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Margot Feist
ОглавлениеDiese Frau kennen wir, allerdings ganz anders als die junge Margot. Stark und unnahbar war sie später, als Frau des ersten Mannes im Staat und als gefürchtete Ministerin. In den 70./80ziger Jahren die mächtigste Frau der DDR.
Damals, 1952, in ihrer kleinen Wohnung viel allein mit der kleinen Tochter Sonja, war die junge hübsche Frau oftmals am Ende ihrer Kraft. Ein Arbeiterkind aus Halle an der Saale mit sozialistischer Bilderbuchkarriere. Geboren am 17. April 1927 entwickelte sie sich zu einer intelligenten und attraktiven jungen Frau, der Partei treu ergeben und deren Regeln strikt einhält. Ihre Eltern, der Schuhmachers Gotthard Feist und der Matratzenfabrikarbeiterin Helene waren Mitglieder der KPD und arbeiteten seit 1933 illegal. Ihre Wohnung in der Torstraße 36 in Halle war bis 1938 eine von drei Anlaufstellen für Kuriere und Material der KPD-Abschnittsleitung, die in Prag saß. Vater Gotthard kam mit der Machtergreifung der Nazis und dem sich daraus ergeben Reichstagsbrand in das KZ Lichtenburg, später ins Zuchthaus Halle und von 1937 bis 1939 ins KZ Buchenwald.
Die junge Margot Feist
Als Margot gerade 13 Jahre alt war, war sie schon Halbwaise, denn ihre Mutter starb 1940. Die junge Margot absolvierte die Volksschule und begann eine Lehre als kaufmännische Angestellte. Ohne erfolgreichen Abschluss arbeitete sie als Telefonistin und Stenotypistin.
Nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus 1945 trat sie der KPD bei und arbeitete als Stenotypistin beim FDGB-Landesvorstand von Sachsen-Anhalt. Mit der Vereinigung von KPD und SPD 1946 wurde sie Mitglied der SED. Und sie begann aktiv die Karriere nach entschprechenden Lehrgängen der FDJ, die sie mit 19 Jahren absolvierte, aufzubauen.
Bereits 1946 wurde sie Mitglied des Sekretariats des FDJ-Kreisvorstandes von Halle und FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda. 1948 war sie Leiterin der Abteilung für Kultur und Erziehung sowie Sekretärin für Kultur und Erziehung im FDJ-Landesvorstand Sachsen-Anhalt. 1949 war sie Sekretärin des Zentralrates der FDJ und Vorsitzende der Pionierorganisation Ernst Thälmann. Mit 21 gehörte sie zu den jüngsten Mitgliedern des Deutschen Volkskongresses. Nach der Gründungsversammlung der DDR war sie ab 1949 Abgeordnete der Volkskammer der DDR.
Eine Bilderbuchkarriere begann, mit einer Ausnahme, ihre Liebe zu einem verheirateten Mann, was nach den Grundsätzen der sozialistischen Edikt und Moral nicht vereinbar war, mit einem Parteimitglied der SED. Und das kam so:
Die mittlerweile 22-jährige Margot fuhr in ihrer Funktion als gerade erst ernannte Vorsitzende der Pionierorganisation Ernst Thälmann im Dezember 1949 auf einer Reise der offiziellen DDR-Delegation nach Moskau. Anlass waren die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag des sowjetischen Machthabers Josef Stalin.
Der frisch verheiratete Vorsitzende der FDJ, Erich Honecker begann dort eine Affäre mit der wesentlich jüngeren FDJ-Funktionärin, die er schon seit 1946 aus ihrer Tätigkeit in der FDJ-Fraktion des Deutschen Volksrates und der Provisorischen Volkskammer kannte. Man versuchte diese Liaison geheim zuhalten.
Margot war verliebt in den etwas hölzern wirkenden Honecker. Doch es war eine verbotene Liebe, einer Liebe, die ihre Karriere fast schon beendet, bevor sie richtig begann. Denn Erich war bereits zum zweiten Mal verheiratet.
Seine erste Frau, Charlotte Schanuel, lernte Honecker während seiner Inhaftierung in Nazideutschland kennen. 1935 war der überzeugte Kommunist und Untergrundkurier wegen Hochverrats zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Ab 1943 war er einem Arbeitskommando zugeteilt, dass in Berlin Bombenschäden reparieren mussten, während dieser Zeit war Honecker zeitweilig in einem Frauengefängnis untergebracht. Dort traf er seine Zukünftige - eine Aufseherin. 1946 gaben sich die beiden das Ja-Wort. Aber bereits zwei Jahre später verstarb Charlotte Schanuel. Honecker musste sich wegen dieser Ehe später vor seinen Genossen rechtfertigen.
Honecker war noch verheiratet, als er im Sommer 1947 auf einer Moskau-Reise ein Verhältnis mit der um drei Jahre älteren Edith Baumann begann. Seit einer Reise in die Sowjetunion waren die beiden nicht nur beruflich, sonder auch privat ein Paar. In einem Interview erzählte Honecker 1990: "Ich war damals sehr anlehnungsbedürftig. Wir haben oft zusammen gesessen, auch bei ihr zu Hause in Mühlenbeck. Außerdem konnte sie flott Schreibmaschine schreiben." Honecker war zu der Zeit Vorsitzender der neugegründeten FDJ, Edith Baumann seine Stellvertreterin. Man wunderte sich über dieses ungleiche Paar. Honecker war ein junger hübscher Mann mit einer guten Figur, sie war eine ältlich wirkende Genossin. Für Edith Baumann war Honecker die große Liebe. Im Dezember 1949 wurde sie schwanger und die beiden heirateten. Die Moral und der Anstand der damaligen Zeit haben Honecker veranlasst, Edith Baumann zu heiraten, für Honecker war es keine Liebesheirat, sondern das war 'Pflicht geht vor Kür'.
Erich Honecker 1930
Noch im gleichen Monat, in dem Honecker Edith Baumann geheiratet hatte, fuhr Honecker als Mitglied einer DDR-Delegation nach Moskau, um Stalins 70. Geburtstag am 18. Dezember zu feiern. Und wie wir wissen, war auch Margot Feist, die jüngste Abgeordnete der Volkskammer der DDR, dabei.
"Margot hat mich erstmal fasziniert, weil sie ein hübsches junges Mädchen war", erinnerte sich Honecker später an ihre erste Begegnung. "Zweitens hat mich fasziniert, dass sie auch sehr aktiv tätig war in der Partei." Erich Honecker versuchte, die Affäre mit der um 15 Jahre jüngeren Margot Feist zu verheimlichen. Aber das gelang ihm nur wenige Wochen, denn fast jeden Abend fuhr er nach Dienstschluss direkt in die Wohnung seiner Geliebten.
Diese verbotene Liebe bringt Margot nicht nur den Hass ihrer Konkurrentin ein, sondern auch den Zorn vieler Genossen. Eine Geschichte voller Intrigen und Leidenschaft, auch Hoffnung und Verzweiflung.
Edith Baumann war aber keineswegs bereit, kampflos das Feld zu räumen. In ihrer Not schrieb sie sogar einen Brief an SED-Chef Walter Ulbricht: "Erich kommt nie vor 1:00 Uhr nachts nach Hause und phantasiert das wildeste Zeug ..." Sie forderte Ulbricht auf, ein Machtwort zu sprechen und die junge Nebenbuhlerin in die Provinz zu versetzen.
"Es wurde oft gesagt, dass sich Margot vor allem deshalb mit Erich eingelassen hatte, um auf diese Weise ihre Karriere zu fördern", weiß Ed Stuhler, der auch eine differenzierte Biografie über Margot Honecker vorlegte. "Aber das ist Unsinn, denn zu dieser Zeit war es für beide ein großes Risiko, so ein Verhältnis einzugehen." Und in der Tat verstieß die Affäre gegen die offiziellen Moralvorstellungen der Partei.
Edith Baumann
Doch kehren wir vorerst in das Jahr 1946 zurück, in das Jahr, wo Margot und Erich sich kennen lernen. Es war im März, als die FDJ, die Freie Deutsche Jugend, gegründet wurde. Der erste, nach dem Krieg entstandene gesamtdeutscher Jugendverband. Damals für viele eine Hoffnung. Auch für die damals 19jährige junge Frau aus Halle, die damals noch etwas schüchtern wirkte. Sie musste sich um ihren jüngeren Bruder kümmern und dem Vater den Haushalt führen. Dafür hatte keinen richtigen Beruf erlernen können, wie sie später in ihrem Lebenslauf schreibt.
Aber solche Leute waren wie Goldstaub, für die wieder entstandene KPD. Reine proletarische Herkunft, der Vater mit einer spezifischen kommunistischen Vergangenheit und dazu noch eine hübsche Frau, deren Äußeres dem Typus der damaligen Zeit entsprach. Das fesche Mädel, das praktisch zupackt, intelligent aufgeschlossen aber optimistisch in die Zukunft schaute, das war genau der Typ, welcher für die Kaderschmiede der Partei gebaucht wurde.
In der Saalestadt gehört Margot zu den FDJlern der ersten Stunde. Ihr Ressort ist die „Mädelarbeit“, wie es damals heißt. Zu den jungen Arbeiterinnen hatte sie einen guten Draht, wie es in ihrer Kaderakte heißt.
Man konnte sich mit ihr über alles unterhalten, sie war nicht nur äußerlich sondern auch vom Intellekt her attraktiv. Gemeinsam mit anderen FDJ-Mitgliedern strebte sie nach einen einheitlichen friedliebenden demokratischen Deutschland, von dem nie wieder ein Krieg ausgehen soll. Über anregende Diskussionen hinaus hat aber Margot auch berufliche Ambitionen auf dem Feld der Politik. Wie eingangs schon erwähnt, begann nur der Weg als Berufsfunktionärin.