Читать книгу Skandale beim Fußball in Deutschland - Walter Brendel - Страница 5

Verwettete Spiele

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Das Szenario vor dem Eingang erinnerte an ein bedeutsames Fußballspiel oder einen großen Parteitag. Übertragungswagen des Fernsehens säumten die Straße. Das „Stadion“ war diesmal das Bochumer Polizeipräsidium. Wie schon so manches Mal, wenn die bundesweit renommierte Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftkriminalität Ergebnisse vorgelegt hat, erschien auch am Freitag ein Medi-enaufgebot wie bei einem Länderspiel. In der Tag ging es um Fußball, allerdings um eine dunkle Seite dieses Geschäfts: um Wettbetrug.

In einem Land, in dem damals die beliebteste TV-Show „Wetten das...?" heißt, wundert es eigentlich nicht: Die Deutschen sind vom Wettfieber gepackt, sie stehen den Briten in Sachen Wettleidenschaft kaum nach. Das der derzeitige Wettskandal - der größte Betrugs bislang im europäischen Fußball, 200 Partien stehen unter Manipulationsverdacht - daran etwas ändert, ist kaum zu erwarten. Sportwelten werden immer beliebter, allen voran die Fußballwette. Sie hat dem Klassiker, dem Wetten auf Pferderennen, längst den Rang abgelaufen. Ebenso wird auf Tennis, Formel 1, Eishockey, Boxen oder Skirennen gewettet. Ein Riesengeschäft: Bis zu 3 Milliarden Euro jährlich werden allein hierzulande bei Sportwetten umgesetzt, schätzen Experten.

Dabei bewegen sich die meisten Sport-Zocker in illegalen Sphären. Rechtmäßig kann in Deutschland nur beim staatlich lizenzierten Wettanbieter Oddset über die Lottoannahmestellen und bei Pferderennen getippt werden. Private Sportwetten aber sind in Deutschland verboten. Was keinen zu kümmern scheint.

Wett-Shops sind in den vergangenen Jahren wie die Pilze aus dem Boden geschos-sen, die Betreiber vermitteln gegen Provision die Tipps der Spieler an Buchmacher - die wiederum meist im Ausland sitzen. Die Ordnungsbehörden gehen immer wieder gegen Wett-Büros vor, was nicht heißt, dass diese dicht machen. „Die Rechtslage ist kompliziert, ausländische Anbieter etwa berufen sich auf die Dienstleistungsfreiheit der EU, Verfahren können sich lange hinziehen. Viele Wettshop-Betreiber spielen auf Zeit. Oder eröffnen ihren Laden einfach wieder unter einem anderen Namen.

Doch nicht nur Wett-Anbieter, auch Spieler machen sich strafbar. Theoretisch könnte ein Zocker im Wettbüro festgenommen werden. Der Gewinn wäre weg - und es drohten bis zu einem Jahr Gefängnis. Bislang ist allerdings noch kein Spieler verurteilt worden.

Ganz sicher ist dem Spieler sein Gewinn allerdings auch so nicht, das Wert-Büro kann die Auszahlung schlicht verweigern. Der Vertrag, den der Spieler durch die Wette mit dem Anbieter geschlossen hat, verstößt gegen geltendes Recht. Der Gewinn kann deshalb nicht eingeklagt werden.

Ihrer Leidenschaft frönen die meisten Zocker im Internet, an die 3 000 Sportwettsei-ten sollen es sein, die für deutsche Spieler zugänglich sind. Wobei das Wetten auch hier längst nicht legal ist, selbst wenn die Online-Anbieter ihre Firmensitze in Malta, Gibraltar und anderen Steueroasen haben. Wer von Deutschland aus bei einem aus-ländischen Online-Casino spielt, macht sich ebenfalls strafbar.

Gegen einzelne Online-Wettdienste wurden Ordnungsgelder von 250 000 Euro verhängt - mit wenig Effekt. Manche berufen sich auf ihre alten DDR-Lizenzen, andere eben auf ihren Sitz im Ausland. Letztlich haben die Behörden wenig Handhabe. Es werden immer wieder Wege gefunden, auch wenn sie rechtlich problematisch sind, um die Geschäfte weiterzuführen.

Legal oder nicht - die Spieler bleiben am Ball. Zahlreiche Wett-Varianten sind geboten: die Ergebniswette (wer das exakte Ergebnis tippt, gewinnt), die Halbzeit-/End-standwette (nicht der genaue Spielstand, nur die Tendenz muss stimmen), die Kom-binationswette (die Tippreihe mehrerer Spiele muss richtigsein), um nur einige zu nennen. Spannung pur bietet die Live-Wette, bei der während eines laufenden Spieles gesetzt werden kann. Auch auf die kleinsten Spiel-Details kann getippt werden: Wer schießt das erste Tor? Wer kriegt die erste Gelbe Karte? Welche Mannschaft kassiert einen Elfmeter? Dabei wird nicht nur auf heimische Mannschaften gesetzt, sondern ebenso auf Spiele in Österreich, Kroatien, Belgien, der Türkei.

Gerade die vielfältigen Wett-Varianten bringen die Kriminellen auf den Plan. Denn hier lässt sich relativ leicht manipulieren. So wird etwa gewettet, dass in der ersten Halbzeit eine Gelbe Karte gezogen wird - kein großes Problem für den bestochenen Schiedsrichter. Oder man tippt, dass Mannschaft A die erste Ecke kriegt, wofür der gekaufte Verteidiger nur zu Spielanfang einen Ball verstolpern muss. Das Risiko für die Geschmierten ist gering.

Die Wert-Mafia operiert weltweit. „In Europa wird bestochen, in Asien gezockt und in Berlin abkassiert", bringt es Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes, auf den Punkt. 15 Festnahmen gab es beim jetzigen Manipulations-Skandal in Deutschland, wie schon im Fall Hoyzer soll auch wieder der in Berlin lebenden Ante Sapina zu den Drahtziehern gehören.

Gezielt suchen die Betrüger-Banden nach Sportlern und Schiedsrichtern, die anfällig sind fürs leicht verdiente (Schmier-)Geld. Oder die erpressbar sind, etwa weil sie selbst Zocker-Schulden haben oder außereheliche Affären. Die Wetten laufen dann vor allem über den asiatischen Markt, hier können die Einsätze unbegrenzt hoch sein. Auch klein portioniert und weltweit verteilt fallen hohe Wetteinsätze nicht auf, da kann auch ein Frühwarnsystem wenig ausrichten. Je nach Quote lassen sich die Einsätze leicht verdoppeln, immense Gewinne erzielen.

Nicht nur von Wert-Anbietern, auch vonseiten des Sports wird vermehrt die Abschaf-fung des staatlichen Wettmonopols gefordert. So hat sich nun auch Franz Becken-bauer in den Kreis der Befürworter für die Öffnung des Sportwettenmarktes für private Anbieter eingereiht: „Man sollte den Markt für seriöse, lizenzierte Anbieter öffnen", sagte er in einem Interview. „Legale Anbieter setzen Limits für Einsätze und Höchstgewinne. Um mitzuspielen, muss man sich ausweisen. So herrscht mehr Transparenz."

Betrug ist allerdings nicht die einzige Schattenseite des Wettens. Wo gezockt wird, ist auch die Sucht nicht weit, bis zu 300 000 Betroffene soll es nach Schätzung des Fachverbands Glücksspielsucht bundesweitgeben. Noch sind es die Automaten, denen die meisten Spielsüchtigen verfallen. Doch auch Sportwetten stehen weit oben.

Die klassischen Zocker sind dabei junge Männer. „Das Mitfiebern macht Sport wetten so reizvoll", weiß Diplompädagogin Lena Zielke, die im Cafe „Beispiellos“ in Berlin Kreuzberg, einer Einrichtung der Caritas, Spielsüchtige berät, „Zudem handelt es sich hier um Spiele mit relativem Kompetenzanteil, das heißt, die Spieler glauben, durch ihr Fachwissen, zum Beispiel über Fußball, die Wetten einschätzen zu können."

Bei einer Sportwette wird auf das Eintreffen eines bestimmten Sportergebnisses gesetzt. Wie viel man gewinnen kann, bestimmt die Quote. Sie ist der Faktor, mit dem der Einsatz des Wett-Teilnehmers bei Gewinn multipliziert wird. Ist die Quote zum Beispiel 2,3 und hat der Spieler 10 Euro gesetzt, hat er 23 Euro gewonnen. Festgelegt wird die Quote vom Buchmacher, wofür er viele Umstände abwägt. Bei einer Fußball-Wette sind das etwa die Motivation der Mannschaft, in welcher Form die Spieler sind, die Ergebnisse bisheriger Spiele und Ähnliches. Danach legt er die Wahrscheinlichkeit jedes möglichen Spielausgangs fest, also beispielsweise Sieg: 40 Prozent, Unentschieden: 35 Prozent, Niederlage: 25 Prozent. Nach diesen Prozentwerten berechnet er dann nach einer speziellen Formel die Quote.

Eine international arbeitende Bande soll nun in insgesamt neun europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, Fußballspiele manipuliert haben, um auf diese Weise Wettgewinne in zweistelliger Millionenhöhe zu erzielen. Wie die Ermittler bekannt gaben, wird den Tätern zur Last gelegt, „sich zumindest seit Beginn des Jahres 2009 zusammengeschlossen zu haben, um auf Sportler, Trainer, Schiedsrichter, und Offizielle aus hochrangigen europäischen Ligen dahingehend einzuwirken, gegen unterschiedlich hohe Entgelte Ausgänge von Fußballspielen im Interesse der Täter zu beeinflussen“. Der Schwerpunkt der Ermittlungen verfolge den Vorwurf gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, sagte Staatsanwalt Andreas Bachmann, der die Ermittlungen leitet. „Teilweise geht es auch um Verabredung zum Verbrechen.“

Der Staatsanwaltschaft sind bisher etwa zweihundert Begegnungen im In- und Ausland aufgefallen, bei denen konkret der Verdacht besteht, dass es zu versuchten und vollendeten Manipulations- oder Betrugshandlungen gekommen ist. Der Arm des Verbrechens reicht offenbar bis in die bedeutendsten Klubwettbewerbe des europäischen Fußballs. So sollen mindestens drei Spiele der Champions League betroffen sein und sogar zwölf Partien der in dieser Saison neu eingeführten Europa League.

Peter Limacher, Leiter der Disziplinarabteilung der Europäischen Fußball-Union (Uefa), sprach in Bochum vom „bisher größten Skandal dieser Art im europäischen Fußball“. Darüber, ob Spiele der aktuellen Wettbewerbe wiederholt werden müssen, wollte Limacher „nicht spekulieren“. Der Uefa-Funktionär zeigte sich zufrieden über den Verlauf der Ermittlungen und über die Zusammenarbeit mit den Behörden, aber auch „zutiefst betroffen über das Ausmaß abgesprochener Spielmanipulationen internationaler Banden“.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte am 19. November 2009 mitgeteilt, das Frühwarnsystem des DFB und der Uefa für die Überwachung des Wettmarktes habe keine Beweise für etwaige Spielmanipulationen geliefert. Die Uefa hatte die Nationalverbände vor dem Termin in Bochum nicht informiert. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sind auch vier Partien der zweiten Bundesliga, drei Spiele der dritten Liga und achtzehn Begegnungen der Regionalliga betroffen. Außerdem sind Profispiele aus der Türkei, der Schweiz, Belgien, Kroatien, Slowenien Ungarn, Bosnien und Österreich Gegenstand der Ermittlungen. Näheres wollte die Staatsanwaltschaft nicht sagen, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden.

Gegen zwei deutsche Klubs liegen nach Medienberichten konkrete Verdachtsmomente vor, gegen den VfL Osnabrück und den SSV Ulm. Nach Informationen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sollen Profis des Zweitliga-Absteigers VfL Osnabrück in die Affäre verstrickt sein. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt demnach einen 34-jährigen Mann aus Lohne, zwei Begegnungen des VfL in der vergangenen Zweitliga-Saison mit Hilfe von Osnabrücker Spielern manipuliert zu haben. Der Mann soll bereits verhaftet worden sein - wie mehr als ein Dutzend weiterer Verdächtiger, gegen die nach Angaben der Behörde Haftbefehle vollstreckt wurden.

Angeblich geht es um die beiden Auswärtsspiele der Niedersachsen beim FC Augsburg (0:3) am 17. April 2009 und beim 1. FC Nürnberg (0:2) am 13. Mai. Der 34-Jährige hatte, so die Staatsanwaltschaft, hohe Summen auf die beiden Partien gesetzt und sich dabei auf eine Tordifferenz festgelegt, die dann tatsächlich eintrat. Aus abgehörten Telefonaten der Polizei Bochum gehe hervor, dass der Verdächtige Kontakt zu mindestens einem VfL-Spieler aufgenommen habe. „Wenn das stimmt, wäre das eine Katastrophe - das könnte dann ein Grund für den Abstieg gewesen sein“, sagte der Osnabrücker Vereinspräsident Dirk Rasch. Die Ulmer sollen über ein Privatspiel gegen Fenerbahce Istanbul verwickelt sein. Im Zuge der mutmaßlichen Betrügereien seien zehn Millionen Euro ausgezahlt worden, „aber das ist wohl nur die Spitze des Eisbergs“.

In der Pressemitteilung heißt es: „Seit etwa einem Jahr wird unter der Leitung der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität durch das KK 21 - Dienst-stelle zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität - des Polizeipräsidiums Bochum gegen eine international agierende Bande wegen des Verdachts der fortgesetzten gewerbsmäßigen Begehung von Betrugsstraftaten ermittelt. Der Tätergruppierung wird zur Last gelegt, sich zumindest seit Beginn des Jahres 2009 zusammengeschlossen zu haben, um auf Sportler, Trainer, Schiedsrichter und Offizielle aus hochrangigen europäischen Fußballligen gegen unterschiedlich hohe Entgelte dahingehend einzuwirken, Ausgänge von Fußballspielen im Interesse der Täter zu beeinflussen. Für den Fall der Bereitschaft zu Spielmanipulationen setzten die Führungspersonen auf verschiedenen Wegen hohe Bargeldbeträge auf entsprechende Spielaus-gänge bei europäischen und asiatischen Wettanbietern. In Unkenntnis der vorher verabredeten Manipulationen zahlten die jeweiligen Wettveranstalter neben dem Einsatz auch die betrügerisch erlangten Gewinnsummen an die Mitglieder der Bande aus. Auf diese Weise erlangte die Täterorganisation Wettgewinne in Höhe von mehreren Millionen Euro.“

In Deutschland wären davon 4 Spiele der 2. Bundesliga, 3 Spiele der 3. Liga, 18 Spiele der Regionalligen, 5 Spiele der Oberligen und 2 Spiele U19 betroffen. Am 19.11.2009 wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bochum 15 Haftbefehle im Inland vollstreckt und mehr als 50 Durchsuchungsbeschlüsse in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, 5 der Schweiz, Österreich und Großbritannien vollzogen. Zudem erfolgten zwei weitere Festnahmen in der Schweiz durch die dortigen Behörden. In Deutschland lagen die Schwerpunkte der Festnahmen in Berlin, Nürnberg und dem Ruhrgebiet.

Bei den durchgeführten Maßnahmen wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, dass einer detaillierten Auswertung bedarf, die noch geraume Zeit in Anspruch nehmen wird. Daneben wurden Bargeld und Vermögenswerte in Höhe von mehr als einer Million Euro gesichert. Auch ein Spieler des Fußball-Sechstligisten Würzburger Kickers wurde von der Polizei vorläufig festgenommen. Der Verein erklärte auf seiner Homepage, dass man mit Bestürzung auf die Information aus dem privaten Umfeld des Spielers reagiert habe. Der umgehend suspendierte Akteur sei bereits in einen früheren Wettskandal verwickelt gewesen, erklärte Pressesprecher Peter Neuberger.

Der Spieler habe damals auf Bitten eines asiatischen Wettbetrügers einen anderen Spieler gebeten, bewusst schlecht zu spielen, was dieser aber abgelehnt habe. Er sei zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Diese sei bei seiner Verpflichtung offen diskutiert worden, man habe ihm als Fußballer eine zweite Chance geben wollen. Nach weiteren Informationen sollen zudem Haftbefehle für zwei involvierte Spieler zunächst überprüft, dann aber nicht erlassen worden sein.

Die mutmaßliche Tätergruppe um die festgenommen Drahtzieher aus dem Hoyzer-Skandal (siege dazu unser nächstes Kapitel), Ante und Milan Sapina, soll durch die manipulierten Spiele bei Wetten in Asien und Europa insgesamt mindestens zehn Millionen Euro erschwindelt haben. Die Polizei rechnet aber mit einem noch höheren Schaden. Etwa die Hälfte aller Manipulationsversuche sei erfolgreich gewesen.

"Fußball, Mafia, DFB" - Dieser Schmähgesang ist nicht neu. Seit Jahren äußern Fans in deutschen Stadien damit ihren Unmut über Fehlentscheidung von Schiedsrichtern. Dabei schwingt auch immer ein Stückweit Häme gegenüber dem DFB aus der Hoyzer-Affäre mit. Der DFB-Schiedsrichter narrte Deutschlands Fußballfans im Jahr 2005, in dem er sich vor den Karren der Wettmafia spannen ließ - für 67.000 Euro und einen Plasmafernseher. 23 Spiele wurden damals manipuliert. Der Aufschrei war groß, auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Der damalig Präsident Theo Zwanziger ver-sprach harte Strafen und ein Frühwarnsystem. Die heile Fußballwelt schien wieder-hergestellt. Bis eben zum vergangenen 19. November 2009. Das Frühwarnsystem hatte ganz offensichtlich versagt.

Eine peinliche Nummer für den größten und reichsten Einzelsportverband der Welt, der in die laufenden Ermittlungen gar nicht eingebunden war. Mit der Uefa arbeiteten die Behörden seit Juni zusammen, der DFB dagegen wurde nicht informiert. Schon aus diesem Grund hätte sich der DFB mit Mutmaßungen, dass der deutsche Fußball nicht betroffen sei, besser zurückgehalten. Doch es kam noch schlimmer: Der Betrug, so die Ermittler, wurde von Deutschland aus organisiert.

Während bis zu diesem Zeitpunkt, rund 24 Stunden nach Bekanntwerden des Skandals, noch nichts vom DFB zu hören war, reagierte der Verband diesmal ebenso zeitnah wie hektisch. "Wir sind froh, dass die staatlichen Behörden mit hoher Kompetenz und der gebotenen Ernsthaftigkeit allen Verdachtsmomenten nachgehen", so Zwanziger. "Sobald wir wissen, welche Spiele betroffen sind, werden wir der Staatsanwaltschaft alles zur Verfügung stellen."

Dabei sollte sich der DFB nicht nur auf fremde Hilfe verlassen, sondern auch im eigenen Haus für Aufklärung sorgen. Denn nach Informationen soll auch ein Schiedsrichter des DFB bei einem Spiel der Regionalliga Süd im Mai 2009 Schmiergeld von den mutmaßlichen Wettbetrügern kassiert haben. "Die Informationen zu dem Schiedsrichter kann ich nicht bewerten", sagte Zwanziger, der erstaunlich gelassen auf den Skandal reagiert: "Ich verstehe die ganze Aufregung nicht, wenn von 1,4 Millionen Spielen im Jahr 32 untersucht werden." Warum das Frühwarnsystem nicht gegriffen hat, könne er sich nicht erklären: "Wir müssen schauen, warum wir nicht gewarnt worden sind. Aber es ist zu früh zu sagen, dass es versagt hat."

Und was sagen die Fans? "Der Wettskandal offenbart, worum es beim Fußball geht: einfach nur noch um Kohle", sagte ein Sprecher der bundesweiten Faninitiative Pro-Fans.

Bühne frei der Heuchelei: Wieder wird der Fußball von einem Wettskandal eingeholt, wieder fallen die Verantwortlichen aus allen Wolken. Natürlich wird jetzt mit aller Macht aufgeklärt und mit Härte gegen die Täter vorgegangen. Mit anderen Worten - es wird sich nicht viel ändern.

Eines vorweg: Es geht in dieser Groß-Affäre nicht zuallererst darum, ob sich ein Simpel aus der fünften Liga ein paar tausend Euro extra dazu verdient hat, indem er in einem Spiel auf Anweisung ein paar Fehlpässe mehr produzierte als sonst. Dass in einem Geschäft, in dem Jahr für Jahr Milliarden auf europäischer Ebene hin und her geschoben werden, auch ein paar kleine Krauter profitieren wollen, ist wirklich keine Sensation. Jedes lukrative Business lockt seine Betrüger an, ob das die Fi-nanzbranche ist oder der Sport.

Dass die 1. Bundesliga von dem Skandal offenbar nicht betroffen ist, könnte womög-lich nur daran liegen, dass die Profis so gut verdienen. Bestechungsgelder anzu-nehmen lohnt sich gar nicht mehr. Stattdessen setzen die Wettpaten logischerweise den Hebel da an, wo das Geld nicht so üppig fließt: In den kleineren Ligen und in den europäischen Spielklassen, die als unterrangig gelten, in Belgien, in Bosnien, in Slowenien.

Der organisierte Fußball baut sich nach wie vor seine Fassaden des schönen, des Völker verbindenden, die Toleranz fördernden Sports. Wenn dieses Gebäude Risse bekommt, ist das Wehklagen groß und die Gemeinde fassungslos. Das haben die Geschehnisse nach der Selbsttötung von Robert Enke mit dem jetzigen Wettskandal gemeinsam.

Fußball und Wetten - das gehört zusammen wie Manfred Kaltz und die Bananenflan-ke. Oddset, Toto, 13er-Wette - alles geduldet, alles offiziell, alles hoch erwünscht.

Der Fußball hat sich das samt und sonders selbst ins Boot geholt und profitiert massiv davon. Das Geld aus den staatlichen Einnahmen aus Lotto und Toto nimmt der Sport liebend gerne an, Sponsoren aus der Wettbranche sind den Vereinen sehr willkommen, aber vor Spielsucht und Betrug, den beiden Schmuddelkindern des Glücksspiels, möchte der Fußball nur allzu gerne die Augen zumachen. Wenn DFB-Präsident Zwanziger jetzt in einem Interview sagt, er sehe die Wettaffäre nicht so arg dramatisch, dann lässt das nichts Gutes für die Aufklärungsarbeit erahnen.

Es gibt noch einen anderen Aspekt bei der ganzen Geschichte: Dass es Spieler im bezahlten und unbezahlten Fußball gibt, die zumindest in der Gefahr stehen, spiel-süchtig zu sein, ist ein offenes Geheimnis. Zocken, Pokern - das ist des Profis zweit-liebste Beschäftigung noch vor der Game-Konsole, scheinbar harmloses Freizeitver-gnügen im Trainingslager. Das Spiel verführt zum Spiel. Manch Profi ist dem erlegen.

Ein Thema in offiziellen Verlautbarungen des DFB ist das bisher nicht gewesen. Beleuchten wir das Frühwarnsystem etwas näher:

Ziel ist, Auffälligkeiten beim Einsatzverhalten im Wettgeschäft festzustellen. Der DFB arbeitet seit dem Hoyzer-Skandal 2005 mit dem Unternehmen Sportradar zusammen. Mehrere hundert Mitarbeiter beobachten unter anderem die Quotenveränderungen der Wettanbieter in bestimmten Zeit-Intervallen. Verändern sich diese auffällig, werden automatisch Warnhinweise versendet. Der Weltverband Fifa hat vor der Weltmeisterschaft 2006 das "Fifa Early Warning System" ins Leben gerufen, um ebenfalls ungewöhnliche Wettvorgänge in allen Wettbewerben zu beobachten.

Der europäische Verband Uefa führte 2009 das Frühwarnsystem gegen Wettbetrug (BFDS) ein. Mit der Datenbankanwendung werden nicht nur alle Spiele in Uefa-Wettbewerben beobachtet, sondern auch sämtliche Partien in den beiden höchsten Ligen sowie den Pokalwettbewerben der Mitgliedsländer. Insgesamt werden so rund 29.000 Spiele pro Saison auf möglichen Wettbetrug hin kontrolliert. Von der BFDS wird im Verdachtsfall ein Bericht zum fraglichen Spiel erstellt, dies ist der erste Schritt für folgende Untersuchungen.

Der staatliche Wettanbieter Oddset arbeitet mit dem Oddset- Kontroll-System (OKS), das alle rund 25.000 Annahmestellen in Deutschland überwacht. Spiele und Kombi-nationen mit auffällig vielen oder hohen Einsätzen können bei Bedarf sofort gesperrt werden.

Anders als in Asien ist der Einsatz bei Oddset-Wetten begrenzt. Maximal können 500 Euro pro Wette gesetzt werden, als maximaler Gewinn werden 50.000 Euro pro Ein-zelwette ausgeschüttet. Seit Anfang 2008 kann zudem nur noch mit einer Kunden-karte gewettet werden.

Probleme bestehen vor allem bei Live-Wetten. Diese beginnen erst, wenn die Partien bereits laufen. Warnhinweise sind in solchen Fällen schwierig. Unterdessen wurden weitere Details zu den möglichen Manipulationen von Spielen in Deutschland bekannt. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" ist ein DFB-Schiedsrichter in die Vorgänge verwickelt. Er soll bei einer Partie der Regionalliga Süd im Mai von den mutmaßlichen Wettbetrügern Schmiergeld kassiert haben.


Der SSV Ulm steht unter Verdacht.

Zudem ist der Regionalliga-Club SSV Ulm 1846 den Angaben zufolge offenbar stärker als bislang bekannt in den Wettskandal verwickelt. Es besteht bei vier Regional-ligaspielen des Vereins aus der Endphase der vergangenen Saison Manipulationsverdacht. Ex-SSV-Vizepräsident Mario Meuler sagte dagegen: "Wir gehen davon aus, dass niemand mit dieser Sache etwas zu tun hat." Ex-Trainer Ralf Becker erklärte: "Wir stehen hundertprozentig zu unseren Jungs." Wenn sich eine Verwicklung von Spielern bestätigen sollte, "werden wir konsequent handeln", fügte er allerdings hinzu.

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, dass es in Deutschland um Begegnungen gehe, in die Spieler des SSV Ulm, des VfL Osnabrück, der zweiten Mannschaft von Borussia Mönchengladbach und der Würzburger Kickers verwickelt seien. Ein Spieler des Landesligisten Würzburger Kickers wurde nach Angaben seines Vereins bereits verhaftet.


Wettscheine für Sportwetten: Rund 200 Fußballspiele in Europa sollen manipuliert worden sein

Laut übereinstimmenden Medienberichten richtet sich der Verdacht auch gegen drei Spieler, die in der Saison 2008/2009 für den aus der Zweiten Liga abgestiegenen VfL Osnabrück aktiv waren. Alle drei bestreiten, in den Skandal verwickelt zu sein. "Ich hatte nie Kontakt mit der Wettmafia und habe mit dem Wettskandal nichts zu tun. Ich habe nie ein Spiel manipuliert oder Geld dafür genommen, schlecht zu spielen oder zu verlieren", sagte der angeblich in den Skandal verwickelte Osnabrücker Ex-Profi Thomas Reichenberger. Von seinem Verein erhielt er Rückendeckung.

Harte Konsequenzen hat bereits der SV Sandhausen gezogen: Der Drittligist entließ den Abwehrspieler Marcel Schuon fristlos. Der 24-Jährige steht unter Verdacht, in der vergangenen Saison als Profi des späteren Zweitligaabsteigers VfL Osnabrück an der Manipulation von Spielen beteiligt gewesen zu sein.

Sandhausen hatte sich von allen Spielern Eidesstattliche Versicherungen geben lassen, dass sie niemals eine Partie geschoben haben. Schuons Anwalt Siegfried Kauder hatte gesagt: "Er hat die Spielmanipulation mit einem Auftraggeber verabredet. Zur Manipulation ist es aber nicht gekommen."

Schuon habe während der Partie gegen den FC Augsburg (0:3) in der vergangenen Saison gemerkt, "dass er als Mittelfeldspieler alleine nichts ausrichten könne". Da allerdings dennoch das gewünschte Ergebnis eingetreten sei, seien Schuon von seinem Auftraggeber die Wettschulden erlassen worden. Damit habe sich Schuon der "Verbrechensabrede" schuldig gemacht, sagte Kauder.

Wegen seiner Aussage werde es allerdings nicht zu einer Hauptverhandlung kommen. Der Drittligist SV Sandhausen, damaliger derzeitiger Arbeitgeber von Schuon, hatte geäußert, dass man eine Trennung von dem 24-Jährigen erwäge.

Schuon habe bei der Staatsanwaltschaft seinen Auftraggeber angegeben, sagte Kauder. Von diesem habe Schuon vor dem Spiel gegen Augsburg ein subtiles Signal bekommen: "Das Spiel verliert ihr ja eh 3:0." Nach der Partie habe Schuon versucht, seinem Auftraggeber klarzumachen, dass er beim Manipulationsversuch gemerkt hätte, dass er das "nicht könne und nicht wolle". Daraufhin habe dieser den Druck auf Schuon, so Kauder, mit den Worten "Glaub' bloß nicht, dass wir das Geld nicht kriegen" erhöht.

Vor einem weiteren Spiel der Saison gegen den 1. FC Nürnberg (0:2) habe Schuons Auftraggeber das erneute Signal zur Manipulation gesandt, dabei sei allerdings das gewünschte Ergebnis nicht erreicht worden. Zu möglicherweise anderen in eine Manipulation involvierten Osnabrücker Spieler habe Schuon keine Angaben gemacht.

Auch Schuons frühere Osnabrücker Mitspieler Thomas Reichenberger und Thomas Cichon waren unter Verdacht geraten, an dem Wettskandal beteiligt gewesen zu sein. Reichenberger, noch immer beim Drittligisten unter Vertrag, hatte vor dem Punktspiel gegen Borussia Dortmund II am über das Stadionmikrofon erklärt, keine Partien geschoben zu haben.

Cichon, mittlerweile bei den Moroka Swallows in Südafrika unter Vertrag, sagte:

"Meine Anwälte kümmern sich um diese Sache. Alles, was ich sage ist, dass ich nichts damit zu tun habe." Trainer Rainer Zobel verteidigte seinen Spieler. "Thomas war völlig entsetzt, als er hörte, was über ihn geschrieben wurde. Ich habe mir richtig Sorgen gemacht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er etwas mit den Manipulationen zu tun hat."

Kauder erklärte, dass Schuon bei der Staatsanwaltschaft seinen Auftraggeber angegeben habe. Nach dem Spiel gegen Augsburg (0:3) habe Schuon versucht, seinem Auftraggeber klarzumachen, dass er beim Manipulationsversuch gemerkt hätte, dass er das "nicht könne und nicht wolle". Daraufhin habe dieser den Druck auf Schuon, so Kauder, mit den Worten "Glaub' bloß nicht, dass wir das Geld nicht kriegen" erhöht.

"Schon der Versuch ist strafbar. Wir distanzieren uns von dieser Sache, wollen mit dem Wettskandal nichts zu tun haben, deshalb war die Kündigung der einzige logische Schritt", sagte Sandhausens Präsident Jürgen Machmeier der "Rhein-Neckar-Zeitung". Schuon war erst im Sommer von Osnabrück nach Sandhausen gewechselt.

Zuvor hatte bereits Viertligist SSV Ulm drei Spielern gekündigt, die im Zuge des Wettskandals unter Verdacht stehen. Beim SC Verl wurden zwei Spieler suspendiert.

Patrick Neumann, suspendierter Kapitän des Regionalligisten SC Verl, erwägt weitere Aussagen zum Thema Wettskandal. "Das ist möglich. Ich habe Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft in Bochum beantragt. Zunächst müssen wir wissen, was in den Akten steht. Danach überlegen wir, ob wir weitere Angaben machen. Die bisherigen Aussagen von Herrn Neumann waren eine Vorleistung", sagte Neumanns Anwalt Lutz Klose.

In einer viereinhalbstündigen Vernehmung hatte Neumann zugegeben, 500 Euro für manipulierte Spiele angenommen zu haben. "Er wurde massiv unter Druck gesetzt", sagte Klose und bestätigte damit einen Bericht im "Westfalen-Blatt". Demnach war Neumann vor dem Regionalliga-Spiel des SC Verl bei Borussia Mönchengladbach II von einem Mann angesprochen worden. Dieser habe von ihm verlangt, das Spiel zu verlieren. Für dieses Vorhaben sollte Neumann weitere Mitspieler gewinnen, denen eine Zahlung von 5000 bis 10.000 Euro in Aussicht gestellt worden sei.

Nach dem überraschenden 4:3-Sieg gegen Gladbach II sei es vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln II zu einem weiteren Treffen gekommen. Dabei seien Neumann unter Drohungen 500 Euro übergeben worden, ohne weitere Optionen zu besprechen. "Sie haben ihn für das verloren gegangene Geld verantwortlich gemacht. Er hatte Angst vor Repressalien", sagte Klose. Das 0:1 gegen Köln sei dann eher ein Zufallsprodukt gewesen.

Währenddessen fürchtet Neumann Racheakte der Wettmafia. Er halte sich derzeit an einem unbekannten Ort versteckt, bestätigte Klose dem "Kölner Stadtanzeiger". "Patrick geriet in Furcht und Panik. Er kann die Kontaktmänner identifizieren", sagte Klose, "diesmal wurde nicht nur mit List und Schmiergeld, sondern auch mit Einschüchterung und Gewalt agiert."

Beim Drittligisten SV Wacker Burghausen bestreitet man jegliche Verbindung zum Wettskandal. "Wir sind völlig überrascht, weil sich diese Thematik überhaupt nicht abgezeichnet hat", sagte Geschäftsführer Florian Hahn. Der Club war von einem Zeugen des Wettskandals im ARD-Magazin "Fakt" in Zusammenhang mit den Manipulationen gebracht worden. Demnach seien im Zweitliga-Abstiegskampf der Saison 2006/2007 mehrere Partien verschoben gewesen. Burghausen stieg damals ab. Die Staatsanwaltschaft Bochum bestätigte allerdings, dass die geäußerten Vorwürfe "nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens" seien.

Patrick Neumann ist von seinem ehemaligen Mitspieler Christian Knappmann in der "Sport Bild" im Zuge des Wettskandals schwer belastet worden. "Im Training kam Pepe zu mir. Er meinte: Knappi, kriegst du auch so miese Prämien. Lass uns doch mal gegen uns wetten", soll Patrick Neumann, der von seinen Mitspielern "Pepe" gerufen wurde, laut Knappmann gesagt haben: "Ich hielt das für einen dummen Spruch, er wollte wahrscheinlich erst mal bei mir vorfühlen. Ich habe aber sofort gesagt: So ein Quatsch!"

Verl-Angreifer Knappmann ging eigenen Angaben zufolge nach Bekanntwerden des Skandals durch die Staatsanwaltschaft Bochum zusammen mit einem Teamkollegen zur Vereinsführung und berichtete, dass Neumann ihn möglicherweise für Manipulationen gewinnen wollte. "Jetzt im Nachhinein ergibt alles einen Sinn. Zum Beispiel, dass einer unserer Spieler ein Training plötzlich abbrach mit Muskelfaserriss. Wir haben ihn wochenlang damit aufgezogen, weil ihm das niemand abnahm. Wir dachten, er hätte keine Lust auf Training. Nun ist klar, warum er das wirklich gemacht hat.

Er bekam vor dem Gladbach-Spiel ein konkretes Angebot. Nach seiner Ablehnung wurde er unter Druck gesetzt, bekam Angst - und ließ sich lieber krankschreiben", sagte Knappmann.

Weitere Neuigkeiten gab es dann Anfang Dezember 2009. Danach sollen zwei weitere nordrhein-westfälische Sechstligisten in den Betrugsskandal verwickelt sein. Der SV Lippstadt 08 hat dannden Anwalt Georg Schierholz eingeschaltet. "Wir haben Hinweise bekommen, dass auch wir betroffen sind", sagte Schierholz, der nun auch Akteneinsicht bei der Bochumer Staatsanwaltschaft beantragen will. Darüber hinaus hat der FC Gütersloh einen Spieler freigestellt. "Es besteht der Verdacht, dass er in Kontakt mit dem Spieler gewesen ist, der in Verl die Manipulation gestanden hat", sagte der damalige Gütersloher Präsident Udo Böning und bestätigte damit einen Bericht des "Westfalen-Blatts".

Dr. Lutz Klose, der Rechtsanwalt des Verler Beschuldigten Patrick Neumann, hatte der Zeitung erklärt, dass die Kripo auch intensiv gegen den FCG-Spieler ermittelte.

Nach Recherchen des "Westfalen-Blatts" arbeitet der Gütersloher Spieler in einem Wettbüro am Bielefelder Jahnplatz. Er soll in das Visier der Polizei gerückt sein, nachdem er eine SMS an Neumann mit dem Inhalt "Du kannst dir das Geld bei mir abholen", versendet haben soll. Der jetzt freigestellte Spieler war seit mehreren Tagen nicht mehr zum Training erschienen und hatte sich von einem fremden Handy mit Textmeldungen entschuldigt, die Böning "nur bedingt plausibel" erscheinen. "Bis das alles geklärt ist, wird der Spieler nicht mehr am Training und an Spielen teilnehmen", sagte der Ex-FC-Präsident.

Laut Böning sollen auch Partien der Gütersloher unter Manipulationsverdacht stehen.

"Auf einer Liste der Staatsanwaltschaft sollen zwei Spiele stehen, auf die höhere Wetten platziert worden sind." Nach seinen Informationen handelt es sich dabei um die Oberliga-Partie gegen Westfalia Herne (1:1) im Dezember 2007 und ein Freund-schaftsspiel gegen Arminia Bielefeld (0:4) im August. Im Ostwestfalenduell sei laut Böning auf eine Gütersloher Niederlage mit vier Toren Unterschied gewettet worden.

"Wir sehen uns nicht in der Lage ein Spiel gegen einen Zweitligisten so zu verschieben, dass wir genau dieses Ergebnis erzielen", sagte Böning.

Viele finden den aktuellen Wettskandal im europäischen Fußball schlimmer als die Finanzkrise. Angesichts der Spitzenpreise, die Bundesligaprofis mit dem Verkauf ihrer Arbeitskraft erzielen, erscheinen die bislang kolportierten Gewinnmargen sehr bescheiden. Doch ihre ideologiekritische Wirkung ist durchschlagender als das übliche Dopingenthüllungstheater: Weil es keine ehrliche Arbeit gibt, gibt es auch keinen ehrlichen Fußball. Und je tiefer man sportlich sinkt, desto interessanter macht man sich als Sportwetter. In den unteren Ligen, sozusagen dort, wo im Leistungssport unter der Bettdecke gefurzt wird, wird geschoben und betrogen, dass es eine Lust ist.

Damit wird auch die Sportseite dieser Zeitung belohnt, die sich prinzipiell um neues „aus den Unterklassen“ bemüht, weil jeder weiß, dass über die Profiligen alle das gleiche schreiben. In den „Unterklassen“ aber wird beim Pausenbier noch gejodelt, geherzt und gescherzt. In der vierten Liga beispielsweise, beim FC Oberneuland Bremen in der Regionalliga Nord, soll sich die gesamte Mannschaft verpfändet haben. Wie der Spiegel berichtet, hätte das Team für das Spiel am 19. September gegen FC St. Pauli II komplett gegen sich selbst gewettet. Es endete 0:2. Das kam der Geschäftsführerin des FC Oberneuland verdächtig vor, und sie meldete sich beim DFB. Der behauptet ja gern, über ein tolles Frühwarnsystem zu verfügen. Natürlich wusste man dort von nichts. Daraufhin ließ die Geschäftsführerin jeden Spieler eine strafbewehrte eidesstattliche Versicherung unterschreiben, nicht auf diese Partie gewettet zu haben. Eine fast schon katholische Maßnahme.


Der Wettskandal gewinnt an Brisanz und zieht immer weitere Kreise. Im Ermittlungsverfahren der Bochumer Staatsanwaltschaft gegen eine Bande mutmaßlicher Wettbetrüger führen die Spuren bis in die 1. Fußball-Bundesliga. Einer der Hauptbeschuldigten, ein Kroate, soll bis kurz vor seiner Verhaftung am 19. November 2009 eine enge Verbindung zu einem Profi aus Osteuropa gehabt haben, der jahrelang in der Bundesliga spielte.

Der Fußballer, der noch immer aktiv ist, soll bei dem in Nürnberg ansässigen Kroaten, einem Betreiber mehrerer Wettbüros, "30.000 Euro Schulden gehabt haben".

Diese Hinweise sollen die Bochumer Ermittler durch das Abhören von Telefongesprächen des Beschuldigten erhalten haben. Nach Ansicht der Beamten ist der 34 Jahre alte Kroate ein "Kopf des Netzwerks". Sowohl der Kroate als auch der Fußballprofi aus Osteuropa tauchten bereits in einem anderen Ermittlungsverfahren einer süddeutschen Staatsanwaltschaft aus dem Jahr 2006 auf, schreibt der "Spiegel".

Damals wurde gegen den Kroaten wegen des Verdachts der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" und des "gewerbsmäßigen Bandenbetrugs" ermittelt. Es habe der Verdacht bestanden, dass Spiele im deutschen Profifußball manipuliert und auf den Ausgang der Partien hohe Wetten platziert werden. Ins Visier der Ermittler war neben dem auch jetzt verdächtigen Profi aus Osteuropa damals ein weiterer Spieler geraten, der noch heute bei einem deutschen Erstligisten unter Vertrag stehen soll: Laut "Spiegel" handelt es sich um einen "Mittelfeldmann vom Balkan".

Im aktuellen Wettskandal intensiviert der DFB seine eigenen Ermittlungen. Kurz vor Weihnachten 2009 bestätigte Ex-Präsident Theo Zwanziger, dass inzwischen erste Befragungen von "verdächtigen Spielern" stattgefunden hätten. Im Zwielicht steht au-ßerdem der Zweitliga-Schiedsrichter Cetin Sevinc. Er wurde vorerst vom Verband suspendiert - zu seinem Schutz.

Der DFB verhängte eine Schutzsperre gegen den unter Manipulationsverdacht stehenden Zweitliga-Referee Cetin Sevinc. "Natürlich gilt für Herrn Sevinc die Un-schuldsvermutung, doch solange die Ermittlungen gegen seine Person nicht abgeschlossen sind, werden wir ihn zum Schutze seiner Person und des laufenden Wettbewerbs nicht mehr ansetzen", erklärte Ex-Vizepräsident Rainer Koch in einer Verbands-Mitteilung die Entscheidung. Zudem gab der DFB bekannt, dass er im Rahmen möglicher Spiel- und Wettmanipulationen "erste Vernehmungen" gegen verdächtige Spieler durchgeführt habe. "Wegen der laufenden Ermittlungen" wolle man noch keine Namen nennen.

Der 27 Jahre alte Unparteiische aus Waltrop/Nordrhein-Westfalen weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe allerdings energisch zurück. "Alles völliger Unsinn! Ich habe mir nichts vorzuwerfen, habe nichts zu verbergen", sagte der Referee. Er war in dieser Saison in den Regionalligen Nord (4) und West (1) im Einsatz. Als Assistent war er in der 2. Liga fünfmal dabei, darunter im Spiel Oberhausen - 1860 München, für das Wettalarm ausgelöst worden war. Dass er in der DFB-internen Bewertung keine gute Note für das Spiel Fürth - Düsseldorf erhalten hat, kommentierte der Linienrichter so: "Wenn Sie danach gehen, müssen Sie alle Schiedsrichter unter Verdacht stellen. Es kommt immer mal zu krassen Fehlentscheidungen."

DFB-Schiedsrichter Thorben Siewer bleibt im Zuge des Wettskandals weiter gesperrt.

Sascha Kirschstein. Der ehemalige Torwart des Hamburger SV, der später für die Zweiligamannschaft von Rot-Weiß Ahlen kickte, steht unter dem Verdacht der Wettmanipulation, so die ARD-Sportschau vom 20.12.2009.

"Wer mich kennt, der weiß ganz genau, dass da einfach nix dran ist. Es ist alles erst-unken und erlogen. Ich habe damit überhaupt nichts zu tun.“ So der Betroffene. Das bewahrte ihm allerdings nicht vor einer Haussuchung.

„Herr Kirschstein ist von der Staatsanwaltschaft Bochum angehört worden. Er hat sich dort vorbehaltlos geäußert und will zur Aufklärung beitragen, tut dies allerdings nicht öffentlich", sagte Kirschsteins Anwalt Horst Kletke.

Nach Angaben des Nachrichtenmagazins Spiegel soll es nach abgehörten Telefonaten Hinweise darauf geben, dass Kirschstein von den mutmaßlichen Drahtziehern im Wettskandal für eine Manipulation des Zweitliga-Punktspiels der Ahlener gegen Hansa Rostock (0:2) am 4. Oktober gewonnen werden sollte. Kirschstein bestreitet nach Kletkes Aussage, an einer Manipulation beteiligt gewesen zu sein. Zudem ist unklar, ob das Spiel überhaupt verschoben wurde.

Der Wettskandal. Bisher wurden sieben Fußballprofis, vor allem aus der 3. Bundesliga, wegen der mutmaßlichen Beteiligung an Spielabsprachen suspendiert.

Nun hat der Deutsche Fußballbund Einsicht in die Bochumer Ermittlungsunterlagen. Und auch schon, so erklärt ein Sprecher am Telefon, "Spieler und Schiedsrichter be-fragt." Generell jedoch: kein Kommentar.

Skandale beim Fußball in Deutschland

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