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Die historische Ausganslage
ОглавлениеDie Bastille, Schauplatz eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte. Am 14. Juli 1789 greift die Bevölkerung von Paris zu den Waffen. Das Symbol des Absolutismus soll fallen. Es war eine Revolution, nicht nur eine Revolte.
Der Sturm auf die Bastille fordert mehr als einhundert Tote. Was ist an diesen Tag tatsächlich passiert? In nur wenigen Stunden erobern die Aufständischen die Festung.
Sie wollen die Bastille einnehmen. Für das Volk ist das ein Akt der Souveränität, nach dem Motto: Wir haben die Kontrolle. Wir sind die Stärkeren. Um 17 Uhr öffnen sie die Tore und die Menschen stürmen in die Festung.
Der 14. Juli bleibt verbunden mit Geschichten um Abenteuer, von Heldentaten und Fehlentscheidungen.
Zur historischen Ausgangslage. Das Königreich Frankreich ist in der Krise. Was Ludwig XIV. geschaffen hat, den absolutistischen Staat, hat sein Nachfolger Ludwig XV. fast verspielt und dessen Nachfolger Ludwig XVI., einer der schwächsten Könige in der Dynastie um das Haus Bourbon der französischen Revolution ausgeliefert, die mit der Erstürmung der Bastille ihren Anfang nahm.
Die politisch Unzufriedenen wollen Veränderungen, sie sehnen das Ende der absoluten Herrschaft des Königs herbei, der auch noch von unfähigen Beratern umringt war. Hatten seine Vorgänger doch noch solche fähigen erste Minister, wie die Kardinäle Richelieu und Mazarin, so war es bei Ludwig XVI. sehr schlecht bestellt. Der letzte König des Ancien Régime, erhielt von seinem Großvater Ludwig XV. ein schwieriges Erbe. Frankreich stand am Rande des finanziellen Ruins und im Rahmen der absolutistischen Monarchie konnte der König die Krise nicht bewältigen.
Als sein Großvater Ludwig XV. am 10. Mai 1774 starb, wurde Ludwig XVI. mit 19 Jahren König. Er suchte zunächst einen Mentor und entschied sich für den 73-jährigen vormaligen Staatssekretär Graf von Maurepas, der von 1774 bis zu seinem Tod leitender Staatsminister war.
Wenn auch im Grunde leicht und oberflächlich im Charakter, so war Maurepas doch ernsthaft an wissenschaftlichen Angelegenheiten interessiert und er engagierte Frankreichs beste Köpfe, um Fragen der Navigation und der Schiffskonstruktion wissenschaftlich anzugehen.
Er war zutiefst zerstritten mit seiner Cousine Marie-Anne de Mailly-Nesle, die ab 1742 bis zu ihrem Tod Ende 1744 zur Maîtresse en titre des Königs Ludwig XV. und Herzogin von Châteauroux aufstieg.
Maurepas fiel 1749 bei Ludwig XV. in Ungnade, wegen eines Epigramms gegen Madame de Pompadour, und wurde aus Paris verbannt.
Nach der Thronbesteigung Ludwigs XVI. wurde er aber Staatsminister und Ludwigs Hauptberater. Er legte das Finanzministerium in die Hände von Turgot, den königlichen Haushalt in die von Malesherbes und machte Vergennes zum Außenminister. Zu Beginn seiner neuen Karriere offenbarte er seine Schwäche, indem er dem öffentlichen Druck nachgab und das alte Parlament wiedereinsetzte, das Maupeou entlassen hatte. Damit brachte er den gefährlichsten Feind der absolutistischen Macht des Königs wieder ins Spiel.
Dieser Schritt sowie seine Intervention für die amerikanischen Staaten waren ein Beitrag auf dem Weg zur Französischen Revolution. Neidisch auf Turgots Einfluss auf Ludwig XVI., intrigierte er gegen ihn. Nach der Entlassung Turgots 1776 folgten sechs Monate Durcheinander und danach die Ernennung Neckers. Auch ihn ließ er 1781 wegen seiner Reformversuche entlassen. Kurz darauf starb er.
Die Krönung Ludwig XVI. fand am 11. Juni 1775 in Reims statt. Anne Robert Jacques Turgot, der im August 1774 zum Generalkontrolleur der Finanzen berufen worden war, hatte zwar aus Kostengründen geraten, auf das aufwändige Sacre zu verzichten und stattdessen eine schlichte Zeremonie in Paris abzuhalten. Zudem solle Ludwig auf den unzeitgemäßen Eid, er werde alle Häretiker bekämpfen, verzichten. Der fromme Ludwig wies dies zurück: Er war fest davon überzeugt, dass er selbst und seine Herrschaft Teil des göttlichen Heilsplans seien, was durch die Krönung und die Salbung mit dem heiligen Öl zum Ausdruck gebracht werde.
Die Generalstände des Jahres 1789 (französisch États généraux de 1789) bezeichnen die Auswahl und die von Mai bis Juni 1789 abgehaltenen Sitzungen der Ständeversammlung in Frankreich. Der bis dahin absolutistisch regierende König Ludwig XVI. berief sie ein, um sich angesichts eines Staatsbankrotts neue Steuern bewilligen zu lassen. Diese Beteiligung der Stände (Klerus, Adel, Dritter Stand) am politischen Entscheidungsprozess war nach der erfolglosen Notabelnversammlung der zweite entscheidende Schritt zum Ende des Absolutismus in Frankreich. Es war nach 175 Jahren die erste derartige Versammlung, die 1614 das letzte Mal davor in ähnlicher Form zur Zeit des minderjährigen Ludwig XIII. abgehalten worden war.
Im Verlauf der Versammlung der Generalstände des Jahres 1789 kristallisierte sich für die Vertreter des Dritten Standes, also vornehmlich des Bürgertums, immer deutlicher heraus, dass die erhoffte politische Mitbestimmung unerfüllt bleiben würde. Sie konstituierten sich daher zur Nationalversammlung. Dies bedeutete de facto das Ende der Generalstände und leitete die unmittelbar darauf folgende Entwicklung zur französischen Revolution ein.
Die Eröffnung wurde zuvor präzise geplant. Dabei vergab Ludwig XVI. die Chance, die Inszenierung zur Betonung der Gemeinsamkeiten zu nutzen, vielmehr betonte die Organisation die Unterschiede der Stände und die Sonderrolle des Königs deutlich. Während Necker (dazu später mehr) die Angelegenheit eher geschäftsmäßig in Paris abhandeln wollte, bestand der König gestützt auf Berater auf einer augenfälligen Zeremonie.
Versammlungsort war der Saal der Menus Plaisir, der im Schlosskomplex von Versailles extra für die Notabelnversammlung erbaut worden war. Man versuchte die alten Verfahren zu rekonstruieren. Da diese aber weitgehend in Vergessenheit geraten waren, hat man die äußeren Abläufe teilweise neu erfunden. Die Planungen reichten bis zur Kleidung. Dabei trugen die Abgeordneten offiziell vorgeschriebene Gewänder. Die hohen Geistlichen und die Angehörigen des Adels waren prachtvoll ausstaffiert. Der Adel etwa trug einen schwarzen Seidenrock, eine Weste aus gold- und silberdurchwirktem Tuch, Spitzenhalstuch und einen Federhut. Der Hut sollte der Mode aus der Zeit Heinrich IV. entsprechen, spiegelte aber eher die Vorstellungen davon als die tatsächliche Bekleidung des 17. Jahrhunderts wider. Die Vertreter des Dritten Standes dagegen hatten ganz in Schwarz zu erscheinen.
Eröffnung der Generalstände
Am 4. Mai, einen Tag vor der offiziellen Eröffnung, wurden die Abgeordneten vom König empfangen. Während Ludwig XVI. die Vertreter von Adel und Klerus im Cabinet du roi empfing, hatten die Abgeordneten des Dritten Standes in einem anderen Saal zu warten und mussten dann am König vorbeigehen. Vor dem Thron hatten die Männer des Dritten Standes die Knie zu beugen. In einer prachtvollen Prozession zogen die Abgeordneten dann in die Ludwigskirche. Noch einmal bot das Hofzeremoniell die Pracht des Königtums auf. Herolde auf weißen Pferden in Samtgewändern aus Purpur und angetan mit dem Zeichen der Lilie bliesen silberne Trompeten. Dem König voran schritt die Garde der Cent Suisses in Uniformen aus der Renaissance.
Insgesamt wurde noch einmal die alte Ordnung beschworen und der Dritte Stand gedemütigt. Dessen Abgeordnete wurden an die Spitze des Zuges gestellt, das heißt, sie waren so weit wie möglich vom König entfernt. Während Adel und Geistliche reservierte Plätze in der Kirche hatten, mussten sich die Bürgerlichen einen Platz suchen. Die protokollarischen Spitzen vergaßen die Vertreter des Dritten Standes nicht.
Die offizielle Eröffnung am 5. Mai begann mit einer kurzen Rede von Ludwig XVI. Diese war widersprüchlich. Einerseits betonte sie die Bedeutung des von vielen herbeigesehnten Tages, andererseits warnte sie vor übertriebenen Neuerungen. Nach ihm sprach der Siegelbewahrer Charles de Barentin, jedoch so leise, dass niemand ihn verstand. Nur zum Schluss wurde er lauter und erteilte allen Neuerungen eine Absage. Die folgenden drei Stunden füllte die Rede Neckers, die dieser jedoch größtenteils von einem Vertreter verlesen ließ. Es handelte sich um die Darlegung der gegenwärtigen Finanzsituation. Eingeräumt hatte Necker nur ein Defizit von 56 Millionen und beantragte die Gewährung einer Anleihe von 80 Millionen. Die Seite des Königs versuchte so, die Versammlung auf den rein technischen Aspekt der Finanzpolitik zu beschränken, obwohl Mirabeau bereits am 5. März an den König appelliert hatte, sofort auch über die Abstimmung nach Köpfen zu debattieren. Nur sehr vorsichtig deutete Necker an, dass man in Zukunft möglicherweise nach Köpfen und nicht nach Ständen abstimmen könnte.
Am 6. Mai begannen die Abgeordneten des Adels und der Geistlichen sich in getrennten Sitzungen zu versammeln, um die Vollmachten der Abgeordneten ihrer Stände zu prüfen. Die Abgeordneten des Dritten Standes taten nichts. Sie waren unschlüssig. Eine Prüfung ihrer Legitimationen auf Basis des Standes hätte die Anerkennung der alten Form der Generalstände bedeutet. Die klare Abstimmung nach Köpfen zu verlangen, hätte aber den Übergang zur Revolution bedeutet, den zu diesem Zeitpunkt nur einige Abgeordnete etwa aus der Bretagne oder der Dauphiné bereit waren zu gehen. Aber es gab unter den Deputierten auch keinen, der bereit gewesen wäre, sich einfach den Traditionen der Abstimmung nach Ständen zu beugen. Aber demonstrativ bezeichnete man sich nach dem Vorbild der Revolte von Grenoble und dem englischen Unterhaus als Députés des communes. Mirabeau gab eine Zeitschrift mit Berichten über die Verhandlungen heraus, die sofort verboten wurde. Seine Nachfolgepublikation konnte sich allein schon deshalb großer Aufmerksamkeit erfreuen.
Auf Antrag von Sieyès beschlossen die Abgeordneten des Dritten Standes am 10. Juni ihre Zurückhaltung aufzugeben. Die Abgeordneten der beiden anderen Stände wurden aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Am Abend des 12. Juni sollte die Sitzung mit den Abgeordneten der beiden anderen Stände stattfinden, aber von diesen erschien niemand. Erst am 13. stießen drei Pfarrer dazu. In den folgenden Tagen nahm der Zulauf dann immer stärker zu. Es kam bald die Frage der Selbstbezeichnung auf. Während Mirabeau und Mounier für ein Abwarten plädierten, setzte Sieyès am 17. Juni nach einer zweitägigen Debatte den Begriff 'Nationalversammlung' durch. Am 19. Juni beschloss der Klerus mit 169 zu 157 Stimmen, sich dem Dritten Stand anzuschließen.
Als der König am 20. Juni den Sitzungssaal mit der Begründung schließen ließ, dass er für eine weitere Sitzung am 23. Juni vorbereitet werden müsse, besetzten die sich vor verschlossenen Türen einfindenden Deputierten kurzerhand die sich in der Nähe befindende Ballsport-Halle, wo sie im sogenannten Ballhausschwur gelobten, „sich niemals zu trennen, bis der Staat eine Verfassung hat […] und nur der Gewalt der Bajonette zu weichen“. Damit erklärte sich die Nationalversammlung zugleich zur Verfassunggebenden Versammlung1.
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Hauptproblem Frankreichs war tatsächlich die hohe Staatsverschuldung. Ludwig zeigte sich hier als zwar gutwilliger, aber schwacher und unentschlossener Herrscher, dem es nicht gelang, sich vom Einfluss der Entourage seiner Frau zu befreien. Die radikalen Reformen von Turgot und Malesherbes stießen auf den Widerstand des Adels, und Ludwig hatte nicht den Mut oder die Kraft, sie durchzusetzen. Turgot wurde entlassen, Malesherbes trat 1776 zurück und wurde durch Jacques Necker ersetzt.
Jacques Necker
Im Oktober 1776 wurde er von Ludwig XVI. zum Finanzminister Frankreichs ernannt, zunächst nur mit dem Titel eines Direktors der Schatzkammer, und vom 29. Juni 1777 bis zum 19. Mai 1781 als Generaldirektor der Finanzen, directeur général des finances. Er versuchte die Finanzen wieder in geregelte Bahnen zu lenken, indem er die Kopfsteuer gleichmäßiger verteilte, den vingtième d’industrie abschaffte und gemeinnützige Pfandleiheneinrichtete.
Seine wichtigste finanzielle Maßnahme war jedoch der Versuch, die französischen Schulden sowie die Einführung von Jahresrenten unter Bürgschaft durch den Staat zu finanzieren. Die Anwendung der Finanzierungsmaßnahmen war zu schwierig, um innerhalb kurzer Zeit durchgeführt zu werden, und Necker wies nur auf die zu befolgenden Leitlinien hin, anstatt den Vorgang zu vollenden. In all diesen Dingen behandelte er die französischen Finanzen mehr als Bankier denn als kompetenter politischer Ökonom. An Turgot, den berühmtesten Ökonomen seiner Zeit, reichte er nicht heran. Politisch tat der von den Ideen der Aufklärung beeinflusste Generaldirektor der Finanzen nicht viel, um die sich anbahnende Revolution abzuwenden, und seine Gründung von Provinzversammlungen war nur eine ängstliche Anwendung von Turgots ausgefeiltem Plan zur Neuorganisation der Verwaltung Frankreichs.
Im Jahr 1781 verfasste Necker seinen Rechenschaftsbericht/ Finanzbericht an den König), einen Bericht an den König über die Staatsfinanzen. Über diesen Bericht erhielt auch erstmals die Öffentlichkeit Einblick in die staatlichen Einnahmen und Ausgaben. Dieser Compte rendu ist berühmt geworden, weil durch ihn zum ersten Mal in der Geschichte des Königreichs Frankreich Zahlen über die Staatsfinanzen veröffentlicht wurden. Zudem gab er Anlass zu großen Diskussionen, weil er für das aktuelle Jahr 1781 einen ordentlichen Überschuss konstatierte. Dieser Überschuss erschien vielen Zeitgenossen und Historikern nicht glaubhaft, weil das Frankreich des Ancien Régime mit ständigen Finanzproblemen zu kämpfen hatte (siehe nächstes Kapitel).
Die Unentschlossenheit und Passivität, mit denen Ludwig auf die sich verschärfende Krise reagierte, wird von einigen Historikern auf einen Nervenzusammenbruch mit anschließendem, jahrelangem Realitätsverlust zurückgeführt. Dem hält der britische Historiker Ambrogio Caiani seinen phlegmatischen Charakter und die im 18. Jahrhundert unter Monarchen verbreitete Taktik entgegen, sich undurchschaubar zu geben und seine Motive zu verheimlichen.
Das war also die historische Ausgangslage, dessen Hauptproblem im schwachen König und der der bankrotten Lage der Staatsfinanzen war.