Читать книгу Das Leben der Wanderhuren - Walter Brendel - Страница 5

Leben im Mittelalter

Оглавление

Die Epoche unseres Buches ist geprägt vom Spätmittelalter: Das Spätmittelalter, etwa 1250 bis 1500 wird durch Bürgertum, die allmählich aufkeimende Wissenschaft und dem Ausbruch etlicher Seuchen, wie etwa der Pest, gekennzeichnet.

Auch die Gesellschaft kann grob in drei Stände unterteilt werden. Zu Oberst standen der Feudaladel über den Bürgern der Städte und dem Klerus. Auf der untersten Stufe kamen schließlich die Kaufleute und Bauern. Einen gesonderten Status galt den „Unehrliche“ wie Henker, Huren, Abdecker oder Totengräber, die von der Gesellschaft weitgehend ausgeschlossen wurden.

Die Erfindung des Buchdrucks, der schwindende Einfluss der Kirche und die Entdeckung des amerikanischen Kontinentes durch Columbus läuteten das Ende des Mittelalters und mit der Renaissance, den Beginn der Neuzeit ein.

Um 1300 breitete sich Hungersnöte und Seuchen wie die große Hungersnot 1315–1317 und der Schwarze Tod 1347–1353 aus und reduzierten die Bevölkerung auf etwa die Hälfte. Soziale Erhebungen und Bürgerkriege führten in Frankreich und England zu schweren Volksaufständen (Jacquerie und Peasants’ Revolt), und zwischen diesen beiden Staaten brach der Hundertjährige Krieg aus. Die Einheit der Kirche wurde durch das Große Schisma erschüttert. Am Ende der Kreuzzüge (1095–1291) war das Byzantinische Reich zu einer unbedeutenden Regionalmacht herabgesunken, der Islam herrschte nach seiner Expansion über das Gebiet von Spanien bis Zentralasien. Der 200 Jahre dauernde Konflikt hatte die Kriegsführung und auch die Gesellschaft verändert. Die Verlierer jener Ära waren vor allem die Lehnsherren und das Rittertum. Doch auch Papsttum und Kaisertum mussten Autorität einbüßen.

Die Gesamtheit dieser Ereignisse wird oft auch Krise des Spätmittelalters genannt, wenngleich dieses Modell inzwischen umstritten ist.

Andererseits war das 14. Jahrhundert auch eine Zeit des künstlerischen und wissenschaftlichen Fortschritts. Die Wiederentdeckung der Texte des alten Griechenlands und Roms führten zu dem, was die Zeitgenossen Renaissance nannten, zur „Wiedergeburt“ des antiken Geisteslebens und seiner Rezeption. Diese Entwicklung hatte schon mit dem Kontakt zu den Arabern während der Kreuzzüge begonnen und sie beschleunigte sich mit der Eroberung Konstantinopels durch das Osmanische Reich, vor der viele byzantinische Gelehrte in den Westen, insbesondere nach Italien, flohen. Die Erfindung des Buchdrucks hatte enormen Einfluss auf die europäische Gesellschaft. Sie erleichterte die Verbreitung des Geschriebenen und demokratisierte das Lernen, eine wichtige Voraussetzung für die spätere protestantische Kirchenrefomation. Der Aufstieg des Osmanischen Reiches bis zum Fall Konstantinopels 1453, der Hauptstadt des Byzantinischen Reiches im selben Jahr, in dem auch der Hundertjährige Krieg endete, hatte die Verkehrswege nach Osten abgeschnitten, doch Kolumbus’ Entdeckung Amerikas 1492 und Vasco da Gamas Umsegelung des afrikanischen Kontinents 1498 öffneten neue Handelsrouten und stärkten Macht und Wirtschaftskraft der europäischen Nationen. Die Gewinner waren Händler und Handwerker, Bankiers und Ratsherren, die im Schutz der Städte ein zunehmend freies, von weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten unabhängigeres Leben führen konnten. Epochale Ereignisse waren schließlich auch der Beginn der Reformation (1517) und der Deutsche Bauernkrieg (1525/26).

All diese Entwicklungen zusammengenommen erlauben es, für die Jahrzehnte um 1500 vom Ende des Mittelalters und vom Beginn der Neuzeit zu sprechen. Dabei ist anzumerken, dass diese Einteilung immer etwas willkürlich bleibt, da das antike Wissen niemals ganz aus der europäischen Gesellschaft verschwunden war, sondern es gab vielmehr seit der klassischen Antike eine gewisse Kontinuität. Zudem bestan-den erhebliche regionale Unterschiede. So ziehen es einige Historiker, speziell in Italien vor, nicht vom Spätmittelalter zu sprechen, sondern die Renaissance des 14./15. Jahrhunderts als direkten Übergang zur Neuzeit anzusehen.

Am 18. Mai 1291 nahmen moslemische Armeen Akkon, die letzte christliche Festung im Heiligen Land, ein. Dieses Ereignis bedeutete nur noch formal das Ende der Kreuzzüge. Schon lange zuvor hatte sich die Lage des „Abendlandes“ verändert. Die Kreuzzüge schufen die Voraussetzung für kulturelle und wirtschaftliche Kontakte mit Byzanz und den weiter östlich gelegenen islamischen Gebieten. Byzanz war der Marktplatz, auf dem es praktisch alles gab, und Europa lernte neue Handelswaren kennen, Seidenstoffe, Gewürze, Obst und Spiegel aus Glas. Die meisten Güter waren nur für die reichen Europäer erschwinglich, doch mit dem Handel und Transport ließ sich Geld verdienen. Die neu erwachte Geldwirtschaft war noch jung, in Oberitalien entstanden die ersten banche, die Stuben der italienischen Geldwechsler und Kre-ditverleiher, schließlich die großen Handelskompanien – Gesellschaften, die internationalen Handel und Produktion im großen Stil finanzierten, und dafür vom Staat oftmals besondere Privilegien und Monopole erhielten.

Die größten Finanziers bezahlten sogar die Kriege der Herrschenden. Familien wie die deutschen Fugger, die italienischen Medici und die de la Poles in England erreichten enorme politische und wirtschaftliche Macht.

Doch die Wirtschaft konnte nicht allein auf den Importen beruhen, es entstand auch reger Export nach Osten: Europäische Händler schickten Schiffsladungen mit Wollstoffen, Korn, Flachs, Wein, Salz, Holz und Fellen in den Orient. Die Tatsache, dass das Mittelmeer von islamischer Vorherrschaft (und damit verbundenen Zollforderungen) befreit war, förderte den Drang der Europäer, trotz geringer Erfahrung Handelsflotten aufzubauen. Vor allem Genua und Venedig verdankten ihren Aufstieg dem blühenden Ost-West-Handel. Neue Fertigungsmethoden verbreiteten sich, vor allem bei Stoffen, Geweben und Metallen.

Die Nachfrage wurde angekurbelt durch die Entstehung von spezialisierten Märkten und Messen. Die Lehnsherren sorgten für einen reibungslosen Ablauf dieser Veranstaltungen, sie bewahrten den Marktfrieden und erhielten Einnahmen aus Zöllen und Handelssteuern. Besonders bekannt waren zu jener Zeit die großen „Jahrmärkte“ in der französischen Champagne. Händler aus ganz Europa und dem Nahen Osten zogen von Ort zu Ort, kauften und verkauften und schufen ein Handelsnetz bis nach Schottland und Skandinavien. Indem sich die Händler vereinigten, um ihre Waren in größeren Handelszügen sicherer durch die Lande zu transportieren, bekamen sie auch mehr Einfluss, z. B. wenn es darum ging, billigere Wegezölle zu vereinbaren. Die mächtigste Gemeinschaft von Handelspartnern, die von ähnlichen Interessen geleitet waren, stellte die Hanse dar.

Die 1254 gegründete Vereinigung norddeutscher Kaufleute baute an Ost- und Nordsee ein regelrechtes Imperium unter den Augen verschiedener lokaler Herrscher auf und erkämpfte sich diesen gegenüber Eigenständigkeit und Macht – falls nötig mit Waffengewalt.

Im 15. Jahrhundert nahm die Bedeutung der Champagne-Messen für den Nord-Süd-Handel ab. Stattdessen wurde der Seeweg zwischen Flandern und Italien bevorzugt. Ferner begannen mehr und mehr englische Wollhändler, zum Schaden der holländischen Tuchmanufakturen statt Wolle Kleidung zu exportieren. Entscheidend war auch die Behinderung des Handels mit der Levante durch den Wechsel vom byzantinischen zum Osmanischen Reich. Alternative Handelswege mussten eröffnet werden – um die Südspitze Afrikas herum nach Indien und über den Atlantik nach Amerika.

Diese Veränderungen förderten auch die Gründung und das Wachstum der Städte. Vom Niedergang des römischen Imperiums bis etwa ins Jahr 1000 waren in Europa kaum neue Stadtgründungen zu verzeichnen. Mit dem Aufblühen der Handelsbeziehungen folgten auch bald das Erfordernis neuer Handelsplätze und die Gründung neuer Städte an den Handels- und Transportwegen. Von etwa 1100 bis 1250 verzehnfachte sich die Zahl der Stadtrechte in Europa, eine Entwicklung, die sich im Spätmittelalter zunächst fortsetzte, dann aber durch die demographische Katastrophe infolge der Großen Pest unterbrochen wurde. Städte wie Innsbruck, Frankfurt, Hamburg, Brügge, Gent und Oxford nahmen erst jetzt einen Aufschwung.

Eine kleine Stadt zählte meist rund 2.500 Einwohner, eine bedeutende Stadt rund 20.000.

Heutige Millionenstädte wie London und Genua brachten es auf 50.000 Einwohner. Die größten Metropolen mit etwa 100.000 Einwohnern waren Paris, Venedig und Mailand. „Stadtluft macht frei“ war das Motto der Zeit. Unzählige Unfreie, Leibeigene und verarmte Bauern zogen in die Städte, eine rege Bautätigkeit unterstützte die Entwicklung. Die Städte entwickelten ein politisches Bewusstsein, sie machten sich frei von Adel und Kirche, erhoben eigene Zölle und Steuern und begründeten eine eigene Rechtsprechung. In Nord- und Mittelitalien entstanden die ersten Kommunalverwaltungen und wurden rasch in ganz Europa imitiert. In den Städten entwickelten sich auch Handwerker- und Händlerzünfte, die entscheidenden Einfluss auf das Wirtschaftsleben gewannen.

Im frühen und hohen Mittelalter war elementare Bildung, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, nur einem kleinen Kreis von Menschen zugänglich. Die breite Masse des Volkes, selbst der Adel, besaß kaum oder nur sehr geringe Bildung. Lediglich in den Klosterschulen war es möglich, sich Bildung anzueignen, doch nur für jene, die bereit waren, sich dem Dienst im Orden zu verpflichten. Ab etwa dem Jahr 1000 entstanden, parallel zum Aufblühen der Städte, sogenannte Kathedralschulen. Sie bildeten auch Adels- und Bürgersöhne, ja sogar Leibeigene aus, ohne sie dem Ordensleben zu unterwerfen. Die Kathedralschulen, die sich besonders stark in Frankreich ent-wickelten, beschränkten den Unterrichtsstoff auf die sieben „freien Künste“, deren Erlernen schon im alten Rom für freie Bürger charakteristisch war, das Trivium (Grammatik, Logik, Rhetorik) und das Quadrivium (Arithmetik, Astronomie, Ge-ometrie, Musik). Gelesen wurden nur wenige anerkannte Schriftsteller der Spätantike und des frühen Mittelalters wie Boëthius, Cassiodor oder Isidor von Sevilla.

Mit den Kreuzzügen bekam das christliche Abendland Kontakt zur Geisteswelt des Islams. Viele bildungshungrige Europäer lernten arabische Mathematik, Astronomie, Medizin und Philosophie kennen, in den Bibliotheken des Orients lasen sie erstmals die griechischen Klassiker wie Aristoteles (im Mittelalter sehr häufig „der Philosoph“ genannt) im Originaltext. Auch über den islamisch besetzten Teil Spaniens kamen viele Impulse besonders nach Frankreich. Das damals vorbildliche Ausbildungssystem der islamischen Welt wurde bereitwillig aufgenommen. Die Regelungen und Lehrpläne der europäischen Kloster- und Kathedralschulen taten sich mit der Integration der neuen Inhalte schwer.

Obwohl Anfang des 12. Jahrhunderts Petrus Abaelardus als einer der Vorreiter dieser Entwicklung noch kirchlicher Verfolgung besonders durch Bernhard von Clairvaux ausgesetzt war, ließ sich die Entstehung von freien Universitäten nicht mehr verhindern. Mit dem Wachstum der erfolgreichen Handelsmetropolen entstanden ab der Mitte des 13. Jahrhunderts auch die Universitäten: Bologna, Padua, Paris, Orléans, Montpellier, Cambridge und Oxford, um nur einige Gründungen dieser Zeit zu nennen. Schon bald gehörte es für eine reiche Stadt zum guten Ton, bekannte Gelehrte und viele Studenten in ihren Mauern zu beherbergen.

Die frühen Universitäten des Spätmittelalters besaßen keine festen Gebäude oder Vorlesungsräume. Je nach Situation nutzte man öffentliche Räume für Vorlesungen: In Italien waren es oft die Stadtplätze, in Frankreich Kreuzgänge in Kirchen und in England fanden die Vorlesungen nicht selten an Straßenecken statt.

Erst später mieteten erfolgreiche Lehrer, die von ihren Studenten direkt je Vorlesung bezahlt wurden, Räumlichkeiten für ihre Vorlesungen.

Und bald gab es schon die ersten Studentenunruhen: Auch wenn eine Universität der Stolz einer Stadt war, gab es doch häufig Streitigkeiten mit den in Bünden organisierten Studenten wegen zu hoher Preise für Kost und Logis und Kritik wegen zu viel Schmutz auf den Straßen oder betrügerischer Gastwirte. In Paris gingen die Auseinandersetzungen im Jahr 1229 so weit, dass die Universität nach dem gewaltsamen Tod mehrerer Studenten mit Umsiedlung in eine andere Stadt drohte. Papst Gregor IX. erließ daraufhin eine Bulle, die die Eigenständigkeit der Universität von Paris garantierte. Fortan konnten zunehmend selbst die mächtigen Bürgerschaften den Universitäten keine Vorschriften mehr machen.

Der Philosoph Wilhelm von Ockham, bekannt durch das Prinzip von Ockhams Rasiermesser, und der Nominalismus leiteten das Ende stark theoretischer scholastischer Debatten ein und machten den Weg für empirische und experimentelle Wissenschaft frei. Ockham zufolge sollte sich die Philosophie nur mit Dingen beschäftigen, über die echtes Wissen erreicht werden kann (Prinzip der Sparsamkeit, engl. parsimony). Mittelalterliche Vorläufer der experimentellen Forschung kann man bereits in der Wiederentdeckung des Aristoteles und im Werk Roger Bacons sehen. Besonders kritisch äußert sich über die Scholastiker Nikolaus von Kues. Aus prinzipiellen Gründen wendet er sich auch gegen eine Zentralstellung der Erde und nimmt in diesem Punkt das heliozentrische Weltbild des Nikolaus Kopernikus vorweg.

Kurz vor und nach dem Fall Konstantinopels strömten auch verstärkt byzantinische Gelehrte nach Europa (z.B. Basilius Bessarion), wie auch bereits vorher byzantinische Kodizes nach Europa gelangt waren (etwa durch Giovanni Aurispa).

Die meisten technischen Errungenschaften des 14. und 15. Jahrhunderts waren nicht europäischen Ursprungs, sondern stammten aus China oder Arabien. Die umwälzende Wirkung folgte nicht aus den Erfindungen selbst, sondern aus ihrer Verwendung. Schießpulver war den Chinesen schon lange bekannt gewesen, doch erst die Europäer erkannten sein militärisches Potenzial und konnten es zur neuzeitlichen Kolonialisierung und Weltbeherrschung nutzen. In diesem Zu-sammenhang sind auch die Fortschritte der Navigation wesentlich. Kompass, Astrolabium und Sextant erlaubten gemeinsam mit weiterentwickeltem Schiffbau das Bereisen der Weltmeere. Gutenbergs Druckerpresse machte nicht nur die protestantische Reformation möglich, sondern trug auch zur Verbreitung des Wissens bei und damit zu einer Gesellschaft mit mehr Lesekundigen.

Um 1300–1350 ging die Mittelalterliche Warmzeit in die folgende Kleine Eiszeit über. Das kältere Klima reduzierte die Ernten; Hungersnot, Seuchen und Bürgerkriege folgten. Die wichtigsten Ereignisse waren die Große Hungersnot 1315–1317, der Schwarze Tod, und der Hundertjährige Krieg. Als die Bevölkerung Europas auf die Hälfte abnahm, wurde reichlich Land für die Überlebenden verfügbar, und in der Konsequenz wurde die Arbeit teurer. Versuche der Landbesitzer, die Löhne gesetzlich zu begrenzen – wie mit dem englischen Statute of Labourers 1351, waren zum Scheitern verdammt. Es war praktisch das Ende der Leibeigenschaft im größten Teil Europas. In Osteuropa andererseits gab es nur wenige große Städte mit einem lebendigen Bürgertum, um den Großgrundbesitzern Paroli zu bieten. Daher gelang es diesen dort, die Landbevölkerung in noch stärkere Unterdrückung zu zwingen.

Die in Teilen, aber keineswegs insgesamt herrschende apokalyptische Stimmung führte vielfach zum Wunsch der direkten Gotteserfahrung. Das Bibelstudium vermittelte den Menschen das Bild der einfachen Lebensweise Jesu Christi und der Apostel, ein Vorbild, dem die existierende Kirche nicht gerecht wurde, gerade weil das Papsttum seit 1309 in Avignon (Avignonesisches Papsttum) residierte und sich immer mehr von den Menschen entfernte. Hinzu kam das abendländische Schisma von 1378, welches erst durch den Konziliarismus beendet werden konnte (Konzil von Konstanz). Infolge der Glaubenskrise entstanden vermehrt Bettelorden und apostolische Gemeinden, die sich dem einfachen Leben widmen wollten. Viele davon wurden von der Kirche wegen Ketzerei verfolgt, so beispielsweise die Waldenser, Katharer oder die Brüder und Schwestern des freien Geistes. Im Spätmittelalter traten in ganz Europa aus ähnlichen Gründen Judenverfolgungen auf, viele Juden wanderten nach Ostmitteleuropa aus.

Seit dem frühen 14. Jahrhundert gelangte das Papsttum zunehmend unter den Einfluss der französischen Krone, bis hin zur Verlagerung seines Sitzes nach Avignon 1309. Als der Papst 1377 beschloss, nach Rom zurückzukehren, wurden in Avignon und Rom unterschiedliche Päpste gewählt, mit dem Resultat des sog. Abendländischen Schismas (1378–1417). Die Kirchenspaltung war eine ebenso politische wie religiöse Angelegenheit; während England den römischen Papst un-terstützte, stellten sich seine Kriegsgegner Frankreich und Schottland hinter den Papst in Avignon.

Auf dem Konzil von Konstanz (1414–1418) wurde das Papsttum wieder in Rom vereinigt.

Obgleich die Einheit der Westkirche danach noch hundert Jahre andauerte und obgleich der Heilige Stuhl einen größeren Reichtum aufhäufte als jemals zuvor, hatte das Große Schisma doch irreparablen Schaden verursacht. Die inneren Konflikte der Kirche förderten den Antiklerikalismus bei Herrschern und Beherrschten und die Teilung ermöglichte Reformbewegungen mit schließlich einschneidenden Verän-derungen.

Obwohl die Westkirche lange gegen häretische Bewegungen gekämpft hatte, entstanden im Spätmittelalter innerkirchliche Reformbestrebungen. Deren erste entwarf der Oxforder Professor John Wyclif in England. Wyclif sprach sich dafür aus, die Bibel als einzige Autorität in religiösen Fragen zu betrachten und lehnte Transsubstantiation, Zölibat und Ablässe ab. Er übersetzte auch die Bibel ins Englische. Obwohl sie einflussreiche Freunde in der englischen Aristokratie hatte, etwa John of Gaunt, wurde Wyclifs Partei, die Lollarden, letztendlich unterdrückt.

Die Lehren des böhmischen Priesters Jan Hus basierten mit wenigen Änderungen auf jenen von John Wyclif. Dennoch hatten seine Anhänger, die Hussiten, viel größere politische Auswirkungen als die Lollarden. Hus sammelte in Böhmen zahlreiche Anhänger und als er 1415 wegen Häresie verbrannt wurde, verursachte dies einen Volksaufstand. Die folgenden Hussitenkriege endeten zwar nicht mit der nationalen oder religiösen Unabhängigkeit Böhmens, aber Kirche und deutscher Einfluss wurden geschwächt.

Die Reformationszeit liegt genaugenommen nicht mehr im Spätmittelalter, doch sie beendete die Einheit der Westkirche, die eines der wichtigsten Merkmale des Mittelalters gewesen war.

Martin Luther, ein deutscher Mönch, löste die Reformation durch seine zahlreiche theologische Fragen betreffende Position aus.

Die gesellschaftliche Basis dieser Bewegung setzte sich aus Arbeitern, Studierenden und Jugendlichen zusammen, besonders seine Kritik von Ablasshandel und Bußwesen. Eine wichtige Station dabei war die Verteilung von 95 Thesen an seine dozierenden Kollegen (der Legende nach soll er sie auch an die Schlosskirche zu Wittenberg genagelt haben). Papst Leo X hatte 1514 für den Bau des neuen Petersdoms den Ablasshandel erneuert. Luther wurde vom Reichstag zu Worms (1521) aufgefordert, seine als Häresie verurteilten Ansichten zu widerrufen. Als er sich weigerte, belegte ihn Karl V. mit der Reichsacht. Unter dem Schutz Friedrichs des Wei-sen von Sachsen konnte er sich zurückziehen und unter anderem eine vollständige Neuübersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche anfertigen, die 1534 um eine Neuübersetzung des Alten Testaments ergänzt wurde.

Für viele weltliche Fürsten war die Reformation eine willkommene Gelegenheit, ihren Besitz und Einfluss zu vergrößern, auch das städtische Bürgertum und Bauern konnten von ihr profitieren. Gegen die Reformation wendete sich die katholische Gegenreformation. Europa war nun geteilt in den protestantischen Norden und den katholischen Süden, Grundlage der Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts.

Die Menschen im Mittelalter hatten einen gänzlich anderen Umgang mit dem Tod als wir ihn heute kennen. Vom Zeitpunkt der Geburt an galt er als allgegenwärtig und unabwendbar. Entsprechend war auch die Lebenserwartung in jener Epoche sehr niedrig. Frauen starben aufgrund der erhöhten Risiken von Schwangerschaft und Geburt im Durchschnitt deutlich früher als Männer. Nur wenige wurden schlussend-lich tatsächlich vom Alter dahingerafft.

Ursachen für einen vorzeitigen Tod waren neben Unfällen oftmals Krankheiten wie Lepra, Malaria, Tuberkulose, Diphtherie und Cholera, die meist mit dem Tod endeten. Die sich im Spätmittelalter rasant ausbreitende Pest tat ihr übriges.

Zudem wurden Krankheiten und Gebrechen als von Gott gesandt angesehen und galten vielfach als Strafe für Sünden und Vergehen.

Das Wissen um Behandlung und Arznei beschränkte sich vor allem während des Frühmittelalters auf mehr oder minder wirkungsvolle Lebensmittel, Kräuter und Gebete. Hinzu kamen Behandlungen wie den allseits angewandten Aderlass und ähnliche obskure Methoden, die den Patient oft eher schwächten, denn zu seiner Genesung beitrugen.

Des Weiteren war der Mensch Mittelalter beinahe schutzlos seiner Umwelt und der Natur ausgesetzt. So erlagen viele ihrer Armut und verhungerten, verdursteten oder erfroren im Winter. Einer Kurzgeschichte aus dem 13. Jahrhundert kann folgendes entnommen werden:

„Der Mensch ist ein Knecht des Todes ... da er dem Tod nicht entrinnen kann und weil dieser ihm alle Tage und alle Arbeit nimmt ... der Mensch ist ein Wanderer, ob er gerade schläft oder wach ist, ob er nun gerade isst oder trinkt, immer eilt er dem Tod entgegen ... der Mensch lebt mit sieben Gefährten, die ihn immer bedrängen. Diese Gefährten sind der Hunger und der Durst, es sind Hitze und Kälte und Müdigkeit und Krankheit und schließlich der Tod.“.

Durch das weitgehende Fehlen von medizinischem Wissen und entsprechenden Gerätschaften stellte sich der Tod oft elendiglich langsam und grausam ein. Ohne große Aussicht auf Heilung oder Besserung war das Volk ihm ausgeliefert. Die Religion stellte deshalb meist die einzige Stütze und verbliebene Hoffnung dar.

So war der Glaube an ein Leben nach dem Tod fest in den Köpfen eines jeden verankert. Im Himmel schließlich sollte alles Leiden, das der Mensch in seinem Leben hatte erdulden müssen, vergütet werden. Dies kam vor allem den Armen zugute, weshalb es unter den Reicheren des ausgehenden Mittelalters üblich war sich sein „Seelenheil“ durch das Erwerben eines Ablassbriefes zu erkaufen. Dieser Ablasshandel, der wohl vorwiegend dazu diente die Kasse der katholischen Kirche zu füllen, war insbesondere dem Reformator Martin Luther ein Dorn im Auge. 1567 hob schließlich Papst Pius V. alle Almosenablässe auf und verfügte drei Jahre darauf die Exkommunikation auf jeglichen weiteren Handel mit den umstrittenen Briefen.

Die Bildende Kunst erfuhr im Spätmittelalter eine enorme Weiterentwicklung. Im frühen 14. Jahrhundert entstanden die Werke Giottos als Vorläufer der Renaissance. In der Malerei spricht man von der nördlichen Renaissance mit Zentrum in den Niederen Landen und der italienischen Renaissance mit Florenz als Angelpunkt. Während die nördliche Kunst mehr auf Muster und Oberflächen gerichtet war, etwa die Gemälde des Jan van Eyck, erforschten italienische Maler auch Bereiche wie Anatomie und Geometrie. Die Entdeckung der Fluchtpunkt-Perspektive (Zentralprojektion), die Brunelleschi zugeschrieben wird, war ein wichtiger Schritt zu optisch realistischen Darstellungen. Die italienische Renaissance erreichte ihren Höhepunkt mit der Kunst Leonardo da Vincis, Michelangelos und Raffaels. Während die gotische Kathedrale in den nordeuropäischen Ländern sehr in Mode blieb, konnte sich dieser Baustil in Italien nie recht durchsetzen. Hier ließen sich die Architekten der Renaissance von klassischen Gebäuden inspirieren, das Meisterwerk dieser Zeit war Brunelleschis Dom Santa Maria del Fiore in Florenz.

Die wichtigste Entwicklung in der spätmittelalterlichen Literatur war der zunehmende Gebrauch der Volkssprachen gegenüber dem Latein. Beliebt waren Romane, die oft die Legende vom Heiligen Gral zum Thema hatten.

Der Autor, der vor allen anderen die neue Zeit ankündigte, war Dante Alighieri. Seine Göttliche Komödie, in italienischer Sprache geschrieben, beschreibt zwar eine mittelalterlich-religiöse Weltsicht, in der er auch verankert war, bedient sich aber dazu eines Stils, der auf antiken Vorbildern basiert. Andere Förderer des Italienischen waren Francesco Petrarca, dessen Canzoniere als erste moderne Gedichte gelten, und Giovanni Boccaccio mit seinem Decamerone. In England trug Geoffrey Chaucer mit seinen Canterbury Tales dazu bei, Englisch als Literatursprache zu etablieren. Wie Boccaccio beschäftigte sich Chaucer mehr mit dem alltäglichen Leben als mit religiösen oder mythologischen Themen. In Deutschland wurde schließlich Martin Luthers Übersetzung der Bibel zur Basis für die deutsche Schriftsprache.

Obwohl aus einem mittelalterlichen Traktat zu entnehmen ist: „Die Luft, darin du wohnst sey liecht, rein von gift und stinke nicht“, dürfte sich dieser Grundsatz dazumal als nicht ganz einfache Aufgabe präsentiert haben. Die Wohnstuben des Mittelalters waren eher karg eingerichtet und zeugten von wenig Gemütlichkeit.

Da sich lediglich die Reichsten Glasscheiben leisten konnten, sogenannte Butzenscheiben, wurden meist einfache Luken in die Hauswand eingelassen, um wenigstens etwas spärliches Licht in die Stube zu lassen. Kälte und Wind wurden lediglich mit Hilfe von Brettern und Tüchern notdürftig abgehalten. Mit Einzug der kalten Jahreszeit wurden die Fensterluken kurzerhand vernagelt, so dass ständige Finsternis in den Häusern herrschte.

Auch Privatsphäre war der mittelalterlichen Bevölkerung weitgehend unbekannt. Während sich die Wohlhabenden ihre Häuser mit Dienern und Gefolgsleuten teilten, lebten die Armen oftmals mit ihren Tieren im selben Raum oder doch zumindest auf engstem Raum zusammen. Die für die Hausarbeit zuständige Frau hatte somit beim Reinigen der Räumlichkeiten keine einfache Aufgabe zu bewältigen.

Durch Zugluft, Kälte und Dunkelheit nistete sich außerdem schnell Feuchtigkeit in Wänden, Decken und Fußböden ein. Erst allmählich bürgerte sich in deutschsprachigen Ländern eine primitive Form des Kachelofens und in Frankreich und südlichen Gebieten, der Kamin ein. Öfters dürfte aber lange Zeit eine einfache offene Feuerstelle anzutreffen gewesen sein.

Auch die Beleuchtung stellte während des Mittelalters ein nicht unerhebliches Problem dar. Da die Fensterluken meist mit Brettern verschlossen waren, stellten Kienspan und später mit Fett oder Tran gefüllte Lampen (Talglichter) die einzige Lichtquelle in den dunklen Behausungen dar. Diese verursachten aber beträchtlichen Qualm, der Augen und Nasen reizte. Die reinlicheren Wachskerzen konnten sich hingegen nur die besser Situierten Haushalte leisten. Ein weiterer Punkt in der mangelnden Hygiene des Mittelalters stellte das Verrichten der Notdurft dar. Bis ins Spätmittelalter kannten le-diglich Klöster und die Häuser und Burgen des Adels einen Abort oder Abtritt, welcher als Erker aus der Außenwand hervorragte. Alle anderen bedienten sich eines Nachttopfes oder verrichteten ihre Notdurft in einem Verschlag vor dem Haus. Nach dem Verrichten der Notdurft dienten Moos, Gras, Blätter oder Stroh zur Reinigung.

Mancherorts wurden Schächte sogenannter Plumpsklos aus dem Spätmittelalter gefunden, welche die Fäkalien durch die Wand nach außen führten.

Neben den im Hochmittelalter aufkommenden Latrinen konnten zudem vielerorts irdene Schüsseln, die wohl Wasser zur Reinigung der Hände beinhalteten, gefunden werden.

Fäkalien und Abfall mussten auf Anordnung der Obrigkeit auf dem eigenen Grundstück beseitigt werden und es gab gar Grabenmeister, welche für die Leerung der Abort-Gruben zuständig waren. Trotzdem ist der Überlieferung zufolge der durch Mensch und Tier entstandene Dreck auf den Straßen der Städte so hoch geworden, dass Stelzenschuhe, sogenannte Trippen, getragen wurden, um von einem Ort zum anderen zu gelangen.

Erst im Spätmittelalter wurde das Halten von Tieren zur Straßenseite hin untersagt. Auch die ab dem späten 12. Jahrhundert aufkommende Befestigung der Straßen mittels Pflastersteinen trug zur deutlichen Verbesserung des Straßenzustandes bei.

Über Jahrhunderte hinweg benutzte die ländliche Bevölkerung die Umgebung des Wohnheims um Küchenabfälle und anderen Unrat zu entsorgen. Auch zur eigenen Erleichterung wurde entweder der Gang vor die Haustür getan oder aber der sogenannte Nachttopf verwendet, welcher anschließend draußen entleert wurde.

Im Laufe der Zeit wuchs die Bevölkerung jedoch zunehmend und der Platz in den Städten ging zwangsläufig zur Neige. An die notwenigen Hygienevorkehrungen wurde im Voraus offensichtlich nicht gedacht. Hingegen wurde lange Zeit an den alten Entsorgungsgewohnheiten festgehalten und zudem oftmals Schweine und anderes Vieh zur Straßenseite hingehalten, was die Hygienebedingungen zusätzlich verschlechterte.

Offizielle Schlachthäuser entstanden ebenfalls erst ab dem 12. Jahrhundert. Zuvor wurde meist direkt vor dem Haus geschlachtet, wobei das Blut der Tiere in die Rinne inmitten der Straße lief und von dort ins Abwasser gelangte.

Ebenfalls ab dem 12. Jahrhundert wurden in den Städten zunehmend Hygienevorschriften erlassen. Diesen zufolge durfte der Abfall nicht länger auf der Straße entsorgt und Tiere nicht mehr frei umherlaufen. Damit sich die Bevölkerung auch an diese Vorschriften hielt, wurden Strafandrohungen und eine strenge Kontrolle notwendig. Aus etlichen Stadtprotokollen ist eine Verordnung der Abfallbeseitigung ersichtlich, die besagt, dass Unrat und Mist auf dem eigenen Grundstück verwahrt und alle vier bis acht Tage vor der Stadt entsorgt werden müssen. Ein Verbot des Ausgießens von Urin auf der Straße wurde allerdings erst 1573 durch den Frankfurter Stadtarzt Joachim Struppidius erwirkt.

Mit der Einführung eines Kanalisationssystems besserte sich die mittelalterliche Hygiene beträchtlich. Vielerorts wurden Abwasserleitungen aus den Häusern in gedeckte Gräben vorgeschrieben. Solche Rinnen können ab dem 12. Jahrhundert belegt werden. Wer nicht innerhalb drei Monate eine solche Vorrichtung bauen ließ, dessen Haus wurde kurzerhand beschlagnahmt. Aus dem 14. Jahrhundert sind außerdem einige Rechnungen zur Reinigung der Gräben und Abortrinnen erhalten geblieben. Diesen zufolge wurden weitgehend sogenannte „unehrliche Leute“ wie Totengräber und Henker, aber auch Handwerker, als Grabenfeger eingesetzt. Trotzdem wurde Abfall oftmals weiterhin einfach im Fluss oder hinter dem Haus entsorgt.

Brandstiftungen und Mord galten bereits während des Mittelalters als schwerwiegende Verbrechen. Doch auch Sittendelikte wurden geahndet. Folterung stand an der Tagesordnung und die Urteile fielen nach heutigem Bemessen geradezu un-menschlich grausam aus.

Das Erwirken eines Geständnisses gehörte zu den Aufgaben des Henkers, wie auch die Ausführung der Strafe oder Hinrichtung des Verbrechers. Doch der Henker oder Scharfrichter war zudem ein heilkundiger Mann, dem jedoch der Ruf des „unehrlichen“ Berufes und das Besitzen von magischen Kräften anhing, wodurch er von der Bevölkerung gemieden wurde.

Noch heute hört man von mittelalterlichen Bedingungen in Gefängnissen. Doch was steckt tatsächlich hinter dieser Redewendung? Tatsächlich durften sich die Verbrecher oder mutmaßlich Beschuldigten einer alles andere als guten Behandlung erfreuen. Verhör und Wahrheitsfindung, oftmals unter Folter, zeugen ebenfalls nicht gerade von einer großen Wahrung der heutigen Menschenrechte. Auch die Zustände im Kerker und die auf eine Schandtat folgenden Strafen fielen grausem, beinahe bestialisch aus.

Mord und Todschlag galten seit jeher als schwerwiegende Verbrechen, welche eine hohe Strafe nach sich zogen. Das Vergiften von Brunnen und Brandstiftung wurden aber noch viel stärker geahndet, da sie eine gesamte Ortschaft dahinraffen oder um ihre meist einfachen Häuser bringen konnten. Für Brandstifter gab es in vielen mittelalterlichen Gefängnissen gar separate Kerker, die sich ganz zuunterst im Verlies befanden und mit einem Roten Hahn gekennzeichnet wurden. Wer in diesem Verlies landete, galt selbst unter Verbrechern als besonders übler Missetäter und wurde entsprechend behandelt.

Aber auch andere Schandtaten wurden hart bestraft. Zu den geringfügigeren Delikten zählten etwa Unzucht, Ehebruch, Trunkenheit und Streitsucht. Allerdings konnte auch das Fernbleiben vom sonntäglichen Gottesdienst zu einer Anklage und einer entsprechenden Strafe führen.

Auf Mord stand stets die Todesstrafe. Auch Münz- und Urkundenfälscher sowie Diebe wurden kurzerhand hingerichtet. Sittlichkeitsdelikte wie etwa eine Vergewaltigung, Blutschande, Bigamie, aber auch Homosexualität ahndete man mit der Enthauptung. Ehebrechern blühten je nach Gegend sehr unterschiedliche Strafen. Angefangen mit dem öffentlichen zur Schau stellen am Pranger und Verbannung, über Folter, bis hin zum Tod. Auf Gotteslästerer, Ketzer und Hexen wartete der Scheiterhaufen. Auch Staatsverbrechen, wie Landesverrat oder Verschwörung wurden mit Erhängen, Er-tränken, Rädern oder Vierteilen bestraft.

Neben den Todesstrafen waren auch Verstümmelungsstrafen wie Blenden, Handabschlagen, Finger-, Ohren- und Zunge abschneiden nicht selten. Vor allem während des Spätmittelalters wurden diese brutalen Methoden häufig zur Abschre-ckung des Volkes angewandt. Deshalb, aber auch zur Unterhaltung des schaulustigen Volkes wurden die Strafen üblicherweise auf dem Marktplatz vollstreckt. Zudem wurden die zum Tode Verurteilten nicht direkt nach der Exekution begraben, sondern je nach Hinrichtungsart direkt am Galgen, im hängenden Käfig oder auf dem Rad zur Schau gestellt, bis schließlich nur noch ein verwester Kadaver übrig blieb.

Anders als in der heutigen Zeit, wurden keine Strafen im Sinne eines Gefängnisaufenthalts ausgesprochen.

Allenfalls Schuldner wurden bis zur Begleichung ihrer Schuld oder Geiseln, beziehungsweise in der Schlacht gefangen genommene Feinde, bis zur Zahlung eines Lösegelds im Kerker festgehalten.

Freiheitsentzug als eigenständige Strafe taucht erst ab dem 14. Jahrhundert in den Stadtbüchern auf. In der Regel wurde Kerkerhaft aber auch dann noch lediglich jenen zuteil, die zum Tode verurteilt, jedoch begnadigt worden waren. Ob dieser Gnadenakt allerdings auch von den Betroffenen als solcher empfunden wurde, ist fraglich, denn die Verliese waren in einem grauenhaften Zustand. Die Eingekerkerten litten nicht nur unter beengenden Räumlichkeiten und ständiger Dunkelheit, sondern ebenso unter Kälte, Hunger und Ungeziefer. Außerdem verbrachten sie die meiste Zeit ihrer Gefangenschaft gefesselt oder in einen Stock gespannt, so dass sich wohl so mancher den Tod als Erlösung herbeisehnten.

Wie bereits erwähnte, wurde das mittelalterliche Leben zum größten Teil durch den christlichen Glauben geprägt. Jegliche Straftaten stellten diesen in Frage. Somit galt ein Übeltäter als jemand der sich gegen die göttliche Ordnung und somit dem Satan zugewandt hatte.

Zudem lag die Gesetzgebung, Rechtsprechung und der Vollzug der Strafen im Mittelalter meist in ein und derselben Hand, die höchstens von einer einzelnen höheren Gewalt, etwa dem König oder einem Geistlichen, kontrolliert wurde. Oft genug fand jedoch überhaupt keine Kontrolle statt, was dazu führte, dass nicht selten unschuldige Menschen nur auf Grund einer bloßen Anschuldigung eingekerkert, gefoltert und schlussendlich verurteilt wurden.

Bis zur Gerichtsverhandlung, dem sogenannten Thing, das im 12. und früher 13. Jahrhundert jeweils aus einem Kläger und einem Angeklagten bestand, wurden die Beschuldigten üblicherweise im Lochgefängnis verwahrt. Bei der Verhandlung mussten beide vor dem Richter einen Eid ablegen, um ihre Glaubwürdigkeit zu bekräftigen. Der Meineid galt als eine Todsünde, die von Gott sofort bestraft werden würde. Schon bald musste man jedoch feststellen, dass eine Falschaussage selten eine unmittelbare Strafe Gottes nach sich zog. So musste eine andere Möglichkeit der Prozessführung entwickelt werden. Fortan wurden Urteile auf das sogenannte Gottesurteil gestützt. Hierbei wurde darauf vertraut, dass Gott dem Rechtschaffenden Kraft verleiht, um seine Unschuld zu beweisen oder sein Wort zu bezeugen.

Da das Gottesurteil (auch als Gottesprobe bekannt) jedoch oft auch gewaltsame Methoden zur Wahrheitsfindung kannte, wie etwa das Tauchen der Hände in kochendes Wasser, wobei die Unschuld bewiesen war, wenn sie nicht verbrühten, geriet dieses ebenfalls bald unter Beschuss. Stattdessen wurde die Inquisition eingeführt, welche erstmals das Prinzip der Ermittlung und einer Beweisführung kannte. Doch noch immer kam oft die Folterkammer zum Einsatz, um einen Beschuldigten zu einem Geständnis zu zwingen. Schließlich gab es keinen besseren Beweis für ein begangenes Vergehen, als ein Geständnis des Angeklagten. Die ange-wandten Mittel, um an ein solches zu erzielen, waren allerdings mehr als fragwürdig und legen nahe, dass viele Bekenntnisse allein darauf beruhten, einer weiteren so genannten peinlichen Befragung, zu entgehen.

Im Mittelalter wurde allgemein angenommen, dass bei einer Hinrichtung nur der irdische Körper, nicht aber die Seele starb. War die Seele zufrieden, ging sie direkt ins Jenseits über, starb ein Mensch aber im Zorn, blieb sie auf Erden und sann darauf Rache zu üben. Daher trachtete man danach, den Verurteilten vor seinem Tod zu besänftigen, etwa mit dem besonders üppigen Henkersmahl. Selbst der Scharfrichter entschuldigte sich vor der Vollstreckung beim Angeklagten. Außerdem trugen fast alle Henker eine Kapuze. Dies nicht etwa um anonym zu bleiben, sondern vielmehr um sich vor einem Fluch oder dem bösen Blick des Hinzurichtenden zu schützen.

Allgemein war es üblich, beim gemeinsamen Tafeln für zwei Personen je nur ein Trinkgefäß bereit zu stellen. Wie heute noch, war es bereits während dazumal Brauch auf das gegenseitige Wohl zu trinken. Außerdem wurden vor allem während des Frühmittelalters Beschlüsse wie eine Verlobung, Heirat oder ein Verkauf, oft mit einem rituellen Trunk besiegelt. Diesen nahmen die Vertragspartner für gewöhnlich vor Zeugen zu sich und das Abgemachte galt fortan als rechtsgültig.

Der sogenannte Minnetrunk, das Trinken zu Ehren von Göttern oder Helden, hat seinen Ursprung im Heidentum und bot ebenfalls einen willkommenen Anlass reichlich Bier auszuschenken. Anlass zu Trinkgelagen gaben zudem auch die für die Verstorbenen abgehaltenen Totenmähler. Nach der Christianisierung der Bevölkerung wurde aber keineswegs auf den Minnetrunk verzichtet. Anstelle der Götter traten nun zahlreiche Heilige, denen zugetrunken wurde. Im Spätmittelalter entwickelte sich außerdem das Willkommenstrinken, wonach auf jeden eintretenden Gast ein Trinkhorn oder Humpen gehoben wurde.

Doch nicht nur der Genuss, auch die Gesundheit rechtfertigte den Biergenuss. Die Wasserqualität in den mittelalterlichen Siedlungen ließ bestenfalls zu Wünschen übrig. Oftmals stellte diese aber gar eine Gefährdung der Gesundheit dar. Alkoholische Getränke hingegen wiesen eine wesentlich geringere Keimbelastung auf und verfügten zudem über einen höheren Nährstoffgehalt. Dies bewog die Bevölkerung dazu vorwiegend Alkoholisches zu trinken. Bevorzugt wurde vielerorts Bier. Südlich der Alpen erfreute sich hingegen mit allerlei Gewürzen angereicherter Wein großer Beliebtheit.

Beide dürfen als typische Getränke des Mittelalters angesehen werden. Sie wurden dazumal jedoch für den Alltagsgebrauch mit wesentlich geringerem Alkoholgehalt verköstigt und das Bier hatte außerdem eine etwas andere Zusammensetzung, als wir es uns heute gewohnt sind. Auch Schwangere und Kleinkinder nahmen täglich über einen Liter des vergorenen Getreidesaftes zu sich.

Beim Gedanken an die Trinksitten des Mittelalters taucht bei vielen unweigerlich das Bild eines mit Met gefüllten Trinkhornes vor dem geistigen Auge auf. Der vergärte Honigwein war allerdings als Alltagsgetränk viel zu kostspielig. Aus diesem Grund wurde er meist nur zu medizinischen Zwecken eingesetzt. Auch Hochprozentiges wurde bis ins 15. Jahrhundert nur in geringen Mengen und als Arzneimittel produziert und zu sich genommen.

Das Zutrinken auf eine immer größere Anzahl Heiliger fand während des Mittelalters immer größeren Anklang unter dem gemeinen Volk. Oftmals tranken die Männer - bei Frauen war das übermäßige Trinken nur ungern gesehen - bis zur Bewusstlosigkeit. Dies nicht zuletzt, weil sich der Glaube an das Göttliche im Alkohol auch nach Einzug des Christentums hartnäckig hielt.

Schließlich sollen einst auch die alten germanischen Götter ausgiebig dem Trinken gefrönt haben, was für die mittelalterliche Bevölkerung Grund genug war, es ihnen gleichzutun.

Immer wieder wurde, insbesondere von der Kirche, der Versuch gestartet, den Zutrunk zu unterbinden oder zumindest einzudämmen. Obwohl Mäßigkeit gepriesen wurde, betrug die tägliche Bierration in den Klöstern laut Überlieferungen rund fünf Liter pro Mönch. Karl der Große, welcher die Enthaltsamkeit predigte dürfte hingegen mit drei Gläser verdünntem Wein pro Mahlzeit beinahe ein Abstinenzler gewesen sein.

Insbesondere ab dem 16. Jahrhundert und somit dem Beginn der Renaissance versuchten Humanisten, Reformatoren und Katholiken der Sauferei vermehrt mit Verboten entgegenzutreten. Schänken wurden geschlossen oder die Öffnungszeiten verkürzt. Allerdings ließ sich der Großteil der Bevölkerung nicht abschrecken und zechte unbeirrt weiter.

Das Mittelalter zählt aus hygienischer Sicht nicht gerade zu den Hochzeiten der menschlichen Zivilisation. Während Unrat und Exkremente oftmals einfach auf der Straße landeten, gehörten immerhin eine gewisse Körperpflege sowie Badehäuser und Kosmetik zum mittelalterlichen Alltag. Die Kanalisation und Wasserversorgung ließ hingegen schwer zu wünschen übrig und machte strenge Hygienevorschriften not-wendig.

Viel des Wissens zu Gesundheit, Äquadukte und Hygiene, über welches die alten Griechen und Römer noch Bescheid wussten, geriet während des Mittelalters weitgehend in Vergessenheit.

Während es auf den Straßen der Städte stets nach Dreck, Unrat und Exkrementen stank, wurde zumindest beim eigenen Körper auf ein gewisses Maß an Sauberkeit und Hygiene geachtet. Körperpflege, Baden und Kosmetik hielten einen hohen Stellenwert inne. Insbesondere während des Hochmittelalters wurde der Reinlichkeit des eigenen Körpers großer Wert beigemessen, dies vor allem dank der aus dem Orient überschwappenden Bäderkultur. Unter Adligen war es üblich, täglich zu baden. Traf ein Gast auf einer Burg oder in einem Herrenhaus ein, so gebot es der Anstand ihm ein Bad zu bereitet. Die Tochter des Hauses war dafür zuständig, ihm beim Waschen, Kämmen und Salben behilflich zu sein. Gebadet wurde für gewöhnlich im Schlafzimmer, wo sich auch der warme Kamin oder ein Ofen befand.

Wer es sich leisten konnte, mischte dem Badewasser aromatische Kräutern bei und parfümierte sich damit nach dem Bad auch selbst. Aus Gründen der Geselligkeit und Gastfreundschaft wurde die Wanne oftmals gemeinsam bestiegen.

Das einfache Volk hingegen wusch sich wesentlich seltener. Verwendet wurde hierfür ein Gemisch aus Wasser und Asche, was eine fettlösende Lauge ergab.

Da bei Tisch häufig die Hände zum Essen benutzt wurden, wurde in den reicheren Häusern nach jedem Gang eine Schüssel zur Säuberung der Hände gereicht. Zum Abtrocknen musste allerdings das Tischtuch herhalten. Einzig im Kloster war das Baden verpönt und lediglich zweimal im Jahr gestattet. An Samstagen durften die Geistlichen sich aber zumindest Waschen und für den Sonntag frisch anziehen.

Ein eigenes Bad stellte ein Privileg der reicheren Gesellschaft dar. Der Großteil der Bevölkerung konnte sich dies nicht leisten. Um trotzdem in den Genuss eines Bades zu kommen, ließen Bischöfe und Landesherren im 12. Jahrhundert in den Städten zunehmend Badehäuser errichten. Gegen eine geringe Gebühr waren diese jedem zugänglich und lediglich die Ärmsten konnten sich dessen Besuch nicht leisten.

Eine Geschlechtertrennung kannte die hochmittelalterliche Bevölkerung nicht. So ließen sich Männer wie Frauen je nach Stand im selben Raum entweder mit warmem Wasser begießen oder sich einen Bottich herrichten. Auch das Schwitzbad, bei welchem heiße Steine mit Wasser übergossen wurden, war bereits bekannt.

Der hierbei behilfliche Bader war nicht nur für das Baden selbst zuständig. Auch die verschiedensten medizinischen Behandlungen gehörten zu seinem Aufgabengebiet. So behandelte er Geschwüre und Wunden, zog faule Zähne und war zudem für den vielgepriesenen Aderlass zuständig.

Die Badehäuser dienten keineswegs alleine zur Reinigung des Körpers, sondern stellten vielmehr einen Ort des ganzheitlichen Vergnügens dar. Dies einerseits durch die Geselligkeit, des Weiteren aber auch durch das Angebot an Essen, Trinken und Musik. Die Bademägde waren überdies nicht nur beim Bad selbst behilflich, sondern standen den Herren auch anderweitig für Vergnügungen zu diensten. Diese Kombination von Badeanstalt und Hurenhaus brachte den Badehäusern unweigerlich einen zweifelhaften Ruf und das Missfallen der Kirche ein. Die Kirche war es schließlich auch, die im 15. Jahrhundert eine strenge Trennung von Männer- und Frau-enbädern bewirkte.

Nur wenig später neigte sich die Badekultur ihrem Ende zu.

Einerseits dürfte die Kirche dafür verantwortlich sein, andererseits breiteten sich Seuchen wie die Pest und Syphilis aus. Erst spät wurde Kranken der Zutritt in die Badeanstalten verwehrt, wodurch diese zwangsläufig einen großen Verbreitungsherd der Seuchen darstellten.

Daraufhin folgte ein beträchtlicher Rückschlag im Hygienebewusstsein der Bevölkerung. Während der Renaissance und Barockzeit wurde Wasser gar als Überträger von Krankheiten angesehen, woraufhin sich die Bevölkerung mit einer dicken Schmutzschicht zu schützen versuchte. Der daraus resultierende Gestank versuchte man hingegen mittels Parfüm zu übertünchen.

Auch auf das äußere Erscheinungsbild legte die mittelalterliche Bevölkerung großen Wert. Beim Bader oder dem Barbier konnten sich Frauen und Männer die Haare schneiden lassen. Wobei die Herren auf einen ordentlich gestutzten Bart achteten. Auch Bleichmittel, Kamillenbäder und Puder fanden bereits ihre Anwendung, um die gewünschte Haarfarbe zu erzielen. In gehobenen Kreisen schminkten sich Damen als auch Herren Wangen und Lippen mit dem roten Farbstoff der Schildlaus. Der Rest der Haut hingegen hatte möglichst blass zu sein um dem Schönheitsideal des Mittelalters gerecht zu werden. Wobei ebenfalls gerne mit Pudern nachgeholfen wurde.

Auch auf der Kleidung wurde einige Beachtung beigemessen. Die günstig herzustellenden Farben braun und grau dürften weitgehend das Bild der einfachen Bürger und Bauern geprägt haben. Schwierig herzustellende Farben, wie Rot oder gar Purpur wiesen entsprechend auf den Wohlstand des Trägers hin. Einige Farben waren aber auch dazu da, bestimmte Berufsgruppen zu kennzeichnen. Eine Prostituierte beispielsweise hatte ein gelbes Kleid zu tragen.

Trotz Aborten und Latrinen war es um die Hygiene in den Häusern des Mittelalters eher schlecht bestellt.

Platznot, Tiere in der Wohnstube und das Fehlen einer Kanalisation sorgten während des Mittelalters für wenig Wohnqualität in den Häusern. Dreck und Unrat führten gar zum Ausbruch von Krankheiten und Seuchen. Obwohl das Volk vielerorts um die Vorteile ausreichender Hygiene wusste, war diese von den meisten nur schwer umzusetzen.

Das Leben der Wanderhuren

Подняться наверх