen Stahlkisten von Bord. Zweieinhalb Stunden später ist die Ocean Star wieder auf Fahrt Richtung Panamakanal, den sie innerhalb von vier Stunden erreicht und nach Durchquerung des Zufluss Kanals und einer kurzen Wartezeit in die erste von drei direkt nacheinander folgenden Schleusen einschifft. Der See lotse wechselt mit dem Kanallotsen. Zahnradbahnen an beiden Seiten der Hebewerke, auch Treidellock genannt, ziehen das Schiff sicher durch die Schleusen. Die Durchfahrt durch den gesamten Kanal dauert etwa sieben Stunden. Nach vier Stunden erreicht, das bis auf 4.600 Container erleichterte Schiff, die damals maximale erlaubte Menge an Containern für den Panamakanal, die Miraflores-Schleuse und durchquert den Miraflores-See. Am Ende des Kanals schließlich die zwei nacheinander folgenden letzten Schleusen, und die Ocean Star erreicht den Pazifischen Ozean. Für Jonny ist es jedes Mal wieder ein Erlebnis, diesen einzigartigen Kanal, der teilweise quer durch den Dschungel führt, zu passieren.

Vina del Mare, der chilenische Hafen, wird nicht angefahren, dafür Esmeraldas in Ecuador, wo die Container wieder aufgestockt werden. Den Grund kennt nur der Reeder, vielleicht noch die Offiziere. Die Crew interessiert das auch nicht. Ebenso wenig ist Jonny neugierig darauf, warum der Hafen in Chile ausgelassen wird. Selbst wenn er gefragt hätte, eine Antwort hätte er nicht bekommen. Er freut sich, dass wieder normale Umstände eintreten.

Wegen der ganzen Hektik und dem unfreiwilligen Schlafentzug in den vergangenen Wochen hat es mehrere Reibereien und kleine Streitereien unter der Besatzung gegeben. Das bleibt nicht aus. So gifteten sich eines Morgens die beiden Motorenanwärter an. Rolf war zu spät zum Dienst erschienen und beschuldigte Henning von der Nachtschicht, ihn zu spät geweckt zu haben. Die beiden Motorenanwärter weckten sich als einzige von der Crew gegenseitig. Klappte es mal nicht, wie an diesem Tag, nachdem sie Halifax gerade verlassen hatten, schaute Jonny noch mal nach. Rolf war wieder eingeschlafen und Jonny riss ihn aus seinen Träumen. Obwohl Jonny sich hier teilnahmsvoll einbrachte, kümmerte es die beiden Streithähne nicht. Die Motorenanwärter, für die Schiffsbesatzung immer noch Maschinisten, arbeiteten jeweils zwölf Stunden. Von sechs bis achtzehn und von achtzehn Uhr wieder bis sechs Uhr früh. Henning, ein schlanker Riese mit langen Haaren und breiten Schultern, neigte dazu, schnell beleidigt zu sein. Jonny versuchte noch zu vermitteln, scheiterte jedoch. Nach dieser Auseinandersetzung sprachen die beiden drei Tage kein privates Wort mehr miteinander. Nur wenn es die Maschine betraf, redeten sie sehr versteinert und nur aufs Fachliche bedacht miteinander. Die Arbeit musste funktionieren, das Schiff musste fahren.

Jetzt ist jedoch alles wieder in Ordnung. Die Ocean Star lässt den Panamakanal hinter sich und durchpflügt jetzt den südlichen Pazifik. Nach drei Tagen auf See haben sich die Gemüter wieder beruhigt, alle Streitereien sind beigelegt und alles geht wieder seinen gewohnten Gang.

Jonny betritt wie jeden Morgen nach dem Duschen die Kombüse, sieht auf den Kalender und wird das Gefühl nicht los, irgendetwas vergessen zu haben. Während er das Frühstück vorbereitet, überlegt er hin und her. Schließlich läuft er in seine Kammer, die mit einer Koje, einem Nachtschränkchen, einem Tisch mit Stuhl und einem Regal ausgestattet ist, holt seinen Notizblock hervor und wird fündig. Rodrigo hatte vor vier Tagen Geburtstag, also genau an dem Tag, als sie abends in Cartagena in Kolumbien eingelaufen sind. Für den Nachmittag jenes Tages hätte er locker eine Torte backen können, hat dieses Datum aber völlig verschwitzt. Mist, denkt er, zumal er wenige Tage zuvor noch in seinen Notizblock geschaut hat. Mach ich die Torte halt heute, besser spät als nie, denkt er. Zurück in der Kombüse beeilt er sich, die Vorbereitungen für das Frühstück zu vollenden. Es gibt Jägerschnitzel. Die dazu gehörenden Champions und die Paprikasoße hat er schon vor einiger Zeit vorbereitet und am Abend vorher aus dem Froster zum Auftauen geholt. Er wälzt die Schnitzel in Ei und Paniermehl, legt sie in zwei dafür bereitstehende gefettete Bratpfannen, fünf Schnitzel pro Pfanne. Danach weckt Jonny die Matrosen und den Bootsmann, den Vorarbeiter der Matrosen. Arbeit ist genug vorhanden. Es wird geschweißt, geflext, gestrichen oder aufgeräumt. Der Bootsmann, Mitte fünfzig, trägt einen mächtigen Bauch vor sich her und ist ein alter Seebär. Seit über dreißig Jahren fährt er nun schon zur See. Trotz seines gemütlichen Aussehens geht eine gewisse Autorität von ihm aus. Plaudernd nehmen die Matrosen ihre morgendliche Mahlzeit ein. Um acht Uhr verlassen sie die Messe und jeder geht seiner Arbeit nach.

„Ist heute Seemanns Sonntag?“, fragt Ismael, der heute als erster zum Kaffee erscheint, erfreut über die Torte auf dem Tisch. Die anderen Männer, die kurz darauf die Messe betreten, erleben die gleiche Überraschung und Freude. Als wäre es eine Vorsehung, kommt Rodrigo an diesem Nachmittag als Letzter in die Messe. Der Spanier strahlt übers ganze Gesicht. Seine Freude ist nicht zu bremsen, als er das kleine Schildchen, ein einfaches Stück Pappe, an einem Zahnstocher befestigt, mit der Aufschrift „Happy Birthday“, das in der Mitte der Kirschtorte steckt, entdeckt. Er gelangt an seinen Platz, beugt sich vor, um die süße Leckerei anzuschneiden, und liest, quer über die Torte mit Schlagsahne geschrieben, seinen Namen. Rodrigo macht auf den Absatz kehrt, rennt in die Kombüse und umarmt den Koch so fest, dass dieser fast umfällt. „Super, tausend Dank!“, ruft der kleine, drahtige Spanier mit den schwarzen Locken und den samtbraunen Augen. Überschwänglich tanzen die beiden einmal durch die Kombüse. Zurück in der Messe hat jeder der Jungs ein Stück Torte auf seinem Teller. Auf Rodrigos Teller liegen zwei Stücke. „Lass es dir schmecken!“, rufen alle wie aus einem Mund. Statt wie gewohnt bis fünfzehn Uhr dreißig wird heute bis sechzehn Uhr Kaffeepause gehalten. Weder der Bootsmann noch der Steuermann, dem Jonny ein Stück Torte und frischen Kaffee auf die Brücke bringt, sprechen dagegen.

Für das Mittagessen hat Jonny Schweinegeschnetzeltes, Rotkohl, Salzkartoffeln mit Soße und zum Nachtisch Dessert hergerichtet. Wie immer schmeckt es hervorragend. Thema der Unterhaltung am Mittagstisch ist das Video vom vorherigen Abend. Ein Horrorthriller, den Michael, Salvatore, Rodrigo, Coco, Karl-Heinz und Jonny sich ansahen, während Jose und Hagen sich im Fitnessraum vergnügten. Der schwarzhaarige Ismael war wie immer früh schlafen gegangen. Abrupt nimmt das Gespräch eine neue Wendung. Michael fällt ein, dass seine Lebenspartnerin in Hamburg Geburtstag hatte. Später will er noch anrufen. So kam es auch, dass Rodrigo seinen Geburtstag ansprach. Er sah Jonny erwartungsvoll an, aber der ließ kein Sterbenswörtchen verlauten, obwohl die Torte fertig im Kühlschrank stand. Umso heftiger war die Freude am Nachmittag.

Die folgenden vier Wochen auf dem Pazifik verstreichen ohne Probleme, das ganz normale Arbeitsleben bestimmt den Alltag an Bord. Das Wetter bleibt gut. Ein azurblauer Himmel spiegelt sich in der südpazifischen Dünung. Zweiunddreißig Grad zeigt das Thermometer. Ein lauer Fahrtwind streichelt Jonnys Haut, als er sich auf das Peildeck legt und dort seine Mittagspause verbringt. Auf dieser Seite der Welt hält gerade der Frühling Einzug. Südamerika liegt jetzt weit hinter ihnen, vor ihnen erstreckt sich der endlose Ozean. Die gefährlichen Taifuns wüten meistens weiter nördlich. Der Kurs der Ocean Star ist Südwest, Richtung Australien. Abends sieht man Videos, spielt Gesellschaftsspiele, benutzt den Fitnessraum oder sitzt in gemütlicher Runde bei Bier und Snacks zusammen.

Alles geht seinen Gang, bis der Kapitän eines Morgens, das Schiff ist drei Tage vor Sydney, als Jonny ihm wie jeden Morgen das Frühstück auf der Brücke serviert, bis zu diesem Zeitpunkt schier Unvorstellbares erzählt.

„Jonny, in Sydney ist für uns alle die Reise zu Ende.“ Es fällt dem Kapitän, der nun schon so viele Jahre die Weltmeere befährt und sicherlich eine Menge erlebt hat, sodass ihn nichts so leicht aus den Socken haut, sichtlich schwer. Er räuspert sich und fährt dann fort: „Die Reederei hat gestern Abend angerufen. Sie teilte mir mit, dass dieses Schiff in Sydney um geflaggt wird. Für uns bedeutet das, die Ocean Star wird ausgeflaggt. Für mich bedeutet es, dass ich endgültig ankern werde. Als Bestätigung empfing ich heute Morgen ein Fax. Hier, lies selbst.“ Hansen reicht dem Koch das ausgedruckte Schreiben und beweist damit wieder einmal das gute Verhältnis zwischen den beiden Seeleuten. Überhaupt ist das gesamte Arbeitsklima auf der Ocean Star hervorragend. Dass es auch Fälle gibt, bei denen die ganze Mannschaft und selbst die Offiziere zerstritten sind, weiß der Koch aus den Erzählungen seiner Kollegen. Jonny nimmt das Fax entgegen und liest.

„Sehr geehrter Herr Hansen,

in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage sind wir leider gezwungen, das Containerschiff Ocean Star auszuflaggen. Damit unsere Firma auch weiterhin wirtschaftlich expandieren und erfolgreich im globalen Wettbewerb bestehen kann, müssen wir einige Änderungen vornehmen. Das Containerschiff mit der Registriernummer 589276 wird am Morgen nach Einlaufen in den Hafen von Sydney personell neu besetzt. Drei Taxen werden im Hafen auf Sie und die Crew warten, um Sie zum Flughafen zu fahren. Dort liegen Tickets für den Flug nach Hamburg bereit. Für die Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

H&S Reederei GmbH & Co KG.

Jonny ist schockiert. Natürlich hat er, wie auch seine Kollegen, schon von ausgeflaggten Schiffen und was das bedeutet, gehört. Jedoch passierte das nur anderen Schiffen. Diese Reederei ist relativ jung, deshalb haben Jonny und auch sonst niemand von der Crew damit gerechnet, dass so ein Fall eintreten wird. Umso erschreckender ist diese Offenbarung. Verärgert über das unpersönliche Fax gibt er es zurück. Der Kapitän kopiert das Dokument und reicht es Jonny.

„Zeig es der Crew.“

„Aye aye, Captain.“

Jonny macht sich auf den Weg und reicht es dem Bootsmann, der plötzlich sehr blass wirkt. Auch die Matrosen, die jetzt am Frühstückstisch sitzen, bleiben stumm, als sie das Fax gelesen haben. Alle sind sich der Bedeutung bewusst. Es heißt nichts anderes, als dass sie in knapp zwei Tagen zurück nach Hamburg fliegen und arbeitslos sind. Die deprimierende Stimmung hält den ganzen Tag an. Auch beim Mittagessen spricht keiner der Männer ein Wort, jeder hängt seinen Gedanken nach. Nach dem Dessert verschwinden alle, nachdem sie an Deck noch eine Zigarette geraucht haben, in ihre Kammern.

„Dann werde ich mal packen gehen“, sagt der Kapitän mehr zu sich selbst als zum Koch.

Der Steuermann sitzt jetzt oben auf der Brücke und hat das Kommando. Froh darüber, wieder allein in der Kombüse zu sein, beginnt Jonny zu spülen. Die niedergeschlagene Stimmung, die den ganzen Raum erfasste und immer noch einhüllt, ist ihm nicht entgangen. Aber was hätte er sagen sollen? Viele deutsche Schiffe fahren nicht mehr unter deutscher Flagge, auch Jonnys Gedanken kreisen um seine Zukunft, denn auch für ihn ist in Sydney Endstation. Er könnte wieder als Bäcker in seinem erlernten Beruf arbeiten, aber will er das? Der Beruf hat ihm Freude bereitet, schließlich lernte er damals aus eigener Initiative das Handwerk. Lange bevor Jonny die Lehre antrat, war ihm klar, dass er diesen Beruf ausüben wollte. Was er nicht wollte, war, in irgendeinem kleinen Familienbetrieb zu arbeiten, täglich die gleichen Handgriffe zu machen und dazu den Launen des Chefs ausgesetzt zu sein. Eine Woche nach Abschluss seiner Gesellenprüfung trat er in Aurich in der Stadtbäckerei J. Hippen seinen Dienst an. Nach zwei Jahren als aktiver Geselle kündigte Jonny dort und suchte auf der Kirmes sein Glück. Die Arbeit gefiel ihm, aber sie stellte ihn auch nicht wirklich zufrieden. Also schrieb er wieder zwei Jahre später Heuer-Stellen in den Hafenstädten von West-Deutschland an. Vier Wochen später fand er sich als Smutje auf der M/S Margarete wieder. Die Arbeit als Schiffskoch beinhaltete alles, wonach Jonny immer gesucht hatte. Er teilte seine Aufgaben selber ein. Solange die Mahlzeiten schmackhaft waren, pünktlich auf dem Tisch standen und das Innenschiff sauber aussah, konnte er schalten und walten, wie er mochte, und keiner pfuschte ihm ins Gewerbe. Hinzu kam, dass er fremde Länder und Nationalitäten kennenlernte.

Auf dem Frachtschiff Margarete waren die Liegezeiten in den Häfen länger, die Crew konnte abends nach der Arbeit an Land gehen und sich vergnügen. Manchmal lag sogar ein ganzes freies Wochenende vor ihnen. Später, auf dem Containerschiff, spielte die Seemannsromantik nur noch in alten Seemannsliedern eine Rolle. Aber Jonny ging, wie die meisten seiner Berufsgenossen, ganz im Seemannsdasein auf. Für ihn war es mehr als nur ein Job. Es war seine Berufung. Nicht jeder Mensch eignet sich zur Seefahrt, dafür muss man schon geboren sein.

Um sich von seinen trübseligen Gedanken zu befreien, verzichtet der Koch auf seine Mittagspause und backt einen Zitronenkuchen, trotz der Tatsache, dass es Dienstag und kein Donnerstag ist. Arbeit ist das beste Mittel gegen aufkommende negative Gedanken. Beim Kaffee spürt Jonny die gelockerte Stimmung, der erste Schock ist vorüber, und die Freude, nach Hause zu kommen hat die Niedergeschlagenheit bei den meisten vertrieben. Der Stimmungswandel vollzog sich, als die Matrosen ihre Sachen packten und die Kammern säuberten. Einige haben schon mit ihren Frauen telefoniert, die die ganze Angelegenheit positiver betrachten, glücklich darüber, ihre Männer so bald wiederzusehen.

„Lecker, der Kuchen, super Idee von dir, Koch, so behalten wir dich in Erinnerung“, scherzt Hagen.

„Das will ich doch hoffen.“

Das Stimmungstief ist endgültig überwunden und neue Zukunftspläne werden geschmiedet.

Am folgenden Morgen gegen zehn Uhr laufen sie in den Hafen von Sydney mit der imposanten Opernhalle ein. Bis auf fünf Leute ist die komplette Besatzung reisefertig. Hagen, Coco, Ismael und Michael, die, Achtern und am Bug die Leinen vertäut haben, stecken noch in ihren Overalls, wie auch Henning, der die letzten Minuten in seiner Maschine verbringt und sie dann ein letztes Mal abstellt. Alle anderen sind schon umgezogen. Jonny hat am Vorabend seine Sachen gepackt und die Kammer geputzt. Nach dem Abwasch des Frühstückgeschirrs hat Jonny noch einmal den Boden der Kombüse gefeudelt und war dann duschen gegangen.

Nun steht er mit José, Rolf, Salvatore, Rodrigo und Karl-Heinz mit gepackten Koffern auf dem Achterdeck. Mit gemischten Gefühlen sehen sie der neuen Besatzung, die bereits an der Pier wartet, entgegen.

„Das wars dann wohl.“ Jonnys Stimme klingt heiser. Auch die Antwort von Jose wirkt belegt.

„Ja. Fliegst du direkt nach Deutschland?“

„Mit dem nächsten Flieger nach Hamburg, und du?“

„Nach Lissabon.“

Sie teilten sich ein Taxi von Port Jackson zum Flughafen Sydney Airport. Dort trennen sich ihre Wege. Zwei Jahre haben sie zusammen auf der Ocean Star verbracht, das Schiff war ihnen ans Herz gewachsen und fast eine zweite Heimat geworden. Kennengelernt haben sie sich auf den Frachter Margret. Über drei Jahre arbeiteten sie also zusammen, lernten sich näher kennen bei gemeinsamen Landausflügen und waren Freunde geworden. Auf dem Flughafen verabschieden José und Jonny voneinander, tauschen Adressen aus, wünschen sich gegenseitiges Glück und versprechen, einander zu schreiben. Doch irgendwie spüren beide, diese Ära ihres Lebens ist vorbei. Nie wieder werden sie voneinander hören. So ist es dann auch.

Jonny sitzt im Flieger, der soeben gestartet ist, schnell verschwindet der Airport unter ihm, eine Schleife noch, dann ändert sich die Landschaft. Australien wird immer kleiner und unter ihnen glitzert der Pazifik im Sonnenschein. Dann durchbricht die Boeing die Wolkendecke und die Erinnerung an seinen letzten Landgang vor zweieinhalb Jahren, zusammen mit José, holt ihn ein. Damals waren sie am späten Nachmittag mit dem Frachtschiff Margret im Naturhafen von Sydney eingelaufen. Erst am Montag darauf sollte die Ladung, Kuhfelle aus Frankreich, gelöscht werden. Abends hielten sie sich zusammen mit Henning und Salvatore in der nahe gelegenen Hafenkneipe auf. Trotz der lustigen Stimmung verließen Jonny und José die Pinte noch vor Mitternacht, weil sie sich einen Tagesausflug für den Sonntag vorgenommen hatten. Nach einem ausführlichen Brunch starteten die beiden Kollegen. Jonny hatte für den Rest des Tages freibekommen und brauchte somit auch kein Abendbrot vorbereiten. Über den Schiffsmakler hatten sie sich einen Geländewagen gemietet, den der Makler zur Pier brachte. José fuhr den Geländewagen, darauf hatten sie sich geeinigt, weil der Portugiese schon zweimal in Sydney gewesen war und sich deshalb einigermaßen auskannte. Jonny war damals das erste Mal in Australien.

So fuhren sie durch die Stadt, was sich als komplizierter herausstellte, als José angenommen hatte. Das lag nicht nur am Linksverkehr, auch der Fahrer war schon seit zwei Jahren nicht mehr in dieser Stadt gewesen. Aber es funktionierte dann doch relativ gut. Sie schlängelten sich durch Sydney und erreichten schließlich den offenen Busch, auch Outback genannt. Vor ihnen lag eine schier endlose mit Stachelkopfgras bedeckte Wüstenlandschaft. Jonny stellte sich vor, dort irgendwo in der endlosen Weite ein Haus zu besitzen, einen Gemüsegarten, und frei zu sein von allen Zwängen der Zivilisation. José fuhr auf der einzigen Straße, die es gab. Es war atemberaubend. Irgendwann war die Straße zu Ende, Jonny hatte es gar nicht bemerkt. Sie fuhren jetzt auf einem Trampelpfad mit ausgeprägten Reifenspuren. Sie ließen die Fenster geöffnet. Die Kühlung durch den Fahrtwind war bei einundvierzig Grad wirklich eine Bereicherung, genauso wie die Aussicht auf die Landschaft, die sich ständig wieder änderte. Vereinzelte Akazien und Grasbäume ragten in der Steppe empor. Ab und zu hüpfte ein Känguru über die Fahrspur und José musste bremsen.

Wieder wechselte die Landschaft. Rechts

Erhoben sich kleine Eukalyptuswäldchen, links eine trockne Graslandschaft. Jonny meinte, eine Schlange zu sehen, war sich aber nicht sicher.

Als sie eine Kamelfarm passierten, winkte ihnen ein bärtiger, etwa fünfunddreißig Jahre alter Mann zu. José stoppte den Wagen und die Seemänner stiegen aus. Der Farmer begrüßte die beiden freundlich. Er stellte sich als Mike Shetterfield vor und lud sie in sein Haus ein. Dort lernten sie seine Frau Barbara und die drei Kinder Thommy, Marilyn und Brenda kennen. Bei erfrischenden kühlen Getränken und leckeren Snacks entstand eine fröhliche lockere Unterhaltung. Vor zwölf Jahren lernten der australische Farmer und die aus dem Rheinland stammende Barbara sich kennen und lieben. Ihre Hochzeit feierten sie in Adelaide, Mikes Heimatstadt. Seitdem führen sie gemeinsam die Kamelfarm. Die Kinder, zwischen zwei und fünf Jahre alt, machten das Glück perfekt.

Die Zeit verging und der Nachmittag neigte sich dem frühen Abend zu. Die Sonne stand schon im Zenit, was die beiden Seemänner dazu veranlasste, sich von der gastfreundlichen Familie zu verabschieden. Sie hatten noch eine Rückfahrt von mindestens zweieinhalb Stunden vor sich. Eine abenteuerliche Fahrt in die hereinbrechende Dämmerung.

Jonny denkt an Afrika, Südamerika, Kanada, Thailand, USA, die Philippinen und die Sowjetunion. Seine Gedanken wirbeln durcheinander, Odessa oder Ghana kommen ihm in den Sinn und verschmelzen miteinander. Erschöpft schläft er ein.

Die monotone Stimme der Stewardess aus dem Lautsprecher weckt Jonny.

„In wenigen Minuten erreichen wir den Flughafen Hamburg.“

Jonny schnallt sich an. Als er aus dem Fenster schaut, liegt unter ihm der Hamburger Hafen. Eine Woge der Wehmut steigt in ihm hoch. Er unterdrückt das Gefühl der Traurigkeit, erst mal wird er nach Hause fahren und dann weitersehen.

Er mietet sich einen Golf und genießt die Fahrt nach Aurich. Hamburg hat er hinter sich gelassen, im Elbtunnel war ein Stau, ansonsten kam er gut durch, auch durch den quirligen Hamburger Verkehr. Von der A 1 mit ihren vielen Baustellen ist er auf die A 28 gewechselt. An der Ausfahrt Filsum verlässt Jonny die Autobahn und erreicht nach etwas mehr als zwei Stunden sein Ziel.

Ein herrlich warmer Spätsommertag Ende Oktober empfängt den Bäcker und Schiffskoch in Ostfriesland. Er betrachtet das doppelstöckige Einfamilienhaus der Eltern, wo er in dieser Zeit noch wohnt. Jonny, 24 Jahre, hat schon oft darüber nachgedacht, eine eigene Wohnung zu mieten. In der Ausbildung war das Geld zu knapp, später als er auf der Kirmes arbeitete schmiedete er Zukunftspläne mit Rebecca, der Tochter eines Autoscooter Besitzers. Die Liaison endete als Jonny der Kirmes den Rücken drehte und zur See wechselte. Viele Erinnerungen der Kindheit steigen plötzlich hoch. Gute wie schlechte. Jonny schüttelte den Kopf, so als ob er die Vergangenheit entfernen wollte. Nach der Kirmes kam die Seefahrt. Er war länger auf dem Schiff als Zuhause. Was soll ich mit einer eigenen Wohnung? Miete zahlen, für die zwei, maximal drei Monate, die ich die Wohnung benutze? Bis vor kurzem hatte er noch so gedacht. Doch nun scheint alles anders. Auf einmal fühlt er sich völlig fremd in dieser Gegend. Seine Seele und sein ganzer Körper sehnt sich nach einer eigenen Wohnung. Im Moment ist die Situation so, und nicht zu ändern, denkt Jonny und öffnet die Haustüre. Gleich darauf steht er in dem großen Flur. Rechts, direkt hinter der Garderobe führt eine Tür in ein kleines Zimmer, das als Teezimmer bekannt ist. Daneben ist ein separates WC. Geradeaus geht man in ein behaglich eingerichtetes Wohnzimmer. Von dort gelangt man linker Seite durch einen Rundbogen ins geräumige Esszimmer. Durchquert man das Wohnzimmer begrenzen eine Glastüre und eine große Fensterfront den Raum. Hinter der Glastüre findet man die Terrasse. Eine Wendeltreppe führt nach oben in die erste Etage und endet in einer Diele, umrahmt von verschiedenen Räumen. Dort ist das Elternschlafzimmer vorhanden, sowie ein geräumiges Bad, zwei Kinderzimmer und eine weitere separate Toilette. Die oberste Etage beherbergt zwei Kinderzimmer und einen Wintergarten, diese Räume werden über eine zusätzliche Treppe erreicht. Es ist später Vormittag und seine Mutter ist zu Hause. Sie hat die Wohnungstür gehört und kommt aus der Küche, die gegenüber der Teestube liegt, um nachzusehen, wer da ist. Die Überraschung der Mutter springt schnell in beiderseitige Freude über. Schließlich sind schon wieder fast fünf Monate ins Land gegangen, seit Jonny von Hamburg aus in See gestochen ist. Abends kommt sein Vater von der Arbeit und nach dem Abendessen wird noch lange erzählt.

Am nächsten Morgen fährt Jonny erst zum Arbeitsamt und dann zum Autohof, wo er den gemieteten Golf wieder abgibt. Beim Arbeitsamt meldet er sich arbeitslos und besorgt sich gleichzeitig Adressen der Heuerstellen von Emden, Wilhelmshaven, Cuxhaven, Hamburg, Bremerhaven und Bremen. Er schreibt alle Heuerstellen an.

Nach einigen Tagen bekommt er Post mit einem Termin für ein Vorstellungsgespräch in Leer. Das Vorstellungsgespräch findet drei Tage später in einem Café in Leer statt, ist kurz, aber ergiebig. Schnell sind der Reeder, Herr Krüger, und Jonny sich einig. In drei Wochen soll er in Lyon auf der Sheila anfangen. So geschieht es dann auch. Zwanzig Tage nach dem Gespräch erhält Jonny einen Anruf der Reederei, die ihren Sitz in der Nähe von Hamburg hat. Am folgenden Tag soll er um Mitternacht in dem Autobahnrestaurant Dammer Berge auf der A 1 sein, von dort wird er abgeholt und mit seinem künftigen Kapitän weiter nach Südfrankreich fahren. Seine Eltern finden die ganze Geschichte suspekt. Doch Jonny lässt sich nicht beirren. Sein guter Bekannter Klaus, die beiden kennen sich schon aus der Schule, fährt ihn zum vereinbarten Treffpunkt. Trotz der nächtlichen Zeit, es ist kurz vor Mitternacht, ist in dem Brückenrestaurant noch relativ viel los. Gerade haben die Freunde sich einen zweiten Kaffee bestellt, als sie von einem etwa 50-jährigen Mann angesprochen werden.

„Mayer mein Name, Jürgen Mayer, sitzt hier ein Johann Krause aus Aurich?“, fragt der mittelgroße Mann mit Bauchansatz und Blick auf Jonny.

„Das bin ich.“

Jonnys Reaktion zaubert ein Lächeln auf das bärtige Gesicht. „Hallo, ich bin der Steuermann der Sheila und soll dich abholen.“

„Johann Krause!“

Die beiden Männer reichen sich die Hand.

„Mir wurde gesagt, der Kapitän holt mich ab.“

„Ich weiß, aber das hat sich kurzfristig geändert, der Kapitän ist schon an Bord der Sheila. Können wir jetzt los? Wir haben noch eine lange Fahrt vor uns.“

Schnell trinkt Jonny seinen Kaffee aus, verabschiedet sich von seinem Kumpel, wünscht ihm eine gute Heimfahrt und zusammen mit dem Steuermann verlässt er das Restaurant. Jonny erblickt einen silberfarbenen Mercedes, als sie die Treppe herunter und auf den Parkplatz zu laufen. Weitere zwei Insassen sitzen im Wagen, eine für Jonny unbekannte Frau und der Reeder selbst. Als Erstes begrüßt der junge Mann die Frau auf dem Rücksitz, danach Herrn Krüger auf dem Beifahrersitz, den Jonny sofort wieder erkennt. Krüger, ein mittelschlanker Mann mit kurz geschnittenen grau melierten Haaren, Jonny schätzt ihn auf vielleicht fünfundvierzig Jahre, stellt die Frau als seine Ehegattin vor.

„Sehr erfreut, Johann Krause“, sagt Jonny überhöflich und reicht der Frau im blauen Kleid ein zweites Mal die Hand.

„Das reicht jetzt“, meint der Reeder.

Jonny setzt sich neben Frau Krüger auf den Rücksitz, der Steuermann lässt sich hinter dem Lenkrad nieder und startet den Wagen. Die Reise nach Lyon beginnt. Jonny blickt noch einmal zurück, sieht das Restaurant, das sich wie eine Brücke über die Autobahn schwingt und weiß plötzlich, dass wieder eine neue Ära in seinen Leben beginnt. Der Blick zurück währt nur kurz, dann dreht er den Kopf und schaut hoffnungsvoll in eine neue Zukunft. Eine Unterhaltung mit dem Steuermann kommt in Gang, zuerst schleppend, dann zügig. So erfährt Jonny, dass Jürgen Mayer und er auf dasselbe Schiff gehen. Die Fahrt dauert zwölf Stunden und verläuft ohne nennenswerte Zwischenfälle. In Lyon angekommen, staunt Jonny nicht schlecht, als er die Gangway der Sheila betritt. Während der Fahrt hat er schon mitbekommen, dass er in Zukunft auf kleineren Schiffen seinen Dienst versehen wird, aber so klein hat er sich den Frachter doch nicht vorgestellt. Im Auto ist von einem Küstenmotorschiff, kurz Kümo genannt, die Rede gewesen.

Was immer das auch sein mochte, jetzt kennt er die Antwort. Auch ist ihm klar geworden, weshalb er noch nie etwas von Lyon im Zusammenhang mit Seehafen gehört hat. Die südfranzösische Großstadt liegt an der Rhone, in deren Binnenhafen der festgetäute Frachter dümpelt, auf dem Jonny jetzt und künftig kochen soll. Der Kümo scheint nicht viel größer als ein Flussschiff zu sein. Jonny und Jürgen (der Steuermann bot ihm während der Fahrt auf der Autobahn das Du an) verstehen sich mittlerweile ganz gut. Sie nehmen ihr Gepäck aus dem Kofferraum des Mercedes, der bis an seine Grenzen ausgereizt ist. Der Reeder bleibt drei Wochen mit seiner Frau in Frankreich, und die hat natürlich entsprechendes Gepäck dabei.

An Bord der Sheila begrüßt Jonny den scheidenden Schiffskoch, dessen gepackter Seesack schon in der Kammer auf die Abreise wartet. Der sitzt schon auf „heißen Kohlen“, erwidert sein Kollege die Begrüßung und verabschiedet sich gleich, da sein Taxi schon wartet.

Diese kleine Kammer mit einem Tisch, einer Koje und einem Kleiderschrank wird für die kommenden sechs Monate sein Zuhause sein. Obwohl alles kleiner ist als auf der Ocean Star, überkommt ihn das Gefühl, er wäre schon immer hier gewesen. Jonny fühlt sich zu Hause. Er wendet sich ab und begibt sich in die Kombüse.

„Du bist also der neue Koch!“, dröhnt eine Stimme von der Seite, als Jonny durch die offene Tür in die Messe tritt. Er dreht seinen Kopf in Richtung der Stimme. Ein korpulenter Mann mit breitem Gesicht und Hakennase spricht weiter, ohne eine Antwort abzuwarten oder von seinem Teller hochzusehen. „Du kommst von einem großen Container. Bist du schon auf einem Kümo gefahren? Wahrscheinlich nicht“, gibt der Dicke sich selbst die Antwort. „Hier läuft es anders, du arbeitest nicht nur in der Kombüse, hier musst du auch an Deck mithelfen. Wenn dir das nicht passt, kannst du gleich wieder nach Hause fahren. Wie heißt du?“

„Johannes Krause“, gibt Jonny, etwas irritiert über die Empfangsrede, zurück. Im Stillen denkt er, in welchem Dschungel, der wohl aufgewachsen ist. Zu jenem Zeitpunkt ahnt Jonny nicht, dass er mit diesem Mann zehn Jahre zusammenarbeiten und dass so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen entstehen wird.

Am späten Nachmittag geht die Reise los. Jonny muss mit aufs Achterdeck, eine Spring und eine Achterleine sollen eingeholt werden, die von zwei Hafenarbeitern vom Pollack abgenommen werden. Spring nennt der Seemann die Leinen, die mittschiffs festgemacht werden. Es sind zwei Leinen, eine Vorder- und eine Achterspring, die entgegen den Vorder- und Achterleinen gesetzt werden, sie halten das Schiff davon ab, nach vorne oder achtern zu treiben. Jonny holt die Achterleine ein, sein Kollege die Spring. Auch auf dem Vorderschiff, dem sogenannten Bug, sind ein Matrose und ein Decksmann damit beschäftigt, die Leinen einzuholen. Der Lotse steuert die Sheila aus dem Hafen von Lyon auf die Rhône.

Nach der seltsamen Begrüßung des Kapitäns am Tag zuvor, dessen Namen er immer noch nicht kennt, zog Jonny sich um und begann sofort mit der Arbeit in seiner neuen Bordküche: Kaffee kochen und das Abendbrot vorbereiten. Das Mittagessen war von seinem Vorgänger schon zubereitet worden, und Kuchen war auch noch da, den hatte der Koch auf den Tisch gestellt. Gegen neunzehn Uhr hatte er die Kombüse sauber und sein erster Tag auf einem Kümo ging zu Ende. Jonny gesellte sich zu seinen drei Kollegen, einem Matrosen und zwei Deckleuten. Der Matrose stellte sich als Peter vor, die beiden Deckmänner verließen umgehend die Messe und verschwanden. Koch und Matrose hielten Small Talk miteinander. Gegen zweiundzwanzig Uhr ging dann jeder in seine Kammer.

Kurz vor dem Frühstück erschallt plötzlich die Stimme des Kapitäns aus der Sprechanlage. „Koch, aufs Achterdeck, festmachen, Schleuse.“

Zum ersten Mal macht Jonny in einer Schleuse fest, das ist nicht schwierig, nur eine Spring wird benötigt. Mit der Zeit erfährt Jonny, dass vorn zwei Leinen befestigt werden, eine Spring und eine Vorleine. Die erste Mahlzeit des Tages muss verschoben werden, bis das Schiff die Schleuse passiert hat und gemächlich weiter den Fluss herunterschippert. Kaum ist das Schiff aus der Schleuse, serviert der Koch das Frühstück für Kapitän und Lotsen auf der Brücke. Auf dem Kümo führt nur eine Außentreppe auf die Brücke. Um das Frühstück vor Wind und Wasser zu schützen, hat der Koch es mit einer Käseglocke abgedeckt. Oben angekommen nutzt Jonny die Gelegenheit und fragt den Kapitän gleich nach dessen Namen.

„Fischer, habe ich das gestern nicht erwähnt?“

„Nee.“

„Okay, dann weißt du es jetzt.“

Damit verlässt Jonny die Brücke und hantiert in seiner neuen Kombüse, wo er immer wieder Küchenutensilien, Gewürze und andere Lebensmittel sucht. Er braucht nur noch für sechs Leute zu kochen, das ist die gesamte Besatzung der Sheila. Das Schiff mit 299 Bruttoregistertonnen, fünfundsiebzig Metern Länge, Klappmasten, einer hydraulisch bewegbaren Kommandobrücke und 1.500 Tonnen Ladegewicht soll seetauglich sein? Für den Koch vom großen Container ist das kaum vorstellbar.

Nach insgesamt zwölf Schleusen und etlichen Kilometern erreicht der Kümo das Rhône Delta. In Port St. Louis geht der Lotse von Bord, und eine knappe Stunde später kreuzt der mit Kunstdünger beladene Frachter im Mittelmeer mit Kurs auf Griechenland. Die See ist ruhig, an Bord hat sich der normale Alltag wieder eingespielt.

Es ist Ende Oktober, seit drei Tagen pflügt die Sheila durch das Mittelmeer, den Golf von Lyon und die Bonifatius Straße, die Meeresenge zwischen Korsika und Sardinien, haben sie hinter sich gelassen, die Sonnenstrahlen lassen das Meer glitzern und ein wolkenloser blauer Himmel wölbt sich über der spiegelglatten See bis zum Horizont, wo sich Meer und Himmel vereinigen. An diesem ersten Sonntag auf See entspannt sich Jonny in seiner Mittagspause auf dem Achterdeck, Peter hat sich dazu gesellt. Er kommt wie Jonny von einem großen Schiff. Seit einem Jahr fährt er jetzt auf dem Kümo. Auch für ihn war es eine große Umstellung. Peter, ein hochgewachsener, blonder Mann aus Hamburg, ist in Jonnys Alter. Genau wie die Ocean Star wurde auch Peters Schiff vor eineinhalb Jahren über Nacht ausgeflaggt. Delfine tummeln sich mittschiffs, sie begleiten die Sheila seit geraumer Zeit, übermütig springen die Säugetiere aus dem Wasser, um sofort wieder einzutauchen. Sie schwimmen schneller als das Schiff, ziehen vorbei, kehren um, kommen zurück bis fast zum Achterdeck und beginnen das Spiel von Neuem. Jonny und Peter genießen die Aussicht und hängen ihren Gedanken nach.

„Es ist ein großer Unterschied zwischen dem hier und großer Fahrt, wie du sicher schon bemerkt hast“, lässt Peter sich plötzlich vernehmen.

„Ja“, erwidert Jonny, „vor allem arbeitstechnisch habe ich das bemerkt.“

„Das ist bei mir nicht anders, ich muss jetzt in der Maschine mitwirken, aber fahrtspezifisch meine ich, wir gurken hauptsächlich hier im Mittelmeer herum, ab und an mal runter nach Ghana. Die Trips sind kürzer, die Häfen oft die gleichen.“

„Hm, wie sieht es denn mit Liegezeiten aus?“

„Ganz gut, nicht immer, aber eine Nacht ist oft drin, manchmal sogar ein Wochenende.“

„Vielleicht lernt man in häufig wiederkehrenden Häfen mal ein paar heiße Bräute kennen.“

„Jo, meistens Bardamen.“

Beide lachen und sprechen über Autos, bis Jonnys Pause schließlich vorüber ist. Er verlässt das Deck und geht die Treppe hinunter ins Innenschiff, vorbei an der Kapitänskammer, die größte auf dem Schiff, läuft den kurzen Flur entlang, wendet sich links in die Messe und begibt sich in die Kombüse, um den Kaffee zu kochen. Anders als auf einem großen Schiff sind hier Messe und Küche in einem Raum und nur durch einen halben Tresen getrennt. Um fünfzehn Uhr bringt Jonny Kuchen auf die Kommandobrücke. Die Thermoskanne mit heißem Kaffee nimmt der Steuermann gleich nach dem Mittagessen mit nach oben.

„Hi, Smutje“, begrüßt er Jonny, „alles klar?“ Der Steuermann mit seinen langen braunen Haaren, die ihm bis auf die Schultern fallen, ist ein ruhiger und fröhlicher Typ.

„Moin, Steuermann, ich habe alles im Griff.“

Jonny verlässt die Brücke, um in die Kombüse zurückzukehren, wo die restlichen Crewmitglieder schon Kaffee trinken und sich lauthals unterhalten.

Weitere zwei Tage später erreichen sie den Kanal von Korinth. Jonny, der schon mit den beiden Schiffen Ocean Star und Margret diese künstliche Wasserstraße durchfahren hat, ist jedes Mal von Neuem fasziniert von den hohen Felswänden, die sich beidseitig erheben.

Vier Stunden später läuft die Sheila mit einer erwartungsvollen Besatzung am frühen Nachmittag in Piräus, der größten Hafenstadt Griechenlands, ein. Jonny übernimmt die Bordwache. Er hat sich freiwillig dazu gemeldet, weil er erst in Frankreich eingestiegen und die kürzeste Zeit an Bord ist. Peter und die beiden Decksmänner, Sven und Markus, sind natürlich hocherfreut, denn keiner hält gern Bordwache, schon gar nicht in einem Hafen wie Piräus. Kurz nach 20:00 Uhr verlassen die drei das Schiff. Der Steuermann geht später an Land. Jonny holt sich eine Flasche Bier aus seiner Kammer und kehrt in die Messe zurück, wo ein Fernseher und ein Videogerät stehen, und er legt sich einen Film ein. Nach einer halben Stunde drückt an der Fernbedienung auf Pause, um sich ein weiteres Bier aus seiner Kammer genehmigen, als plötzlich der Kapitän mit einem Sixpack in die Messe kommt. „Komm` min Jung, lass uns mol een trinken. Lass den Film ruhig laufen“, meint er, als Jonny Anstalten macht, diesen auszuschalten. Leicht überrascht vom plötzlichen Eintreten des Kapitäns stimmt er zu.

“Du bist ein guter Mann, allerdings bist du auch erst eine Woche an Bord. Wenn das so bleibt, kannst du hier alt werden. Aber ich will nichts versprechen, ich habe schon Pferde kotzen sehen“, so die Einleitung des Kapitäns.

„Warum sollte sich das ändern? Ich liebe diesen Job.“

„Das sehe ich an deiner Arbeit.“

Lange noch sitzen der Captain und der Koch in der Messe, trinken Bier, quatschen über dies und das und gehen irgendwann schlafen, mit der Gewissheit, sich sympathisch zu sein.

Am folgenden Nachmittag heißt es dann wieder: Leinen los. Die Sheila verlässt Piräus und nimmt Kurs auf Alexandria in Ägypten. Die Reise verläuft ruhig, das Wetter zeigt sich immer noch von seiner besten Seite, und obwohl es Mitte November ist, weist das Thermometer noch 22 Grad Celsius auf. Es herrscht kaum Wind, was für diese Breitengrade jedoch völlig normal ist. Die Stimmung an Bord ist gut, jeder geht seiner Arbeit nach, abends sitzt die Crew zusammen in der Messe, schaut Video oder unterhält sich, manchmal wird auch Skat gespielt. Der Kapitän und der Steuermann sind nicht dabei. Der Erste fährt das Schiff, der Zweite schläft. Die in Lyon geladenen Kuhfelle sind in Piräus gelöscht worden, nun fährt das Schiff mit Ballast, also ohne Ladung. Die Ballasttanks werden in so einem Fall zur Stabilisation des Schiffes mit Seewasser gefüllt. In Alexandria nimmt die Sheila Container auf, die Ladezeit beträgt knapp zwei Stunden. Zwei Kräne beladen das Schiff. Die Container sollen in Valencia wieder gelöscht werden. Die sechstägige Überfahrt bei strahlendem Sonnenschein und ruhiger See verläuft wieder ohne Zwischenfälle. Auch die Delfine begleiteten wieder das Schiff. Sie schwimmen vor dem Schiff her und lassen sich zurückfallen, um den Frachter wieder zu überholen. Übermütig springen die Meeressäuger aus dem Wasser, um gleich danach wieder in das glitzernde Meer einzutauchen. Jonny verfolgt das Schauspiel in den Mittagspausen, die er meistens mit einer Decke auf dem Peildeck verbringt. Von hier hat er eine hervorragende Aussicht. Obwohl Jonny dieses Spektakel schon öfter gesehen hatte, ist er immer wieder begeistert.

In Valencia werden die Container genauso schnell gelöscht, wie sie zuvor in Alexandria geladen wurden. Dann fährt der Kümo wieder nach Frankreich, die Rhône hoch nach Lyon. In Port St. Louis kommt der Lotse wieder an Bord. Als die Dämmerung hereinbricht, legt der Kapitän an, die Crew macht das Schiff wegen der Strömung mit zwei Sicherheitssprings an zwei Dalben fest. Nachts darf auf dem Fluss nicht gefahren werden. „Ich kenne den Besitzer der orangenen Plantagen auf der anderen Seite des Flusses, es ist mein Schwager,“ erzählt der Lotse in der Messe, während er das Abendessen gemeinsam mit der Schiffsbesatzung einnimmt. Der Lotse bleibt die drei Tage, die die Fahrt auf der Rhône dauert, an Bord und übernachtet in einer separaten Kammer. Sobald es hell ist, leitet er die Sheila weiter sicher durch den Fluss.

„Ihr könnt Orangen besorgen.“

Markus hebt den Kopf, noch im Overall, er sitzt dem Lotsen Jean gegenüber und raucht. Jean Chirrac ist sechsundfünfzig Jahre alt. Eine kleine längliche Narbe ziert die rechte Wange seines schmalen Gesichts. Er trägt ein beiges Hemd, dazu Jeans und Lederschuhe. Der Kapitän sitzt am Kopfende des Tisches. Er kennt den Lotsen gut und nickt dem erstaunten Decksmann zu.

„Kommst du mit?“, ruft Markus gleich darauf in Jonnys Richtung, der eben aus seiner Kammer mit einer Schachtel Zigaretten kommt und nicht gehört hat, was der Lotse ihnen angeboten hat.

„Wohin, hier ist doch nichts“, sagt er verständnislos. Er hat die weit entfernten Lichter von Avignon gesehen und denkt, dass sie einen Landgang planen. „Wollt ihr mit dem Taxi in die Stadt fahren?“

„Nein, nur auf die Plantage.“ Markus weist mit dem Arm durchs offene Bullauge über den Fluss. „Wir wollen ein paar Apfelsinen holen, mit Erlaubnis des Monsieur Lotse.

Mit je einer Plastiktüte behaftet machen sie sich auf dem Weg. Fröhlich verlassen sie das Schiff, überqueren die Brücke und landen schließlich durch ein offenstehendes Tor im Orangenhain. Die Dunkelheit hat inzwischen eingesetzt, und die Seemänner schwenken ihre Taschenlampen durch die Plantage. Sie füllen ihre Tüten mit reifen Orangen, die sich leicht pflücken lassen. Nach etwa zwanzig Minuten treffen sie sich am Zaun, der den Orangenhain begrenzt. Zurück an Bord besorgt Jonny sogleich einen großen Karton, wo ihre Ernte hineingeschüttet wird. Der Kapitän betritt die Messe.

„Na, das hat sich ja gelohnt“, sagt er mit einem Blick auf den Karton voller Orangen. „Hoffentlich hat euch keiner gesehen“, scherzt er.

„Nicht die Spur“, sagt Jonny, „wir bringen sie gleich in den Proviantraum.“

Der Kapitän nickt, nimmt sich eine Orange und verschwindet in seine Kammer.

Am nächsten Morgen um sechs Uhr startet der Lotse die Sheila und der Kümo kämpft sich weiter flussaufwärts. Am Abend wird der Frachter kurz hinter Valencia wieder festgemacht, auch diesmal bleibt der Lotse an Bord, bis um sechs Uhr am folgenden Morgen die Fahrt weitergeht. Gegen Mittag erreicht die Sheila ihren Zielhafen Lyon, wo Champions in Dosen geladen werden, wieder eine Fracht für Piräus. Vier Tage liegt die Sheila diesmal im Hafen von Lyon. Genug Zeit für die Mannschaft, an Land zu gehen. Der Kapitän geht so gut wie nie an Land, auch in den vier Tagen in Lyon verlässt er nicht das Schiff. Die Crew braucht keine Bordwache leisten und kann gemeinsam am Abend losziehen. Tagsüber hat die Arbeit an Bord Vorrang, nach Feierabend besucht man eine der vielen Kneipen der Stadt. Keine zehn Minuten Fußweg sind es in die französische Innenstadt. Vier ausgelassene Abende bei lauen Temperaturen erleben die Matrosen und lernen sich besser kennen, sind aber froh, als es am Nachmittag des vierten Tages endlich wieder heißt, Leinen los. Nachdem auch frischer Proviant an Bord ist, werden die Leinen eingeholt und der Lotse steuert das Schiff ein Stück flussaufwärts, um es dann zu wenden. In Port St. Louis verlässt der Lotse das Schiff und die Sheila schippert bei strahlendem Sonnenschein durch den Golf du Lyon und vorbei an Marseille, lässt die Küste Frankreichs hinter sich, um wieder allein mit den Delfinen in den orangeroten Sonnenuntergang des Mittelmeeres hineinzufahren. Am nächsten Morgen, Jonny bringt gerade das Frühstück für den Kapitän auf die Brücke, sieht er weit voraus eine gewaltige dunkle Regenwand. Hier im Längengrad der Sheila ist das Wetter noch super, der Himmel ist strahlend blau, bei achtundzwanzig Grad lächelt die Sonne auf eine spiegelglatte See. Doch so ein Phänomen wie die etwa eine Seemeile voraus aufziehende dunkle Front am Horizont hat der Schiffskoch noch nie gesehen.

„Da kommt was auf uns zu“, sagt der Kapitän knapp, als Jonny den Kommandostand erreicht.

„Oha, ja Captain, habe es schon gesichtet.“

„Sag den Jungs, sie sollen alles seefest machen, in ca. zwei Stunden ist hier der Teufel los.“

„Wird gemacht.“

„Die Männer sollen sich beeilen. Ich hoffe, dass ich die Straße von Bonifacio noch erreiche, bevor es richtig losgeht, dort haben wir Schutz durch die Küsten der Inseln Korsika und Sardinien.“

„Alles klar.“

Jonny stellt das Frühstück ab und verlässt die Brücke. Er gibt seinen Kameraden Bescheid, die nacheinander in die Messe eintreten, um das Frühstück entgegenzunehmen. An diesem Morgen serviert er jedem Crewmitglied zwei gebratene Koteletts, natürlich auch Brot, Wurst, Käse, Marmelade und Honig – wie an jedem Tag. Gleich nach dem Frühstück begeben sich der Matrose und die beiden Decksmänner erst an Deck, dann in den Maschinenraum und zuletzt in ihre eigenen Kammern, um alles anzuschrauben und festzuzurren, was irgendwie verrutschen könnte. Jonny tut dasselbe in seinem Bereich, also Kombüse, Proviantraum, eigene Kammer und Nasszelle. Normalerweise wird direkt nach dem Losschmeißen seeklar gemacht, hier aber verhielt es sich anders, weil man zwei Tage die Rhône runterfuhr und im Mittelmeer fast immer gutes Wetter herrscht.

Wie der Kapitän vorausgesagt hat, beginnt das Schiff nach zwei Stunden erst gemächlich, dann immer heftiger zu schaukeln. Für einen großen Container würde das noch keine Gefahr bedeuten, der kleine Kümo jedoch rollt schon gefährlich hin und her. Noch haben sie das Zentrum des Sturms nicht erreicht. Um die Mittagszeit ist es dann so weit. Bevor sie die Straße von Bonifacio erreichen, türmt das Meer sich auf. Meterhohe Wellen peitschen gegen und über das Schiff. Die Welt hat sich verdunkelt und der Himmel seine Schleusen geöffnet. Es gießt wie aus Kübeln, dazwischen donnert es immer wieder, Blitze erleuchten für Sekunden den schwarzgrauen Himmel und das tosende Meer. Der Wind heult übers Meer und zerrt mit lautem Getöse an Schlössern und Türen vom Innenschiff. Es knarrt und klappert im Innenschiff, die Stühle hat der Koch mit Spanngurten am Tisch befestigt. Einer löst sich und kracht gegen die Schotten. Die Sheila rollt immer schneller von Backbord nach Steuerbord, plötzlich, wie von einer Riesenhand gestoppt, liegt sie mit leichter Schräglage eine gefühlte Stunde, obwohl es nur Minuten sind, bewegungslos im Wasser. Unvermittelt, wie von einer Megafaust getroffen, kippt das Schiff nach Steuerbord, dass selbst die Nocken Wasser schöpfen. Es ist, als hätte die Hölle ihre Toren geöffnet. An normales Mittagessen ist nicht zu denken. Bevor das Chaos anfing, hat Jonny Schnitzel gebraten und Butterbrote damit belegt. Mit einer Hand sich festhaltend, in der zweiten die Stulle, wobei dem einem oder anderen schon mal das Fleisch herunterfällt, breitbeinig stehend nimmt die Crew nicht ohne Schwierigkeiten ihr aus der Macht der Naturgewalten geborenes Mal ein. Keiner spricht ein Wort, jeder ist damit beschäftigt, sein Mittagessen in seinen Mund zu befördern.

Plötzlich der schrille Ton der automatischen Sprechanlage. „Steuermann hier, ist der Kapitän noch in der Kombüse?“

„Ja“, antwortet Jonny, während er den Knopf der Gegensprechanlage gedrückt hält.

„Können nicht in die Straße einlaufen, großer Container gerade gewendet, Container verloren, ich ändere den Kurs.“

„Captain kommt.“

„Koch, komm mit!“, ruft der Kapitän. „Die anderen können in ihre Kammern gehen. Für euch ist vorerst Feierabend.“

Jonny folgt dem Captain. Sich mit beiden Händen am Geländer festhaltend, kämpfen sie sich die 39 Sprossen der Treppe bis auf die Brücke hoch. Der Wind zerrt an ihren Kleidern und Körpern wie ein reißender Wolf, als die aufgepeitschte See das gesamte Achterdeck inklusive der Schiffsbrücke für Sekunden in totaler Schwärze versinken lässt. Als er völlig durchnässt die Nock erreicht, reißt der Kapitän die Brückentür auf, um sich und Jonny hineinzumanövrieren. Jonny schließt und verriegelt sofort von innen die Tür. Keine Sekunde zu früh, das wütende Meer erfasst das gesamte Schiff, sodass es schräg in der See liegt und die Nock überspült. Die Sheila kommt wieder hoch, rollt auf die andere Seite und sinkt tief ins Meer. Für Sekunden ist es stockdunkel in der Kommandozentrale. Als das Schiff wieder aus den Fluten emporsteigt, zeigt der Steuermann mit ausgestrecktem rechtem Arm, mit dem linken klammert er sich an die Stuhllehne vom Kommandantensitz, der fest am Boden verschraubt ist, in Richtung der Meerenge von Bonifacio. Ein mittelgroßer Frachter, beladen mit Containern, von denen schon einige fehlen, wie man gut an den gelösten oder gerissenen Lashings erkennen kann, deren lose Enden hochgeschleudert werden und immer wieder gegen die noch gesicherten Container knallen, erreicht gerade eben die Einfahrt der Wasserstraße zwischen Korsika und Sardinien.

Der Steuermann greift zum Satellitentelefon.

„Here the helmsman of Sheila again, did you lost a lot of Cargo? Do you need help for your crew or the ship?”, spricht der Steuermann durch den Hörer seinen Berufskollegen an. Der gibt Antwort, welche Jonny allerdings nicht versteht, da er nicht in unmittelbarer Nähe zum Steuermann sitzt, sondern sich auf der hinteren Bank in einer Ecke des Kommandogehäuses hat fallen lassen und sich jetzt so gut wie möglich festhält. Der Kapitän steht breitbeinig neben seinem ersten und einzigen Offizier und klammert sich an der Lehne des Brückenstuhls und an der Kante des Kommandopults fest. Durch das Sturmgetöse kann auch er nichts verstehen und so wartet er ab. Nach kurzer Konversation legt der Steuermann den Hörer auf. Weiter durch die Frontscheibe schauend und sich auf die schwarze See konzentrierend, wendet er sich an den Kapitän. Mit dem Finger deutet er auf das angeschlagene Schiff. „Der hat mehrere Container verloren, die jetzt in der Bonifacio-Straße schwimmen.“

Der Captain hat die Reederei schon benachrichtigt. Die Mannschaft und das Schiff sind unbeschadet. Sie sollen den Hafen Ajaccio auf Korsika anlaufen.

„Ich denke, es ist zu gefährlich, da durch Straße zu fahren“, ruft der Steuermann, „zudem hat der in der Straße gedreht, bevor er an der schmalsten Stelle gegen die Felsen knallt. Und das Schiff ist sehr viel größer als unser Kümo ...“

„Du hast recht, Steuermann, das meine ich auch, also Kursänderung. Koch, du bleibst hier oben, bis der Steuermann gewendet hat. Und achte auf schwimmende Container, falls der Dampfer da vorne noch mehr verliert. Sieht mir ziemlich lose aus, die ganze Sache da!“ Wie zuvor der Steuermann weist der Kapitän, während er redet, auf den mittlerweile bedrohlich nahen Frachter. Just in diesem Augenblick fliegt ein Achtzig-Fuß-Container von Bord und klatscht ins Wasser. „Siehst du, das meine ich.“ Kaum hat er das gesagt, verlässt der Kapitän die Brücke. Gleich darauf erhebt sich Jonny und schnell beugt er sich vor, um mit der linken Hand einen Haltegriff zu ergattern, an beiden Seiten des Armaturenpults ist j ein Griff angebracht, bevor er von den heftigen Bewegungen des Schiffes mitgerissen wird.

Mit der rechten hält er das Fernglas und späht nach schwimmenden Containern aus, während der Steuermann den Ruderschalter nach hart Steuerbord dreht, um den Kurs zu wechseln. Langsam dreht der Kümo, der jetzt erbittert von einer Seite auf die andere rollt und dabei mit den Nocken das tosende Meer berührt. Bis zu 45 Grad legt das Schiff sich auf die Seite und katapultiert zurück. Der geballten Kraft des Orkans und der vollen Wucht der haushohen Brecher der wütenden See mittschiffs ausgesetzt, die anscheinend kategorisch versuchen, die Sheila auf dem alten Kurs zu halten. Die Wellen türmen sich meterhoch und krachen an den Brückenscheiben. Der Steuermann wie auch der Koch müssen ihre ganze Körperkraft einsetzen, um sich festzuhalten und nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen. Eine letzte abrupte Bewegung nach Backbord, wobei Jonny den Halt verliert und quer durch das Ruderhaus geschleudert wird. An der Backbordtür endet sein unfreiwilliger Flug. Doch er hat Glück, außer einigen blauen Flecken ist ihm nichts passiert. Endlich ist die Sheila auf Kurs, bekommt aber die schwere See nun von vorn. Meterweit erhebt sich das Vorderschiff aus dem Meer, dann kracht es wie auf unsichtbaren Stufen wieder in die Tiefe und das gesamte Vorschiff versinkt im schäumenden Meer. Den restlichen Tag und die ganze Nacht hält der Orkan an.

Am Morgen hat sich das Wetter beruhigt und der Orkan ist zu einer leichten Brise abgeflaut. Die Sonne strahlt wieder von einem fast wolkenlosen Himmel. Das Schiff wird von innen und außen aufgeräumt, etwaige Schäden werden beseitigt.

Sommer 1977, zwei Monate ist es nun her, dass Jonny gleich nach seinem Rausschmiss aus der Hauptschule die Ausbildung zum Bäcker begonnen hat. Der Beruf gefiel ihm und er nahm sich vor, die Ausbildung bis zum Ende durchzuziehen. Der erste Anlauf ging jedoch daneben, Jonny schmiss nach Ablauf der Probezeit alles hin, weil er mit seinem Chef nicht klarkam. Dieser wollte die Probezeit noch einmal um drei Monate verlängern und Jonny erst danach einen Ausbildungsvertrag geben. Seine Eltern, waren überhaupt nicht begeistert vom Verhalten ihres Sohnes. Sie bemühten sich, Jonny, der sein sechzehntes Lebensjahr fast vollendet hatte, davon zu überzeugen, doch in dem Betrieb zu bleiben, auch wenn der Chef die Probezeit, die schon ein halbes Jahr währte, noch einmal um drei Monate verlängern wollte. Sprüche wie „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ oder „Wir wurden früher auch ausgenutzt,“ kotzten Jonny sowieso schon an und verhallten ohne Wirkung. Ausschlaggebend waren auch nicht die drei Monate weitere Probezeit, die hätte Jonny eventuell in Kauf genommen. Ebenso die Tatsache, dass er über der Bäckerei ein Zimmer bewohnen musste, obwohl Jonnys Zuhause nur zehn Minuten Radweg entfernt lag, oder dass er genau wie sein Kollege, der im zweiten Ausbildungsjahr war, statt um vier Uhr morgens schon um zwei und manchmal sogar schon um Mitternacht geweckt wurde. Das alles nervte ihn zwar und er wusste auch, dass es nicht dem Arbeitsrecht entsprach. Letztendlich war das aber nicht der entscheidende Grund, dass er Job und Ausbildung schließlich beendete, sondern es waren die ständigen verbalen gegen ihn gerichteten Seitenhiebe des Chefs. Er wäre nicht geeignet, weder für diesen noch für irgendeinen Beruf oder er könne höchstens als Klo Putzer arbeiten. Das waren noch die harmlosesten Sprüche. Friedhelm, seinem Kollegen, erging es nicht besser, und der war immerhin schon im zweiten Lehrjahr. Johann, der als Meister in der Bäckerei angestellt war, richtete die Jungen moralisch wieder auf, sobald der Chef, der selbst keinen Meisterbrief besaß, die Backstube verlassen hatte. Dies war meistens so gegen elf Uhr der Fall. An diesem Tag lästerte der Chef, der die Backstube wie jeden Morgen erst um sieben Uhr betrat, über Jonnys Verwandtschaft. Er reizte den jungen Mann so sehr, dass dieser den Chef anschrie: „Halt die Schnauze!“

„Wie redest du mit mir!“, brüllte der Chef wutentbrannt und mit hochrotem Gesicht zurück. Im selben Augenblick verpasste er Jonny eine schallende Ohrfeige. Reflexartig schlug Jonny zurück, allerdings mit der Faust, und traf seinen Chef direkt an der Nase, die sofort zu bluten anfing. Daraufhin verließ Jonny die Backstube. Er rannte die Treppe hoch in seine Kammer, schloss sich ein und begann, sich umzuziehen. Einige Minuten später, Jonny hatte gerade seine Bäckerhose mit der Jeans getauscht, klopfte es an die Tür. Der Teenager dachte, es ist bestimmt Johann, unser Meister, der wieder schlichten will. Sicherheitshalber fragte er aber: „Wer ist da?“

Es war der Chef, der mit erstaunlich ruhiger Stimme antwortete: „Junge, komm runter in die Backstube, wir vergessen die Sache und arbeiten weiter.“

Jonny ließ sich jedoch nicht beirren, er zog sich weiter um und öffnete dann die Tür. Zu seinem Chef, der ihm den Weg versperrte, sagte er mit eiskaltem Blick: „Mach Platz, oder ich schmeiß dich die Treppe runter.“

Der Chef gab den Weg frei. Jonny ging langsam die Treppe hinunter und fuhr nach Hause. Seine Mutter war an diesem Tag zu Hause. Als sie fragte, was er hier wolle, antwortete er nur: „Ich habe alles hingeschmissen. Bei Klüne ist für mich Schluss.“ Von der Auseinandersetzung erzählte er nichts.

Plötzlich klingelte es und der Chef stand vor der Tür. Bevor der etwas sagen konnte, sprach Jonny und nahm ihm damit den Wind aus den Segeln. „Sie brauchen nichts zu sagen, ich arbeite nicht mehr für Sie. Und meine Mutter wird auch nicht mit Ihnen reden.“

Damit knallte Jonny die Haustüre zu und ließ den Bäckereibesitzer draußen stehen. Seine Mutter war so überrascht, dass sie wie gelähmt im Flur stand.

„Das kannst du doch nicht machen, das ist immer noch dein Chef!“, empörte sie sich, lief zur Tür und öffnete diese. Zu spät, von Herrn Klüne war nichts mehr zu sehen. Ein Wortgefecht folgte und das Palaver endete mit einem Sieg für Jonny, der nicht bereit war, die Backstube von Klüne auch nur noch einmal zu betreten. Auch der Vater, der am Abend von der Arbeit kam, resignierte nach kurzer Unterhaltung mit seinem Sohn. Aber der Teenager hatte Glück. Schon eine Woche später startete Jonny in einer anderen Bäckerei seine Ausbildung. Dort erhielt er nach drei Jahren seinen Gesellenbrief. Das frühe Aufstehen, das in dieser Branche unvermeidbar ist, störte Jonny nie. Im Gegenteil, der Bäckerberuf machte ihm Spaß und in der Backstube gab er sich redlich Mühe. Der Meister war sehr zufrieden mit seinem neuen Lehrling. Ab und an schwänzte er mit seinen Kollegen schon mal die Berufsschule, bis zu jenem Tag, als der Meister einen blauen Brief der Schulbehörde in der Hand hielt, und dass einige Tage vor der Zwischenprüfung.

Wie jeden Morgen betrat Jonny, mittlerweile im zweiten Lehrjahr, die Backstube nichts Böses ahnend, als der Meister ohne Vorwarnung losbrüllte. Im ersten Moment wusste Jonny gar nicht, was los war, dann sah er den länglichen Brief in der Hand seines Chefs, der auch sogleich eine Erklärung abgab. „48 Stunden fehlender Unterricht!“

„Oh verdammt“, dachte Jonny, „ich nahm an, die Briefe werden nach Hause geschickt, so ein Mist.“

Als der Meister sich beruhigte, entschuldigte sich Jonny und versprach, es komme nicht wieder vor. Er bestand die Zwischenprüfung und schwänzte bis zur Gesellenprüfung, die er ebenfalls bestand, nur dreimal. Nach bestandener Prüfung verdiente er in einer anderen Bäckerei als Geselle sein Geld.

Es waren die wilden Siebzigerjahre. Jonny trug wie viele andere junge Männer Ohrringe, weit offene knallbunte Hemden, mehrere Ketten, verwaschene ausgefranste Jeans mit weitem Schlag und bunte Schuhe, die einen zehn cm hohen Absatz besaßen, und bis zu über die Schultern langes Haar. Das letzte Jahr auf der Hauptschule bis zu Beginn seiner Ausbildung gammelte er mehr oder weniger herum und traf sich jeden Tag nach der Schule mit seiner Clique in der Innenstadt. Im Sommer saßen sie in der Fußgängerzone oder im nahen gelegenen Park, diskutierten, alberten herum und tranken Bier und Wein.

Von stürmischer See in ruhige Gewässer

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